Keine Vorsteuererstattung für Umsätze, die befreit hätten werden können
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum 11-12/2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit elektronischem Erstattungsantrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Erstattung von Vorsteuern in der Höhe von 268,81 € für den Bezug von Baumaterialien. Das Vorhalteverfahren vor Erlassung des angefochtenen Bescheides verlief offenbar ergebnislos, weshalb es zur vollinhaltlichen Abweisung des Erstattungsantrages kam.
In ihrer überreichten Beschwerde beantragte die Bf. die nochmalige Überprüfung ihres Erstattungsbegehrens und schloss die entsprechenden Rechnungen abschriftlich bei. In der weiteren Folge erklärte die Bf. durch ihren steuerlichen Vertreter, die Ware sei in Österreich gekauft und für Renovierungsarbeiten an einem Objekt in Deutschland verwendet worden.
In der daraufhin erlassenen Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde aus, es handle sich um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen im Abholfall. Eine Vorsteuererstattung sei ausgeschlossen und die Rechnungen seien vom Rechnungsaussteller zu korrigieren.
In ihrem Vorlageantrag wandte die Bf. ein, es sei ihr trotz längerer telefonischer Kontaktaufnahmen mit der österreichischen Lieferantin nicht gelungen, die von der belangten Behörde vorgeschlagene Rechnungsberichtigung zu erreichen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. bezog inländische Lieferungen von Gegenständen aus Österreich, die als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln gewesen wären, wenn die Bf. unter Vorlage ihrer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten wäre. Die Ware wurde nach Deutschland verbracht und auf einer dortigen Baustelle verwendet. Die vorgelegten Barkassenrechnungen der liefernden Unternehmen weisen die Umsatzsteuer offen wie bei einem normalen Inlandsumsatz aus.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist als unstrittig zu bezeichnen und ergibt sich aus den vorgelegten Rechnungsdokumenten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ausgeführt hat.
...
§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer)
Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.
Nach Art. 6 Abs. 1 UStG 1988 sind steuerfrei die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7).
Art. 7 UStG 1988 Innergemeinschaftliche Lieferungen
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
....
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994).
Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach dem UStG für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994).
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Die (EU-Vorsteuererstattungs-RL) gilt nicht für:
a) nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b) in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können (Artikel 4 der RL des Rates vom , RL 2008/9/EG; vgl. dazu auch , Rn 20).
Es ist den Ausführungen der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Vorsteuererstattungsverordnung VO Nr. 279/1995 idgF nicht anwendbar ist auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 6 iVm Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, wenn die gelieferten Gegenstände vom Erwerber oder für dessen Rechnung versandt oder befördert werden (Art. 171 Abs. 3 MwSt-RL 2006/112/EG iVm der 8. und der 13.RL bzw. Art. 4 RL 2008/9/EG mit Wirksamkeit ab ).
Für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung.
Das bedeutet, dass sowohl bei Ausfuhren als auch bei igL, bei denen der Verkäufer die Waren an den Abnehmer liefert bzw. versendet, eine Erstattung von diesbezüglich in Rechnung gestellter Umsatzsteuer nicht vorgenommen werden kann, wenn die Lieferungen tatsächlich steuerfrei sind oder steuerfrei sein können.
Es ist demnach zu prüfen, ob trotz der Inrechnungstellung der Umsatzsteuer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen oder nachträglich erbracht werden können.
Insofern ist auch ein strenger Maßstab im Vorsteuererstattungsverfahren anzulegen, da eine allfällige Berichtigung der vorgelegten Rechnungen bedeuten würde, dass die Umsatzsteuer doppelt erstattet wird.
Zudem hat es der Unternehmer zum Zeitpunkt des Einkaufs in der Hand, durch Auftreten unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer offenzulegen, dass er den Gegenstand für Zwecke seines Unternehmens erwirbt. Durch Aufnahme der igL in die Zusammenfassende Meldung seitens des Lieferers wird der Vorgang auch entsprechend im MIAS (Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem) erfasst und der entsprechende innergemeinschaftliche Erwerb im Unternehmensstaat sichergestellt. Bei solcherart gelagerten Fällen muss sich daher der Leistungsempfänger zunächst um eine Rechnungsberichtigung beim Rechnungsaussteller bemühen (vgl. Melhardt, ÖStZ 2009, 331), da ansonsten die Gefahr besteht, dass sowohl die Rechnung nachträglich berichtigt und die Vorsteuer (ein weiteres Mal) im Vorsteuererstattungsverfahren vergütet wird.
§ 12 UStG 1994 ist auch innerstaatlich einschränkend zu interpretieren.
In richtlinienkonformer Interpretation ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist ( und unter Hinweis auf , "Genius Holding"; , Rn 25: dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer).
Für alle fälschlich in Rechnung gestellten Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt daher das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung (so schon -G/12 und ; ; RV 2100342/2016; ; ; ; ; ).
Hinsichtlich des Erwerbes der beschwerdegegenständlichen Baumaterialien ist davon auszugehen, dass diese im Zuge der Lieferung nach Deutschland gebracht wurde, dort für das Unternehmen der Bf. angeschafft wurde und der Vorgang in Deutschland grundsätzlich erwerbsteuerpflichtig ist.
Dies geht auch aus den Ausführungen der Bf. hervor, dass die Gegenstände für ihr Unternehmen in Deutschland Verwendung fanden.
Damit wurde in der Rechnung die österreichische Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen. Im beschwerdegegenständlichen Fall hätte es die Bf. in der Hand gehabt, zum Zeitpunkt des Einkaufs unter ihrer UID-Nummer aufzutreten (nach der Aktenlage verfügt sie über eine DE-UID-Nummer), und damit zu erkennen zu geben, dass sie die Waren für ihr Unternehmen erwirbt und dem Lieferer wäre die Ausstellung unter Hinweis auf die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen möglich gewesen.
Somit erscheint es nicht gerechtfertigt, die Vorsteuererstattung entgegen der Vorgaben des Unionsrechtes zuzulassen.
Wenn nun die Bf. dem Lieferer ihre UID-Nummer nicht vor Ausstellung der Rechnung vorgelegt hatte, konnte dieser davon ausgehen, dass sie entweder eine private Abnehmerin ist, die Erwerbsschwelle in Deutschland nicht überschreitet bzw. keinen Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle in Deutschland abgegeben hat, weshalb dieser die Umsatzsteuer zunächst auch zu Recht in Rechnung gestellt hatte. Keine dieser Konstellationen berechtigt allerdings zum Vorsteuerabzug (vgl. -G/12).
Grundsätzlich kann daher lediglich eine Korrektur der Rechnung zur Entlastung des Bf. führen. Die bloße Weigerung der Rechnungsausstellerin den Umsatz nachträglich als steuerbefreiten Umsatz zu qualifizieren, ist hier nicht weiter von Belang. Da die Lieferung im Beschwerdefall als innergemeinschaftliche Lieferung von der Steuer befreit werden kann, ist eine Erstattung dieser insoweit zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes () nicht zulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 Art. 7 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 138 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 171 Abs. 3 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 |
Verweise | -G/12 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100240.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at