Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2023, RV/7500396/2023

Verspätete Beschwerde gegen Strafverfügung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/***/2023, mit dem der Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom mit derselben Geschäftszahl gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gemäß Art. 133 B-VG ist gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung vom , Zahl: MA67/***/2023, hat die belangte Behörde Frau ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) angelastet, sie habe als zur Vertretung nach außen berufene Person der Zulassungsbesitzerin (***1***) des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen ***2***, dem ordnungsgemäß zugestellten Verlangen der Magistratsabteilung 67 vom , innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Auskunft zu geben, wem sie dieses Fahrzeug überlassen hat, sodass dieses am um 11:39 Uhr in 1200 Wien, Donaueschingenstraße 14, gestanden ist, nicht entsprochen.
Dadurch habe die Beschwerdeführerin die Rechtsvorschrift des § 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.
Der Tatbestand der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung sei am am Sitz der anfragenden Behörde in 1200 Wien, Dresdner Straße 81-85, verwirklicht worden.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über die Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 2 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 60,00.

In Reaktion auf ein Schreiben des Magistrats vom , in welchem der Strafbetrag eingemahnt wurde, erkundigte sich die Beschwerdeführerin, auf welches Vergehen sich dieses bezieht und erhielt hierauf mit E-Mail des Magistrats vom die Antwort, dass sich die Mahnung "auf die bis dato nicht bezahlte Strafverfügung, welche durch die Magistratsabteilung 67 ausgestellt wurde" beziehe.

Mit E-Mail vom machte die Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde geltend, dass sie am 11.10. exakt in der Minute, als sie den Parkschein gelöst habe und sich gerade ein paar Schritte entfernt hatte, eine Parkstrafe bekommen habe. Sie habe noch am selben Tag in der MA 67 angerufen und habe ihr dort eine Dame geraten, den Screenshot des Parkscheins mit Verweis auf das Telefonat und der Bitte um Kulanz (die Chancen dafür würden gut stehen) zu übermitteln, was sie sodann auch getan habe. Hierauf habe sie ein Mail der belangten Behörde erhalten, in dem erklärt wurde, dass es keine Kulanz gäbe. Da sie über diese widersprüchlichen Angaben verärgert gewesen sei und zudem zu diesem Zeitpunkt bereits den Beweis übermittelt habe, dass die Parkgebühr im Zeitpunkt der Ausstellung des Strafzettels bezahlt war, habe sie nicht eingezahlt. Nachdem in der Folge längere Zeit keine Reaktion der belangten Behörde erfolgte, sei sie davon ausgegangen, dass sich die Sache erledigt habe. Nun sei jedoch eine Mahnung ergangen und sei dieses E-Mail ein letzter Versuch, die Angelegenheit auf diesem Weg zu lösen, zumal die Parkgebühr für den besagten Zeitraum bezahlt war. Im Betreff des E-Mails von ist die Geschäftszahl der Strafverfügung vom angeführt.

Die belangte Behörde wertete das E-Mail vom als Einspruch gegen die Strafverfügung vom und wies diesen mit Bescheid vom gemäß § 49 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG als verspätet zurück.

Der Zurückweisungsbescheid wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die Strafverfügung wurde am laut Zustellnachweis zugestellt. Die im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzte zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher am und endete am .

Sie haben den Einspruch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am , somit nach Ablauf der Einspruchsfrist per E-Mail eingebracht, sodass der Einspruch als verspätet zurückgewiesen werden musste.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruchs rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom und führte darin aus:

"Begründung: der Parkschein für den besagten Zeitraum war mobil gebucht

[…]

die Parkstrafe betraf einen Zeitraum, in dem der Parkschein bereits gültig und für die Behörde nachvollziehbar bezahlt war; nach tel. Erstauskunft der MA67 sollte ich den Screenshot der Buchung als Beweis übermitteln - dann könne man eine "Kulanz" anwenden. Ich habe dies umgehend gemacht, worauf dann ein langer mühseliger Mailverkehr startete, der für mich in dieser Form nicht mehr nachvollziehbar war und ist. Von Kulanz war plötzlich nicht mehr die Rede, aber man wies mich auf die Möglichkeit der Beschwerde hin, die ich dann offenbar zu spät übermittelte.

Da die Parkgebühr bezahlt war, aber leider die Behörde hier m.E. nicht schlüssig kommuniziert hat, erlaube ich mir, Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 25.5. einzubringen. - zuerst bat man mich den Screenshot als Beweis zu übermitteln - dann erklärt mir ein anderer Mitarbeiter (per Mail), dass es keine Kulanz gäbe, ich aber eine Beschwerde einbringen könne.

