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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.06.2023, RV/7102871/2022

Bestandvertrag auf bestimmte Dauer mit zweimaliger Kündigungsmöglichkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den endgültigen Bescheid gemäß § 200 Abs. 2 BAO des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebühren gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957, ***3***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Mietvertrag vom vermietete die ***4*** an die Beschwerdeführerin (Bf), ***5***, Geschäfts- und Lagerflächen im Haus ***6*** (§ 1, 1.1). Laut § 1, 1.2. wurde das gesamte Gebäude ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem erteilten Baubewilligung errichtet, weshalb das Mietrechtsgesetz gemäß § 1 Abs. 4 Z 1 MRG teilweise, insbesondere hinsichtlich des Kündigungsschutzes, anzuwenden sei. Gemäß § 2 des Vertrages beginnt das Mietverhältnis am und wird auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen (Ende des Mietverhältnisses: ). Der Mieter hat 2 Möglichkeiten den Vertrag vorzeitig aufzulösen (Punkt 2.1.) und zwar zum (Die Vermieterin muss ein schriftliches Kündigungsschreiben bis erhalten) und zum (Kündigungsschreiben bis ). Eine Teilauflösung wird einvernehmlich ausgeschlossen (Punkt 2.2.). Der Mieter verzichtet auf eine Auflösung dieses Mietvertrages gemäß § 1120 ABGB, sohin für den Fall, dass das Eigentum am Mietgegenstand auf Rechtsnachfolger der Vermieterin übergeht, sofern der Rechtsnachfolger der Vermieterin in alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eintritt, sei es von Gesetzes wegen oder durch Vertragsübernahme oder aus einem sonstigen Rechtsgrund. Nach § 11, Punkt II.2., des Vertrages bleiben allfällige weitere der Vermieterin aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zukommende Kündigungs- oder Auflösungsgründe (wie insbesondere die im § 30 Abs. (2) MRG genannten Kündigungsgründe oder die vorzeitigen Auflösungsgründe des § 1118 ABGB) von diesem §§ II sowie von einer allfälligen Befristung des Vertrages oder einem allfälligen Kündigungsverzicht der Vermieterin unberührt.

Mit Bescheid vom wurde die Gebühr in Höhe von 159.270,48 Euro gemäß § 200 Abs. 1 BAO für die Dauer von 10 Jahren vorläufig vorgeschrieben, da die in Vertragspunkt 3.1.1. vereinbarte Leistung (Umsatzmiete) zum Zeitpunkt der Festsetzung (noch) nicht ermittelbar war. Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 299 Abs. 1 Bundesabgabenordnung gestellt, da ein uneingeschränktes Kündigungsrecht des Mieters vorliege. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom mangels Rechtwidrigkeit des Inhaltes des Bescheides vom abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.

Mit Bescheid vom erging die endgültige Festsetzung der Gebühr, welche eine Nachforderung in Höhe von 670,68 Euro ergab. Das Finanzamt begründete:

"Bemessungsgrundlage :

ZR 07/20-06/22 Mietzins inklBK und USt€ 87.269,40 x 24 = € 2.094.465,60
ZR 07/22-06/24 Mietzins inklBK und USt€ 134.789,40 x24 = € 3.234.945,60
ZR 07/24-06/28 Mietzins inklBK und USt€ 145.589,40 x48 = € 6.988.291,20
ZR 07/28-06/30 Mietzins inkl BK und USt€ 150.389,40 x24 = € 3.609.345,60
Versicherungsprämie (§ 10 d. Vertrages)jährl. € 6.706,80 x 10 = € 67,068,00
Umsatzmiete ist keine angefallen, da die Umsatzgrenzen nicht erreicht wurden, somit endgültige Bemessungsgrundlage insgesamt € 15.994.116,00
Ein Vertrag auf bestimmte Dauer, bei dem ein Kündigungsrecht nur für einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle vorgesehen ist, bleibt gebührenrechtlich ein Vertrag auf bestimmte Dauer (Rz 688 - GebRL). Der vorliegende Mietvertrag ist auf die
Dauer von 10 Jahren abgeschlossen. DieMieterin hat das Recht den Vertrag mit Ablauf des ersten und mit Ablauf deszweiten Jahres zu kündigen. Bei der im gegenständlichen Fall vereinbartenzweimaligen Kündigungsmöglichkeit der Mieterin kann aber nicht von einerschrankenlosen Kündigungsmöglichkeit gesprochen werden. Durch die der Mieterin zur Verfügung stehende Kündigungsklausel wurde eine auflösende Potestativbedingung geschaffen. Diese Bedingung hat gemäß § 17 Abs. 4 GebG unbeachtlichzu bleiben. Daher ist der gegenständliche Mietvertrag gebührenrechtlich alsVertrag auf bestimmte Dauer zu werten."

