Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.05.2023, RV/7100508/2023

Alleinerzieherabsetzbetrag: Nichtvorliegen einer Gemeinschaft wegen Fehlens eines Aufenthaltstitels

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, den Richter***Ri*** sowie die fachkundige Laienrichterin ***SenLR1*** und den fachkundigen Laienrichter ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, in der Sitzung vom zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.

  • Der angefochtene Bescheid wird im Sinne des Einkommensteuerbescheids 2021 vom , der mit Bescheid gemäß § 299 BAO vom aufgehoben wurde, abgeändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das bisherige Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Am brachte die Beschwerdeführerin (Bf) einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2021 elektronisch ein, mit welchem der Alleinerzieherabsetzbetrag und der ganze Familienbonus Plus für ein Kind beantragt wurden.

Mit Einkommensteuerbescheid 2021 vom erfolgte die Veranlagung erklärungsgemäß. Mit Bescheid gemäß § 299 Abs 1 BAO vom wurde der Einkommensteuerbescheid aufgehoben und durch einen neuen ersetzt. Ein Alleinerzieherabsetzbetrag wurde darin nicht berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden könne, da im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate eine Gemeinschaft mit einem Ehepartner bestanden hätte.

Mit Schreiben vom wurde gegen diesen Bescheid vom Beschwerde erhoben. Die Bf begründete diese damit, dass die Verehelichung mit dem Partner zwar bereits am ***Datum***2020 in Pakistan erfolgt wäre, dieser aber erst am nach Österreich eingereist wäre und daher im Jahr 2021 keine Gemeinschaft mit einem Partner bestanden hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend gab das Finanzamt an, dass die Voraussetzung zur Anerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages eine dauernd getrennte Lebensführung der (Ehe)Partner wäre. Dagegen spräche im konkreten Fall die aufrechte Ehe und dass keine objektiven Umstände vorliegen würden, die eine dauernde Trennung erzwingen würden.

Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt. Ergänzend wurden die Bemühungen der Bf und ihres Mannes geschildert, nach Österreich einreisen zu können (Sprachkurs, Beglaubigungen von Dokumenten, Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, finanzielle Unterstützung ihres Gatten, etc.). Weiters wurde für den Fall der Nichtberücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrags alternativ der Alleinverdienerabsetzbetrag geltend gemacht und eine Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt.

Mit Vorlagebericht vom wurde vom Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und deren Abweisung als unbegründet beantragt, da hinsichtlich des Alleinverdienerabsetzbetrages die gesetzliche Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht des Ehepartners und hinsichtlich des Alleinerzieherabsetzbetrages die gesetzliche Voraussetzung des Nichtvorliegens eines gemeinschaftlichen Lebens nicht vorliege.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (Bf) ist Mutter eines Kindes (***Sohn***), für das ihr in 2021 ganzjährig Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zustanden. Das Kind stammt aus einer früheren, zwischenzeitig geschiedenen Ehe. Die Obsorge steht den Eltern gemeinsam zu.

Sie heiratete am ***Datum***2020 ***Gatte*** (pakistanischer Staatsangehöriger) in Pakistan. Eine Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten bestand in 2021 nicht.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung.

Das Vorliegen der Kindeseigenschaft ist unstrittig und bestehen diesbezüglich auch keine Bedenken.

Strittig ist hinsichtlich des Alleinerzieherabsetzbetrages die Sachverhaltsfrage (), ob die Bf in 2021 in einer Gemeinschaft mit ihrem Gatten gelebt hat oder nicht.

Ihr Gatte war in 2021 nicht in Österreich, sondern in Pakistan wohnhaft. Er war zudem arbeitslos und bedurfte daher finanzieller Unterstützung durch die Bf. An der Erziehung des Sohnes seiner Gattin konnte er faktisch nicht mitwirken und sich auch nicht an der Wirtschafts- und Haushaltsführung als Ehepartner beteiligen.

Seinem Antrag auf Ausstellung eines Visums für die Einreise nach Österreich wurde erst am stattgegeben. Er ist danach am von Pakistan nach Österreich eingereist und wohnt seitdem in Wien.

