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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.04.2023, RV/7200027/2023

Befugnis eines Dritten zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200027/2023-RS1
Die unionsrechtlichen Bestimmungen des Art. 44 UZK überlagern die nationalen Regelungen des § 246 Abs. 1 BAO und § 44 ZollR-DG und erweitern somit den Kreis der zur Einbringung eines Rechtsbehelfs legitimierten Personen auf unmittelbar und persönlich betroffene Dritte. Ein Wirtschaftsbeteiligter, der in der Zollanmeldung als Empfänger vermerkt ist, diese Zollanmeldung selbst in Auftrag gegeben hat und dem durch die Beschlagnahme der angemeldeten Wirtschaftsgüter das Recht auf die intendierte Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr verwehrt wird, ist als unmittelbar und persönlich Betroffener iSd Art. 44 UZK selbst dann befugt, gegen einen Beschlagnahmebescheid Beschwerde zu erheben, wenn er in diesem Bescheid nicht als Bescheidadressat genannt ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Herbert Schober BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Adr.Bf***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , GZ. ***1***, betreffend Beschlagnahme gem. § 26 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ZollR-DG zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem an Frau ***NN***, ***Adr.Bf***, gerichteten Bescheid vom , GZ. ***1***, beschlagnahmte das Zollamt Österreich im Grunde des § 26 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ZollR-DG die im Bescheid genannten Nichtunionswaren (14,1091 kg Goldschmuck).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom des nunmehrigen Beschwerdeführers (Bf.), Herrn ***Bf1***, dem Ehemann der ***NN***. Der Bf. bringt dazu vor, aufgrund seiner Eigenschaft als von der Beschlagnahme unmittelbar betroffener Einzelunternehmer gem. Art 44 Abs. 1 UZK zur Erhebung der Beschwerde legitimiert zu sein.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , GZ. ***1*** und ***2***, als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag, ohne in der Sache Neues vorzutragen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nach der Aktenlage ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Im Zeitraum von bis erfolgten durch den Bf. als Einzelunternehmer 119 Einfuhren von Goldschmuck aus der Türkei im Gesamtwert von € 68.685.575,80. Der Bf. verkaufte diese Wirtschaftsgüter angeblich anschließend an diverse Abnehmer innerhalb der Europäischen Union weiter.

Am reiste Frau ***NN***, Ehefrau und Angestellte des Bf., aus Istanbul kommend in die Europäische Union ein, um weiteren Goldschmuck einzuführen. Zu diesem Zeitpunkt lagen dem Zollamt bereits Ermittlungserkenntnisse vor, die auf einen umfangreichen Abgabenbetrug im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Goldeinfuhren schließen ließen. So besteht u.a. Verdacht, dass es sich bei den angeblichen Kunden des Bf. teilweise um "missing trader" handeln könnte. Unmittelbar nach ihrer Ankunft am Flughafen Wien-Schwechat begab sich Frau ***NN*** zum zuständigen Schalter des Zollamtes und gestellte die von ihr im Reiseverkehr mitgeführten verfahrensgegenständlichen Pretiosen.

Auf diese Schmuckstücke bezieht sich die Zollanmeldung CRN ***3*** vom , mit der die Erzeugnisse zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet wurden. In dieser Zollanmeldung ist im Feld 2 als Versender die Firma ***4*** mit Sitz in der Türkei vermerkt. Als Empfänger ist im Feld 8 der Zollanmeldung der Bf. genannt. Der Warenwert wird (so wie auch in der zugehörigen Faktura Nr. ***5***, die in der Zollanmeldung angeführt ist) mit € 701.927,73 angegeben.

Das Zollamt nahm diese Zollanmeldung zwar zunächst an, erließ aber kurz danach einen elektronischen Bescheid betreffend die Zurücknahme der Annahme der Zollanmeldung gem. Art. 27 UZK iVm Art. 172 Abs. 1 UZK (Nachricht EZ902 vom , 00:00:17). Dieser Bescheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Zu einer Überlassung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (Art. 201 Abs. 2 UZK) kam es nicht.