Dagegen wurde Beschwerde eingebracht. Die Bf. beantragt, die Gebühr für den betreffenden Mietvertrag vom 3fachen Jahreswert anstatt vom 10fachen Jahreswert zu bemessen und die Gebühr mit 37.320,59 EUR festzusetzen.

Die Bf. wendet ein, das Finanzamt führe in der Begründung aus, dass nicht von einer schrankenlosen Kündigungsmöglichkeit gesprochen werden könne, weil im gegenständlichen Fall (nur) eine zweimalige Kündigungsmöglichkeit mit Ablauf des ersten und des zweiten Jahres vereinbart worden sei. Diese Aussage der Finanzverwaltung werde auch durch das VwGH-Erkenntnis vom , 2006/16/0072 gestützt.

Der konkrete Mietvertrag unterscheide sich aber wesentlich von dem Sachverhalt der diesem VwGH-Erkenntnis zugrunde gelegen sei. Beim konkreten Mietvertrag sei bereits bei Vertragsabschluss im Vertrag vorgesehen und davon auszugehen gewesen, dass der Mietvertrag nach dem zweiten Jahr durch die Mieterin aufgelöst werde.

Dies ergebe sich unter anderem bereits direkt aus der in Punkt 3.1.1. des Vertrags angeführten Miethöhe die sich nach den ersten zwei Jahren "von EUR 59.400 um 67% (!) auf EUR 99.000" erhöht hätte. Dementsprechend sei der Mietvertrag, wie im Vertrag vorgesehen, vom Mieter mit Schreiben vom April 2021 per , dh wie oben dargestellt nach den ersten 2 Jahren, auch tatsächlich aufgelöst und das Mietobjekt per an den Vermieter zurückgestellt worden.

Es seien im konkreten Fall somit auch keine weiteren Kündigungstermine (zB nach dem 3 Jahr, 4 Jahr) usw. vertraglich notwendig gewesen, weil ohnehin schon die Kündigung nach dem zweiten Jahr vorgesehen gewesen sei. Das Fehlen weitere Kündigungstermine spreche daher im konkreten Fall nicht gegen ein "schrankenloses Kündigungsrecht", im Gegenteil es seien auf Grund der vorgesehenen (und tatsächlich erfolgten) Kündigung nach dem zweiten Jahr keine weiteren Termine notwendig gewesen.

Es sei daher im konkreten Fall bereits im Vertrag dokumentiert, dass bereits bei Vertragsabschluss keine fixe Dauer von 10 Jahren vorgesehen gewesen sei und dass die Mieterin gerade nicht für 10 Jahre gebunden sein wollte. Aus diesem Grund liege auch keine Potestativbedingung vor. Es liege daher ein Mietvertrag auf unbestimmte Dauer vor und sei daher die Gebühr lediglich vom dreifachen Jahreswert zu bemessen.

Weiters stellt die Bf. den Antrag gemäß § 262 (2) BAO auf Direktvorlage an das BFG.

Mit Schriftsatz vom übermittelte die Berichterstatterin dem Parteienvertreter (PV) den Sachverhalt und die vorläufige rechtliche Würdigung zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme.

Nach erfolgter Fristverlängerung wurde die Stellungnahme vom eingebracht.

Der PV führt aus, der konkrete Sachverhalt sei ähnlich wie der Sachverhalt, der dem VwGH-Erkenntnis vom , 2006/16/0072 zu Grunde gelegen sei, dennoch unterscheide sich dieser aber in einem wesentlichen Punkt.

Nach dem VwGH könne bei einer einmaligen Kündigungsmöglichkeit von einem schrankenlosen Kündigungsrecht der Beschwerdeführerin keine Rede sein. Hier wäre ein wesentlicher Unterschied zum konkret zu beurteilenden Mietvertrag zu sehen. Der konkret zu beurteilende Mietvertrag sehe keine einmalige Kündigungsmöglichkeit vor, sondern es sei eine Kündigungsmöglichkeit nach dem ersten Jahr und nach dem zweiten Jahr vorgesehen.

