gefälschter Ausweis gemäß §29b StVO hinterlegt; Unzuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien und des BFG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johannes Böck über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als Abbenstrafbehörde vom , GZ. ***2***, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005 in der Fassung Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 20/2020, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung Landesgesetzblatt für Wien Nr. 71/2018, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu tragen.
III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Das mehrspurige Kraftfahrzeug AUDI mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** wurde am um 12:29 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Sportklubstraße gegenüber Zirkuswiese, vom Kontrollorgan der Parkraumüberwachung A1150 der Landespolizeidirektion Wien zur Anzeige gebracht, da es sich nach dessen eigenen Wahrnehmungen bei dem Parkausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nr. ***Ausweis-Nr*** um einen manipulierten Parknachweis handelte.
Das Kontrollorgan machte in der Anzeige folgende Anmerkung: "29b AusweisNr. ***Ausweis-Nr***, keine Folierung, Delikt-Text: Parknachweis wurde manipuliert."
Nach erfolgter Lenkererhebung vom teilte die Magistratsabteilung 40 mit Schreiben vom und der belangten Behörde aufgrund einer Anfrage mit, dass für den Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) kein Aktenvorgang betreffend eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 in der Magistratsabteilung vorhanden sei und dass aufgrund der Ausweis Nummer ***Ausweis-Nr*** keine Zuordnung zu einem Akt der Magistratsabteilung 40 möglich sei.
In der Folge wurde der Bf. von der Magistratsabteilung 67 mit Schreiben vom unter Anführung der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zur Rechtfertigung binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens aufgefordert.
Mit Brief vom (Postaufgabe ) brachte der Bf. vor: "Zum Vorwurf ich hätte die Befreiung der Entrichtung der Parkometerabgabevorgetäuscht kann ich folgendes sagen:Es ist richtig, dass ich am mein Fahrzeug in der 2., Sportklubstraßegeparkt habe. Nachdem ich den Parkvorgang beendet hatte, wurde ich voneinem Herrn angesprochen. Er hat mich gebeten seinen E-Scooterfür zirka 2 Stunden in meinem Fahrzeug zu verwahren, da er damit nicht in den Bereichder ,Wiener Wiese' darf. Der Mann war offensichtlich gehbehindert. Er hatteeinen Ausweis dafür und wollte für die Entrichtung der Kurzparkzone damitaufkommen. Ich habe mir den Ausweis auch angesehen und konnte keineUngültigkeit erkennen. Wir haben uns anschließend für 14 Uhr verabredet. Zudiesem Zeitpunkt übernahm der Herr wieder seinen Scooter und verabschiedetesich von mir. Den Zettel für die Benachrichtigung habe ich erst danachgefunden.Für mich gab es keinen Zweifel an der Echtheit des Dokumentes."
Mit nunmehr angefochtenem Straferkenntnis vom , GZ. ***2***, wurde der Bf. vom Magistrat der Stadt Wien für schuldig befunden, das in Rede stehende Kraftfahrzeug am um 12:29 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Sportklubstraße gegenüber Zirkuswiese, abgestellt zu haben, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parknachweis gesorgt zu haben. Im Fahrzeug habe sich lediglich der nicht gültige Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer ***Ausweis-Nr*** befunden und sei daher die Befreiung von der Entrichtung der Parkometerabgabe vorgetäuscht worden. Demnach habe der Bf. die Parkometerabgabe hinterzogen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. deswegen eine Geldstrafe in der Höhe von 365,00 Euro und eine für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 Tagen 15 Stunden verhängt.
Gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) habe der Bf. zudem einen Beitrag von 36,50 Euro zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten. Der zu zahlende Gesamtbetrag betrug daher 401,50 Euro.
Begründend führte die Behörde aus, der Bf. habe das in Rede stehende Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** abgestellt, sodass es am um 12:29 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 02, Sportklubstraße gegenüber Zirkuswiese gestanden sei, ohne dieses mit einem gültigen Parknachweis gekennzeichnet zu haben. Im Fahrzeug habe sich lediglich der nicht gültige Ausweis gemäß § 29 StVO 1960 mit der Nummer ***Ausweis-Nr*** befunden. Beweis sei erhoben worden durch Einsichtnahme in die Anzeige, welche von einem Parkraumüberwachungsorgan der Landespolizeidirektion Wien auf Grund einer eigenen dienstlichen Wahrnehmung gelegt worden sei, in die von diesem angefertigten Fotos, sowie in die eingeholte Lenkerauskunft.