Die Schmuckstücke wurden vielmehr mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid beschlagnahmt.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage:

§ 26 Abs. 1 und Abs. 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in der entscheidungsmaßgeblichen Fassung lauten:

(1) Die Zollorgane sind bei Gefahr im Verzug befugt, Waren zu beschlagnahmen, wenn

1.

dies zur Ausübung der zollamtlichen Überwachung erforderlich ist und andere in diesem Bundesgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Gewährleistung der zollamtlichen Überwachung nicht möglich oder nicht tunlich sind, oder

2.

ohne diese Beschlagnahme die spätere Geltendmachung der Sachhaftung oder die Abnahme von Gegenständen, auf deren Verfall oder Einziehung rechtskräftig erkannt worden ist, oder die Einbringung von durch die Union oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen zu diesen oder von Geldstrafen, Wertersatzstrafen oder Kosten eines Finanzstrafverfahrens gefährdet wären, oder

3.

diese Waren als Beweismittel in einem Verfahren zur Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben benötigt werden und ohne diese Beschlagnahme zu befürchten ist, dass sie ansonsten für dieses Verfahren nicht zur Verfügung stehen.

(2) Ohne Gefahr im Verzug darf eine Beschlagnahme nur in den Fällen des Abs. 1 Nrn. 1 und 3 und nur auf Grund einer Entscheidung des Zollamtes vorgenommen werden.

Erwägungen:

Angesichts der Tatsache, dass der angefochtene Bescheid nicht an den Bf., sondern an seine Ehefrau und Angestellte gerichtet ist, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob er zur Erhebung der Bescheidbeschwerde befugt ist.

Das Zollamt geht offensichtlich von einer solchen Aktivlegitimation des Bf. aus, begründet diese Ansicht aber mit keinem Wort.

Gem. § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Beschwerdeführer kann daher grundsätzlich nur der sein, dem der Bescheid wirksam bekannt gegeben wurde und für den er auch inhaltlich bestimmt war (vgl. ).

§ 44 ZollR-DG bestimmt:

Das Recht zur Einbringung einer Beschwerde gegen einen Eingangsabgabenbescheid steht innerhalb der dem Anmelder offenstehenden Beschwerdefrist auch dem gesamtschuldnerischen Warenempfänger, der die Waren vom Anmelder übernommen hat, zu.

Art. 44 Abs.1 erster Satz der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABlEU Nr. L 269 vom (Unionszollkodex - UZK) lautet:

Jede Person hat das Recht, einen Rechtsbehelf gegen eine von den Zollbehörden im Zusammenhang mit der Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften erlassene Entscheidung einzulegen, die sie unmittelbar und persönlich betrifft.

Die zuletzt genannte Vorschrift überlagert die zitierten nationalen Regelungen über die Rechtsbehelfsbefugnis (vgl. von Marschall in Hübschmann, Hepp, Spitaler: Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 262. Aufl., Rz. 39 zu Art. 44 UZK).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu Art. 263 Abs. 4 AEUV ist eine Person unmittelbar betroffen, wenn sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirkt, und sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt.

Übertragen auf die Rechtsbehelfsbefugnis nach Art. 44 Abs. 1 UZK ist eine Person danach unmittelbar betroffen, wenn die Entscheidung ihre Belange berührt, ohne dass es noch weiterer Maßnahmen bedarf (vgl. Rüsken in Dorsch, Zollrecht, Art. 44 UZK, Rz. 36).

Auch Dritte können von einer Entscheidung der Zollbehörden unmittelbar betroffen sein.

Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, den Bf. als unmittelbar betroffene Person iSd vorstehenden Ausführungen zu betrachten, zumal er in der o.a. Zollanmeldung, die auf seinen Auftrag hin abgegeben wurde als Empfänger genannt ist. Außerdem geht aus der Vertreterindikation 1 in der Zollanmeldung hervor, dass es sich um einen Fall handelt, bei dem der Empfänger für sich selbst verzollt und er selbst zum Anmelder und Zollschuldner werden sollte.

