Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2023, RV/7500525/2022

Verwaltungsstrafe Gebrauchsabgabe TP B 2 und TP B 3 mittlerweile aufgehoben, bleibt strafbar, da Günstigkeitsprinzip nicht anwendbar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen B-1, A-1, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bertram Broesigke, Gumpendorfer Straße 14/23, 1060 Wien, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und den Tarifposten B 2 und B 3 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 57/2019, über die Beschwerden des Beschuldigten und der Haftungspflichtigen G-1 vom gegen das Erkenntnis des Magistrates der Stadt Wien Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen vom , N-1, nach der am in Abwesenheit der Beschuldigten B-2 (RV/7500529/2022) und B-1 (RV/7500525/2022), in Anwesenheit der Beschuldigten B-3 (RV/7500527/2022) und B-4 (RV/7500531/2022), ihres Verteidigers Mag. Florian Ruf für Rechtsanwalt Dr. Bertram Broesigke, des Geschäftsführers der Haftungspflichtigen G-2, B-3, und des Geschäftsführers der Haftungspflichtigen G-1, B-4, der Behördenvertreterin AB-1 und der Schriftführerin S-1 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) werden die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 84,00 zu leisten.

III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.

IV. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Am erging an die Beschuldigte als Geschäftsführerin der G-1 folgendes Straferkenntnis:

Sie habe in den Jahren 2020 und 2021 vor der Liegenschaft in A-2, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr diene, durch eine Sonnenschutzvorrichtung im Ausmaß von 8,50 m Länge (Punkt 1. und 2.), durch einen Ladenvorbau im Ausmaß von 9,17 m² (2,91 m Länge, 3,15 m Höhe und 0,40 m Vorsprung, Punkt 3. und 4.) sowie durch einen Ladenvorbau im Ausmaß von 41,23 m² (8,50 m Länge, 4,85 m Höhe und 0,25 m Vorsprung, Punkt 5. und 6.) genutzt, wobei sie hierfür bis weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Sie habe dadurch die Gebrauchsabgabe für die Jahre 2020 und 2021 bis zum mit folgenden Beträgen verkürzt und insgesamt sechs Verwaltungsübertretungen begangen:


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1. und 2.
je 37,20
3. und 4.
je 74,10
5. und 6.
je 282,10


Sie habe dadurch die Rechtsvorschriften § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 2 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) (Punkt 1. und 2.), § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 3 GAG (Punkt 3. bis 6.) jeweils in der Fassung des LGBl. für Wien Nr. 57/2019, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung über sie folgende Strafen verhängt:


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Geldstrafen von jeweils
falls diese uneinbringlich seien, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils
1. bis 4.
€ 30,00
10 Stunden
5. und 6.
€ 110,00
12 Stunden


Ferner habe sie gemäß § 64 VStG € 62,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das seien 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt, zu zahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/ Kosten/ Barauslagen) betrage daher € 402,00.

Die G-1 hafte für die mit diesem Bescheid über die zur Vertretung nach außen berufene Beschuldigte verhängten Geldstrafen von 4 x je € 30,00 und 2 x je € 110,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 62,00 sowie sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.

Begründung

Gemäß § 1 Abs. 1 GAG sei für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angeben sei.

Nach § 9 Abs. 1 VStG sei für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt seien, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen sei.

Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschuldigte die zur Vertretung nach außen berufene Person der Gesellschaft und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich sei.

Im vorliegenden Fall gehe aus einer Anzeige der Magistratsabteilung 46 hervor, dass sie es zu verantworten habe, dass der öffentliche Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, durch die angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen worden sei.

Den Ausführungen der Beschuldigten im gegen die Strafverfügung erhobenen Einspruch sei Folgendes entgegenzuhalten:

Die Abgabepflicht des Nutzers des öffentlichen Raumes sei im § 9 Abs. 1a GAG begründet, wonach derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutze, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 GAG zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt - unbeschadet der §§ 6 und 16 GAG - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten habe.

Gemäß § 9 Abs. 1a GAG treffe sowohl den Eigentümer eines Gebäudes oder Geschäftslokals (als mittelbarer Nutzer durch die Vermietung des Geschäftslokals) als auch den Mieter des Geschäftslokals die Abgabepflicht für die Nutzung öffentlichen Gemeindegrundes. Beide hätten daher die Verwaltungsübertretung(en) zu verantworten, da beide, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, am Gebäude angebrachte Gegenstände (Portale etc.) genutzt hätten (vgl. Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts RV/7500581/2018 vom , RV/7400077/2020 vom oder RV/7400061/2021 vom ).

Weiters normiere § 6 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), dass Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schuldeten, Gesamtschuldner seien (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Es würden damit der Eigentümer eines Gebäudes oder Geschäftslokals und der Mieter des entsprechenden Geschäftslokals für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.

Wer nun im Innenverhältnis verpflichtet sei, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, sei eine Frage, die im Rahmen der privatrechtlichen Schuldverhältnisse zu klären sei.

Dass auch die Mieterin/der Mieter den gleichen Tatbestand erfülle und daher auch die Gebrauchsabgabe schulde, vermöge die Beschuldigte nicht zu befreien. In diesem Falle schuldeten, wie in § 6 BAO geregelt sei, beide Abgabepflichtige die gleiche Abgabe und würden dadurch für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.