Die Übertretung sei dem Bf. mittels einer Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß § 42 VStG angelastet worden und es seien dem Bf. die Anzeigeangaben zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig sei dem Bf. die Möglichkeit geboten worden, dazu Stellung zu nehmen sowie die seiner Verteidigung dienenden Tatsachen und Beweise vorzulegen. In seiner Rechtfertigung habe der Bf. zusammengefasst eingewendet, dass er von einem Herrn angesprochen worden sei, welcher ihn darum gebeten habe, seinen E-Scooter für circa 2 Stunden im Fahrzeug des Bf. zu verwahren. Der Mann sei für den Bf. offensichtlich gehbehindert gewesen und er habe einen Ausweis dafür gehabt. Der Mann habe für die Entrichtung der Parkometerabgabe aufkommen wollen. Der Bf. habe den Ausweis angesehen und er habe keine Ungültigkeit erkennen können, weshalb es für den Bf. keinen Zweifel an der Echtheit gegeben habe. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass von der Magistratsabteilung 46 kein Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer ***Ausweis-Nr*** ausgestellt worden sei. Unbestritten sei sowohl die Lenkereigenschaft des Bf. geblieben, als auch, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt gewesen sei.
Zum Vorbringen des Bf. werde Folgendes festgestellt: § 6 der Parkometerabgabeverordnung zähle jene Fälle, für die die Abgabe nicht zu entrichten sei, taxativ auf. Die Abgabe seit nicht zu entrichten für Fahrzeuge, die von dauernd stark gehbehinderten Personen abgestellt oder in denen solche Personen gemäß § 29b Abs. 3 StVO 1960 befördert werden, wenn die Fahrzeuge mit dem Ausweis gemäß § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960 gekennzeichnet seien (§ 6 Abs. 1 lit. g Parkometerabgabeverordnung). Hiermit könne lediglich die Verwendung eines gültigen Ausweises im Original gemeint sein. Die Rechtfertigung des Bf., dass er unbewusst und unabsichtlich einen ungültigen (nachgemachten) Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 verwendet habe, vermochte ihn nicht zu entlasten, weil er als Lenker für die ordnungsgemäße Entrichtung der Parkometerabgabe hafte. Die Verwendung eines ungültigen (nachgemachten) Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 gehe daher ausschließlich zu seinen Lasten. Taugliche Beweismittel, welche den gegenständlichen Tatvorwurf zu widerlegen im Stande gewesen wären, seien vom Bf. im Zuge des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht vorgelegt worden. Die Einwendungen des Bf. seien somit nicht geeignet gewesen, ihn vom gegenständlichen Tatvorhalt zu entlasten. Es seien im Zuge des Verfahrens somit keine Tatsachen oder Umstände hervorgekommen, die zu dessen Einstellung hätten führen können. Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt, müsse gemäß § 5 Abs. 2 der Wiener Parkometerabgabeverordnung bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten. Dieser Verpflichtung sei der Bf. nicht nachgekommen. Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, sei auf Grund der Tatumstände nicht anzunehmen gewesen, zumal die Verwendung eines ungültigen (nachgemachten) Ausweises gemäß § 29b StVO nicht mehr auf fahrlässiges Verhalten zurückgeführt werden könne, sondern das Verhalten des Bf. bereits vorsätzliches Handeln beinhaltet habe, weshalb daher sein Verschulden als erheblich angesehen werden müsse. Der Bf. habe die Parkometerabgabe somit hinterzogen.
Weiters enthält das Straferkenntnis die maßgeblichen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991), erläutert diese näher und führt zur Schwere der Verschuldensform aus (Abgabenhinterziehung in Folge Verwendung eines nachgemachten Behindertenausweises und somit Vortäuschung eines Befreiungstatbestandes). Es sei die Strafe spruchgemäß festzusetzen gewesen, um den Bf. von einer Wiederholung wirksam abzuhalten.
