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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 12.06.2023, RV/7100625/2023

Vorlageantrag wurde vor wirksamem Ergehen einer BVE eingebracht

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** betreffend Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom , eingebracht durch den damaligen Masseverwalter ***MV***, Steuernummer ***XXX***, den Beschluss gefasst:

I. Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs. 1 BAO i.V.m. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid vom wurde Herr ***Bf1*** (in der Folge Bf. genannt) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. § 80ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***XY*** GmbH, Firmenbuchnummer ***1***, im Ausmaß von € 42.724,28 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.

Der Haftungsbescheid wurde mit RSb-Brief versendet, der vom Bf. am ***Datum1*** übernommen wurde.

Mit Beschluss des LG ***X*** vom ***Datum1*** zu AZ ***2*** wurde über das Vermögen des Bf. ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und RA ***W*** zum Masseverwalter bestellt. Die Wirkungen der Eröffnung begannen am ***Datrum3***.

Der Bf. beantragte am eine Verlängerung der Beschwerdefrist bis .

Der Masseverwalter brachte am gegen den Haftungsbescheid eine Beschwerde ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , adressiert an den Bf. z.H. der ***MV***, wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Schriftsatz vom brachte der Masseverwalter einen Vorlageantrag ein.

Mit Beschluss des LG ***X*** vom ***Datum2*** wurde das Sanierungsverfahren des Bf. aufgehoben.

Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Beschwerdevorentscheidung mangels korrekter Adressierung unwirksam ist/war, wies mit einer an den Bf. adressierten Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom als verspätet eingebracht zurück und stellte beim Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom den Antrag, den Vorlageantrag vom als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Würdigung:

Rechtsgrundlagen

§ 260 BAO lautet:

(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt

a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.

(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

Zurückweisung des Vorlageantrags

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder Auferlegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

Im Abgabenverfahren ist bei jeder Verfahrenshandlung zu prüfen, ob sie an die richtige Person (Abgabepflichtiger) gerichtet ist, da andernfalls die Abgabenbescheide keine Wirkung zu erzielen vermögen und diesbezüglich fehlerhafte Bescheide nur durch neu zu erlassende Bescheide saniert werden können.

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 der Insolvenzordnung - IO). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO (vgl. die Erkenntnisse des , und vom , 2002/14/0053). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenz- (Konkurs-)masse handelt. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Abgabenverfahren nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners tritt, ist auch auf die Fälle anzuwenden, in denen nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens ein Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, dem die Eigenverwaltung entzogen wurde, tritt ().

Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, erlangen keine Wirksamkeit (vgl. Erkenntnis des , und den ).

Mit Beschluss des LG ***X*** vom ***Datum1*** zu AZ ***2*** wurde über das Vermögen des Bf. ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und RA ***W*** zum Masseverwalter bestellt. Die Wirkungen der Eröffnung begannen am ***Datrum3***. Mit Beschluss des LG ***X*** vom ***Datum2*** wurde das Sanierungsverfahren des Bf. aufgehoben.

Die Beschwerdevorentscheidung vom war an den Bf. z.H. ***MV*** adressiert und konnte, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, keine Wirksamkeit erlangen.

Nach § 264 Abs. 1 BAO kann "gegen eine Beschwerdevorentscheidung" ein Vorlageantrag gestellt werden.

Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (vgl. Ritz, BAO5, § 264 Rz 6, unter Hinweis auf und ).

§ 260 Abs. 2 BAO, wonach Bescheidbeschwerden auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden dürfen, ist zufolge § 264 Abs. 4 lit. e BAO ausdrücklich nicht auf Vorlageanträge anzuwenden.

"Ein vorzeitiger (vor Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung) eingebrachter Vorlageantrag entfaltet keine rechtliche Wirkung. Dies gilt nach dem VwGH-Erkenntnis vom , 99/15/0136, lediglich dann nicht, wenn zwar noch nicht die Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung), aber bereits deren Begründung der Partei zugestellt wurde. In einem solchen Fall ist ein nach Bekanntgabe der gesonderten Begründung eingebrachter Vorlageantrag nicht unwirksam" (Ritz, Verfrühte Anträge - Anträge zur Fristwahrung, SWK 27/2015, 1254).

"Nicht fristgerecht angebrachte Anträge sind generell zurückzuweisen. Für zu früh gestellte Anträge lässt sich keine allgemeine Regel aufstellen. Bescheidbeschwerden etwa können ausdrücklich vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden. Verfrühte Vorlageanträge oder Säumnisbeschwerden sind hingegen zurückzuweisen" (Ritz, Verfrühte Anträge - Anträge zur Fristwahrung, SWK 27/2015, 1254).

Der Vorlageantrag vom ist somit gemäß § 260 Abs. 1 BAO i. V. m. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision nicht zulässig, da die Rechtsfrage, wie im Fall eines verfrüht gestellten Vorlageantrags vorzugehen ist, durch die von der zitierten Rechtsprechung vorgegebenen Leitlinien hinlänglich geklärt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100625.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at