Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.07.2023, RV/7500413/2023

Verspätete Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/XX/2021, mit dem der Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom mit derselben Geschäftszahl gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gemäß Art. 133 B-VG ist gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/XX/2021, wurde Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung für schuldig erkannt und über ihn nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Der mit E-Mail am eingebrachte Einspruch gegen diese Strafverfügung wurde vom Magistrat der Stadt Wien gemäß § 49 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) als verspätet zurückgewiesen.

Der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom , Zahl: MA67/XX/2021, wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die Strafverfügung wurde nach einem Zustellversuch vom am selben Tag bei der zuständigen Postgeschäftsstelle hinterlegt (Hinterlegung gem. § 17 Abs. 1 ZustG) und ist ab dem zur Abholung bereitgehalten worden, da Ihnen das Schriftstück beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.

Die Einspruchsfrist begann daher am und endete am .

Der Einspruch wurde trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung jedoch erst am mittels E-Mail, somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzten zweiwöchigen Einspruchsfrist eingebracht.

Anlässlich eines Verspätungsvorhaltes vom , gaben Sie an vom bis auf Urlaub gewesen zu sein und legten eine Kopie Ihres Reispasses vor.

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustG ist im Falle, dass die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, der Zusteller jedoch Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestellt aufhält, das Schriftstück (im Falle der Zustellung durch die Post) beim zuständigen Postamt (in allen andern Fällen beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, sofern sich diese in derselben Gemeinde befindet) zu hinterlegen.

Gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes gilt eine hinterlegte Postsendung mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt, wenn sich nicht ergeben hat, dass der Empfänger wegen eventueller Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte.

Die von Ihnen vorgebrachte Ortsabwesenheit betrifft lediglich den Zeitraum von bis . Im Hinblick darauf war als erwiesen zu erachten, dass Sie ab und damit auch zum relevanten Hinterlegungszeitpunkt der Strafverfügung an der Abgabestelle ortsanwesend waren. Selbst wenn hinsichtlich der Zustellung vom ein Zustellmangel vorläge, wäre kein anderes Ergebnis zu erzielen gewesen, da Ihre Ortsabwesenheit nur bis glaubhaft gemacht wurde und endete die Rechtsmittelfrist in diesem Fall mit .

Es ist somit nicht erkennbar, dass der Zustellvorgang nicht gesetzesgemäß erfolgt wäre und hat sich nicht ergeben, dass Sie wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnten.

Ein Zustellmangel liegt somit nicht vor.

Der am eingebrachte Einspruch erwies sich somit als verspätet.

Bemerkt wird, dass es sich bei der Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG um eine gesetzlich festgelegte Frist handelt, die von der Behörde nicht erstreckt werden darf.

Die Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruches rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen und kann aus diesem Grund auch nicht auf allfällige diesbezügliche Einwände eingegangen werden.

Der Einspruch war daher als verspätet zurückzuweisen."

In der Beschwerde vom wurde im Wesentlichen ausgeführt mit dem Auto (in die Türkei und zurück) gefahren zu sein und nicht im Hotel gewohnt zu haben. Deswegen habe der Beschwerdeführer kein Reiseticket und auch keine Hotelrechnung. Auf den per E-Mail geschickten Fotos vom Reisepass des Beschwerdeführers seien Passstempel (mit Datum) von Ungarn, Serbien, Bulgarien und der Grenze zur Türkei abgebildet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

Die Frist des § 49 Abs. 1 VStG bildet eine verfahrensrechtliche Frist, die nicht erstreckbar ist. Ein verspätet erhobener Einspruch ist bescheidförmig zurückzuweisen; auf ein Verschulden der Partei kommt es dabei nicht an (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 49 Rz 3).

§ 17 Zustellgesetz normiert:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. , mwN).

Nach dem im Akt aufliegenden Zustellnachweis (AS 18f) wurde die Strafverfügung vom , Zahl: MA67/XX/2021, bei der Post-Geschäftsstelle 1154 hinterlegt und ab dem zur Abholung bereitgehalten, nachdem an der (damaligen) Abgabestelle des Beschwerdeführers ein Zustellversuch unternommen und die Verständigung von der Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden war. Das behördliche Dokument wurde am an die belangte Behörde retourniert, wo es am einlangte.

Die der Beschwerde beigefügten Kopien der Stempel im Reisepass des Beschwerdeführers dokumentieren glaubhaft, dass der Beschwerdeführer am auf dem Landweg von der Türkei nach Österreich gekommen und am an seine Abgabestelle zurückgekehrt ist.

Somit wurde die verfahrensgegenständliche Strafverfügung nicht mit deren Hinterlegung, sondern an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, an dem diese behoben werden konnte, rechtswirksam zugestellt:

Die (mindestens) zweiwöchige Abholfrist begann mit der Hinterlegung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung am und endete mit dem Retournieren des behördlichen Dokumentes an die belangte Behörde am . Auf Grund der Rückkehr an die Abgabestelle (innerhalb der Abholfrist) am Donnerstag den , ist die verfahrensgegenständliche Strafverfügung mit dem Folgetag, somit am Freitag den , als rechtmäßig zugestellt anzusehen.

Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher am und endete mit Ablauf des .

Der mit E-Mail am eingebrachte Einspruch gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung wurde von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

Da sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Zurückweisung eines Einspruches wegen Verspätung ausschließlich auf die Frage beschränkt, ob der Einspruch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 VStG eingebracht wurde und die Rechtzeitigkeit des Einspruchs aufgrund der vorliegenden Unterlagen eindeutig verneint werden musste, war es dem Bundesfinanzgericht verwehrt auf inhaltliche Aspekte des dem Zurückweisungsbescheid zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens einzugehen.

§ 44 VwGVG normiert:

"(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat."

Es konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da eine solche nicht beantragt wurde und sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete.

Kostenentscheidung

Da das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis kein Straferkenntnis bestätigt hat, war gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Art. 133 B-VG normiert:

"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:
1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"

Die Revision ist unzulässig, da das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis in freier Beweiswürdigung über den Zustellzeitpunkt zu entscheiden hatte.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500413.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at