Die unmittelbare Betroffenheit des Bf. zeigt sich aber vor allem dadurch, dass es dem Bf. durch den angefochtenen Beschlagnahmebescheid verunmöglicht wurde, eine Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr (Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a UZK) zu erreichen obwohl sein Einschreiten unmissverständlich auf die Überführung der gegenständlichen Waren in dieses Zollverfahren abzielte.

Zu prüfen bleibt, ob der Bf. (wie in Art. 44 UZK gefordert) auch persönlich betroffen ist. Während der Adressat einer Entscheidung wohl immer persönlich bzw. individuell betroffen ist, gestaltet sich die Beurteilung des Vorliegens der allfälligen persönlichen Betroffenheit eines Dritten schwieriger, zumal hierbei das Spannungsfeld zwischen einerseits einer umfassenden Rechtschutzgewährung und andererseits dem Erfordernis des Ausschlusses der Popularklage zu beachten ist.

Dritte, die von einer Entscheidung der Zollbehörden gegenüber einem anderen lediglich in ihren (meist wirtschaftlichen) Interessen berührt werden, werden in der Regel nicht persönlich betroffen sein.

Im Streitfall gilt dieser allgemeine Grundsatz nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts nicht. Denn bei der Beurteilung der persönlichen Betroffenheit des Bf. darf nicht übersehen werden, dass er in seinen wirtschaftlichen Interessen in einer Weise betroffen ist, die der Betroffenheit der Bescheidadressatin vergleichbar ist. Beim Bf. als Warenempfänger und intendierter Zollanmelder (und somit auch persönlicher Zollschuldner) weist die persönliche Betroffenheit auf Grund der geschilderten Umstände eine Intensität auf, die ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebt und ihn in gleicher Weise wie seine Ehefrau und Angestellte individualisiert. (vgl. von Marschall aaO, Rz. 61).

Aus dem Gesagten folgt als erstes Zwischenergebnis, dass das Zollamt im Ergebnis zu Recht davon ausging, dass der Bf. zur Erhebung der Bescheidbeschwerde befugt ist.

Der Bf. wendet sich u.a. gegen die Bescheidbegründung. Er meint, die Begründung erschöpfe sich in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig. Dem ist zu entgegnen, dass allenfalls im Abgabenverfahren zu Tage getretene Begründungsmängel im Rechtsmittelverfahren saniert werden können ().

Nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts ist durch die o.a. Beschwerdevorentscheidung von einer Sanierung des seitens des Bf. geltend gemachten Begründungsmangels auszugehen.

Dort stellt das Zollamt u.a. fest, dass die Beschlagnahme des in Rede stehenden Goldschmucks gem. § 26 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ZollR-DG dazu diente, die Qualität und den Feingoldgehalt des Schmucks (laut Faktura 21 Karat) bestimmen zu können. Weitere Beschlagnahmegründe seien die Überprüfung des Kaufgeschäftes sowie die Überprüfung des Warenursprungs.

Dass sich mit diesen Gründen die Beschlagnahme zur Beweissicherung nicht rechtfertigen ließe, trägt der Bf. nach Erhalt der Beschwerdevorentscheidung, der nach ständiger Rechtsprechung Vorhaltcharakter zukommt (siehe z.B. ), nicht vor.

Auf Grund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles, die das Vorliegen eines steuerunredlichen Verhaltens des Bf. nahelegen, war das Zollamt nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts durchaus berechtigt, alle Angaben der Zollanmeldung und der zugehörigen Faktura einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Dies umso mehr, als die Waren zwischenzeitlich als nicht angemeldet gelten und Zweifel hinsichtlich des der geplanten Einfuhr zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts bestehen. Zu diesen durchaus legitimen Überprüfungen zählt u.a. auch die Untersuchung des Feingoldgehalts der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter. Nach der Aktenlage leitete das Zollamt eine diesbezügliche Untersuchung durch das zuständige amtliche Edelmetallkontrolllabor in die Wege.