Ich danke Ihnen für ihre Mühe und hoffe sehr, dass die Angelegenheit damit endlich erledigt ist."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

Die Frist des § 49 Abs. 1 VStG bildet eine verfahrensrechtliche Frist, die nicht erstreckbar ist. Ein verspätet erhobener Einspruch ist bescheidförmig zurückzuweisen; auf ein Verschulden der Partei kommt es dabei nicht an (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 49 Rz 3).

§ 17 Zustellgesetz normiert:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Zunächst ist zu prüfen ob das E-Mail vom , dessen inhaltliche Ausführungen nicht das Vergehen der unterbliebenen Lenkerauskunft, sondern das Vergehen der Verkürzung der Parkometerabgabe betreffen, überhaupt als Einspruch gegen die Strafverfügung vom zu werten ist. Ein Einspruch i.S.d. § 49 VStG muss weder einen ausdrücklichen Antrag noch eine Begründung enthalten. Auch eine Bezeichnung der Eingabe als "Einspruch" ist nicht erforderlich. Wesentlich ist jedoch, dass der Einspruch die Strafverfügung, gegen die er sich richtet, erkennen lässt sowie dass der Einspruchswerber die Bestrafung ablehnt. Weiters muss dem Einspruch zu entnehmen sein, ob er sich nur gegen das Ausmaß bzw. die Art der Strafe, gegen die Kostenentscheidung oder gegen den Schuldspruch richtet, wobei jedoch im Zweifel davon auszugehen ist, dass sich der Einspruch gegen die gesamte Strafverfügung richtet (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, Rz 8-10 zu § 49; Raschauer/Wessely, VStG, Rz 7 zu § 49; jeweils m.w.N.). Angesichts dessen, dass im Betreff des E-Mails vom die Geschäftszahl der Strafverfügung vom angeführt ist, in diesem Zeitpunkt nach der Aktenlage keine weitere unbeglichene Strafverfügung gegen die Beschwerdeführerin aufrecht war und das E-Mail als "Versuch, die Angelegenheit auf diesem Weg zu lösen" bezeichnet wird, die Beschwerdeführerin also anstrebt, nichts zahlen zu müssen, kann das Email - gerade noch - als Einspruch gegen die (im Zweifel: ganze) Strafverfügung vom gewertet werden.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. , mwN).

Nach dem im Akt aufliegenden Zustellnachweis (AS 25) wurde die Strafverfügung vom , Zahl: MA67/***/2023, bei der Post-Geschäftsstelle 1195 hinterlegt und ab dem zur Abholung bereitgehalten, nachdem am an der Abgabestelle der Beschwerdeführerin ein Zustellversuch unternommen und die Verständigung von der Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden war.
Das behördliche Dokument wurde der Beschwerdeführerin am ausgefolgt.

Die Beschwerdeführerin hat keine mangelhafte Zustellung geltend gemacht.

Somit geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG von der rechtmäßigen Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung durch deren Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung am aus.

Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher am und endete am Freitag den .

Der mit E-Mail am eingebrachte Einspruch gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung war daher verspätet und wurde von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen.

Da sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Zurückweisung eines Einspruches wegen Verspätung ausschließlich auf die Frage beschränkt, ob der Einspruch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 VStG eingebracht wurde und die Rechtzeitigkeit des Einspruchs aufgrund der vorliegenden Unterlagen eindeutig verneint werden musste, war es dem Bundesfinanzgericht verwehrt auf inhaltliche Aspekte des dem Zurückweisungsbescheid zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens und die einzugehen. Es ist daher bloß der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die inhaltlichen Ausführungen in der Beschwerde vom - wie bereits jene im Einspruch vom - nicht das der Beschwerdeführerin angelastete Delikt der unterbliebenen Lenkerauskunft betreffen, sondern das Delikt der Verkürzung von Parkometerabgabe, für welches sie gerade nicht bestraft wurde.

§ 44 VwGVG normiert:

"(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat."

Es konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da eine solche nicht beantragt wurde und sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete.

Kostenentscheidung

Zur Unzulässigkeit der Revision

Art. 133 B-VG normiert:

"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:
1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"

Die Revision ist unzulässig, da das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis in freier Beweiswürdigung über den Zustellzeitpunkt zu entscheiden hatte.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500396.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at