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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2023, RV/5100139/2019

Aufhebung einer Zurückweisung eines Antrags gem. § 295 Abs. 4 BAO aufgrund Änderung der Befristungsregelung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr (nunmehr Finanzamt Österreich) vom über die Zurückweisung des Antrags vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid der beschwerdeführenden Partei für das Jahr 2005 vom infolge eines geänderten Feststellungsbescheides betreffend die ***KG*** gem. § 295 Abs. 1 BAO geändert. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid brachte die beschwerdeführende Partei am Beschwerde ein, die mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde.

In weiterer Folge beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO und führte sie diesbezüglich aus, dass sie im Jahr 2005 als atypisch stiller Gesellschafter an der ***KG*** beteiligt gewesen sei. Diese Gesellschaft sei ihrerseits wiederrum im Jahr 2005 an der ***AG & Stille*** beteiligt gewesen.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 gem. § 295 Abs. 1 BAO sei sodann aufgrund einer Außenprüfung bei der ***AG & Stille***, die zu einem geänderten Feststellungsbescheid geführt habe, erfolgt und sei gegen den Feststellungsbescheid betreffend die ***AG & Stille*** Beschwerde erhoben worden. Ebenso sei gegen den Feststellungsbescheid betreffend die ***KG***, der vom Feststellungsbescheid betreffend die ***AG & Stille*** abgeleitet sei, Beschwerde erhoben worden, die allerdings als unbegründet abgewiesen worden sei.

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Antragstellung unklaren Rechtslage in Zusammenhang mit der für einen Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO maßgeblichen Frist werde bereits mit dem Anbringen vom die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 für den Fall, dass es sich bei den obig genannten Feststellungsbescheiden um Nichtbescheide handeln sollte, begehrt.

Dieser Antrag vom wurde vom Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr mit Bescheid vom zurückgewiesen und begründete das Finanzamt diese Entscheidung zusammengefasst dergestalt, dass die Eingabe nicht fristgerecht erfolgt sei. Anträge gem. § 295 Abs. 4 BAO seien nur dann fristgerecht, wenn sie vor Ablauf der für die Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist gestellt worden seien. § 304 BAO besage, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig sei, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2005 verjähre gem. § 208 BAO iVm § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei, somit am . Durch den Einkommensteuererstbescheid 2005 vom sei eine Verlängerungshandlung gesetzt worden und sei die Verjährung daher mit eingetreten. Der Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO sei aber am und somit nach Eintritt der Verjährung eingebracht worden. Folglich sei der Antrag als verfristet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom erhob die beschwerdeführende Partei am Beschwerde und brachte sie darin vor, dass die Zurückweisung ungerechtfertigt erfolgt sei, da der Antrag fristgerecht eingebracht worden sei. Die Verjährung könne gem. § 209a Abs. 2 BAO nicht eintreten, solange bei der ***AG & Stille*** und der ***KG*** innerhalb der Frist Rechtsmittel eingebracht worden seien.

Diese Beschwerde wies das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte das Finanzamt in der Begründung zusammengefasst aus, dass es für die fristgerechte Antragstellung auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 gem. § 295 Abs. 4 BAO einzig und allein auf die Verjährung im Einkommensteuerverfahren ankomme. Die Verjährung betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2005 sei aber mit eingetreten. Da der Antrag auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO aber erst am und somit erst nach Eintritt der Verjährung gestellt worden sei, sei ebendieser nicht fristgerecht eingebracht worden.

In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidung begehrte die beschwerdeführende Partei mit Antrag am die Vorlage der am eingebrachten Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Am verfügte der Geschäftsverteilungsausschuss des Bundesfinanzgerichts, dass die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung 6021 zum Stichtag abgenommen und der Gerichtsabteilung 7004 zugeteilt wird.

Mit Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht die Parteien zur Abgabe einer Stellungnahme in Bezug auf die zwischenzeitig erfolgte Änderung des § 295 Abs. 4 BAO, die Vergleichbarkeit des Sachverhaltes, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom zu Ra 2021/13/0155 zugrunde lag, mit dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt sowie die Auswirkung des fehlenden Hinweises auf die Zustellfiktion nach § 101 Abs. 3 BAO im Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zu RV/2100002/2014 betreffend die Beschwerde der ***AG & Stille*** gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument auf.