Der Bf. erhob gegen das Straferkenntnis binnen der Rechtsmittelfrist mit Eingabe vom (Postaufgabe: ) das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte das Folgende vor: "In der Begründung zur Straferkenntnis wird angeführt, dass von derMA46 kein Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 ausgestellt wurde. JenerAusweis der in meinem Fahrzeug hinterlegt wurde, war einrechtmäßiges Dokument ausgestellt von der MA15(!) und nicht von derMA46." Hier liege offensichtlich ein Fehler im Ermittlungsverfahren vor.
Zum Vorwurf, der Bf. hätte die Befreiung der Entrichtung der Parkometerabgabe vorgetäuscht, könne er nur sagen, es sei richtig, dass der Bf. am sein Fahrzeug in der 2. Sportklubstraße geparkt habe. Nachdem der Bf. den Parkvorgang beendet hatte, sei er "von einem Herrn angesprochen worden, der ihn gebeten habe, seinen E-Scooter für ca. 2 Stunden in seinem Fahrzeug zu verwahren, da er damit nicht in den Bereich der ,Wiener Wiese' dürfe.
Der Mann sei offensichtlich gehbehindert gewesen. Er habe einen Ausweis dafür gehabt und habe damit für die Entrichtung der Kurzparkzone aufkommen wollen. Der Bf. habe sich den Ausweis angesehen und keine Unrichtigkeit erkennen können.
Der Bf. habe sich mit diesem Mann für 14 Uhr verabredet. Zu diesem Zeitpunkt habe dieser Herr wieder seinen Scooter übernommen und sich vom Bf. verabschiedet. Den Zettel für die Benachrichtigung habe der Bf. erst danach gefunden. Für den Bf. habe es keine Zweifel an der Echtheit des Dokuments gegeben. Der Bf. möchte festhalten, dass hier haltlos die Echtheit eines Dokuments angezweifelt werde und somit kein Tatbestand gegeben sei. Beschwerdegründe:
Materielle Rechtswidrigkeit: Die bescheiderlassende Behörde gehe unbegründet von einer Fälschung des Ausweises gem. § 29b StVO 1960 aus.
Mangelhafte Beweiswürdigung: Die Behörde habe im Verfahren vorgebrachte Beweise nicht ausreichend verfolgt. Es werde daher seitens des Bf. beantragt, ein Gutachten zur Feststellung der Echtheit, des in meinem Fahrzeug angebrachten Ausweises, anhand der angefertigten Fotos erstellen zu lassen. Der Bf. ersuche in diesem Zusammenhang auch um den Erhalt einer Kopie dieser Fotos.
Es werde daher beantragt, das Verwaltungsgericht des Landes Wien möge eine mündliche Verhandlung durchführen oder den angefochtenen Strafbescheid ersatzlos beheben und das Verfahren einzustellen.
Der Magistrat der Stadt Wien legte mit die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Nach der weiteren Stellungnahme des Magistrats der Stadt Wien vom haben interne Überprüfungen ergeben, dass Ausweise gemäß § 29b StVO 1960 seit 2014 vom Sozialministerium ausgestellt werden.
Den vorhandenen Aufzeichnungen der Magistratsabteilung 67 sei zu entnehmen, dass die Magistratsabteilung 46 im Jahre 1970 sowie in der Zeit von 1976 bis 2003 und die Magistratsabteilung 40 in der Zeit von 2003 bis 2013 für die Ausstellung derartiger Ausweise zuständig gewesen sei.
Da der in Rede stehende Ausweis gemäß § 29b StVO mit der Nummer ***Ausweis-Nr*** (***3***) weder auf einer Liste der Magistratsabteilung 46 noch auf der Magistratsabteilung 40 aufscheine, sei das Verwaltungsstrafverfahren dementsprechend zum Abschluss gebracht worden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den eigenen Wahrnehmungen des Kontrollorgans der Parkraumüberwachung, den auf dem PDA (Überprüfungsgerät) erfassten Anzeigedaten, den zur Beanstandungszeit aufgenommenen Fotos und aus den Informationen der Magistratsabteilung 40 ergibt sich folgender Sachverhalt:
Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** (A) war am um 12:29 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Sportklubstraße gegenüber Zirkuswiese, abgestellt.
