Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.07.2023, RV/1100322/2020

Nichtanwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung im Falle der Vermietung einer Wohnung durch einen im Ausland ansässigen Vermieter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch die ***A*** Steuerberatung GmbH & Co KG, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2017, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. In der elektronisch übermittelten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 gab der in der Schweiz ansässige Beschwerdeführer den aus der Vermietung einer im Inland gelegenen Wohnung erzielten Gesamtbetrag der Umsätze mit 0,00 € an, wobei er die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in Anspruch nahm.

2. Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens behandelte das Finanzamt die Umsätze aus der Vermietung der Wohnung im Umsatzsteuerbescheid 2017 als umsatzsteuerpflichtig. Die Kleinunternehmerregelung sei für Unternehmer anwendbar, die ihr Unternehmen im Inland betrieben und deren Umsätze im Veranlagungszeitraum 30.000,00 € nicht überschritten. Dabei sei ab dem Jahre 2017 auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit abzustellen. Dieser sei an jenem Ort gelegen, an welchem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen würden. Die in Bezug auf die Vermietungstätigkeit als wesentlich anzusehenden Entscheidungen (Beginn, Dauer, Ende der Vermietungstätigkeit, Betrauung einer Immobilienverwaltungsfirma mit Dienstleistungstätigkeiten, Umfang einer allfälligen Bevollmächtigung etc.) würden am Wohnort in der Schweiz getroffen und stehe daher die Befreiung nicht zu.

3. Dagegen erhob die steuerliche Vertretung Beschwerde. Zum einen sei nicht ersichtlich, welche Kriterien die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren für die Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit als wesentlich erachte, da nur allgemeine Kriterien angeführt worden seien, ohne dabei auf das gegenständliche Verfahren Bezug zu nehmen. Zudem habe das Finanzamt Sachverhaltsannahmen getroffen, ohne diese zu ermitteln. In der Beantwortung des Ergänzungsersuchens habe der Beschwerdeführer detailliert ausgeführt, wie die Kleinunternehmerbefreiung auszulegen sei und welcher Sachverhalt vorliege.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 117/2016, sei die Kleinunternehmerregelung insoweit geändert worden, als nicht mehr auf den Wohnsitz oder Sitz im Inland, sondern darauf abgestellt werde, ob das Unternehmen im Inland betrieben werde. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollten mit der Novellierung die unionsrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden. Der Judikatur sei zu entnehmen, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Vermietung an jenem Ort liege, von dem aus die Vermietungstätigkeit verwaltet werde, die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt und aufbewahrt würden, die Bankgeschäfte wahrgenommen und die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen würden. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liege demnach an dem Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen würden (wie zB Duldung der Nutzung, Übergabe des Mietobjekts an den Mieter). Unstrittig sei, dass der Beschwerdeführer das Mietobjekt dem Mieter am Standort in ***B*** übergeben habe und die Duldung der Nutzung am Objektstandort erfolge. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Mietvertrag in Österreich abgeschlossen worden sei, die Zahlungen (Einnahmen und Ausgaben) über ein Konto eines österreichischen Kreditinstituts liefen, die Aufzeichnungen sowie die Steuererklärungen in Österreich erstellt und unterzeichnet würden und die Suche nach Mietern über Anzeigen in österreichischen Medien erfolge. Die unternehmerische Entscheidung, ob ein Bewerber als Mieter in Frage komme, werde de facto bei der Erstbegehung des Mietobjekts getroffen. Ebenso erfolge die Schlüsselübergabe mit dem Übernahmeprotokoll in ***B***. In der Schweiz befinde sich lediglich der Wohnsitz des Beschwerdeführers. Nur aufgrund des Wohnsitzes in der Schweiz, könne nicht davon ausgegangen werden, dass dort ein fester Bezugspunkt für die wirtschaftliche Tätigkeit bestünde und könne sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit daher nicht dort befinden.

Nach Ansicht von Beiser (, und SWK 20-21/2017, 939) betreibe der Vermieter sein Unternehmen insoweit am Ort des vermieteten Grundstücks. Das vermietete Grundstück bilde das Kernelement und somit den "Sitz" der entfalteten Vermietungstätigkeit. Immobilien als Kernelement der Leistungserstellung seien gleichzeitig auch "feste Niederlassungen, von wo aus die Umsätze bewirkt" würden. Am Ort des vermieteten Grundstücks fielen daher der "Sitz" der Vermietungstätigkeit sowie die "feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt" werden, zusammen. Grundstücksvermieter würden ihr Unternehmen daher insoweit am Grundstücksort betreiben. Auch die deutsche Finanzverwaltung gehe davon aus, dass Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besässen und steuerpflichtig vermieteten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln seien. Eine ähnliche Aussage im Zusammenhang mit dem Übergang der Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 UStG 1994 finde sich in den UStR 2000, Rz 2601b. Gleiches solle nach den UStR 2000 Rz 2836 für die Vorsteuererstattung gelten. Eine unterschiedliche Behandlung für Zwecke des Reverse-Charge-Systems und der Vorsteuererstattung einerseits und für Zwecke der Kleinunternehmerregelung andererseits sei inkonsistent und vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlauts sowie der unionsrechtlichen Regelung nicht zu rechtfertigen.

4. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Dem Grunde nach befinde sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit an jenem Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen würden. Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL verbiete die Anwendung der Begünstigung für Kleinunternehmer im Zusammenhang mit der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig sei, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet werde. In diesem Sinne habe das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/1100806/2015, entschieden, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung grundsätzlich nicht dort getroffen würden, wo das vermietete Objekt gelegen sei, sondern dort, wo der Unternehmer ansässig sei. Die diesbezüglich aktuelle Fassung nach dem AbgÄG 2016 stelle darauf ab, dass der Unternehmer im Inland sein (Gesamt-)Unternehmen betreibe. Mit der durch das AbgÄG 2016 erfolgten Anpassung sei den Vorgaben des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL entsprochen worden. Hinsichtlich der Frage, ob ein vermietender Unternehmer in Österreich oder im Ausland ansässig sei, sei darauf hinzuweisen, dass der Unternehmer für sein Gesamtunternehmen nur einen einzigen Ort der Ansässigkeit haben könne und dies der (einzige) Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit sei. Dies sei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur Leitung des (gesamten) Unternehmens getroffen würden. Der Ort, an dem die vermietete Wohnung liege, sei in der Regel nicht von entscheidender Bedeutung, könne doch ein Unternehmer, der beispielsweise drei Mietwohnungen an drei verschiedenen Orten vermiete, nicht an drei Orten ansässig sein (Hinweis auf Zorn, RdW 2019/158, und die dort angeführten Verweise). Ebenso habe der EuGH die Überlegung, den Eigentümer einer Immobilie als "ansässigen Steuerpflichtigen" zu betrachten, auch wenn er diese Immobilie nicht selbst als Wohnung nutzte, verworfen und festgestellt, der Umstand, dass die "Kleinunternehmerin ihre einzigen steuerpflichtigen Umsätze mit der Vermietung ihrer Wohnung erziele, bedeutet nicht, dass die österreichischen Behörden davon ausgehen könnten, dass die Kleinunternehmerin in Österreich ansässig ist" (, Schmelz). Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit befinde sich somit in der Schweiz, da grundsätzliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der in Österreich vermieteten Wohnung zweifelsohne vom Ansässigkeitsort in der Schweiz aus getroffen würden und der Beschwerdeführer zu diesem Zweck nicht extra nach Österreich fahre.

5. Mit Vorlageantrag wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Das Finanzamt berufe sich auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100806/2015, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/15/0034. Beide Erkenntnisse seien jedoch zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2016 ergangen. Dass der Beschwerdeführer die im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100806/2015, angeführten Entscheidungen getroffen habe, sei klar, da der Beschwerdeführer auch der Unternehmer sei. Das Bundesfinanzgericht habe es aber unterlassen, darauf einzugehen, an welchem Ort diese Entscheidungen getroffen worden seien. Genau darauf ziele jedoch die unionsrechtliche Bestimmung ab, auf die sich die belangte Behörde unter anderem bezogen habe.

II. Sachverhalt

Der in der Schweiz wohnhafte und dort ansässige Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Wohnung in ***B***, die er im Streitjahr vermietet hat, wobei der Mietvertrag in Österreich abgeschlossen wurde, die Zahlungen (Einnahmen und Ausgaben) über ein Konto eines österreichischen Kreditinstituts erfolgen, die Aufzeichnungen und die Steuererklärungen in Österreich erstellt und unterzeichnet werden, die Suche nach Mietern über Anzeigen in österreichischen Medien erfolgt, die Entscheidung, ob ein Bewerber als Mieter in Frage kommt, bei der Erstbegehung des Mietobjekts getroffen wird und die Schlüssel in ***B*** übergeben werden. In der Umsatzsteuererklärung machte er für die im Zusammenhang mit der Vermietung stehenden Umsätze die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 geltend.

III. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der ab anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2016 (AbgÄG 2016), BGBl. I Nr. 117/2016, sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen.

Nach der vor Inkrafttreten der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idF des AbGÄG 2016 geltenden Rechtslage ist Kleinunternehmer ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1352 BlgNR 25. GP 14) wurde zur Änderung der Kleinunternehmerregelung auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben soll hinsichtlich der Ansässigkeit im Inland, die Voraussetzung für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung ist, eine Anpassung erfolgen, dass nur Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen können. Folglich kann aufgrund des Innehabens eines Wohnsitzes in Österreich, wenn das Unternehmen im Ausland betrieben wird, § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht angewendet werden (vgl. , Schmelz und , Stoppelkamp)."

