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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 19.05.2023, RV/6100396/2022

Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten Bescheid

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100396/2022-RS1
Der Umstand, dass ein berufsmäßiger Parteienvertreter auf die erteilte Vollmacht verweist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine allgemeine (uneingeschränkte) Vollmacht vorliegt. Ist aus dem Inhalt der Bescheidbeschwerde ersichtlich, dass ein Rechtsanwalt den Vollmachtgeber nur im Beschwerdeverfahren vertritt, erlischt die erteilte Vollmacht mit Zweckerreichung, zB wenn über die Beschwerde rechtskräftig entschieden ist.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Rechtsanwalt***, ***RA-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom , ***StNr***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Bereits mit Haftungsbescheid vom hatte das Finanzamt den ehemaligen Geschäftsführer ***Bf*** als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***GmbH*** in Anspruch genommen.
Gegen diesen Bescheid hat ***Rechtsanwalt*** mit Schreiben vom als Vertreter des Bf und eines weiteren Haftungspflichtigen, an den ebenfalls ein Haftungsbescheid ergangen ist, Beschwerde eingebracht. Auf Seite 1 des betreffenden Schriftsatzes wird darauf hingewiesen, dass ***Bf*** (nachstehend mit Bf bezeichnet) Beschwerdeführer ist und vom Anwalt vertreten wird (Vollmacht erteilt). Die Beschwerde richtet sich gegen den Haftungsbescheid vom . Gleichzeitig mit der Beschwerde wird ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO gestellt. Auf Seite 2 wird darauf hingewiesen, dass der Bf "in der außen bezeichneten Finanzsache" ***Rechtsanwalt*** Vollmacht erteilt hat, wobei sich der gefertigte Anwalt auf die ihm erteilte Vollmacht beruft.
Die Beschwerde wurde zunächst mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) abgewiesen, in der Folge jedoch vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/6100202/2022, aufgehoben.

Am hat das Finanzamt neuerlich einen Haftungsbescheid gegenüber dem Bf erlassen und diesen zu Handen des oa Rechtsanwaltes zugestellt. Dagegen ist mit Schreiben vom durch den Vertreter Beschwerde erhoben worden, welche das Finanzamt mit BVE vom als unbegründet abgewiesen hat.
Mit Schreiben vom wird die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

Um festzustellen, ob der Rechtsanwalt im Haftungsbescheid vom zu Recht als Empfänger bezeichnet ist, hat das Bundesfinanzgericht die Parteien kontaktiert.

Die Ermittlungen haben ergeben, dass eine schriftliche Vollmachtsurkunde nicht vorliegt. Der Bf weist jedoch darauf hin, dass sich das Vollmachtsverhältnis zu ***Rechtsanwalt*** ausschließlich auf das Beschwerdeverfahren bezieht. Für steuerliche Angelegenheiten sei die Kanzlei ***STB*** als steuerlicher Vertreter zuständig. Der Rechtsvertreter des Bf würde sich niemals anmaßen, eine Vertretung in allgemeinen steuerlichen Angelegenheiten zu übernehmen. Es werde klargestellt, dass sich die Vollmacht des Bf an seinen Rechtsvertreter ausschließlich auf das jeweilige exakt bezeichnete Verfahren beziehe. Das Verfahren der am eingebrachten Beschwerde gegen den damaligen Haftungsbescheid vom sei durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes in der Form abgeschlossen, dass der zugrunde liegende angefochtene Bescheid aufgehoben wurde. Damit sei auch das Vollmachtsverhältnis zwischen Bf und Rechtsvertreter beendet.
Eine Anwaltsvollmacht sei im Zweifel einschränkend auszulegen. Keinesfalls könne für eine Behörde daraus eine allgemeine Zustellvollmacht abgeleitet werden. Im Übrigen wäre aus Sicht des Bf mit dem damaligen Erkenntnis des Bundesfinangerichtes die Angelegenheit beendet gewesen, sodass es keinen Sinn gemacht hätte, das Vollmachtsverhältnis weiter aufrecht zu belassen.
***Rechtsanwalt*** sei entgegen den Angaben im Vorlagebericht des Finanzamtes nicht der steuerliche Vertreter des Bf, sondern nur eingeschränkt für das Beschwerdeverfahren beauftragt. Folgerichtig wäre auch im gegenständlichen Verfahren in der Beschwerde vom wiederum eine Vollmachtsbekanntgabe erstattet worden. Der Bf habe kein Original des zugrunde liegenden Haftungsbescheides erhalten. Der zugrunde liegende Haftungsbescheid vom , der unrichtig an ***Rechtsanwalt*** zugestellt worden sei, wäre an den Bf mit E-Mail vom zur Kenntnisnahme weitergeleitet worden.
Das Finanzamt habe immer wieder Bescheide über Stundungen, Festsetzung von Säumniszuschlägen etc an den Rechtsanwalt übermittelt. Dieser habe das Finanzamt mit Schreiben vom und vom auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht steuerlicher Vertreter des Bf sei und seine Aufgabe lediglich die Vertretung im Rahmen des gegen diesen erlassenen Haftungsbescheides sei, der Rechtsanwalt also lediglich über eine eingeschränkte Vollmacht verfüge. Es wurde ersucht, Bescheide direkt dem steuerlichen Vertreter zustellen.