Zur Beanstandungszeit war im Fahrzeug der Parkausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nr. ***Ausweis-Nr*** hinterlegt, der als ausstellende Behörde die Magistratsabteilung 46 bezeichnet und die fortlaufende Nummer "***3***" enthält. Darüber hinaus wurde im vorliegenden Fall nach dem Parteienvorbringen weder eine behinderte Person befördert noch verfügt der Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges über eine eigene Körperbehinderung.
Weitere diesbezügliche Erhebungen ergaben, dass die Magistratsabteilung 46 nur im Jahre 1970 sowie im Zeitraum 1976 bis 2003 für die Ausstellung von Ausweisen gemäß § 29b StVO zuständig war. In den Jahren 2003 bis 2013 war die Magistratsabteilung 40 für die Ausstellung derartiger Ausweise gemäß § 29b StVO zuständig und seit 2014 werden Ausweise gemäß § 29b StVO vom Sozialministerium ausgestellt.
Ein Ausweis mit der Nr. ***Ausweis-Nr*** scheint weder auf einer Liste der Magistratsabteilung 46 noch auf der Magistratsabteilung 40 auf und enthält auch keine Folierung. Soweit der in Rede stehende Ausweis darüber hinaus auch noch die fortlaufende Nummer "***3***" enthält, ist darauf zu verweisen, dass Behindertenausweise gemäß § 29b StVO grundsätzlich die fortlaufende Nummer "GB/xxxxx/Jahr" enthalten müssten.
Im vorliegenden Fall wurde der Parkausweis gemäß § 29b StVO mit der Nr. ***Ausweis-Nr*** weder von der Magistratsabteilung 46 noch von der Magistratsabteilung 40 ausgestellt. Darüber hinaus enthält der in Rede stehende Ausweis gemäß § 29b StVO die fingierte fortlaufende Nummer "***3***".
Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** (A) war zum Beanstandungszeitpunkt der Bf..
Der Bf. hat weder die Abstellung des Fahrzeuges an der angeführten Örtlichkeit noch seine Lenkereigenschaft bestritten.
In Beantwortung der Aufforderung zur Rechtfertigung und in seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis brachte der Bf. vor, er sei von einem offensichtlich gehbehinderten Herren und damit einer letztlich unbekannten Person angesprochen worden, der bzw. die ihn gebeten habe, seinen E-Scooter für zirka 2 Stunden im Fahrzeug des Bf. zu verwahren, da er damit nicht in den Bereich der ,Wiener Wiese' dürfen habe. Dieser Herr habe einen Ausweis gehabt mit dem er für die Entrichtung der Kurzparkzone aufkommen habe wollen. Der Bf. habe sich den Ausweis auch angesehen und er habe keine Ungültigkeit erkennen können.
Zufolge der eigenen Wahrnehmungen des Meldungslegers hat es sich bei dem beanstandeten Ausweis nicht um einen Originalausweis, sondern um einen manipulierten Parknachweis gehandelt.
Beweiswürdigung:
Die Beanstandung durch den Meldungsleger, das Datum und die Uhrzeit sowie der Ort der Beanstandung sind aktenkundig.
Dass der Abstellort, der Beanstandungszeitpunkt und seine Lenkereigenschaft nicht bestritten werden, ergibt sich aus dem Vorbringen des Bf. in der Beantwortung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom und in seiner Lenkerauskunft Online vom .
Für das Bundesfinanzgericht haben sich - in Wahrnehmung seiner amtswegigen Ermittlungs-pflicht - keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfest-stellungen in freier Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG als erwiesen annehmen.
Rechtsgrundlage und rechtliche Würdigung
Nach § 22 Abs. 1 VStG 1991 ist soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
Nach § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Nach § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO) eine Abgabe zu entrichten.
Nach § 5 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung gilt die Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
Nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung hat jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten.
Gemäß § 6 lit. g Wiener Parkometerabgabeverordnung ist die Abgabe nicht zu entrichten für Fahrzeuge, die von Inhabern eines Parkausweises für Behinderte gemäß § 29b StVO 1960 abgestellt oder in denen solche Personen befördert werden, sofern die Fahrzeuge beim Abstellen mit diesem Ausweis gekennzeichnet sind.