Als verantwortliche Vertreterin der Liegenschaftseigentümerin des gegenständlichen Geschäftslokals/Gebäudes sei die Beschuldigte darüber hinaus - unabhängig vom Mietvertrag - ebenso wie der Mieter/die Mieterin dafür verantwortlich gewesen, vor dem Gebrauch des öffentlichen Gemeindegrundes eine entsprechende Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die dafür anfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten.

Die zugrundeliegende verkürzte Gebrauchsabgabe hänge nicht davon ab, wer die die Gebrauchsabgabepflicht auslösenden Gegenstände am Gebäude angebracht habe. Auch wenn diese nicht von der Beschuldigten selbst - wie sie behaupte - angebracht worden seien, sondern von den Mietern bzw. einem ihrer Vorgänger, befreie sie dies nicht von ihrer Verpflichtung, zumal sie keine Gebrauchserlaubnis erwirkt und die Gegenstände unbestrittenermaßen angebracht belassen und genutzt habe.

Zur eingewendeten Verfolgungsverjährung hinsichtlich der Abgabenverkürzungen im Jahr 2020, sei festzuhalten: Verfolgungsverjährung liege nicht vor, da die Frist zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens ein Jahr betrage. Diese Frist sei von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden sei oder das strafbare Verhalten aufgehört habe; sei der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so laufe die Frist erst von diesem Zeitpunkt (siehe § 31 Abs. 2 VStG). Darüber hinaus sei seit der Neufassung der Strafbestimmungen im Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. für Wien Nr. 11/2013, das Delikt der Abgabenverkürzung als Dauerdelikt konzipiert: im § 16 Abs. 1 letzter Satz GAG werde ausdrücklich festgelegt: "Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird." Damit sei der Einwand, es läge Verjährung vor, widerlegt, zumal die Verkürzungen zu den Tatanlastungen erst mit Nachbemessungsbescheid vom beendet und die Strafverfahren mittels Strafverfügung vom , welche am hieramts versendet worden sei, rechtzeitig eingeleitet worden seien. Bei einem Dauerdelikt sei eben nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert.

Der Einwand, dass es gänzlich an der subjektiven Tatseite fehle, da nie eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben worden sei, gehe auch ins Leere, da nach § 2 Abs. 1 GAG die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nur auf Antrag zulässig sei. Es bestehe sohin kein Anspruch auf Vorschreibung einer Gebrauchsabgabe, ohne eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben.

Die geltend gemachte Unkenntnis der die Gebrauchsabgabepflicht auslösenden Vorrichtungen an dem gegenständlichen Gebäude könne insofern keine schuldbefreiende Wirkung entfalten, als sich die Beschuldigte aufgrund ihrer Funktion als verantwortliche Vertreterin der Liegenschaftseigentümerin bereits beim Kauf der Liegenschaft über den Zustand des Objektes und den maßgeblichen Rechtsvorschriften hätte vertraut machen müssen.

Zu den von ihr gestellten Anträgen werde außerdem Folgendes ausgeführt:

Anstatt die Einstellung zu verfügen, könne die Behörde gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG der Beschuldigten im Falle des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheine, sie von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH setze die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraus, dass die dort genannten Umstände kumulativ vorlägen. Um daher eine Einstellung des Verfahrens nach dieser Vorschrift oder eine Ermahnung iSd § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vornehmen zu können, müssten die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie das Verschulden gering sein (s. auch Fister, in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] § 45 Anm 3; ).

Das zu schützende Rechtsgut sei im vorliegenden Fall der öffentliche Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene und ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen worden sei. Gegenständlich sei bereits für Vorzeiträume eine Gebrauchserlaubnis vorgelegen und sei davon auszugehen, dass bei ordnungsgemäßer Beantragung diese auch ohne weiteres genehmigt worden wäre.

Die Wertigkeit eines durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts finde ihren Niederschlag auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens (vgl. ), der im gegenständlichen Fall Geldstrafen bis zu € 42.000,00 vorsehe.

Nicht zuletzt sei die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Taten bei einem Verkürzungsbetrag an Gebrauchsabgabe von insgesamt € 786,80 nicht als unwesentlich zu bezeichnen.

Es lägen daher die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für eine Ermahnung nicht vor.

Nachdem das gesamte Vorbringen der Beschuldigten keinen geeigneten Schuldausschließungsgrund erkennen lasse, sei es als erwiesen anzusehen gewesen, dass sie als verantwortliche Vertreterin (handelsrechtliche Geschäftsführerin) der G-1 den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, in Anspruch genommen habe, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten. Sie habe somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.

Eine Verkürzung liege in solchen Fällen bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung einer Anzeigepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet werde (vgl. ).

Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehöre der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe komme ().

Gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung seien Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt werde, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis EUR 42.000,00 zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe sei eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauere so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachhole oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt werde.

Die verhängten Geldstrafen sollten durch ihre Höhe geeignet sein, die Beschuldigte wirksam von einer Wiederholung abzuhalten (Spezialprävention).

Für die Strafbemessung sei zunächst das Ausmaß der Verkürzungsbeträge maßgebend gewesen.