Nach Einschätzung der Bf liege, unter Berücksichtigung der unten noch dargestellten Umstände und Überlegungen im Sinne einer Gesamtbetrachtung keine unbeachtliche (einmalige) Bedingung mehr vor, sondern sei eine solche Situation als schrankenloses Kündigungsrecht anzusehen. Die Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Kündigungsrechte sei bereits bei Vertragsabschluss äußert hoch gewesen. Der PV schildert die wirtschaftlichen Hintergründe zum besseren Verständnis der Gesamtsituation, obwohl man sich der im Gebührengesetz gebotenen formalrechtlichen Beurteilung bewusst sei.

Die ***9*** habe bereits bei Abschluss des gegenständlichen Mietvertrages beabsichtigt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von diesen Kündigungsmöglichkeiten (nach dem ersten oder spätestens nach dem zweiten Jahr) Gebrauch zu machen, da die ***9*** bereits die Anmietung eines anderen Geschäftslokals plante und vorbereitete und der gegenständliche Mietvertag lediglich als kurzfristige "Übergangslösung" gedient habe. Diesen Plänen entsprechend habe die ***9*** nachfolgend ab Juli 2022 Geschäftsflächen in der ***7*** angemietet und plangemäß die Geschäftsflächen in der ***8*** per Ende Juni 2022 verlassen. Aus diesem Grund (geplante Ausübung der Kündigungsrechte nach dem ersten oder spätestens zweiten Jahr) wären aus Sicht der Mieterin auch keine weiteren nachfolgenden Kündigungsmöglichkeiten zB nach dem dritten, vierten, fünften usw. Jahr mehr erforderlich gewesen.

Der Abschluss eines "offiziellen" Mietvertrages auf 10 Jahre sei auf Wunsch des Vermieters erfolgt, weil dieser dann (konzern-)intern diesen Vertragsabschluss besser habe argumentieren können. Ein Mietvertrag nur für eine kurze Dauer von zB 2-3 Jahren zu diesen Konditionen wäre in den Konzerngremien des Vermieters auf mehr Widerstand gestoßen. Die ***9*** als Mieterin hatte damit auch kein Problem, auf Grund der eingeräumten schrankenlosen und nicht an irgendwelche Bedingungen, Umstände oder Gründe geknüpften Kündigungsrechte.

Nach ihrer Einschätzung kämen diese wirtschaftlichen Überlegungen auch ausreichend verankert im Inhalt des Mietvertrages zum Ausdruck (zB durch die uneingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten nach dem ersten und zweiten Jahr, die Erhöhung der Miete ab dem 3. Jahr um 67% uvm), sodass auch bei einer formalrechtlichen Beurteilung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung diese Hintergründe berücksichtigt werden könnten.

Im konkreten Fall lägen nach ihrer Einschätzung keine solchen ausnahmsweise bestehenden Kündigungsmöglichkeiten vor, sondern, wie oben dargestellt, sei bereits bei der Vertragserrichtung von der Ausübung der Kündigungsrechte durch die Mieterin als Regelfall auszugehen gewesen.

Der Sachverhalt und die vertraglichen Regelungen seien unbestritten, jedoch seien bei der Beurteilung nicht die Bezeichnung des Vertrages, sondern der gesamte Vertragsinhalt maßgeblich. Relevant sei der beurkundete Inhalt des Rechtsgeschäftes, wobei der Urkundeninhalt in einer Gesamtschau aller in der Urkunde enthaltenen Bestimmungen zu ermitteln sei. Nach ihrer Einschätzung käme in einer Gesamtschau in der Regelung des Vertrages ausreichend zum Ausdruck, dass die Mieterin nicht auf 10 Jahre an den Vertrag gebunden sein wollte, sondern über ausreichende vertraglich vereinbarte Kündigungsrechte bzw. Kündigungsmöglichkeiten verfüge.

Da nicht nur ein einmaliges Kündigungsrecht eingeräumt worden sei, liege auch keine unbeachtliche Potestativbedingung vor, sondern es könne von einem schrankenlosen Kündigungsrecht ausgegangen werden, das nach freier Entscheidung ohne an bestimmte Gründe oder Umstände gebunden zu sein ausgeübt werden konnte und letztlich plangemäß auch ausgeübt worden sei.

II. Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege übermittelten Aktenteile des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten.

III. Rechtslage und Erwägungen

1.Rechtsgrundlagen

§ 17 Abs. 1 GebG lautet: Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

§ 17 Abs. 2 GebG lautet: Wenn aus der Urkunde die Art und Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

§ 17 Abs. 5 GebG lautet:Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf.

§ 33 TP 5 Abs. 1 GebG lautet: Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert 1. im Allgemeinen 1 v.H. ….

§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG lautet: Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

2.Zu den Kündigungsgründen

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass zwischen den Vertragsparteien ein Bestandvertrag iSd §§ 1090 ff ABGB abgeschlossen wurde, welcher nach § 33 TP 5 Abs. 1 GebG der Gebühr unterliegt. Ebenso unstrittig ist die Höhe des durchschnittlichen jährlichen Entgelts samt Nebenkosten. Strittig ist lediglich die Vertragsdauer, nämlich ob der gegenständliche Mietvertrag auf bestimmte Dauer ("befristet" auf 10 Jahre, wie in § 2 des Vertrages festgehalten) oder auf unbestimmte Zeit (nach der Rechtsansicht der Bf) abgeschlossen worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages (etwa als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen), sondern der gesamte Vertragsinhalt maßgeblich (; ).

Ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist gebührenrechtlich als solcher auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (; GebR 2019 Rz 686).

Bei einem nur einseitigen Kündigungsverzicht bleibt der Vertrag nur dann ein solcher auf unbestimmte Dauer, wenn der andere Vertragsteil den Vertrag jederzeit durch Kündigung auflösen kann (GebR 2019 Rz 691).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte Zeit und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht im Wege steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (; ; ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten dar, sodass in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist (; ; ).

Das Bundesfinanzgericht hat sich erst jüngst mehrfach mit Bestandverträgen beschäftigt, in denen Vertragsparteien zwar die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG vereinbart haben, sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen bzw. aus dem Gegenstand des konkreten Bestandvertrages ergibt, dass von den in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründen nur einzelne Kündigungsgründe überhaupt in Betracht kommen können. Verträge, bei denen nur einzelne der in § 30 Abs. 2 MRG aufgezählten Kündigungsgründe verbleiben, wurden als Bestandverträge auf bestimmte Zeit beurteilt. Siehe dazu ua. die folgenden Erkenntnisse:

, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , .

Die gegen die Entscheidungen , sowie , RV/7103228/2019 eingebrachten außerordentlichen Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof ebenso zurückgewiesen (siehe , sowie ) wie die gegen eingebracht ordentliche Revision (siehe ). Auch der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen die Entscheidung eingebrachten Beschwerde abgelehnt (vgl. und E 1740/2017).

Hingegen kommt dem Umstand, dass die Auflösung eines Mietvertrages wegen der in den §§ 1112, 1117 und 1118 ABGB normierten Gründen nicht ausgeschlossen wurde, kein Gewicht in der Frage der Bindung der Vertragsparteien auf bestimmte Zeit zu ( und ).

Ausnahmsweise bestehende Kündigungsmöglichkeiten vermögen die grundsätzliche Bindung einer Vertragspartei an ein nach dem Vertragsinhalt auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis nicht aufzuheben ().

Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann, (vgl. , mwN), wobei diese Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht im Nachhinein beurteilt werden muss.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages (etwa als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen), sondern der gesamte Vertragsinhalt maßgeblich (). Relevant ist der beurkundete Inhalt des Rechtsgeschäftes, wobei der Urkundeninhalt in einer Gesamtschau aller in der Urkunde enthaltenen Bestimmungen zu ermitteln ist (vgl. ; ). Die Bemessungsgrundlage der Rechtsgeschäftsgebühr für Bestandverträge setzt sich aus dem Entgelt und der Bestanddauer zusammen.

Der gegenständliche Mietvertrag enthält in § 1 Punkt 2.1. die ausdrückliche Regelung, dass das Mietverhältnis am beginnt und auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen wird (Ende des Mietverhältnisses: ).

