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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.07.2023, RV/7102589/2022

Keine Akteneinsicht gem. § 90 Abs. 1 BAO in zwischenstaatliches Amtshilfeverfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102589/2022-RS1
Bei einem auf Artikel 54 der VO 904/2010/EU gestützten Amtshilfeverfahren handelt es sich nicht um ein Abgabenverfahren iSd § 90 Abs. 1 BAO, sondern um ein Verfahren, das lediglich die Sphären der beteiligten Behörden betrifft. Daraus ergibt sich, dass das zwischenstaatliche Amtshilfeverfahren schon insofern einer Akteneinsicht nicht zugänglich ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich beim Antragsteller unzweifelhaft um ein dem österreichischen Abgabenrecht unterworfenes Rechtssubjekt handelt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwälte Estermann und Partner OG, Stadtplatz 6, 5230 Mattighofen, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom betreffend Antrag auf Akteneinsicht in Sachen ***Bf1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom brachte die anwaltliche Vertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaft einen Antrag auf Akteneinsicht gem. § 90 Abs. 1 BAO bei der belangten Behörde ein. Sie gab an, dass die B ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Finanzbehörden in Bulgarien hinsichtlich eines Streitwertes von *** Euro führe. Im Zuge dieses Prozesses seien Unterlagen aus der Geschäftsbeziehung dieser Gesellschaft mit der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegt worden, die den bulgarischen Behörden aufgrund der Beantwortung eines entsprechenden Auskunftsersuchens gem. Art. 54 der EU-Verordnung Nr. 904/2010 durch die belangte österreichische Behörde bekannt seien.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Akteneinsicht ab. Zur Begründung führte sie aus, dass gem. § 90 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten habe, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen erforderlich sei.

Demnach habe nur die Partei das Recht auf Akteneinsicht; als Partei iSd § 90 Abs. 1 BAO sei gem. § 77 Abs. 1 BAO iVm § 78 Abs. 1 BAO derjenige anzusehen, der nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht komme (). Nach § 78 Abs. 3 BAO hätten unter bestimmten Umständen zwar auch Personen die Rechtstellung einer Partei, als sie aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht. Letzteres sei etwa bei Drittschuldnern nach §§ 65 ff AbgEO, bei Bescheidadressaten eines Beschlagnahmebescheides oder bei abgelehnten Bevollmächtigten gem. § 84 BAO der Fall (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 78 Rz 5), somit jeweils in Verbindung mit einem amtswegigen Tätigwerden der Abgabenbehörde gegenüber einer konkreten Person. Im gegenständlichen Fall liege dies nicht vor, zumal sich der Informationsaustausch zwischen der bulgarischen und der österreichischen Finanzverwaltung auf Grundlage der VO (EU) 904/2010 gründe. Gemäß Art. 1 Abs. 1 leg. cit. regle die Verordnung Modalitäten, nach denen die in den Mitgliedstaaten mit der Anwendung der Vorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer beauftragten zuständigen Behörden untereinander und mit der Kommission zusammenarbeiten, um die Einhaltung dieser Vorschriften zu gewährleisten. Daraus erhelle bereits, dass ein Informationsaustauschverfahren lediglich die Sphären der beteiligten Behörden betreffe, jedoch den Abgabepflichtigen, hinsichtlich deren Informationen ausgetauscht würden, keine Parteistellung zukomme (vgl. Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4, Rz 3862). Würden Informationen, die im Wege der Amtshilfe erlangt worden seien, durch die Abgabenbehörde in einem Abgabenverfahren verwendet, greife wiederum das Recht auf Akteneinsicht. Im Kontext des Informationsaustausches auf Basis der VO (EU) 904/2010 werde im vorliegenden Fall ein Abgabenverfahren bei der bulgarischen Finanzverwaltung geführt. Die Abgabenpflichtige habe ihr Begehren auf Akteneinsicht daher bei der zuständigen Behörde in Bulgarien zu stellen.