Zur Strafbemessung ad. Spruchpunkte 1. bis 4. des jeweiligen verkürzten Abgabenbetrages von € 37,20 bzw. € 74,10 sei festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , B149/76; B397/76; B416/76, Folgendes festgestellt habe: "Bei einer im Einzelfall derart niedrigen Abgabe (...) tritt die Relation zwischen der verkürzten Abgabe und dem Strafbetrag gegenüber der absoluten Höhe der Strafe zurück. Es ist durchaus nicht unsachlich, wenn sich diese absolute Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert."

Als erschwerend sei kein Umstand, als mildernd ihre verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie der Umstand zu werten gewesen, dass die gegenständliche Gebrauchsabgabe nach Festsetzung durch die Abgabenbehörde zeitnah bezahlt worden sei, weshalb die Strafen spruchgemäß hätten gemindert werden können.

Die Strafbemessung sei unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse erfolgt. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse hätten zu ihren Gunsten nicht angenommen werden können, da sie von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt bestehe.

Die Verschuldensfrage sei aufgrund der Aktenlage zu bejahen und es sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der Ausspruch über die Kosten sei im § 64 Abs. 2 VStG begründet.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde der Beschuldigten und der Haftungspflichtigen wurde ausgeführt:

1. Sachverhalt

Zum Sachverhalt werde auf die Darstellung im Einspruch vom verwiesen, in den Beschwerdegründen werde ergänzend ausgeführt:

Einspruch vom

"Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit:

Uns (Anmerkung BFG: die Geschäftsführer:in der Miteigentümerinnen) wurde nie eine Gebrauchsabgabe in der Form des § 10 GAG vorgeschrieben. Wir wurden durch Zustellung der gegenständlichen Strafverfügungen überrascht, zumal wir gar nicht in Kenntnis davon sind, dass Vorrichtungen an oder um unser Haus bestehen, welche eine Gebührenpflicht nach dem Gebrauchsabgabegesetz auslösen würden.

Festzuhalten ist, dass wir erst seit Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft sind und etwaige Vorrichtungen, welche vermeintlich einer Gebrauchserlaubnis bedürften, von unserem Vorgänger bzw. den ansässigen Mietern hergestellt worden sein müssen.

Ein Ladenvorbau, wie in der Strafverfügung Punkt 3. und 4. angeführt, in einem Ausmaß vom 9,17 m² bzw. ein Ladenvorbau im Ausmaß von 41,23 m² ist uns gar nicht bekannt und kann aus der gegenständlichen Strafverfügung auch nicht entnommen werden, um welche Objekte es sich handeln soll.

Es wird daher ausdrücklich mangelnde Bestimmtheit der Strafverfügung eingewendet.

Weiters wird hinsichtlich der vermeintlichen Abgabenverkürzung im Jahr 2020 die Verjährung der Verfolgung eingewendet.

Ferner mangelt es uns gänzlich an der subjektiven Tatseite, da wir - wie ausgeführt - nie eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben bekommen haben.

Zudem wurden wir erst Ende des Jahres 2019 Eigentümer und ist aus den den Geschäftslokalen zugehörigen Mietverträgen eindeutig herauszulesen, dass die Mieter die erforderlichen Bewilligungen auf eigene Kosten zu erwirken haben. Nach Studium der Mietverträge war für uns klar, dass unsererseits keine Veranlassungen hinsichtlich etwaiger Bewilligungen, welche aus dem laufendem Geschäftsbetrieb der Mieter resultieren, zu treffen sind.

Weiters normiert § 9 Abs. 3 GAG, dass abgabepflichtig ist, wer die Einrichtung ihrem Wesen und Zweck entsprechend nutzt.

In diesem Fall wird die Einrichtung (Bestandgegenstand) nur von den Mietern benützt.

Es kann uns sohin als verständige Erklärungsempfänger nicht vorwerfbar sein, dass wir vermeintliche Abgaben verkürzt haben, über welche wir gar nicht in Kenntnis waren.

Beweis: Grundbuchauszug, Mietvertrag Geschäftsraum Top 2, Mietvertrag Geschäftsraum Top 3, PV.

Zur formellen Rechtswidrigkeit:

Aus der gegenständlichen Strafverfügung geht nicht hervor, um welche Objekte es sich handeln soll.

Die Spruchpunkte 3.-6. sind uns gänzlich unerklärlich, zumal uns ein Ladenvorbau nicht bekannt ist.

Bezüglich der Spruchpunkte 1.-2. haben wir nunmehr Nachschau bei unserer Liegenschaft gehalten und vermuten wir, dass es sich um die Markise eines Geschäftslokales handelt.

Nach unserem Dafürhalten ragt diese jedoch nicht über die Gebäudefront hinaus in den Luftraum."

2. Zulässigkeit

Die Beschuldigte sei durch den angefochtenen Bescheid in subjektiven Rechten sowie verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (u.a. Eigentum gemäß Art. 5 StGG 1867) verletzt, sodass sie beschwerdelegitimiert sei.