Es ist daher als zweites Zwischenergebnis festzuhalten, dass die verfahrensgegenständlichen Schmuckstücke schon deshalb als Beweismittel in einem Verfahren zur Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben benötigt wurden, weil der Feingoldgehalt zu überprüfen war.

Im angefochtenen Bescheid wird die Beschlagnahme damit begründet, dass die Waren als Beweismittel in einem Verfahren zur Erhebung von Einfuhrabgaben benötigt werden. Dieser Feststellung tritt der Bf. mit der Begründung entgegen, dass die Einfuhr legal erfolgt sei und weder die Menge noch der Kaufpreis der gegenständlichen Waren strittig sei. Eine Erhebung von Einfuhrabgaben könne problemlos aufgrund der vorliegenden Unterlagen erfolgen.

Mit dieser Argumentation übersieht der Bf., dass aufgrund des vorliegenden Sachverhalts massive Zweifel daran bestehen, ob der Einfuhr (wie in der o.a. Zollanmeldung angegeben) ein Kaufgeschäft zwischen ihm als Käufer und **4** als Verkäufer zugrunde liegt und ob sich die Waren (wie ebenfalls in der Zollanmeldung behauptet) in der Türkei im zollrechtlich freien Verkehr befanden.

In der Beschwerdevorentscheidung stellt das Zollamt u.a. fest:

"Am übermittelte Frau **NN**, per E-Mail (***6***) nachstehende Unterlagen zum gegenständlichen Goldschmuckimport vom :

1. Türkische Exportunterlagen - Nr.: ***7*** vom

2. Faktura der Firma **4** A.S., Rechnungsnummer ***5*** vom

3. A.TR Dokument, Nr.: ***8*** vom

4. Rechnung der Firma **4** A.S., Rechnungsnummer ***5*** vom

Zu Punkt 1.)

• Türkische Exportunterlagen - Nr.: ***7*** vom

Bei diesem Dokument handelt es sich offensichtlich um die türkischen Exportdokumente für den in Rede stehenden Goldschmuck. Als Versender ist die Firma **4** und als Warenempfänger die Firma ***9***. in Dubai angeführt.

Als Bestimmungsland ist Österreich vermerkt. Die Warenangaben, Gewicht, Warenwert usw. sind mit dem gegenständlichen Import ident.

Als Zollverfahrensart ist im Feld 37 der Code 3151 (Ausfuhr nach Veredelung) eingetragen.

Zu Punkt 2.)

• E-Faktura der Firma **4** A.S., Rechnungsnummer ***5*** vom

Anhand der Rechnung mit der Nummer ***5*** vom ist ersichtlich, dass die türkische Firma **4** den Goldschmuck in Höhe von € 701.927,73 an die Firma ***9***., ***AdrDubai***, verkauft. Laut dieser Rechnung wurde der Schmuck auch von dieser Firma bezahlt.

Zu Punkt 3.)

• A.TR Dokument, Nr.: ***81*** vom

Die Warenverkehrsbescheinigung, A.TR - Dokument, mit der Nummer ***8*** wurde am mit einem türkischen Zollstempel, Nr.: ***10***, bestätigt.

Eine solche Warenverkehrsbescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn diese als Nachweis für die Zwecke des freien Warenverkehrs dienen bzw. wenn die Waren die Ursprungseigenschaften in der Türkei erfüllen.

Mit Vorlage dieses A.TR Dokumentes wird, im Zuge der Zollanmeldung in Österreich, der zu zahlende Zoll in Höhe von 2,5% nicht eingehoben bzw. mit 0% festgesetzt.