Die oa Schreiben betreffend Einschränkung der Vollmacht, die sich nicht in dem vom Finanzamt vorgelegten Akt befinden, wurden dem Bundesfinanzgericht nachträglich zur Kenntnis gebracht.

Das Finanzamt hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Der ***Rechtsanwalt*** gab am seine Vollmacht für das Haftungsverfahren ***Bf*** bekannt und beschrieb sie wortwörtlich so:

Haftungsbescheide je vom

Und:
In der außen bezeichneten Finanzsache haben die Beschwerdeführer …
***Bf***, … als ehemalige Geschäftsführer der ***GmbH***., Herrn ***Rechtsanwalt*** Vollmacht erteilt, wobei sich der gefertigte Anwalt auf diesem ihm erteilte Vollmacht beruft.

Es ist durchaus zulässig, eine (Zustell-)vollmacht auf ein bestimmtes Verfahren einzuschränken.

Eine hingegen unzulässige Einschränkung auf einzelne Ausfertigungen, wie etwa nur Beschwerdeerledigungen oder eine zusammengefasste Gebarung gem. § 103/2 BAO innerhalb dieses Verfahrens fand nicht statt, dem zitierten Wortlaut ist es (noch dazu "ausdrücklich" wie es das Gesetz verlangt, konkludent würde gar nicht reichen) jedenfalls nicht zu entnehmen.

Damit wurde eine gültige umfassende anwaltliche Vollmacht für das Haftungsverfahren erteilt und bekanntgegeben, diese auch später nicht mehr widerrufen. Daran ist das Finanzamt Österreich gebunden.

Das Haftungsverfahren endete nicht mit dem BFG Erkenntnis GZ. RV/6100202/2022 vom , sondern wurde amtsseitig fortgesetzt, wobei die Sache die gleiche blieb, es sich also um ein- und dasselbe Verfahren handelt. Es würde jeder Sinnhaftigkeit einer anwaltlichen Vertretung und dem Zweck der (Zustell-) vollmacht als solcher widersprechen, wollte man annehmen, dass die (Zustell-) vollmacht im GLEICHEN Verfahren zu SELBER Sache mit jeder BFG Erledigung erlischt und jedes Mal neu zu erteilen wäre. Die anwaltliche Darstellung Haftungsbescheide je vom können nur so verstanden werden, dass es sich um die konkret auslösenden Bescheide der Bevollmächtigung handelt, nicht jedoch, dass bei stattgebender Beschwerdeerledigung für die Weiterführung des Verfahrens keine Vollmacht mehr bestehen würde.

Daher wird weiterhin beantragt, den Haftungsbescheid vom als wirksam zugestellt zu bewerten."

Ergänzend wurde vom Finanzamt vorgebracht, dass sich ***Rechtsanwalt*** geweigert habe, U/E Bescheide anzunehmen, sei keine unzulässige Einschränkung im Sinne des § 103 Abs 2 BAO.
Zum einen wäre im Sinne des lit a keine Einschränkung auf nur einige Erledigungen im Haftungsverfahren/Einbringungsverfahren angeführt oder später eingefordert. Zum anderen werde der Haftungsbetrag im Sinne des lit b nicht in gemeinsamer Gebarung gemäß § 213 mit U/E Bescheiden, sondern getrennt verbucht.

Mit Schreiben vom hat der Bf die Anträge auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung in Form einer Senatsbesetzung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 97 Absatz 1 BAO bestimmt:

"Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt
a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;
b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung."

Gemäß § 83 Abs 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich gemäß Abs 2 leg cit nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs 2 von Amts wegen zu veranlassen.

§ 8 Abs 1 letzter Satz Rechtsanwaltsordnung (RAO) bestimmt, dass die Berufung auf die Bevollmächtigung vor allen Gerichten und Behörden deren urkundlichen Nachweis ersetzt.

Eine allgemeine Vollmacht umfasst nach ständiger Rechtsprechung (zB ) auch eine Zustellvollmacht.