Weiters solle das Akteneinsichtsrecht nur der Partei die Geltendmachung und Verteidigung ihrer Interessen in einem bestimmten Verfahren ermöglichen, es bedeute aber nicht, dass einer Person ein Anspruch eingeräumt werde, Kenntnis von allen sie betreffenden Aktenstücken einer Behörde zu erhalten, sofern diese nicht Grundlage eines Verfahrens bilden würden (). Die Akteneinsicht sei somit den Parteien des Abgabenverfahrens eingeräumt, komme jedoch nicht auch den Parteien eines anderen Verfahrens zu (vgl. 144/73A). Überdies würden zivilrechtliche Interessen eine abgabenrechtliche Parteistellung nicht zu begründen vermögen (vgl. Stoll, BAO 892), woraus folge, dass der Partei eines ausländischen Amtshaftungsverfahrens kein Akteneinsichtsrecht gemäß § 90 Abs. 1 BAO zustehe.

Mit Schreiben vom erhob die anwaltliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft dagegen Beschwerde.

Die B führe gegen die bulgarischen Finanzbehörden ein auf Schadenersatz gerichtetes Verfahren in Bulgarien. Hintergrund sei der, dass offensichtlich von den bulgarischen Finanzbehörden fälschlicherweise die Kraftwerke der B arrestiert wurden, wodurch der Antragstellerin ein erheblicher Schaden entstanden sei. Es handele sich gegenständlich somit um ein in Bulgarien geführtes Amtshaftungsverfahren seitens der B.

Im Zuge dieses Verfahrens in Bulgarien hätten die Finanzbehörden Bulgariens als beklagte Partei Unterlagen aus den Steuerakten der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegt. Diese Urkunden seien von den bulgarischen Behörden gestützt auf Art 55 der EU-VO Nr. 904/2010 des Rates vom über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung im Bereich der Mehrwertsteuer beim Amt für Betrugsbekämpfung, Zentralstelle internationale Zusammenarbeit, somit der belangten Behörde, beigeschafft worden.

Die bulgarischen Steuerbehörden hätten jedoch nicht den gesamten entscheidungsrelevanten Vertrag, den offensichtlich das Amt für Betrugsbekämpfung den bulgarischen Behörden zur Verfügung gestellt habe, im Verfahren der B gegen die bulgarischen Finanzbehörden vorgelegt, sondern die Annexe, die den Schaden beweisen würden, entfernt. Die Antragstellerin gehe daher von einem Prozessbetrug aus.

Auf diesen Sachverhalt gestützt, hätten beide Antragsteller einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, welcher sowohl auf die einschlägigen Bestimmungen der BAO, als auch auf das Auskunftspflichtgesetz gestützt gewesen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid sei nunmehr der Antrag auf Akteneinsicht abgewiesen worden.

Die Antragsteller würden sich durch den gegenständlichen Bescheid in ihren einfachgesetzlichen Rechten, zudem in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 6 MRK auf ein faires Verfahren und der Missachtung des Gleichheitsgrundsatzes verletzt erachten.

Richtig sei im angefochtenen Bescheid Art 90 Abs. 1 BAO wiedergegeben worden, wonach die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten habe, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder zur Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlichen Pflichten erforderlich sei.

§ 17 Abs. 1 AVG laute: "Soweit in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, könne die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akteneinsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen."