Mit Schreiben vom bezog das Finanzamt Österreich zu den im Vorhalt angeführten Punkten Stellung und führte es zum ersten Punkt aus, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs das Verwaltungsgericht auf Grund der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden verfahrensrechtlichen Rechtslage zu entscheiden habe. Die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO idF AbgÄG 2022, BGBl. I Nr. 108/2022, sei am in Kraft getreten und sei somit auf alle an diesem Tag unerledigten Rechtsmittel anzuwenden.

Zur Vergleichbarkeit des beschwerdegegenständlichen Sachverhaltes mit jenem Sachverhalt, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom zu Ra 2021/13/0155 zugrunde lag, merkte das Finanzamt Österreich an, dass insoweit eine Vergleichbarkeit gegeben sei, als die beschwerdeführende Partei im Jahr 2005 an der ***KG*** beteiligt gewesen sei, die ihrerseits wiederrum an der ***AG & Stille*** beteiligt gewesen sei. Ein wesentlicher Unterschied liege jedoch in dem Umstand vor, dass im gegenständlichen Verfahren der Antrag auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO zurückgewiesen worden sei, während in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Anträge abgewiesen worden seien. Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens sei lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung.

Zur Auswirkung des fehlenden Hinweises auf die Zustellfiktion nach § 101 Abs. 3 BAO im Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zu RV/2100002/2014 betreffend die ***AG & Stille*** führte das Finanzamt Österreich unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aus, dass durch den fehlenden Hinweis gem. § 101 Abs. 3 BAO keine Zustellung an die Gesellschafter, denen Einkünfte zugerechnet werden sollten, erfolgt sei. Der Beschluss habe gegenüber der beschwerdeführenden Partei keine Rechtswirksamkeit erlangt und sei der Antrag auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.

Von Seiten der beschwerdeführenden Partei erfolgte keine Antwort auf den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom .

Die Stellungnahme des Finanzamtes Österreichs vom wurde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom übermittelt und ihr eine Frist zur Einbringung einer Gegenstellungnahme bis zum eingeräumt. Diese Frist ließ die beschwerdeführende Partei abermals ungenützt verstreichen.

Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei war im Jahr 2005 an der ***KG*** beteiligt. Die ***KG*** war ihrerseits im Jahr 2005 an der ***AG & Stille*** beteiligt.

Aufgrund einer durchgeführten Außenprüfung bei der ***AG & Stille*** erging im Jahr 2013 unter anderem ein als Feststellungsbescheid für das Jahr 2005 intendiertes Dokument betreffend diese Gesellschaft. Als Folge dieses Dokuments wurde der Feststellungsbescheid für das Jahr 2005 hinsichtlich der ***KG*** unter anderem dergestalt abgeändert, als der Ergebnisanteil der beschwerdeführenden Partei aus der Beteiligung an dieser Gesellschaft nunmehr mit EUR -13.229,12, anstatt mit zuvor EUR -100.108,47, festgestellt wurde. Diese Änderung des Feststellungsbescheides für das Jahr 2005 betreffend die ***KG*** führte sodann dazu, dass mit weiterem Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO vom die Einkommensteuer für das Jahr 2005 betreffend die beschwerdeführende Partei unter Berücksichtigung des geänderten Beteiligungsergebnisses neu festgesetzt wurde.

Mit Antrag vom begehrte die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO und wurde dieser Antrag vom Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr mit Bescheird vom zurückgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Anträge gem. § 295 Abs. 4 BAO dann fristgerecht seien, wenn diese vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist gestellt worden seien. § 304 BAO besage, dass eine Wiederaufnahme nur dann zulässig sei, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei.