§ 9 Zustellgesetz lautet auszugsweise:

"(1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(2) …

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Gemäß § 103 Abs 2 Bundesabgabenordnung (BAO) idmF ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber unwirksam, wenn sie
a) ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen, oder
b) ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 Abs 1 Zustellgesetz als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Zentraler Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens ist, auf welches Verfahren sich die Vollmacht - inklusive einer Zustellvollmacht - erstreckt und ob der angefochtene Haftungsbescheid gegenüber dem Bf wirksam bekannt gegeben worden ist.

Grundsätzlich liegt es bei der Partei, ob sie gegenüber der Behörde selbst einschreitet oder sich vertreten lassen will. Der entsprechende Willensentschluss, sich vertreten zu lassen, erlangt erst durch Erklärung gegenüber der Behörde Bedeutung (vgl zB ; ). Diese Erklärung umgrenzt die Ausübung des Rechtes der Partei, sich vertreten zu lassen. Die Behörde ist daher nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen zu setzen (). Welche Angelegenheiten zu der betreffenden Sache gehören, für die gegenüber der Behörde der Gewalthaber genannt wurde, ist der betreffenden Erklärung gegenüber der Behörde zu entnehmen, die unter Umständen der Auslegung bedarf.
Ausschlaggebend ist nicht, welchen Umfang die Vollmacht hat, sondern was im Außenverhältnis zum Ausdruck gekommen ist.

In der Eingabe vom (Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ) hat sich der einschreitende Rechtsanwalt auf die erteilte Vollmacht berufen. Er hat den an den Bf ergangenen Haftungsbescheid bezeichnet und stellt dar, dass gegen den Haftungsbescheid Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben wird. Wörtlich wird ausgeführt:

"3.
Die Beschwerdeführer wiederholen sohin an das Bundesfinanzgericht den

ANTRAG

3.1.
auf ersatzlose Behebung der angefochtenen Haftungsbescheide; in eventu Abänderung der angefochtenen Haftungsbescheide dahingehend, dass eine Haftung nicht oder in wesentlich geringerem Umfang festgestellt wird.

3.2.
Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung;

3.3.
Entscheidung über die Beschwerde in Form einer Senatsbesetzung.

4.
Mitgeteilt wird, dass auf die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung verzichtet wird, außer die Behörde I. Instanz kommt zum Ergebnis, dass die zugrunde liegenden Haftungsbescheide ohne weiteres Verfahren aufzuheben und das Verfahren zur Haftungsinanspruchnahme der beiden Beschwerdeführer für Abgabenverbindlichkeiten der
***GmbH*** nicht fortgeführt wird."

Unter Bezugnahme auf dieses Beschwerdeverfahren wird sodann auch die Aussetzung der Einhebung beantragt, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Im vorliegenden Fall umfasst die Vollmacht nicht die "Vertretung gegenüber Abgabenbehörden" und erstreckt sich damit nicht auf alle Abschnitte eines Verfahrens, insbesondere nicht auf alle Vertretungsschritte im Ermittlungs-, Festsetzungs-, Feststellungs-, Einhebungs- und Vollstreckungsverfahren.

Im Allgemeinen gilt die Vollmacht eines Rechtsanwalts nur für ein bestimmtes Verfahren. Regelmäßig kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Abgabenpflichtiger dieses Vertreters in allen weiteren Rechtssachen bedienen will. Es ist daher nicht von einer "Generalvollmacht", sich in allen zukünftigen Verfahren von dieser Person vertreten zu lassen, auszugehen, außer dies wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht (siehe Stoll, BAO Kommentar, Band 1, § 83 BAO, S 821). Eine solche Generalvollmacht ist jedoch nicht anzunehmen, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass die Vertretungsbefugnis nur für eine konkrete Rechtssache (im gegenständlichen Fall für die Beschwerde gegen den inzwischen aufgehobenen Haftungsbescheid vom ) erteilt wurde. Eine - zur Vollmachtsvorlage in einem anderen Verwaltungsverfahren hinzutretende - unmissverständliche Willenskundgebung der Partei, dass die Bevollmächtigung nicht nur für dieses Verfahren, sondern auch für Folgeverfahren gelten solle, müsste deutlich erkennbar sein (vgl ).
Wenn sich - wie hier - ein Rechtsanwalt auf die erteilte Vollmacht beruft, liegt der Behörde die Vollmachtsurkunde regelmäßig nicht vor. Beruft sich ein Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren auf eine Vollmacht, reicht dies nicht aus, um die Vollmacht rechtsgültig auch auf ein anderes Verfahren (zB Haftungsverfahren) zu erstrecken.