§ 90 Abs. 1 BAO sei im Gleichklang mit § 17 Abs. 1 AVG zu interpretieren. Es könne nämlich keinen Unterschied machen, wenn eine (ehemalige) Verfahrenspartei, die Ersatz des Schadens begehre, welcher ihr durch das Verhalten von in Vollziehung der Gesetze handelten Organwaltern zugefügt worden sei, ob dieser Organwalter in Ausübung der allgemeinen Verwaltung oder in Ausübung der Finanzverwaltung tätig gewesen sei. Mit anderen Worten sei kein Grund für eine Privilegierung der Finanzverwaltung gegenüber der allgemeinen staatlichen Verwaltung erkennbar, wenn man davon ausgehe, dass die Akteneinsicht den typischen Weg zur Informationsaufnahme zwecks Stellung von Sachbehauptungen für eine Amtshaftungsklage darstelle. Dazu kämen noch die Bestimmung des § 13 Abs. 1 AHG, wonach im Amtshaftungsverfahren weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständige zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet seien ().

Würde man davon ausgehen, dass die Gewährung der Akteneinsicht nur dann zulässig sei, wenn ein Amtshaftungsprozess in Österreich angestrebt werde, würde dies jedenfalls gegen den Gleichheitssatz und gegen Art 6 MRK verstoßen. Es wäre nicht nachvollziehbar, weshalb Akteneinsicht für die Führung eines Amtshaftungsprozesses in Österreich gegeben wäre, nicht jedoch hinsichtlich der Führung eines Amtshaftungsprozesses in einem anderen europäischen Land.

Auch der Umstand, dass der Amtshaftungsprozess in Bulgarien schon am Laufen sei, könne jedenfalls nicht dazu führen, dass die Akteneinsicht aus diesem Grund verwehrt werde. Eine Auskunft auf Akteneinsicht könne nur dann verweigert werden, wenn dieser eine Verschwiegenheitspflicht, etwa einem Amtsgeheimnis, entgegenstehe oder wenn dadurch das Amt in der Ausübung seiner Pflichten behindert werde. Derartige Gründe würden jedenfalls nicht vorliegen, sodass die Auskunft unberechtigt verweigert worden sei.

Würde man der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Akteneinsicht verwehren, würde dies aus einem weiteren Grund gegen Art. 6 MRK verstoßen. Die bulgarischen Finanzbehörden hätten rechtswidrig die Unterlagen der österreichischen beschwerdeführenden Gesellschaft eingefordert. Zweck der Norm könne es nicht sein, dass die rechtswidrige Übermittlung bzw. Erlangung der Unterlagen dadurch saniert werden könne, dass den Prozessbeteiligten bzw. den Betroffenen keinerlei Akteneinsicht gewährt werde. Dies würde zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen den Verfahrensparteien führen und wäre ein besonders schwer zu wiegender Verstoß gegen Art 6 MRK.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde einerseits auf die Begründung des Abweisungsbescheides vom und ergänzte, dass gem. § 90 Abs. 1 BAO nur die Partei das Recht auf Akteneinsicht habe - als Partei iSd § 90 Abs. 1 BAO sei gemäß § 77 Abs. 1 BAO iVm § 78 Abs. 1 BAO derjenige anzusehen, der nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht komme (). Nach § 78 Abs. 3 BAO hätten unter bestimmten Umständen zwar auch Personen die Rechtsstellung einer Partei, als sie aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht. Im gegenständlichen Fall liege dies aber nicht vor, zumal sich der Informationsaustausch zwischen der bulgarischen und der österreichischen Finanzverwaltung auf Grundlage der VO (EU) 904/2010 gründe.

Das gegenständliche Auskunftsersuchen betreffe ein Amtshilfeverfahren zwischen der österreichischen und der bulgarischen Finanzverwaltung und nicht das Abgabenverfahren der beschwerdeführenden Gesellschaft.