Die Verjährung betreffend die Einkommensteuer 2005 sei sodann unter Berücksichtigung der gesetzten Verlängerungshandlungen mit Ablauf des eingetreten. Da der Antrag vom somit erst nach Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei, sei dieser als verfristet zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom zu RV/2100002/2014 wies das Bundesfinanzgericht unter anderem die Beschwerde der ***AG & Stille*** gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument betreffend die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2005 infolge mangelnder Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung als unzulässig zurück. Dieser Beschluss enthält keinen Hinweis auf § 101 Abs. 3 BAO und wurde der Beschluss an die ***AG & Stille*** sowie an das Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg zugestellt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen in Bezug auf die Beteiligung der beschwerdeführenden Partei an der ***KG*** sowie in Bezug auf die Beteiligung dieser Gesellschaft an der ***AG & Stille*** im Jahr 2005 haben ihre Grundlage in den übereinstimmenden Parteienerklärungen sowie im Steuerakt der beschwerdeführenden Partei.

Die Feststellungen hinsichtlich des Verfahrensverlaufes betreffend die Einkommensteuer der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich des Jahres 2005 sowie betreffend den Antrag vom wurden anhand des vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 vom , des vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 vom , des Antrages der beschwerdeführenden Partei vom auf Aufhebung ebendieses Bescheides gem. § 295 Abs. 4 BAO sowie des Zurückweisungsbescheides vom betreffend den Antrag vom getroffen.

Der Sachverhalt betreffend die Zurückweisung der Beschwerde der ***AG & Stille*** infolge mangelnden Bescheidcharakters der bekämpften Erledigung der Abgabenbehörde sowie dessen Zustellung basiert auf dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/2100002/2014 und der diesbezüglichen Zustellverfügung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gem. § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Änderungsbefugnis ist durch die Sache begrenzt. Im Falle einer Zurückweisung eines Antrages durch die Abgabenbehörde bildet die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung aufgrund des von Abgabenbehörde herangezogenen Grundes die Sache des Verfahrens. Liegt dieser Zurückweisungsgrund nicht vor, so ist der Zurückweisungsbescheid mit der Konsequenz zu beheben, dass die Abgabenbehörde unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund erneut zu entscheiden hat (; vom , Ra 2020/15/0035). Eine Abänderung eines Zurückweisungsbescheides in eine Sachentscheidung ist dem Bundesfinanzgericht verwehrt (; Ritz, BAO7, § 279, Rz. 11).

§ 295 Abs. 4 BAO in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2022, BGBl. I Nr. 108/2022 vom , lautet:

"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt

- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder

- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Der Antrag hat folgendes zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Bescheides, der abgeändert oder aufgehoben werden soll;

2. die Bezeichnung des Bescheides oder Beschlusses, mit dem die Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurückgewiesen wurde;

3. die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages erforderlich sind."

Anträge auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO sind nach der obig zitierten Fassung des § 295 Abs. 4 BAO nicht mehr wie zuvor innerhalb der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen, sondern innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument. Diese Änderung der Befristungsregelung erfolgte durch das COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 3/2021 vom , in Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom zu G 159/2019 mit der der Satz "Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen" in § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2013 als verfassungswidrig aufgehoben wurde.

Der Verfassungsgerichtshof begründete diese Aufhebung damit, dass er keinen sachlichen Grund dafür zu erkennen vermag, einen Abgabepflichtigen mit den Folgen eines von einer als Feststellungsbescheid intendierten Enunziation abgeleiteten Bescheides nach Ablauf der Frist für Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu belasten. Die Möglichkeit eines Antrages, einen solchen rechtswidrigen Bescheid gem. § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben, erlangt ihre Bedeutung gerade erst durch den Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend die als Feststellungsbescheid intendierte Enunziation.