3. Beschwerdegründe

3.1. Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit:

Sie (Anmerkung BFG: die Geschäftsführer:in der Miteigentümerinnen) seien gar nicht in Kenntnis darüber gewesen, dass Vorrichtungen an oder um ihr Haus bestünden, welche eine Gebührenpflicht nach dem Gebrauchsabgabengesetz auslösten. Festzuhalten sei, dass sie erst seit Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft seien und etwaige Vorrichtungen, welche vermeintlich einer Gebrauchserlaubnis bedürften, von ihrem Vorgänger bzw. den ansässigen Mietern hergestellt worden sein müssten.

Ferner mangle es ihnen gänzlich an der subjektiven Tatseite, da sie - wie ausgeführt - nie eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben bekommen hätten. Die Argumentation der belangten Behörde überzeuge unter anderem in folgendem Punkt nicht:

§ 9 Abs. 3 GAG normiere, dass abgabepflichtig sei, wer die Einrichtung ihrem Wesen und Zweck entsprechend nutze. Die belangte Behörde werfe ihnen vor und stelle unrichtigerweise als unstrittig dar, dass sie die Gegenstände unbestrittenermaßen angebracht belassen und genutzt hätten, zumal sie keine Gebrauchserlaubnis erwirkt hätten.

Dieser Vorwurf sei unrichtig und eben nicht unstrittig.

Einerseits könne ihnen kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, dass die Beschuldigten "Gegenstände belassen" hätten, die sie gar nicht ihrer Sphäre zugeordnet und über deren mangelnde Gebrauchserlaubnis sie keine Kenntnis gehabt hätten, andererseits seien folgende Sachverhaltselemente zu berücksichtigen:

1. In diesem Fall werde die Einrichtung (Bestandgegenstand) nur von den Mietern benützt. Sohin würden auch nur die Gegenstände von den Mietern benutzt.

2. Zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten hätten folgende Mietverhältnisse bestanden:

Aus dem Mietvertrag vom (Geschäftslokal Top 3) ergebe sich, dass dieses durch die Mieterin Frau M-1 angemietet worden sei.

Aus dem Mietvertrag vom (Geschäftslokal Top 2) ergebe sich, dass dieses durch Herrn M-2 angemietet worden sei.

Aus den Mietverträgen ergebe sich weiters eindeutig, dass die Mieter die Verpflichtung zur Einholung von behördlichen Bewilligungen übernommen hätten.

Die Mietverhältnisse seien auch vor dem Erwerb der Objekte durch die Beschuldigten angemietet worden, sodass sie keine Kenntnis davon hätten haben können, dass etwaige Anzeigen nach dem GAG ihrerseits zu tätigen gewesen wären.

Es könne ihnen sohin als verständige Erklärungsempfänger nicht vorwerfbar sein, dass sie vermeintliche Abgaben verkürzt hätten, über welche sie gar nicht in Kenntnis gewesen seien.

3. Die G-1 sei Minderheitseigentümerin. Der Vorwurf, er hätte die Gegenstände unbestrittenermaßen belassen und genutzt, gehe sohin ebenfalls ins Leere, da es sich wohl unbestrittenermaßen um allgemeine Teile der Liegenschaft handle (Außenhaut). Die Minderheitseigentümerin alleine sei gar nicht befugt, Änderungen an allgemeinen Teilen herbeizuführen. Es wäre sohin rechtlich gar nicht möglich gewesen, Gegenstände zu entfernen

Beweis: Mietvertrag Geschäftsraum Top 3 (./1), Mietvertrag Geschäftsraum top 2 (./2), Grundbuchauszug (./3), PV

3.2. Zur Strafbemessung:

Wie die belangte Behörde richtig ausführe, sei die Gebrauchsabgabe infolge nachträglicher Vorschreibung zeitnahe bezahlt worden. Es sei ihnen aus dem gegenständlichen Sachverhalt auch in keiner Weise der Vorwurf zu machen, dass sie die Gebrauchsabgaben fahrlässig, oder gar vorsätzlich, nicht entrichtet hätten.

Zur Strafbemessung führe die belangte Behörde weiter aus, dass spezialpräventive Überlegungen eine Rolle gespielt hätten. Das sei nicht nachvollziehbar, zumal in weiterer Folge auf die gänzliche Unbescholtenheit verwiesen werde.

Die Bf. stellten daher die Anträge,

1) gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und

2) das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 VStG einzustellen,

bzw. in eventu

3) das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen,

bzw. in eventu

4) das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG unter Erteilung einer Ermahnung einzustellen,

bzw. in eventu

5) die Strafhöhe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Magistrat der Stadt Wien MA 6 - Abgabenstrafen wegen der zu Recht eingewendeten Gefahr der Doppelbestrafung um Bekanntgabe der genauen Örtlichkeit der inkriminierten Sonnenschutzeinrichtungen und Ladenvorbauten, da sich im Haus insgesamt drei Lokale befänden (L-1, L-2 und ein geschlossenes Lokal mit der Aufschrift "L-3"), auf die die im Nachbemessungsbescheid der MA 46 vom umschriebenen Ausmaße nicht eindeutig zuträfen.

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In Beantwortung des Ersuchens übermittelte der Magistrat der Stadt Wien MA 6 - Abgabenstrafen mit Schreiben vom die Stellungnahme der MA 46, wonach man am Foto eindeutig nicht mehr als 2 Portale und 1 Markise erkennen könne, samt Foto des Gebäudes A-2, sowie einer Planskizze, in der die beanstandeten Ladenvorbauten und die Markise eingezeichnet wurden.