Eine Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft hat unstrittig und unfreiwillig in 2021 nicht bestanden. Dieser standen im Wesentlichen der fehlende Aufenthaltstitel des Ehegatten und die Vollzeitbeschäftigung der Bf entgegen.

Eine Wirtschaftsgemeinschaft war zumindest insoweit existent, als die Bf dem - arbeitslosen - Ehegatten in 2021 regelmäßig Geld überwiesen hatte. Eine gemeinsame Haushaltsführung gab es ansonsten nicht.

Auf ein seelisches Zusammengehörigkeitsgefühl kann aufgrund der Bemühungen des Ehegatten auf Ablegung der Deutschprüfung A1 am Goethe-Institut in Karachi (Pakistan), die auf eine Erlangung eines Einreisetitels gerichtet waren, sowie aus den E-Mail-Anfragen der Bf bei der österreichischen Botschaft in Islamabad (Pakistan) hinsichtlich des Status des Antrages ihres Ehegatten geschlossen werden.

Insgesamt konnten eine in Ansätzen bestehende Wirtschaftsgemeinschaft, die lediglich dem Ehegatten nutzte, sowie die seelische Gemeinschaft jedoch nicht die fehlende Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft ausgleichen, die zudem nicht auf einvernehmlichen Entscheidungen der Ehepartner, sondern auf objektive Umstände (fehlender Aufenthaltstitel) zurückzuführen waren. Trotz aufrechter Ehe ergibt sich daraus nicht das typische Erscheinungsbild eines ehelichen Zusammenlebens.

Darüber hinaus bestand für die Bf in 2021 eine Situation, die mit jener einer Alleinstehenden mit einem Kind durchaus vergleichbar ist und sie dadurch in ihrem beruflichen Fortkommen gehindert war.

3. Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

Da die Beschwerden zulässig sind, rechtzeitig eingebracht wurden und keine Erledigung in Beschlussform gemäß § 278 BAO zu ergehen hat, entscheidet das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst.

Aufgrund des Antrages der Bf erfolgte die Entscheidung durch den Senat.

Die Bf war 2021 unstrittig Mutter eines Kindes im Sinne von § 106 Abs 1 EStG 1998 und Ehepartner gemäß § 106 Abs 3 EStG 1988 seit ***Datum***2020 aufgrund der Eheschließung mit ***Gatte***.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 sind Alleinerziehende Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1 leg cit) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 sind Alleinverdienende Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1 leg cit), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben.

§ 106 Abs 3 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(Ehe-)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. […]"

§ 90 ABGB lautet:

"(1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.

(2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist.

(3) Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt er ihn auch in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens."

§ 91 ABGB lautet:

"(1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten.

(2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen."

Norminhalt und -zweck

Der Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben. Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander aus, der "Status des Alleinerziehers" ist "gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners" (, mwN).

Durch das Familienbesteuerungsgesetz 1992 (BGBl Nr 312/1992) wurde die nunmehr anzuwendende Definition des Alleinerziehers bzw. des später geschlechterneutral formulierten Alleinerziehenden (Steuerreformgesetz 2009, BGBl I Nr 26/2009) geschaffen. Die Erläuterungen der Regierungsvorlage verweisen auf die sachgerechtere Bezeichnung durch die Umbenennung des Alleinerhalters zum Alleinerzieher (ErläutRV 463 BlgNR 18. GP 8).

Der in § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 definierte Begriff des Alleinerziehenden stellt nicht auf die zivilrechtliche Obsorge für ein Kind, sondern auf das tatsächliche Zusammenleben des Steuerpflichtigen mit mindestens einem Kind iSd § 106 Abs 1 EStG 1988 und einem "(Ehe)Partner" ab ().

Durch den Alleinerzieherabsetzbetrag soll nicht die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt werden, der alleinstehende Personen mit Kindern durch ein dadurch erschwertes berufliches Fortkommen ausgesetzt sind. Dem Alleinerzieher steht der Absetzbetrag auch dann zu, wenn er vom anderen Elternteil des Kindes Unterhaltszahlungen erhält (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 49).

Die Alleinerziehereigenschaft wird auch durch einen Lebensgefährten ausgeschlossen, der nicht Vater/Mutter des haushaltszugehörigen Kindes ist und zu dessen Unterhalt nicht aufkommt (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 49 mit Verweis auf -I/05, ).