Darüber hinaus erweist sich die für Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens geltende Frist nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs auch deshalb als unsachliche Beschränkung eines Antrags gem. § 295 Abs. 4 BAO, da der Gesetzgeber mit solch einer Frist gänzlich außer Betracht lässt, dass der Abgabepflichtige mit den Folgen eines rechtswidrigen, in Rechtskraft erwachsenen Bescheides dann nicht belastet wird, wenn die Abgabenbehörde mit der Erlassung des abgeleiteten Bescheides bis zur Rechtskraft des Feststellungsbescheides zugewartet hätte. Demgemäß ist der Ausschluss einer Rechtskraftdurchbrechung wegen Ablaufs der für eine Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden Frist in Fällen unsachlich, in denen die Abgabenbehörde mit der Erlassung abgeleiteter Bescheide nicht bis zur Rechtskraft des Feststellungsbescheides zuwartet, beruht doch der rechtskräftige abgeleitete Bescheid in solchen Fällen auf einer Enunziation, deren mangelnde Normativität die diese erlassende Abgabenbehörde zu verantworten hat.

Obendrein wurde § 295 Abs. 4 BAO vom Gesetzgeber mit dem Ziel geschaffen, vorsorgliche Beschwerden zu vermeiden und leitet der Verfassungsgerichtshof daraus ab, dass ein Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO auch nach Ablauf der Frist des § 304 BAO zulässig sein muss, um einen gleichwertigen Ersatz für die Einbringung vorsorglicher Beschwerden zu schaffen ( ua, Rz. 2.6.2ff).

Mit der nunmehrigen Befristungsregelung betreffend die Stellung eines Antrages auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Zurückweisung trug der Gesetzgeber diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs Rechnung (1109/A BlgNR XXVII. GP, S. 31 ff). Insbesondere mit der Anknüpfung des Beginns der Frist für die Stellung eines Antrages auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO an den Eintritt der Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument wurde die zentrale Aussage des Verfassungsgerichtshofs in der obigen Entscheidung, wonach das Antragsrecht eben im Zeitpunkt der Entscheidung über die als Feststellungsbescheid intendierte Enunziation seine Bedeutung erlangt, berücksichtigt und ist fortan weder die Frist für Wiederaufnahmeanträge gem. § 304 BAO und damit weder der Eintritt der Verjährung noch die Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides in Bezug auf die Befristung von Relevanz (Martin Vock, Die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO durch das COVID-19-StMG , AVR 2020, S. 205; ; vom , RV/7102487/2014).

Wiewohl der Fristbeginn für einen Antrag auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO durch den Gesetzgeber mit der Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument bestimmt wurde, sind Anträge gem. § 295 Abs. 4 BAO, die bereits vor diesem Zeitpunkt gestellt wurden bzw. werden, als zulässig anzusehen (Ritz, Aufhebung von Nichtbescheiden abgeleiteter Bescheide, AFS 2021, 2, mit Verweis auf ; ebenso ).

Bei § 295 Abs. 4 BAO handelt es sich um eine Verfahrensbestimmung (Ritz, BAO7, § 295, Rz. 21i). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Änderungen von verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens anzuwenden und zwar auch auf Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (). Folglich gilt die nunmehrige Jahresfrist für die Stellung eines Antrages gem. § 295 Abs. 4 BAO, die mit der Zurückweisung der Beschwerde gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument beginnt, nicht nur für Anträge, die ab der Einführung dieser neuen Befristungsregelung mit dem COVID-19-Steuermaßnahmengesetz gestellt wurden, sondern auch für Anträge, die bereits vor dem Inkrafttreten des COVID-19-Steuermaßnahmengesetzes eingebracht wurden. Bedeutung erlang dieser Umstand insbesondere in Rechtsmittelverfahren, bei denen die Zurückweisung von erst nach Ablauf der Fristen des § 304 BAO eingebrachten und somit nach § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung vor dem COVID-19-Steuermaßnahmengesetz nicht fristgerechten Anträge den Verfahrensgegenstand bildet (Ritz, BAO7, § 295, Rz. 21i).

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zeigt sich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren, dass das Vorliegen des vom Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr im Zurückweisungsbescheid vom angeführten Zurückweisungsgrunds der Verfristung anhand der nunmehr gültigen Rechtslage betreffend § 295 Abs. 4 BAO zu beurteilen ist. Wie bereits dargelegt, sind Anträge auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO seit der Änderung der Bestimmung durch das COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 3/2021 vom , innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument zu stellen, wobei eine Antragstellung vor dem fristauslösenden Ereignis als nicht schädlich anzusehen ist. Dem Eintritt der Verjährung kommt indes keine Relevanz mehr bei der Beurteilung der Frage, ob der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO vom fristgerecht eingebracht wurde, zu.