Nach § 1 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung sind als Hilfsmittel zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird (Parkometerabgabeverordnung), Parkscheine nach dem Muster der Anlagen oder elektronische Parkscheine zu verwenden.
Nach § 29b Abs. 1 StVO 1960 ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung, Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.
Nach § 29b Abs. 3 lit. b StVO dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern, in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung parken.
Nach § 29b Abs. 4 StVO 1960 hat beim Halten gemäß Abs. 2 sowie beim Befahren einer Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a der Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 diesen den Straßenaufsichtsorganen auf Verlangen vorzuweisen. Beim Parken gemäß Abs. 3 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs. 1 lit. d freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.
Durch das Einlegen eines ungültigen Behindertenparkausweises wurde gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz die Parkometerabgabe hinterzogen. Durch das Einlegen eines ungültigen und fremden Behindertenausweises, ohne dass eine Person mit Körperbehinderung befördert worden wäre, steht auch die mögliche Täuschung eines kontrollierenden Organs über die Berechtigung zur kostenlosen Nutzung des Parkplatzes im Raum, wodurch es zu einer Vermögensschädigung der Gemeinde Wien kam.
Nach der Rechtsprechung des OGH (vgl. , Rn 9), ist die gegenständliche Tat sowohl unter "[...] § 146 StGB als auch § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006 subsumierbar. Aufgrund des tateinheitlichen Zusammentreffens der gerichtlich strafbaren Handlung mit der Verwaltungsübertretung ist Letztere (ungeachtet der Herkunft konkurrierender Normen von unterschiedlichen Gesetzgebern [Bund/Land]) gemäß § 22 Abs 1 VStG nicht strafbar und darf die Tat nur wegen des gerichtlichen Tatbestands verfolgt werden".
Der Magistrat Wien war daher zur Erlassung des gegenständlich angefochtenen Straferkenntnisses nicht zuständig.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Keine Verwaltungsübertretung liegt vor, wenn eine an sich bestehende verwaltungsgerichtliche Strafbarkeit hinter eine gerichtliche zurücktritt, sodass im Ergebnis auch keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen ist (vgl. mwN auf die VwGH-Rsp Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017) § 45 Rn 3).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Im vorliegenden Fall war insbesondere zu berücksichtigen, dass der in Rede stehende Parkausweis gemäß § 29b StVO 1960 die nicht existente Nummer "***Ausweis-Nr***" sowie die nicht existente fortlaufende Nummer "***3***" enthält, vorgeblich von der Magistratsabteilung 46 und somit von einer unzuständigen Magistratsabteilung ausgestellt wurde und auch keine Folierung aufweist.
Darüber hinaus wurde im vorliegenden Fall nach dem Parteienvorbringen weder eine behinderte Person befördert noch verfügt der Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges über eine eigene Körperbehinderung.
Da im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte das Bundesfinanzgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen (vgl. Fister/Fuchs, Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 44 VwGVG, Rz. 6, S. 212).
§ 78 Abs. 1 stopp normiert: "Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet." Da dem Bundesfinanzgericht in amtlicher Eigenschaft der Verdacht der Straftat bekannt geworden ist, wird das gegenständliche Erkenntnis samt Sachverhaltsdarstellung und Kopie des Verwaltungsaktes an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.
Kostenentscheidung
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Da der Beschwerde stattgegeben wird, sind keine Kosten aufzuerlegen.
Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde zulässig. Der gegenständlichen Rechtsfrage kommt deswegen grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Rechtsprechung des VwGH zur Zuständigkeitsfrage im konkreten Fall fehlt.
Die Revision der beschwerdeführenden Partei ist hingegen unzulässig. Nach § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
eine Geldstrafe von bis zu 750 € und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 € verhängt wurde.
Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor, ist in § 4 Abs. 1 des (Wiener) Parkometergesetzes 2006 doch lediglich eine Geldstrafe bis zu 365 € vorgesehen und muss es sich bei der in § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen "Freiheitsstrafe" um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. , Rn 3f; , Ra 2021/16/0020, mwN).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 29b StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 29b Abs. 3 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 146 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500194.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAC-33950