1. Trotz Wegfall des Sachbescheides bleibt der Anspruchszinsenbescheid im Rechtsbestand 2. Ausscheiden der Sachbescheide aus dem Rechtsbestand bei Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide 3. Akzessorietät des Haftungsbescheides
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Müller-Dobler MBA MSc in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KMB Steuerberatung Krottendorfer & Partner GmbH, Hauptplatz 31-32, 2100 Korneuburg, über die Beschwerde vom gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2016, 2017 und 2018, jeweils vom sowie gegen den Haftungsbescheid aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen für die Jahre 2016 bis 2018 vom des Finanzamtes Österreich, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 261 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 BAO als gegenstandslos erklärt.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
Hinsichtlich der ausführlichen Darstellungen des Verfahrensgangs, des Sachverhaltes und der Beweiswürdigung wird auf das Erkenntnis RV/7103762/2022 vom verwiesen.
Mit Eingabe vom zog der Bf. die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Körperschaftsteuerbescheide 2016 bis 2018
§ 261 Abs. 2 BAO lautet:
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist gemäß § 307 Abs. 1 BAO unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren nach § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Das bedeutet für den Beschwerdefall:
Da mit dem Erkenntnis RV/7103762/2022 vom der Beschwerde gegen die die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheide entsprochen wurde, ist durch die Aufhebung der die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide das Verfahren gemäß § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurückgetreten, in der sie sich vor der Wiederaufnahme befunden haben.
Nach Aufhebung der Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahren gehören die angefochtenen Sachbescheide betreffend Körperschaftsteuer 2016 bis 2018 folglich nicht mehr dem Rechtsbestand an.
Die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2016, 2017 und 2018 vom ist daher gemäß § 261 Abs. 2 BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.
2. Haftungsbescheid 2016 bis 2018
§ 95 EStG 1988 in der im Beschwerdefall geltenden Fassung normiert:
(1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Der Abzugsverpflichtete (Abs. 2) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.
(2) Zum Abzug der Kapitalertragsteuer ist verpflichtet:
1. Bei inländischen Kapitalerträgen (§ 93 Abs. 2) der Schuldner der Kapitalerträge.
…
(3) Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. …
(4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach Abs. 1 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder
2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.
Rechtliche Beurteilung
Strittig ist, ob die Bf. zur Haftung der Kapitalertragsteuer gemäß § 95 EStG 1988 für die Jahre 2016 - 2018 herangezogen werden kann.
§ 95 Abs. 4 EStG 1988 regelt die Fälle der direkten Inanspruchnahme des Steuerschuldners (Empfänger der Kapitalerträge) für die Kapitalertragsteuer. Zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 EStG 1988 zählen auch die verdeckten Ausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 2 KStG 1988 (vgl. ). Somit sind bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung die Voraussetzungen des § 95 Abs. 4 EStG 1988 gegeben (vgl. und ). Solcherart liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (siehe , siehe auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11).
Beschwerdegegenständlich hat sich das Bundesfinanzgericht zunächst mit der Frage des Rechtsbestands des Haftungsbescheides auseinanderzusetzen, da mit Erkenntnis vom selben Tag unter der RV/7103762/2022 die die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide vom ersatzlos aufgehoben wurden und die Körperschaftsteuerbescheide vom somit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind.
Gemäß § 7 Abs. 1 BAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.
Unter einer Haftung versteht man im Abgabenrecht das Einstehenmüssen für eine fremde Schuld. Eine persönliche Haftung nach § 7 BAO setzt die Verwirklichung eines Sachverhaltes voraus, der einem gesetzlichen Haftungstatbestand entspricht. Persönliche Haftungen werden durch Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO geltend gemacht (-0011, Ritz, BAO6, TZ 1 zu § 7 und zu § 224).
Eine Haftung folgt aber der materiellen Akzessorietät und setzt daher voraus, dass eine Abgabenschuld nicht nur entstanden ist, sie darf auch noch nicht erloschen sein. (Ritz, BAO6, Tz 10 zu § 7; ; ). Folglich kann es aber zu keiner Haftung mehr kommen, wenn die Forderung, für die gehaftet werden soll, aus einem bestimmten Grund nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. ).
Da die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Körperschaftsteuerbescheide vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind, kann keine Haftung mehr geltend gemacht werden.
Die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid für die Jahre 2016 - 2018 richtet sich somit gegen Bescheide, die sich nicht mehr im Rechtsbestand befinden, weswegen die Beschwerde gemäß § 261 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 BAO als gegenstandslos zu erklären ist.
Insgesamt war daher als spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zu Spruchpunkt II. (Zur Zulässigkeit der Revision)
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2.1. Zur Körperschaftsteuer: Die Verpflichtung zur beschlussmäßigen Gegenstandsloserklärung der gegen die Sachbescheide gerichteten Beschwerde ergibt sich unmittelbar aus § 262 Abs. 2 weil aus diesem Grund eine Revision nicht zulässig ist.
2.2. Zum Haftungsbescheid: Eine derartige Rechtslage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da das Erkenntnis direkt auf den gesetzlichen Bestimmungen der BAO basiert.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 205 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 8 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 7 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 95 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | UFS, RV/0402-G/09 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102100.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at