Da die beschwerdeführende Partei den Antrag auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO am gestellt hat und dieser Zeitpunkt zeitlich vor dem Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zu RV/2100002/2014, mit dem die Beschwerde der ***AG & Stille*** gegen das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument zurückgewiesen wurde, liegt, vermag das Bundesfinanzgericht keine Verfristung des Antrags der beschwerdeführenden Partei erkennen, zumal Anträge auf Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO durchaus bereits vor dem Beginn des Fristenlaufs zulässigerweise gestellt werden können.

An diese Beurteilung vermag auch der Umstand, dass der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/2100002/2014 keinen Hinweis auf § 101 Abs. 3 BAO enthält und sich der Beschluss hierdurch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als rechtsunwirksam erweist (), keine Änderung herbeizuführen. Zwar hat dies zur Folge, dass das nach § 295 Abs. 4 BAO vorgesehene fristauslösende Ereignis, die Rechtskraft der Entscheidung über das als Feststellungsbescheid intendierte Dokument, noch nicht eingetreten ist, doch ändert dies nichts daran, dass der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom immer noch in zulässiger Art und Weise vor Beginn der Frist des § 295 Abs. 4 BAO einbracht wurde.

Fernerhin kann eine Verfristung des Antrags der beschwerdeführenden Partei vom bereits dem Grunde nach noch nicht eingetreten sein, hat doch die Jahresfrist für die Antragsstellung gem. § 295 Abs. 4 BAO mangels Eintritts des fristauslösenden Ereignisses in der Form der Rechtskraft des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/2100002/2014 aufgrund des fehlenden Hinweises nach § 101 Abs. 3 BAO niemals zu laufen begonnen. Eine Zurückweisung aufgrund des fehlenden Hinweises, wie das Finanzamt Österreich in seiner Stellungnahme vom vermeint, vermag das Bundesfinanzgericht hingegen nicht erkennen.

Abschließend erlaubt sich das Bundesfinanzgericht das Finanzamt Österreich darauf hinzuweisen, dass sich ebenjenes im anschließenden fortgesetzten Verfahren in Bezug auf den aufgrund der vorliegenden Entscheidung wiederrum unerledigten Antrags der beschwerdeführenden Partei vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für da Jahr 2005 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO unter anderem mit der Frage auseinandersetzen zu haben wird, inwieweit dieser Antrag unabhängig von der Rechtswirksamkeit des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom zu RV/2100002/2014 nicht bereits anlässlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom zu Ra 2021/13/0155 abzuweisen sein müsste. In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshofs nämlich die Rechtsauffassung dargelegt, dass in Fällen einer Ableitung eines Abgabebescheides von einem Feststellungsbescheid, der wiederrum von einem als Feststellungsbescheid intendierten Dokuments abgeleitet ist, der Abgabenbescheid nicht nach § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben, sondern gem. § 295 Abs. 1 BAO abzuändern ist. Dem Bundesfinanzgericht blieb eine Auseinandersetzung mit dieser Frage im gegenständlichen Fall verwehrt, bildete doch die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Rechtsrichtigkeit der Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei vom anhand des im Zurückweisungsbescheides vom genannten Grundes der Verfristung, wie das Finanzamt Österreich auch zutreffend in der Stellungnahme vom ausgeführt hat.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im gegenständlichen Fall nicht zulässig, da der Gesetzgeber mit der nunmehrigen Fristenregelung des § 295 Abs. 4 BAO eine klare Rechtslage geschaffen hat, hinsichtlich derer keine Auslegungsschwierigkeiten bestehen.

Darüber hinaus sind sämtliche weiteren entscheidungsrelevanten Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs einer Lösung zugeführt worden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100139.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at