Ob sich die in Rede stehende Ware zum Zeitpunkt der Ausfuhr aus der Türkei im freien Verkehr befand ist derzeit nicht bekannt.

Um diesen Sachverhalt klären zu können, wurde am ein Amtshilfeersuchen an die türkische Zollverwaltung übermittelt. Des Weiteren wurden nachträgliche Prüfungen von Präferenzursprungsnachweisen in Auftrag gegeben. Die beiden Antwortschreiben dazu sind ausständig.

Zu Punkt 4.)

• Rechnung der Firma **4** A.S., Rechnungsnummer ***5*** vom

Seitens ***NN*** wurde am die Kaufrechnung der Firma **4** A.S., Rechnungsnummer ***5*** sowie das dazugehörige A.TR Dokument mit der Nummer ***8*** für die Erstellung der Zollanmeldung CRN-Nr.: ***3***, durch die Spedition ***11***, im E-Zoll System übermittelt.

Diese Rechnung ist mit der Rechnung von Punkt 2. ident. Der einzige Unterschied dazu ist die Bezeichnung des Warenkäufers. Einmal ist es die Firma ***9***. aus Dubai und einmal ist es die Firma ***Bf1*** aus Österreich als Käufer vermerkt.

Wie eine Firma dieselbe Ware an zwei verschiedene Firmen verkaufen kann, konnte Frau **NN** bis dato nicht erklären.

Laut vorliegenden türkischen Exportunterlagen wurden die Waren nach Veredelung wiederausgeführt. Bis dato ist nicht bekannt ob sich die Waren zum Zeitpunkt der Ausfuhr im freien Verkehr befunden haben bzw. das vorgelegte A.TR Dokument (Nr.: ***8***) zu Recht ausgestellt wurde.

Auch konnte bis dato nicht geklärt werden warum die türkische Firma **4** für ein und dieselbe Ware, zwei Rechnungen mit der gleichen Warenbezeichnung, dem gleichen Warenwert, dem gleichen Rechnungsdatum, jedoch unterschiedlichen Warenempfänger ausstellt hat.

Wenn die Waren tatsächlich, wie auf den türkischen Exportunterlagen (Nr.: ***7*** vom ) angegeben, an die Firma ***9***. in Dubai verkauft wurden, dann hätte diese Firma die Waren an die Firma ***Bf1*** e.U. weiterfakturieren müssen. Eine solche Rechnung existiert jedoch nicht.

Aufgrund der oben angeführten Ermittlungsergebnisse wurde am ein Amtshilfeersuchen an die türkische Zollverwaltung übermittelt. Das Antwortschreiben dazu ist ausständig."

Diesen Feststellungen trat der Bf. im Vorlageantrag mit keinem Wort entgegen.

Für das Bundesfinanzgericht, dem die eben erwähnten Unterlagen ebenfalls vorliegen, ergibt sich aus den geschilderten Umständen, dass - entgegen der Argumentation des Bf. - erhebliche Zweifel an einer zollredlichen Einfuhr bestehen.

Denn wenn es sich tatsächlich um eine Wiederausfuhr nach einer aktiven Veredelung handelt (die Schmuckwaren sich also in der Türkei nicht im freien Verkehr befanden), könnte die Ausstellung der vom Bf. vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung A.TR zu Unrecht erfolgt sein, zumal dieses Dokument grundsätzlich nur für Waren des freien Verkehrs bestimmt ist.

Wenn die eingeführten Waren aber nicht den im gültigen Assoziationsabkommen der EU mit der Türkei festgelegten Bestimmungen entsprechen, wäre der Goldschmuck nicht wie angemeldet zollfrei zu belassen, sondern mit einem Zollsatz von 2,50 % belastet (vgl. etwa Art. 4 Abs. 5 des Beschlusses Nr. 1/2006 des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen EG-Türkei vom zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu dem Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG-Türkei (2006/646/EG), ABl. Nr. L 265/18 vom ).