Die Mieterin hat weiters die Option, das Bestandverhältnis zwei Mal vorzeitig aufzulösen, nämlich zum und zum . Die Vermieterin muss jeweils spätestens 6 Monate vorher ein schriftliches Kündigungsschreiben erhalten. Spricht die Bf. die Kündigung nicht zu einem dieser definierten Termine aus, bleibt sie für weitere Jahre an den Vertrag gebunden. Diese eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten sind als auflösende Potestativbedingungen zu sehen, die gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 2. Satz GebG bzw. § 17 Abs. 4 GebG für die Gebührenermittlung unbeachtlich sind ( und jüngst ).

In § 3 des Vertrages ist der Mietzins geregelt, welcher sich aus einer Basismiete und einer Umsatzmiete zusammensetzt. Nach den ersten zwei Jahren entfällt die Umsatzmiete. Ab ist die Basismiete ansteigend gestaffelt bis zum .

Der Mieter verzichtet auf eine Auflösung sohin für den Fall, dass das Eigentum am Mietgegenstand auf Rechtsnachfolger der Vermieterin übergeht, soferne der Rechtsnachfolger der Vermieterin in alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eintritt.

Betrachtet man nun die Vertragsbestimmungen in ihrer Zusammenschau ergibt sich das Bild, dass sich die Vertragsparteien für 10 Jahre an den Vertrag binden und nur ausnahmsweise in den ersten zwei Jahren eine Kündigungsmöglichkeit zulassen wollten. Auch die Bestimmung der Höhe des jeweiligen Mietzinses erfolgte bis 2030. Dass sich die Miete nach Ablauf von zwei Jahren erhöht kann nicht als Ende der Vertragslaufzeit interpretiert werden, davon abgesehen, dass sich zwar einerseits die Grundmiete erhöht aber andererseits keine umsatzabhängige Miete mehr anfällt. Ebenso spricht der Kündigungsverzicht im Falle einer Rechtsnachfolge im Bereich der Vermieterin für den Bindungswillen. Dem Vorbringen, dass laut Vertrag bereits bei Vertragsabschluss vorgesehen gewesen sei, diesen nach zwei Jahren zu kündigen kann demnach nicht gefolgt werden, sowie das Argument, es wäre für die Vermieterin schwieriger gewesen, einen Vertrag mit kürzerer Laufzeit durch die Konzerngremien zu bringen, nicht zu einer abweichenden gebührenrechtlichen Beurteilung führen kann.

Wie bereits ausgeführt bleibt für den Fall, dass die Vertragsdauer bestimmt ist, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht wird, dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht (vgl. § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG).

Schließlich ist gemäß § 17 Abs. 5 GebG bei der Bestandvertragsgebühr hinsichtlich des Kriteriums der "Dauer" die Gebühr ausgehend von der ausdrücklich rechtsgeschäftlich vereinbarten Dauer und nicht ausgehend von der tatsächlichen Dauer zu entrichten. Daher ist es im vorliegenden Fall unmaßgeblich, dass das Bestandobjekt nach zwei Jahren zurückgestellt worden ist. Es ist für das Entstehen der Gebührenschuld grundsätzlich unerheblich, wie lange die Mieterin das Objekt benützt hat bzw. ob sie es überhaupt benützt hat. (z.B. ; ; ; ; Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I Stempel- und Rechtsgebühren § 33 TP 5 Rz 122).

Dass die Vertragsparteien nicht für die vereinbarte Zeit an den Vertrag gebunden sein wollten, kann dem Vertrag nicht entnommen werden. Die vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten sind ebenfalls nicht von so umfassender Natur, dass von einem schrankenlosen Kündigungsrecht gesprochen werden kann.

Dem Finanzamt ist daher in seiner Beurteilung zu folgen, dass es sich gegenständlich um einen Vertrag auf bestimmte Dauer, handelt.

Die Beschwerde war nach dem oben Gesagten als unbegründet abzuweisen.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In gegenständlichem Fall ist die ordentliche Revision nicht zulässig, weil durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, dass die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als auf bestimmte Zeit abgeschlossenem, nicht entgegensteht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (vgl. ua. ; ). Die Gewichtung und Wahrscheinlichkeit der Realisierung der hier im konkreten Einzelfall vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe ist eine Tatfrage.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
GebR 2019, Gebührenrichtlinien 2019 Rz 686

GebR 2019, Gebührenrichtlinien 2019 Rz 691




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102871.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at