Gemeinsame Obsorge der (getrennten) Eltern für ein Kind steht der Annahme einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner ("Patchwork-Familie") nicht entgegen ().

Demgemäß sind die zivilrechtliche Obsorge und das Tragen der Unterhaltslasten hinsichtlich des Kindes für die Beurteilung eines/einer Alleinerziehenden irrelevant. Wesentliche Voraussetzung der Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages ist das Erziehen zumindest eines Kindes, ohne dass eine Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner besteht und dadurch das berufliche Fortkommen erschwert wird und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des/der Alleinerziehenden nicht mit jener eines in einer Gemeinschaft lebenden Elternteils vergleichbar ist. Der Ausgleich erfolgt durch die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages. Diesen Zweck verfolgt die Norm des § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988.

Der erkennende Senat sieht es als notwendig an, das Vorliegen einer (Lebens)Gemeinschaft im Lichte dieses Normzweckes zu interpretieren (vgl ).

Begriff der (Lebens)Gemeinschaft

Die vorlegende Behörde führt im Vorlagebericht zum Vorliegen einer Gemeinschaft an:

"Bei der Ehe haben die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich zu gestalten wobei ein einvernehmlich getrenntes Wohnen als zulässig zu betrachten ist (vgl. Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 90 Rz 5 mwN).

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal nicht dauernd getrennt zu leben ist nicht die Anzahl der Wohnsitze eines der beiden Ehegatten oder dessen polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (, 0164).

Wesentlich ist nämlich auch das aus einer seelischen Gemeinschaft resultierende Zusammengehörigkeitsgefühl (OGH RS0047064 zu GZ. 14Ob101/86 (14Ob102/86); 3Ob61/88; 1Ob640/88; 3Ob42/89; 2Ob503/90; 7Ob4/00i; 6Ob298/03x; 3Ob274/04x; 3Ob154/07d; 3Ob186/09p; 3Ob237/11s; 3Ob139/13g; 3Ob241/13g; 3Ob35/20y; 2Ob173/21m), worunter ua verstanden wird, dass sich die Parteien im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben (OGH RS0021733 zu GZ. 1Ob188/72; 1Ob62/73; 5Ob2104/96i; 2Ob258/97y; 10ObS185/01f; 10ObS370/01m; 10ObS121/07b; 3Ob186/09p; 3Ob237/11s; 3Ob241/13g; 3Ob31/14a; 3Ob35/20y; 2Ob173/21m)."

Der OGH charakterisiert in einer von der belangten Behörde zitierten Entscheidung "die Lebensgemeinschaft im Sinne einer Wohngemeinschaft, Wirtschaftsgemeinschaft und Geschlechtsgemeinschaft aber auch als einer seelischen Gemeinschaft" ().

Unter einer Lebensgemeinschaft versteht man einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht ( mwN).

Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielt neben der Eheähnlichkeit und einer gewissen Dauer das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen (RIS-Justiz RS0047000; 2 Ob 314/98k; 3 Ob 6/09t).

Die fehlende Wohngemeinschaft indiziert allein noch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt: Auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, ist einvernehmlich getrenntes Wohnen als zulässig zu betrachten (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 90 Rz 5 mwN).

Unter einer Wirtschaftsgemeinschaft wird verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Güter teilnehmen lassen (RIS-Justiz RS0047035). Eine Wirtschaftsgemeinschaft muss nicht unbedingt bestehen, genügt andererseits allein auch nicht (RIS-Justiz RS0021733).

Wesentlich ist das aus einer seelischen Gemeinschaft resultierende Zusammengehörigkeitsgefühl (RIS-Justiz RS0047064), worunter ua verstanden wird, dass sich die Parteien im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben (RIS-Justiz RS0021733).

Der Verwaltungsgerichtshof äußerte sich im Hinblick auf die Begriffsklärung der Lebensgemeinschaft:

"Eine Lebensgemeinschaft, deren Wesen in Lehre und Rechtsprechung darin erblickt wird, dass es sich um einen eheähnlichen Zustand handelt, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Es kann aber auch wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen. […] Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. Es muss dabei nicht immer zugleich Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft als Merkmal der Lebensgemeinschaft gegeben sein, weil jedes dieser Elemente weniger ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen kann" ( mit Verweis auf den , und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar ().