Die unionsrechtlichen Grundlagen für die Kleinunternehmerregelung finden sich in der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

Nach Art. 272 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL können die Mitgliedstaaten Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen nach den Artikeln 282 bis 292 in Anspruch nehmen, von bestimmten oder allen Pflichten nach den Kapiteln 2 bis 6 ausnehmen.

Gemäß Art. 282 der MwStSystRL gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach Abschnitt 2 für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmern bewirkt werden.

Gemäß Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL gilt Abschnitt 2 nicht für die Lieferungen von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.

Die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Kleinunternehmen eine Mehrwertsteuerbefreiung mit Verlust des Vorsteuerabzugs zu gewähren, ist nach Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL hinsichtlich der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kleinunternehmen somit ausgeschlossen (vgl. , Schmelz, Rn 51).

Mit der Frage, ob ein im Ausland ansässiger Unternehmer für die Umsätze aus der Vermietung einer in Österreich gelegenen Wohnung die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmer nach § 27 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 geltend machen kann, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im (die Rechtslage vor Inkrafttreten des AbgÄG 2016 betreffenden) Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0034, sowie im (die Rechtslage nach Inkrafttreten des AbgÄG 2016 betreffenden) Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0115, auseinandergesetzt und die Nichtanwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung jeweils bestätigt.

Im Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0115, dem ein Fall zugrunde lag, in dem die in Italien ansässige Revisionswerberin eine Wohnung in Österreich vermietete und die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmer geltend machte, führt der Verwaltungsgerichtshof nach auszugsweiser Wiedergabe seiner Ausführungen im Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0034, Folgendes aus:

"Aus dem Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0034, ergibt sich bereits, dass die Ansässigkeit iSd Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Unternehmers abstellt, sondern auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit.

Wie der Schmelz, C-97/09, Rn 70, ausgeführt hat, bezweckt die Regelung des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL u.a., zu verhindern, dass Steuerpflichtige, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, der Besteuerung ihrer Tätigkeiten durch Verweis auf die dort geltenden Kleinunternehmerbefreiungen entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden. Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf Art. 10 DVO (EU) 282/2011 zur MwStSystRL und im Einklang mit dem Stoppelkamp, C-421/10, ist als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Ort zu verstehen, an dem der Unternehmer die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vornimmt. In richtlinienkonformer Umsetzung dieser Bestimmung stellt § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idF AbgÄG 2016, BGBl. I Nr. 117/2016, auf den Ort ab, an dem das (gesamte) Unternehmen betrieben wird.

Dass das oben angeführte Erkenntnis vom zu § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idF vor dem AbgÄG 2016, BGBl. I Nr. 117/2016, ergangen ist, ändert nichts an seiner Einschlägigkeit für den revisionsgegenständlichen Fall, weil durch die mit dem AbgÄG 2016 erfolgte Novellierung gerade diesen unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen werden sollte (vgl. ErlRV 1352 BlgNR 25. GP 14).

§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 und den unionsrechtlichen Vorgaben entsprach das Bundesfinanzgericht, indem es den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Revisionswerberin als maßgeblich erachtet hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass ihr die Kleinunternehmerbefreiung nicht zu gewähren sei, weil der gegebene Sachverhalt keinen Hinweis darauf enthalte, dass die Revisionswerberin ihre Entscheidungen zur Leitung des Unternehmens in Österreich fälle. Das Bundesfinanzgericht hat unbedenklich den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland (Italien) angenommen. Der Umstand, dass die Revisionswerberin im Inland keinen Wohnsitz habe, wurde vom Bundesfinanzgericht - entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen in der Revision - gerade nicht als entscheidungsrelevant erachtet.

Das Vorbringen, das Bundesfinanzgericht habe die umsatzsteuerliche Ansässigkeit nicht unionrechtskonform ausgelegt und zu Unrecht auf das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes abgestellt, geht daher ins Leere.

Dass die Revisionswerberin ihr Unternehmen "im Inland betreibt", ergibt sich aus dem vom Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt gerade nicht. Der Ort der Unternehmensleitung ist nämlich unabhängig vom Ort der vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen iSd § 3 Abs. 7 ff UStG 1994 und vom Ort seiner sonstigen Leistungen iSd § 3a UStG 1994. Gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994 werden sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist; über den Ort der Unternehmensleitung sagt diese Bestimmung nichts aus.