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Mit Schreiben vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschuldigten das Ergebnis der Beweisaufnahme bekannt.

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In der am hinsichtlich sämtlicher Beschuldigter (B-2, B-3, B-4 und B-1) durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:

Der Verteidiger trug die Beschwerde vor und beantragte wie dort. Ergänzend wurde ausgeführt, dass volle Schadensgutmachung geleistet worden sei, und legte dazu einen Kontoauszug, aus dem sich ein Guthaben von € 786,80 ergebe, vor.

Weiters legte er den Kaufvertrag zwischen P-1 und den beiden nunmehrigen Hauseigentümerinnen vor, aus dem sich ergebe, dass der Verkäufer dafür hafte, dass die von ihm übergebene Zinsliste für den Monat Juli 2019 den aktuellen Vorschreibungsstand wiedergebe und den Mietverträgen entspreche und dass diese Befristungen durchsetzbar seien. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass alle mit den Lokalen der Mieter im zusammenhangstehenden Abgaben und sonstigen Verbindlichkeiten von diesen und nicht von den Eigentümern getragen würden.

Darüber hinaus verwies der Verteidiger darauf, dass die Tarifposten B2 und B3 des Gebrauchsabgabengesetzes mittlerweile aufgehoben worden seien, und zwar auch bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses, weshalb unter der Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips eine Bestrafung seiner Mandanten nicht mehr in Betracht komme, da der vorgeworfene Tatbestand zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr inkriminiert wäre.

Da diese Tarifposten aufgehoben seien, könne auch nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Rechtsgutes gesprochen werden. Ansonsten verwies er auf sein schriftliches Vorbringen.

Die Amtsbeauftragte verwies auf ihr umfangreiches Vorbringen im angefochtenen Straferkenntnis und brachte vor, dass nach dem Gebrauchsabgabegesetz sowohl die Mieter als auch die Eigentümer verpflichtet gewesen wären, eine Gebrauchsbewilligung zu beantragen und die Gebrauchsabgabe zu entrichten, weshalb alle Parteien ein Verschulden an der Nichtentrichtung treffe.

Weiters werde darauf hingewiesen, dass zwar die gegenständlichen Tarifposten mittlerweile aufgehoben worden seien, weshalb nunmehr eine Verkürzung der Gebrauchsabgabe nicht mehr erfolgen könne, allerdings seien solche Vorrichtungen (Portale und Sonnenschutzeinrichtungen) anzeigepflichtig und stellten widrigenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar.

Die Verhandlungsleiterin teilte den Parteien Ausdrucke aus Google Maps Street View aus dem Zeitraum 2017 bis 2023 aus und stellte fest, dass im Nachmessungsbescheid das Foto aus dem Jahr 2018 ersichtlich sei, das nicht übereinstimme mit den Ablichtungen aus den Jahren 2019 bis 2023, da darauf ein weiteres Lokal namens L-1 mit weiteren Portalvorbauten und Sonnenschutzeinrichtungen zu sehen sei, weshalb aus dem Nachbemessungsbescheid nicht hervorgehe, um welche Vorbauten und Markisen es sich handle.

Auf die Frage der Verhandlungsleiterin, ob die Frage der Örtlichkeit der beanstandeten Einrichtungen noch strittig sei, erklärte der Verteidiger, dass dies nunmehr außer Streit gestellt werde, und verwies darauf, dass das Lokal mit der Bezeichnung "L-3" durchgehend vermietet (gewesen) sei.

Dazu wandte die Amtsbeauftragte ein, dass die Eigentümerinnen aus der Vermietung der Lokale einen mittelbaren Nutzen aus den angebrachten Vorrichtungen gezogen hätten.

Die Frage der Verhandlungsleiterin, ob der Verteidiger oder die anwesenden Beschuldigten zu den/ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (der Beschuldigten) Angaben machen wolle/wollten, wurde verneint.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Objektive Tatseite:

1. Verjährung

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 dauert die Verkürzung der Gebrauchsabgabe solange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Dem Einwand der Beschuldigten, dass hinsichtlich der Abgabenverkürzung 2020 bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei, ist entgegenzuhalten, dass die Frist zur Setzung einer Verfolgungshandlung gemäß § 31 Abs. 1 VStG von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist. Nach § 16 Abs. 1 zweiter Satz GAG tritt diese Voraussetzung mit der Nachholung der Selbstbemessung oder der bescheidmäßigen Festsetzung ein.

Da der Gebrauchsabgabennachbemessungsbescheid am (für die Jahre 2020 und 2021) erlassen wurde, erging die Verfolgungshandlung der Strafverfügung vom noch rechtzeitig innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist.

2. Abgabenanspruch

Gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.

Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben

B. Jahresabgaben je begonnenes Kalenderjahr
(in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 57/2019)

2. für Rollbalkenkasten und einziehbare oder lamellenartige Sonnenschutzvorrichtungen - ausgenommen für Räume, die ausschließlich oder überwiegend Wohnzwecken dienen - für den ersten begonnenen auf die Frontlänge projizierten Längenmeter 15,60 Euro, für jeden weiteren begonnenen auf die Frontlänge projizierten Längenmeter 2,70 Euro;

3. für Ladenvorbauten, portalartige Verkleidungen, aus welchem Material immer, Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sowie für Portalköpfe und Schaukästen an Gebäuden bzw. Bauwerken für den ersten begonnenen m² der Schaufläche 15,60 Euro, für jeden weiteren begonnenen m² 6,50 Euro; portalartige Verkleidungen oder Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sind abgabenfrei, wenn sie entweder mit dem übrigen Mauerputz in einer Ebene liegen oder nicht mehr als 7 cm über die Baulinie vorragen.