Art. 1 Abs. 1 leg. cit. der VO (EU) 904/2010 regle die Modalitäten, nach denen die in den Mitgliedstaaten mit der Anwendung der Vorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer beauftragten zuständigen Behörden untereinander und mit der Kommission zusammenarbeiten, um die Einhaltung dieser Vorschriften zu gewährleisten. Daraus erhelle bereits, dass ein Informationsaustauschverfahren lediglich die Sphären der beteiligten Behörden betreffe, jedoch den Abgabepflichtigen, hinsichtlich derer Informationen ausgetauscht werden, keine Parteistellung zukomme (siehe dazu Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4, Rz 3862). Würden Informationen, die im Wege der Amtshilfe erlangt wurden, durch die Abgabenbehörde in einem Abgabenverfahren verwendet, greife wiederum das Recht auf Akteneinsicht. Im Kontext des Informationsaustauschs auf Basis der VO (EU) 904/2010 werde im vorliegenden Fall ein Abgabenverfahren bei der bulgarischen Finanzverwaltung geführt. Die Abgabepflichtige habe ihr Begehren auf Akteneinsicht daher bei der zuständigen Behörde in Bulgarien zu stellen.

Weiters solle das Akteneinsichtsrecht nur der Partei die Geltendmachung und Verteidigung ihrer Interessen in einem bestimmten Verfahren ermöglichen, es bedeute aber nicht, dass einer Person ein Anspruch eingeräumt werde, Kenntnis von allen sie betreffenden Aktenstücken einer Behörde zu erhalten, sofern diese nicht Grundlage eines Verfahrens bilden (, RS1). Die Akteneinsicht sei somit den Parteien des Abgabenverfahrens eingeräumt, komme jedoch nicht auch den Parteien eines anderen Verfahrens zu (vgl. 144/73A). Da es sich im gegenständlichen Fall nicht um ein Abgabenverfahren der beschwerdeführenden Gesellschaft in Österreich handle, bestehe demnach jedenfalls kein Recht auf Akteneinsicht.

Das Argument, dass die bulgarische Behörde die Informationen und Unterlagen rechtswidrig eingefordert und erhalten habe, sei damit zu entkräften, dass der Informationsaustausch im Jahr 2012 dem Zweck der korrekten Steuerfestsetzung im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung gedient und somit eindeutig nicht für das einige Jahre später eingeleitete Schadenersatzverfahren stattgefunden habe.

Die Voraussetzungen für den Informationsaustausch auf Basis der VO (EU) 904/2010 seien zum Zeitpunkt der Einleitung des Auskunftsverfahrens als auch bei der Beantwortung des Ersuchens vollinhaltlich erfüllt gewesen.

Es sei überdies angemerkt, dass auch in Bulgarien die Menschenrechtskonvention gelte, daher bestehe für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, im Zuge des bulgarischen Verfahrens nach bulgarischem Recht in Bulgarien Akteneinsicht zu nehmen. Eine Verletzung der MRK in Österreich, insbesondere deren Art. 6, liege somit nicht vor.

Mit Schreiben vom beantragte die anwaltliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die belangte Behörde übermittelte der bulgarischen Behörde auf Basis der VO (EU) 904/2010 Informationen zum Zweck der korrekten Steuerfestsetzung im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung, die auch Informationen betreffend die Vertragsbeziehungen zwischen der bulgarischen B und der beschwerdeführenden Gesellschaft enthielten.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte mit Schreiben vom Akteneinsicht gem. § 90 Abs. 1 BAO und ersuchte um Information welche Dokumente an die bulgarische Behörde übermittelt worden sei.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und sind insoweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß den Feststellungen wurde ein Informationsaustausch gemäß der VO 904/2010/EU zwischen der österreichischen und der bulgarischen Behörde durchgeführt, der auch Informationen betreffend die Vertragsbeziehungen zwischen der bulgarischen B und der beschwerdeführenden Gesellschaft enthielt.

Mit Schreiben vom beantragte die anwaltliche Vertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaft Akteneinsicht gem. § 90 Abs. 1 BAO in das Amtshilfeverfahren gem. der VO 904/2010/EU, bzw. insbesondere um Information, welche Dokumente an die bulgarischen Behörden übermittelt worden waren.