Zusammengefasst können aufgrund der Rechtsprechung des VwGH und des OGH die Elemente einer Lebensgemeinschaft mehr oder weniger stark ausgeprägt sein oder ganz fehlen.

Im Regelfall wird die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, festzustellen und der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen sein. Dem subjektiven Willen der Ehegatten kann aber dann kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden, wenn objektive Umstände eine dauernde Trennung erzwingen. […] Die Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bewirkt jedenfalls eine auf Dauer angelegte getrennte Lebensführung. Der mögliche Wille der Ehegatten zu einem gemeinsamen Leben kann daher erst nach Entlassung aus der Strafhaft zum Tragen kommen ().

Die Verhaftung des Partners spricht für eine Beendigung einer eheähnlichen Gemeinschaft (Wanke/Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 106 (Stand , rdb.at) Rz 20 mit Verweis auf ).

Der Unabhängige Finanzsenat Wien entschied, dass bei einer fehlenden Einreiseerlaubnis und fehlender finanzieller Unterstützung für den eigenen Unterhalt des Ehegatten und den Unterhalt des Kindes dem allein lebenden Partner der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht ().

Schlussfolgerung

Dass es bereits 2021 Bemühungen von beiden Ehepartnern gegeben hat, eine Einreise nach Österreich zu ermöglichen bzw. diese im März 2022 zum Erfolg geführt haben, kann hinsichtlich des Vorliegens einer Lebensgemeinschaft nicht entscheidend sein.

Einerseits ist eine Einreise erst 2022 erfolgt. Andererseits kann einer behördlichen Entscheidung nicht vorgegriffen werden und, da das Gesetz den faktischen Zustand einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner voraussetzt, von den Erfolgsaussichten eines Visumsantrages bzw. vom Bestehen eines Aufenthaltstitels nicht auf das Bestehen einer Gemeinschaft geschlossen werden. Selbst wenn die Erlangung eines Aufenthaltstitels wahrscheinlich ist oder bereits ein solcher Titel besteht, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass eine Einreise erfolgt und eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft begründet wird. Beurteilungszeitpunkt wäre somit derjenige, zu dem die rechtlichen Hürden einer Einreise weggefallen sind.

Der fehlende Aufenthaltstitel verhinderte die Begründung einer Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft der Ehepartner. Wenngleich diese aufgrund der Einreise des Ehepartners im März 2022 und des gemeinsamen Wohnens beendet wurde, bestand im Jahr 2021 keine rechtliche Möglichkeit, in einer solchen Gemeinschaft zu leben. Dem Fehlen einer Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft war im Hinblick auf den Normzweck besondere Bedeutung beizumessen.

Die festgestellte, lediglich dem Ehegatten nutzende Wirtschaftsgemeinschaft sowie die seelische Zusammengehörigkeit konnten eine Eheähnlichkeit nicht erzeugen. Wesentlich ist, dass keine persönliche Begegnung der Ehegatten stattfand und der jetzige Ehemann die Kindesmutter (Bf) bei ihrer Erziehungsarbeit nicht unterstützen konnte. Eine solche Pflicht dazu ist im Übrigen aus der allgemeinen Beistandspflicht nach § 90 Abs 1 ABGB abzuleiten.

Dadurch war das berufliche Fortkommen der Bf erschwert und folglich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bf nicht mit jener eines in einer ehetypischen Gemeinschaft lebenden Elternteils vergleichbar.

Eine Gemeinschaft der Ehepartner im Sinne von § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 lag daher nicht vor. Der Alleinerzieherabsetzbetrag ist daher bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen.

Eine Prüfung des Eventualantrages auf Berücksichtigung eines Alleinverdienerabsetzbetrages erübrigt sich insoweit, als die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages diese ausschließt.

4. Unzulässigkeit einer Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hängt im Wesentlichen von der Beantwortung der Sachverhaltsfrage () ab, ob eine Gemeinschaft oder ein dauerndes Getrenntleben der Ehepartner bestanden hat. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Die ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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