Eine Zustellungsbevollmächtigung ist Teil der erteilten Vollmacht, kann daher also nicht länger aufrecht sein oder weiter wirken als die (eingeschränkte) Vollmacht selbst.
Laut Aktenlage ist der rechtliche Vertreter des Bf gegenüber der Behörde erstmals bei Einbringung der Bescheidbeschwerde am in Erscheinung getreten. Zuvor war er für den Bf gegenüber dem Finanzamt anwaltlich nicht tätig und die steuerliche Vertretung des Bf obliegt weiterhin der ***STB***.
Im Schriftsatz wird darauf hingewiesen, dass der Bf dem Rechtsanwalt "in der außen bezeichneten Finanzsache" (Beschwerde wegen Haftungsbescheid vom ) Vollmacht erteilt hat. Der Hinweis "Vollmacht erteilt" ersetzt bei Rechtsanwälten den urkundlichen Nachweis, bedeutet jedoch nicht, dass eine "Generalvollmacht" vorliegt. Vielmehr wird durch den ausdrücklichen Verweis auf die außen bezeichnete Finanzsache zum Ausdruck gebracht, dass die erteilte Vollmacht auf das Beschwerdeverfahren (und nicht auf das Haftungsverfahren) eingeschränkt ist. Eine Bekanntgabe einer allgemeinen Vollmacht durch den einschreitenden Rechtsanwalt ist darin nicht zu erkennen. Im Zweifelsfall hätte das Finanzamt eine Klärung herbeiführen müssen.

Bei einer Vollmacht für einen bestimmten Zweck, etwa - wie hier - für ein bestimmtes Rechtsmittelverfahren, erlischt die Vollmacht (auch die daran geknüpfte Zustellungsbevollmächtigung) durch Zweckerreichung (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 83 Rz 21), im konkreten Fall durch Aufhebung des mit Beschwerde vom angefochtenen Bescheides.
Ein Widerruf der (eingeschränkten) Vollmacht gegenüber dem Finanzamt war nicht erforderlich, weil das ho Erkenntnis vom , RV/6100202/2022, mit dem der Haftungsbescheid vom aufgehoben wurde, auch an die Abgabenbehörde ergangen ist.

Aus den genannten Gründen hätte der rechtliche Vertreter im angefochtenen Bescheid vom nicht als Empfänger bezeichnet werden dürfen. Laut Aktenlage liegt ein Zustellmangel vor, der nicht geheilt worden ist. Der genannte Haftungsbescheid ist daher nicht im Rechtsbestand.

§ 103 BAO ist auch im Beschwerdeverfahren und vom Bundesfinanzgericht zu beachten. Die Aufspaltung von Zustellbevollmächtigungen auf mehrere Verfahren ist allerdings auch nach dem Recht der BAO möglich (vgl Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 103, Seite 311).
Nach § 103 Abs 2 lit a ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber jedoch unwirksam, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen (zB nur auf Entscheidungen über Bescheidbeschwerden). Eine derartige Einschränkung liegt laut den vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen (siehe insbesondere die Stellungnahme des Bf vom ) und der diesbezüglichen Beweiswürdigung vor, weshalb erkennbar keine allgemeine Zustellungsbevollmächtigung zur Empfangnahme von Dokumenten der Behörden besteht.

Die Abgabenbehörde hat den Rechtsanwalt zu Unrecht als steuerlichen Vertreter und Zustellungsbevollmächtigten in allen Angelegenheiten geführt (laut Datenbankabfrage und Vorlagebericht vom ) und dem Bundesfinanzgericht die in der Stellungnahme des Bf angeführten Schreiben vom und betreffend den Umfang der Vollmacht trotz Nachfrage vorenthalten.
Aus der Bescheidbeschwerde, den zitierten Schreiben an das Finanzamt und den glaubwürdigen Angaben des Rechtsanwalts ergibt sich, dass der Bf seinem Vertreter jeweils keine allgemeine, sondern eine eingeschränkte mündliche Vollmacht erteilt hat, für diesen anwaltlich tätig zu sein und (nur) im Beschwerdeverfahren gegenüber der Abgabenbehörde und dem Verwaltungsgericht aufzutreten. Bei dieser Sachlage liegt ein Anwendungsfall von § 103 Abs 2 BAO vor (vgl ).

Der angefochtene Haftungsbescheid hat mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirkung entfalten können. Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide, weshalb Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen sind. Gleiches gilt für eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid.

Dem Antrag des Finanzamtes im Schreiben vom , das Verfahren gemäß § 281 BAO auszusetzen, weil das dazu parallel geführte zweite Haftungsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof unter Ra 2023/13/0012 anhängig sei, wird nicht gefolgt, weil die Revision verspätet beim Bundesfinanzgericht eingelangt ist und eine inhaltliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes daher nicht zu erwarten ist.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen - insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - nicht vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 103 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





Zitiert/besprochen in
Klumpner in BFGjournal 2023, 305
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100396.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at