Da der Abschluss eines Abgabenbemessungsverfahrens nicht Voraussetzung für ein Verwaltungsstrafverfahren in derselben Angelegenheit ist, entfaltet der Inhalt von Abgabenbescheiden weder hinsichtlich der Sachverhaltsannahme noch in Bezug auf die rechtliche Beurteilung Bindungswirkung für die Strafbehörde (). Der Sachverhalt ist vielmehr von der Abgabenstrafbehörde selbst zu beurteilen, was nicht ausschließt, dass die im Abgabenverfahren erzielten Beweisergebnisse ohne Wiederholung der Beweisaufnahme verwertet werden können.

Im Anlassfall liegt eine Abgabennachbemessung des Magistrates der Stadt Wien MA 46 vom vor, wonach sich in den Jahren 2020/2021 eine Sonnenschutzvorrichtung (Markise) mit 8,50 m Länge und zwei Ladenvorbauten (Portale) mit 2,91 m Länge, 3,15 m Höhe und 0,40 m Vorsprung sowie mit 8,50 m Länge, 4,85 m Höhe und 0,25 m Vorsprung vor der Liegenschaft A-2, ohne Gebrauchserlaubnis befunden hätten.

Dagegen wendet sich die Beschwerde, wonach der Beschuldigten die Ladenvorbauten von 9,17 m² und 41,23 m² nicht bekannt seien und die Markise nicht über die Gebäudefront hinaus in den öffentlichen Luftraum rage.

Dazu ergab die Beweisaufnahme durch Einsicht in Google Street View vom August 2017, Juli 2018, Juni 2019, November 2020 und Dezember 2021 sowie die Auskunft der Magistratsabteilung 46, dass das Lokal mit den Aufschriften "L-4" (August 2017) bzw. "L-5" (Juli 2018, Juni 2019 und November 2020) bzw. "L-2" (Dezember 2021) einen Ladenvorbau mit den Maßen 2,91 m Länge, 3,15 m Höhe und 0,40 m Vorsprung aufweist und das Lokal mit der Aufschrift "L-3" über einen Ladenvorbau mit den Maßen 8,50 m Länge 4,85 m Höhe und 0,25 m Vorsprung sowie eine an diesem Ladenvorbau angebrachten Sonnenschutzvorrichtung (Markise) mit 8,50 m Länge verfügt.

Die Ergebnisse der Beweisaufnahme wurden der Beschuldigten zur Kenntnis gebracht und blieben - auch hinsichtlich des Vorsprunges der Ladenvorbauten - unbeanstandet.

Aus dem Vorbringen, dass die Markise nicht über die Gebäudefront hinaus in den öffentlichen Luftraum rage, lässt sich nichts gewinnen, da die Toleranzgrenze von 7 cm nur für die Ladenvorbauten nach Tarifpost B 3 gesetzlich vorgesehen ist, nicht jedoch für Sonnenschutzeinrichtungen nach der Tarifpost B 2, zumal bei einem Auszug der Markise diese Toleranzgrenze bei weitem überschritten wäre. Darüber hinaus wurde sie auch gar nicht an der Gebäudefront, sondern am bereits mit 25 cm darüber hinausragenden Ladenportal angebracht.

3. Heranziehung als Beschuldigte

Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, hat - unbeschadet der §§ 6 und 16 - gemäß § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten.

Wenn eine Einrichtung verpachtet wird, für die eine Gebrauchsabgabe nach Tarif C zu entrichten ist, so ist gemäß § 9 Abs. 3 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 abgabepflichtig, wer die Einrichtung ihrem Wesen und Zweck entsprechend nutzt.

Zunächst war festzustellen, dass laut Grundbuchauszug auf der Liegenschaft EZ/KG mit der Anschrift A-2, die G-1 zu 1/5 aufgrund des Kaufvertrages vom als Miteigentümerin eingetragen ist.

Nach dem Firmenbuchauszug ist die Beschuldigte im Zeitraum vom D-1 bis dato als Geschäftsführerin der G-1 eingetragen, weshalb sie gemäß § 9 Abs. 1 VStG und § 9 Abs. 1a GAG im Tatzeitraum 2020/2021 zur Einhaltung der abgabenrechtlichen Bestimmungen verpflichtet war.

Aus ihrem Einwand, dass gemäß § 9 Abs. 3 GAG derjenige abgabepflichtig sei, der die Einrichtung ihrem Wesen und Zweck entsprechend nutze, lässt sich nichts gewinnen, weil diese Bestimmung nur für Gebrauchsabgaben nach dem Tarif C - und nicht B (Post 2 und 3) wie im gegenständlichen Fall - anwendbar ist.