Wie der Schmelz, C-97/09, Rn 52 bis 64, ausgeführt hat, führt die Bestimmung des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL, wonach der Mitgliedstaat die Mehrwertsteuerbefreiung nur auf die in seinem Hoheitsgebiet "ansässigen" Kleinunternehmer anwenden darf, zwar zu einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, diese Richtlinienbestimmung ist aber durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen (Vermeidung der vielfachen Geltendmachung der Steuerbefreiung in unterschiedlichen Staaten) zu gewährleisten."

Entscheidend ist hinsichtlich der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit (Ansässigkeit) im Anwendungsbereich der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 somit, wo die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen und die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Nichts anderes kann auch im Verhältnis mit der Schweiz gelten.

Das Bundesfinanzgericht hat in gleichgelagerten Fällen als für die Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit wesentliche Entscheidungen jene über Beginn, Dauer und Ende der Vermietungstätigkeit, die Vermietung von allen oder nur einzelnen Objekten, die Privatnutzung von Objekten, die Veräußerung von Objekten, die Betrauung oder Nichtbetrauung einer Immobilienverwaltungsfirma mit Dienstleistungsarbeiten und den Umfang einer allfälligen Bevollmächtigung angesehen (vgl. ua. , mwN, und , mwN).

Im Beschwerdefall kann nach allgemeiner Lebenserfahrung zweifelsohne davon ausgegangen werden, dass die in diesem Sinne wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit nicht am Ort des vermieteten Objektes in Österreich, sondern in der Schweiz, wo der Beschwerdeführer wohnhaft ist, getroffen wurden, zumal er, ungeachtet der ihn im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer steuerlichen Begünstigung treffenden Nachweispflicht auch den diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes nichts Konkretes entgegengehalten hat oder gar belegt hätte, dass diese Entscheidungen tatsächlich in Österreich getroffen worden wären, sondern lediglich angemerkt hat, das Finanzamt habe Sachverhaltsannahmen getroffen, ohne diese zu ermitteln und sei auf die Ausführungen in der Beantwortung des Ergänzungsersuchens nicht eingegangen. Dass der Beschwerdeführer das Mietobjekt dem Mieter in ***B*** übergeben hat, die Duldung der Nutzung am Standort der vermieteten Wohnung stattfindet, der Mietvertrag in Österreich abgeschlossen wurde, die Zahlungen (Einnahmen und Ausgaben) über ein Konto eines österreichischen Kreditinstituts erfolgen, die Aufzeichnungen und die Steuererklärungen in Österreich erstellt und unterzeichnet werden, die Suche nach Mietern über Anzeigen in österreichischen Medien erfolgt, die unternehmerische Entscheidung, ob ein Bewerber als Mieter in Frage kommt, bei der Erstbegehung des Mietobjekts getroffen wird und die Schlüsselübergabe mit dem Übernahmeprotokoll ebenfalls in ***B*** erfolgte, vermag demgegenüber den Sitz der unternehmerischen Tätigkeit im Inland nicht zu begründen, handelt es sich dabei im Wesentlichen doch um Tätigkeiten, die lediglich Ausfluss der wesentlichen Entscheidungen über die Art und Weise der Nutzung der in Rede stehenden Wohnung sowie der Konditionen der Vermietungstätigkeit sind. Zudem ist auf den Sitz der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit abzustellen und kommt es daher nicht darauf an, wo einzelne Handlungen ausgeführt werden, sondern wo die Willensbildung bezüglich der wesentlichen Entscheidungen für die Vermietung erfolgt, wäre andernfalls doch kein einheitlicher Sitz zu bestimmen, sondern würden mehrere Sitze vorliegen (vgl. ).

Der zum Teil auch in der Literatur vertretenen Auffassung, dass ein Vermieter sein Unternehmen am Ort des vermieteten Grundstücks betreibe und dort der Sitz der Vermietungstätigkeit liege, ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0115, mit der Begründung, dass der Ort der Unternehmensleitung unabhängig vom Ort der vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen iSd § 3 Abs. 7 ff UStG 1994 und vom Ort seiner sonstigen Leistungen iSd § 3a UStG 1994 sei, nicht gefolgt (vgl. auch BFH , V R 3/19, wonach "die Vermietung einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als niederlassungsbegründend anzusehen" ist). Eine weitere Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen erübrigt sich daher (zur Frage einer "festen Niederlassung" vgl. im Übrigen auch , Titanium Ltd, sowie Zorn, RdW 7/2021, 521 ff).

Nachdem die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 somit nicht vorliegen und das Finanzamt die aus der Vermietung erzielten Umsätze sohin zu Recht der Umsatzsteuer unterzogen hat, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage, wo der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Falle der Vermietung einer Wohnung liegt und ob damit einhergehend die Anwendungsvoraussetzungen für die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 erfüllt sind, ist durch die im Erkenntnis angeführte Rechtsprechung geklärt. Zudem beruht das Erkenntnis auf nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das Erkenntnis somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

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Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100322.2020

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