Von der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass dieser im zwischenstaatlichen Amtshilfeverfahren gem. der VO 904/2010/EU Parteistellung gem. § 90 Abs. 1 BAO zukomme. Gem. § 13 Abs. 1 AHG sei weiters zu berücksichtigen, dass im Rahmen von Amtshaftungsverfahren weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständige zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet seien. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen Art 6 MRK, wenn die Gewährung der Akteneinsicht nur dann zulässig wäre, wenn ein Amtshaftungsprozess in Österreich angestrebt werde. Auch sei Art 6 MRK dadurch verletzt, dass die bulgarische Finanzbehörde die Unterlagen der österreichischen ***Bf1*** rechtswidrig eingefordert und erhalten habe, und diese Rechtswidrigkeit nicht durch das Ablehnen der Akteneinsicht saniert habe werden können.

Dazu ist festzuhalten, dass gemäß § 90 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht der ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten hat. Gem. § 78 Abs. 1 BAO ist Partei im Abgabeverfahren der Abgabepflichtige (§ 77 BAO). § 78 Abs. 3 BAO sieht vor, dass die Rechtstellung einer Partei insoweit auch jenen Personen zukommt, als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.

Bei einem auf Artikel 54 der VO 904/2010/EU gestützten Amtshilfeverfahren handelt es sich jedoch nicht um ein Abgabenverfahren iSd § 90 Abs. 1 BAO, sondern um ein Verfahren, das lediglich die Sphären der beteiligten Behörden betrifft. So legt auch Art. 1 Abs. 1 der VO 904/2010/EU fest, dass die Verordnung die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission regelt. Daraus ergibt sich, dass das zwischenstaatliche Amtshilfeverfahren schon insofern einer Akteneinsicht nicht zugänglich ist, auch wenn es sich bei der beschwerdeführenden Gesellschaft unzweifelhaft um ein dem österreichischen Abgabenrecht unterworfenes Rechtssubjekt handelt.

In der Rs Sabou, , hat sich der EuGH in Zusammenhang mit der insofern vergleichbaren Amtshilferichtline 77/799/EWG bereits mit Fragen des Rechtschutzes von Abgabenpflichtigen auseinandergesetzt und im Tenor festgehalten, dass das Unionsrecht in Zusammenspiel mit dem Grundrecht auf rechtliches Gehör dem Steuerpflichtigen nicht das Recht verleiht, über ein Amtshilfeersuchen informiert zu werden.

Der EuGH erachtet es vielmehr als unbedenklich, dass ein behördliches Ermittlungsverfahren ohne Einbindung oder Rechtsschutzmöglichkeiten des betroffenen Steuerpflichtigen stattfindet (vgl. Wöhrer, Berlioz versus Sabou: Grundrechtsschutz im Amtshilfeverfahren, SWI 2017, 402). Dies erscheint auch deswegen gerechtfertigt, da durch eine frühzeitige Information und Einbindung des betroffenen Steuerpflichtigen ein etwaiger Ermittlungserfolg gefährdet sein könnte. Anders gelagert könnte der Fall nur dann sein, wenn die übermittelten Informationen mittels Zwangsmaßnahmen von der belangten Behörde zum Zweck des Informationsaustausches eingefordert worden wären (vgl. Wöhrer, SWI 2017, 410). Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Ein etwaiges Rechtschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Gesellschaft wäre daher im weiteren Verlauf im Rahmen eines allenfalls an das Ermittlungsverfahren anschließenden Verwaltungsverfahren in Bulgarien zu wahren.

Da kein Amtshaftungsverfahren iSd § 13 Abs. 1 AHG vorliegt, geht auch das diesbezügliche Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft ins Leere.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, ob das Recht auf Akteneinsicht gem. § 90 Abs. 1 BAO auch die Einsicht in ein zwischenstaatliches Amtshilfeverfahren gem. Art. 54 der VO 904/2010/EU umfasst, fehlt, war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 90 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Romstorfer/Herdin-Winter/Ehgartner in AVR 2023, 161
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102589.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at