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die Beschuldigte als Vertreterin der (Mit-) Eigentümerin des Gebäudes und Vermieterin der dort befindlichen drei Lokale für die dort angebrachten Ladenvorbauten bzw. die Markise Gebrauchsabgabe zu entrichten hatte oder ob lediglich die Mieter der Lokale als Abgabepflichtige im Sinne des § 9 GAG zu behandeln sind.

Wie bereits aus § 3 Abs. 1 GAG hervorgeht, steht die Gebrauchserlaubnis für die Ladenvorbauten und die Markise dem jeweiligen Eigentümer der Baulichkeit zu, von der aus der Gebrauch erfolgt oder erfolgen soll. Damit hat der Landesgesetzgeber dem Umstand, wer die Gebrauchserlaubnis tatsächlich erwirkt hat, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, sondern festgelegt, dass der Gebrauch von öffentlichem Grund durch mit dem Gebäude befestigten Sonnenschutzeinrichtungen und Ladenvorbauten jedenfalls dem Eigentümer des Gebäudes zuzurechnen ist.

Diese hat daher gemäß § 9 Abs. 1 GAG als Trägerin einer Gebrauchserlaubnis für öffentlichen Grund in der Gemeinde die Gebrauchsabgabe zu entrichten. Daraus geht aber auch hervor, dass den Gebrauch von öffentlichem Grund durch Ladenvorbauten bzw. die Anbringung einer Markise nicht nur die Mieter der Geschäftslokale zu verantworten haben, sondern dass jedenfalls auch die Vermieterin als Miteigentümerin des Gebäudes mit den Anbauten öffentlichen Grund benutzt. Im Übrigen zieht sie ja auch im Rahmen der Vermietung dieser Geschäftslokale einen Nutzen aus den damit verbundenen Portalverkleidungen und Sonnenschutzeinrichtungen.

Die Beschuldigte irrt daher mit ihrer Ansicht, nur die Mieter der Geschäftslokale könnten die Gebrauchserlaubnis für die Anbauten erwirken und nur diese könnten zur Entrichtung der Gebrauchsabgabe herangezogen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1a GAG schulden sowohl die Eigentümerin des Gebäudes als auch die Mieter der Geschäftslokale die Gebrauchsabgabe für die Nutzung öffentlichen Grundes durch die am Gebäude angebrachten Ladenvorbauten bzw. die Markise.

Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Es werden damit die Gesellschaft als Miteigentümerin des Gebäudes und die Mieter der Geschäftslokale für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.

Wer nun im Innenverhältnis verpflichtet ist, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, ist eine Frage, die im Rahmen der privatrechtlichen Schuldverhältnisse zu klären ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens.

In Anbetracht des Umstandes, dass Mieter von Geschäftslokalen immer wieder wechseln, war es auch durchaus zweckmäßig, den Abgabenanspruch zunächst gegenüber der Miteigentümerin und Vermieterin geltend zu machen. lm Übrigen hat diese auch die Möglichkeit, die Abgabe auf die Mieter abzuwälzen oder einen Rückbau der Vorbauten bzw. Entfernung der Markise zu veranlassen.

Zu Recht wird daher im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführt, dass die Beschuldigte als verantwortliche Geschäftsführerin der G-1 den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diente, in Anspruch genommen hat, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten.

4. Günstigkeitsprinzip

Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

Die Strafe richtet sich gemäß § 1 Abs. 2 VStG nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

Aus dem Einwand des Verteidigers, dass nach dem Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs. 2 VStG eine Bestrafung des Beschuldigten nicht mehr in Betracht komme, da die der Bestrafung zugrundeliegenden Tarifposten B 2 und B 3 des Gebrauchsabgabegesetzes mit dem LGBl für Wien Nr. 47/2022 per aufgehoben wurden, lässt sich nichts gewinnen, weil sich das Günstigkeitsprinzip nach § 1 Abs. 2 VStG nicht auf die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift bezieht, sondern auf die Strafe (zB ). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im Zuge des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten eingetretene Änderungen der Rechtslage im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht erheblich () und berühren Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht ().

Das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs. 2 VStG bezieht sich daher nur auf die die Strafe betreffenden Bestimmungen. Dass der Günstigkeitsvergleich auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Strafbarkeit eines Verwaltungsstraftatbestandes nach dem Zeitpunkt der Begehung zur Gänze weggefallen ist (vgl. ), ist für den gegenständlichen Fall unerheblich, weil hier keine Änderung der Strafbestimmung, sondern lediglich des materiellen Abgabenrechtes eingetreten ist.

Subjektive Tatseite:

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Hinsichtlich der für eine Strafbarkeit geforderten subjektiven Tatseite genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG Fahrlässigkeit, also eine Sorgfaltspflichtverletzung in der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Belange.

Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit hat der VwGH festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden kann, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl. ).

Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Da es bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bedarf, wäre es im gegenständlichen Fall geboten gewesen, eine rechtliche Auskunft bei der zuständigen Behörde, bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person oder bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen () einzuholen. Da die Beschuldigte diese nicht eingeholt hat, vermag sie sich nicht mit ihrer Unkenntnis des Gesetzes zu entschuldigen und die Unkenntnis der Vorschriften nicht von ihrer Schuld zu befreien ().

