Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.03.2023, RV/7104286/2020

Keine Familienbeihilfe in Ungarn

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0070.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Familienbeihilfe, Oktober 2019 bis Jänner 2020 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Des Weiteren ergeht folgender Beschluss:

Der Ablauf der Aussetzung des Verfahrens wird verfügt und das Verfahren hiermit fortgesetzt.

Gegen einen verfahrensleitenden Beschluss ist eine abgesonderte Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ungarische Staatsbürgerin, in Österreich nichtselbständig tätig und Mutter einer im Juli 2006 geborenen Tochter.

Sie ist in Ungarn wohnhaft und lebte seit 2009 getrennt vom Kindesvater.

Die ungarischen Behörden erklärten die Bf. (mit Formular E 411, datiert vom ) ab , als alleinstehend, bestätigten, dass das Kind bei der Mutter lebt und vertraten die Ansicht, dass da die Bf. seit Jänner 2009 in Österreich arbeite, Österreich der allein zuständige Staat für Familienleistungen sei. Angaben zum Kindesvater wurden keine gemacht.

Das Finanzamt ging wegen der fehlenden Angaben der ungarischen Behörden und da der Kindesvater noch lebt, Weiters davon aus, dass auch dieser Erwerbstätig sei und deshalb Anspruch auf ungarische Familienleistungen bestünden und wies den Antrag auf österreichische Familienbeihilfe ab.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte die Bf. aus, Sie habe nie auf ungarische Familienleistungen verzichtet. Vielmehr haben ihr ungarische Behörden mitgeteilt, das entsprechende ungarische Leistungen per eingestellt werden und ab diesem Zeitpunkt ausschließlich österreichisches Recht zur Anwendung gelange.

Laut einer beglaubigten Übersetzung eines Beschlusses des Bezirksamtes Györ vom wurde die Bf. als seit alleinstehend erklärt. Des Weiteren stellt das Amt fest. Dass die vom Ehepartner getrennt lebenden, oder geschiedenen Personen, weder als Arbeitnehmer, noch als Familienangehörige zu betrachten sind. Da dies nicht mehr als Familie gilt, sei nach Ansicht des Amtes ausschließlich österreichisches Recht anzuwenden und keine Ansprüche in Ungarn bestehen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) ab und vertrat die Ansicht, dass nach EG VO Nr. 883/2004 wenn Elternteile in zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten erwerbstätig sind, die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung von Familienleistungen vorrangig jenen Mitgliedsstaat träfe, in dem die Familienangehörigen wohnen. Also Ungarn und in Österreich allenfalls ein Anspruch auf Differenzzahlung bestünde.

Der Bf. wurde die indexierte Ausgleichszahlung gewährt.

Die Bf. beantragte fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das BFG.

Die ungarischen Behörden teilten am (mittels E 411) mit, dass die Eltern des Kindes seit wieder in einem gemeinsamen Haushalt leben und daher ab diesem Zeitpunkt ungarische Familienleistungen gewährt werden.

Das Finanzamt teilte im Zuge des Verfahrens mit, dass der Bf. ab September 2021 Ausgleichszahlungen gewährt wurden.

EU-Recht:

Da Gericht teilte dem Finanzamt im Mai 2021 seine Rechtsansicht mit, wonach die Ansicht zwar durchaus vertretbar sei, dass Ungarn mit der innerstaatlichen Rechtspraxis, getrenntlebende Partner nicht als Eltern bzw. Familienangehörige zu betrachten und mit der Beurteilung derselben als "Alleinstehende" gegen bestehenden EU-Recht verstoße. Insbesondere gegen die EG VO 883/2002 und deren Art. 68.

Es ist aber nach fester Überzeugung des Gerichtes weder diesem, noch dem Finanzamt gestattet, Normen und Entscheidungen eines anderen Mitgliedsstaates zu prüfen oder zu hinterfragen, oder gar eine derartige Beurteilung zur Grundlage einer Entscheidung zu machen.

Die EU hat mit Beschluss Nr. A 1 vom zur Klärung solcher Streitfragen ein "Dialog- und Schlichtungsverfahren" eingerichtet. Erst wenn dieses erfolglos verläuft kann der EuGH angerufen werden.

Für dessen Einleitung und Vollzug sind in Österreich die sachlich zuständigen Ministerien, keinesfalls aber das BFG zuständig. Das Finanzamt meldete dem BFG, dass eine entsprechende Mitteilung an das zuständige Ministerium erfolgt sei.

Rückmeldungen über die Einleitung eines diesbezüglichen Verfahrens haben das BFG bis dato nicht erreicht.

Aussetzung des Verfahrens:

Da zum einer gleichgelagerten Entscheidung des BFG (RV/7106290/2019) unter Ro 2020/16/0034 eine Amtsbeschwerde beim VwGH anhängig war, wurde mit Beschluss vom die Entscheidung gemäß § 271 Abs. 1 BAO ausgesetzt.

Die Zustellung dieses Beschlusses an die Bf. erfolgte durch Hinterlegung im Akt, da die Bf. zu diesem Zeitpunkt als unbekannt verzogen galt und die neue Adresse dem Gericht erst mit erheblicher Verspätung mitgeteilt wurde.

Der VwGH hat i.w.F. nicht in der Sache selbst entschieden, sondern die Revision mit Beschluss vom wegen Verspätung zurückgewiesen, weshalb das laufenden Verfahren fortzusetzen und dies mit Beschluss zu entscheiden war.

Der erforderliche verfahrensleitende Beschluss zum Ablauf der Aussetzung, ergeht hiermit unter Einem mit dem gegenständlichen Erkenntnis.