Die Beschuldigte als Vertreterin der Liegenschaftseigentümerin hätte sich auch mit den einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich des Antrages auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis bzw. Entrichtung der damit verbundenen Abgaben auseinanderzusetzen gehabt. Daher ist ihr das Unterlassen dieser Erkundigungspflicht jedenfalls vorwerfbar und durfte die belangte Behörde sohin zu Recht von einer Verletzung der ihr zukommenden Sorgfaltspflicht und somit von einer fahrlässigen Handlungsweise ausgehen.

Dem Beschwerdevorbringen, nie eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben bekommen zu haben, ist zu entgegnen, dass der gemäß § 10 Abs. 1 lit. a GAG bescheidmäßig festzusetzenden Gebrauchsabgabe gemäß § 1 Abs. 1 GAG ein Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis voranzugehen hat, da andernfalls die Behörde keine Kenntnis von der Abgabenpflicht erlangte.

Die dem Straferkenntnis zugrundeliegende verkürzte Gebrauchsabgabe hängt auch nicht davon ab, wer die die Gebrauchsabgabepflicht auslösenden Ladenvorbauten bzw. die Markise am Gebäude angebracht hat. Auch wenn diese nicht von der Beschuldigten selbst angebracht wurden, sondern von einem der Vorgänger der Eigentümerin bzw. einem ihrer Mieter, befreit sie dies nicht von ihrer Verpflichtung, zumal sie die Sonnenschutzeinrichtung bzw. die Ladenvorbauten angebracht belassen hat.

Die Beschuldigte trifft daher ein Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Sie hat dadurch die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt, indem sie die gebotene Sorgfalt verletzt hat, für die an der Hausfassade angebrachten und in den Luftraum über dem Gemeindegrund hinausragenden Ladenvorbauten sowie die Markise eine Bewilligung zu erlangen und die jährlich fälligen Abgaben zu entrichten.

Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ().

Durch das zumindest fahrlässige Verhalten der Beschuldigten hat die Behörde die Abgabe nicht bei deren Fälligkeit erhalten, sondern musste nach Aufdeckung der Verwaltungsübertretungen mit amtswegiger Festsetzung vorgehen.

Strafbemessung:

Gemäß § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Für die Strafbemessung war zunächst das Ausmaß des jeweiligen Verkürzungsbetrages maßgebend (eine Verkürzung liegt bereits dann vor, wenn die geschuldete Abgabe nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entrichtet wird, es ist nicht gefordert, dass eine Abgabe auf Dauer entzogen werden sollte), wobei die verhängten Geldstrafen durch ihre Höhe geeignet sein sollten, die Beschuldigte wirksam von weiteren Sorgfaltspflichtverletzungen (zB Anzeigepflichten) abzuhalten (Spezialprävention).

Zur Höhe der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen hat die Beschuldigte kein inhaltliches Beschwerdevorbringen - wie etwa die Bekanntgabe ihrer aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - erstattet.

Ausgehend von einer fahrlässigen Handlungsweise der Beschuldigten wird bei der Strafbemessung als mildernd die verwaltungsbehördliche Unbescholtenheit sowie die rasche Schadensgutmachung gewertet. Weitere Milderungsgründe wurden durch sie nicht genannt.

Die Strafbemessung erfolgte unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse konnten zu Gunsten der Beschuldigten nicht angenommen werden, da sie von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt besteht.

Die ausgesprochenen Strafen entsprechen der Spruchpraxis der Verwaltungsbehörde und sind im Hinblick auf 6 begangene Taten schuld- und tatangemessen.

Zur Strafbemessung der Punkte 1. bis 4. des jeweiligen verkürzten Abgabenbetrages von € 37,20 bzw. € 74,10 wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 149/76, B 397/76 und B 416/76, verwiesen, wonach bei einer derart niedrigen Abgabe die Relation zwischen der verkürzten Abgabe und dem Strafbetrag gegenüber der absoluten Höhe der Strafe zurücktritt. Es ist durchaus nicht unsachlich, wenn sich diese absolute Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert.

Eine Erteilung einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG kommt im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, weil von der Verhängung einer Strafe nur abgesehen und eine Ermahnung erteilt werden kann, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität ihrer Beeinträchtigung durch die Tat sowie das Verschulden des Beschuldigten gering sind und eine Ermahnung geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Diese Voraussetzungen liegen - wie bereits ausgeführt - hier nicht vor.

Im Falle der Uneinbringlichkeit ist gemäß § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen festzusetzen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe entspricht ebenfalls dem festgestellten Verschulden der Beschuldigten in der Vernachlässigung abgabenrechtlicher Verpflichtungen der durch sie vertretenen Gesellschaft.

In jedem Straferkenntnis ist gemäß § 64 Abs. 1 VStG auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist gemäß § 64 Abs. 2 VStG für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 EURO zu bemessen.

Die Kostenbestimmung für das verwaltungsbehördliche Verfahren ergibt sich aus § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes.

Kostenentscheidung:

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 84,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.

Haftung:

Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen für die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Somit waren hinsichtlich der G-1 Haftungsinanspruchnahmen für die verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten auszusprechen (siehe ).

Vollstreckungsbehörde:

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.

Hier erweist sich der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich , sowie Wanke/Unger, BFGG, § 25 Anm. 6).

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 31 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 1 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 1 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 9 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 3 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500525.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at