Rechtsgrundlagen:

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Für den Streitzeitraum ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: VO 883/2004) maßgebend.

Die VO 883/2004 gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j VO 883/2004). Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist eine Familienleistung.

Zu den Familienangehörigen zählt Art. 1 Buchstabe i Nummer 1 Ziffer i VO 883/2004 "jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird". "Unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen" (Art. 1 Buchstabe i Nummer 2 VO 883/2004). Wird nach den anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt gemäß Art. 1 Buchstabe i Nummer 3 VO 883/2004 diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird.

Artikel 1 Definitionen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

i) "Familienangehöriger":

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

2. unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen.

Art. 4 VO 883/2004 zufolge haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats; Nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO 883/2004 unterliegt daher eine Person, die (nur) in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

Art. 67 VO 883/2004 lautet:

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Art. 68 VO 883/2004 lautet:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Österreichisches Recht

§ 2 FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

§ 2a FLAG 1967 lautet:

§ 2a. (1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

§ 3 FLAG 1967 lautet:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

§ 4 FLAG 1967 lautet:

§ 4. (1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

§ 53 FLAG 1967 lautet:

§ 53. (1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Es steht fest, dass die Bf. im Streitzeitraum in Österreich nichtselbständig tätig war, zusammen mit ihrer Tochter einen gemeinsamen Wohnsitz in Ungarn hatte und vom Kindesvater getrennt lebte.

Das Finanzamt kann jedoch nicht allein aus dem Umstand, dass die ungarischen Behörden über den Vater keine Auskunft erteilten (siehe E 411) den Schluss ziehen, dass der Bf. die Familienbeihilfe zu versagen ist.

Es ist Ausfluss der ungarischen Rechtspraxis, dass keine Angaben über den getrennt lebenden Vater gemacht werden. Ungarn betrachtet einen Vater der getrennt von seiner Familie lebt, als eine Art Nichtperson. Er gilt nicht als Familienangehöriger und auch nicht als Arbeitnehmer. Die zurückbleibende Mutter wird als Alleinstehende angesehen.

Auf Basis dieser Rechtskonstruktion hält Ungarn Art 68 der EG VO für nicht anwendbar und sieht Österreich als allein zuständig an.

Vor allem aber hat Ungarn der Bf. nachweislich, auf Basis dieser Interpretation, im Streitzeitraum, jegliche Familienleistungen verweigert.

Erst im Jahr 2021, als der natürliche Zustand wiederhergestellt war, Vater, Mutter und Kind wieder in einem gemeinsamen Haushalt lebten, erwachte der bis dahin rechtlich nicht existente Vater quasi wieder zum Leben und Ungarn erkannte wieder Familienleistungen zu.

Nun mag man Spekulationen darüber anstellen, inwieweit diese ganz spezielle Form der Förderung der traditionellen Familie mit geltenden EU-Recht, insbesondere der EG-VO 883/2004 zu vereinbaren sei.

Für die gegenständliche Entscheidung können und dürfen derartigen Überlegungen jedoch keine Rolle spielen. Das Bundesfinanzgericht ist gehalten ausschließlich nach österreichischem und geltendem EU-Recht zu entscheiden und keinesfalls befugt ungarische Normen oder Rechtsakten zu prüfen, zu beurteilen oder gar eine diesbezügliche rechtliche Wertung zu einem Teil seiner Entscheidung zu machen. Die Entscheidungen ungarischer Behörden sind vom BFG zu akzeptieren und bei seiner rechtlichen Beurteilung, soweit sachverhaltsrelevant, zu berücksichtigen.

So in diesem Zusammenhang Bedenken hinsichtlich der Einhaltung bestehender EU-Normen durch Ungarn bestehen, ist es Sache Österreichs (= der zuständigen Ministerien) und anderer betroffener Mitgliedsstaaten mit Ungarn das dafür vorgesehene Dialog- und Schlichtungsverfahren zu starten und so dieses nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann, die Fragen an den EuGH heranzutragen.

Dem Gericht liegen keine Informationen vor, das diesbezüglich Handlungen gesetzt wurden.

Rein theoretisch bestünde wahrscheinlich noch die Möglichkeit, dass ein ungarisches Gericht die Frage der Eu-rechtskonformität ungarischen Rechts, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH heranträgt.

Rechtliche Beurteilung

Die Bf. lebt zusammen mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt. Ihre Erwerbstätigkeit in Österreich vermittelt ihr gemäß Art 4 der EG-VO 883/2004 einen Familienbeihilfenanspruch in Österreich. Der Wohnsitz in Ungarn ist einem solchen in Österreich gleich zu halten (§ 53 FLAG).

Da ihr die ungarischen Behörden im Streitzeitraum nachweislich keine Familienleistungen gewährt haben, bleibt für § 4 FLAG (Differenz- und Ausgleichszahlungen) kein Anwendungsbereich und der Bf. steht die Familienbeihilfe in vollen Umfang zu.

Anzumerken ist das die ursprünglich für den Streitzeitraum geltende Indexierung der Familienbeihilfe rückwirkend aufgehoben wurde und auch insoweit die Familienbeihilfe in voller Höhe zusteht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Verfahren kam ausschließlich in Österreich geltendes Recht zur Anwendung, aus dem sich die Lösung des Falles zweifelsfrei ergibt. Es liegen keine zu lösenden Rechtsfragen vor, für die ein österreichischen Gericht zuständig wäre (siehe Ausführungen oben).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104286.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at