Der Bf. meint, auch für eine allfällige Zollwertermittlung würden die Waren nicht benötigt. Die Zollwertermittlung orientiere sich grundsätzlich am bezahlten Transaktionspreis. Der Zollkodex kenne sechs Methoden, die zur Ermittlung des Zollwerts einer Ware heranzuziehen seien. Keine dieser sechs Methoden verlange ein unmittelbares physisches Vorhandensein der Ware, um den Zollwert entsprechend berechnen zu können.

Dem ist zu entgegnen, dass sich aus den Unterlagen massive Zweifel über das tatsächliche Bestehen eines Kaufgeschäftes zwischen **4** und dem Bf. ergeben, zumal sich aus der vorliegenden o.a. E-Faktura ergibt, dass die Firma ***9***. mit Sitz in Dubai den Schmuck angekauft und bezahlt hat.

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen und den Angaben in der o.a. Zollanmeldung. Während in der Beschwerde davon die Rede ist, dass es sich um Kommissionswaren handelt, wird in der Zollanmeldung durch die Eintragung des Codes 11 im Feld 24 (Art des Geschäftes) zum Ausdruck gebracht, dass kein Kommissionsgeschäft vorliegt.

Wenn das in der Zollanmeldung abgebildete Rechtsgeschäft zwischen **4** und dem Bf. nicht zustande gekommen ist, es sich also um eine Scheinrechnung handelt, liegt kein zollwertrechtlich relevantes Kaufgeschäft vor und die Transaktionswertmethode gem. Art. 70 UZK scheidet zwingend aus. Der Zollwert wäre demnach nach den Folgemethoden zu ermitteln. Da nach der derzeitigen Aktenlage (mangels entsprechender Unterlagen) auch die Ermittlung des Zollwertes nach den nachrangigen Methoden gem. Art. 74 Abs. 1 und Abs. 2 UZK nicht in Betracht kommt, wäre der Zollwert gem. Art. 74 Abs. 3 UZK zu ermitteln. Im Rahmen dieser Schlussmethode könnte der Zollwert allenfalls unter Heranziehung eines Schätzgutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen errechnet werden. Dass für Letzteres das physische Vorhandensein der zu bewertenden Ware unabdingbar ist, bedarf wohl keiner näheren Erörterung.

Es ist daher als drittes Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Goldschmuck bis zur Klärung der Frage des zutreffenden Zollwertes als Beweismittel in einem Verfahren zur Erhebung von Einfuhrabgaben in Betracht kommt.

Wie bereits oben ausgeführt nahm das Zollamt mit dem o.a. Bescheid vom die Annahme der Zollanmeldung zurück. Dieser in Rechtskraft erwachsene Bescheid führt auf Grund der in Art. 27 Abs. 3 UZK normierten ex-tunc-Wirkung dazu, dass die Schmuckstücke als nicht angemeldet gelten. Eine neue Zollanmeldung liegt (noch) nicht vor. Dem Zollamt kann daher aus diesem Grund und auch wegen der noch ausstehenden Klärung der offenen Fragen (Ergebnis des Amtshilfeersuchens an die türkische Zollverwaltung, Nachweis über das Bestehen eines Rechtsgeschäfts) nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es bislang dem in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag auf Ausfolgung der Waren nicht entsprach.

Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Obiter dictum:

Zur begehrten Ausfolgung ist ergänzend anzumerken, dass es sich bei der angefochtenen Beschlagnahme um eine vorübergehende Maßnahme handelt und dass gem. § 26 Abs. 3 ZollR-DG iVm § 91 Abs. 2 FinStrG beschlagnahmte Gegenstände stets unverzüglich zurückzugeben sind, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist.

Wenn das Zollamt Gewissheit über den Ablauf des tatsächlichen Geschehens und jener abgabenrechtlich bedeutsamen Umstände erlangt, die der Einfuhr zugrunde liegen, wird es die Frage der Beschlagnahme des Goldschmucks zu Beweiszwecken neu zu bewerten haben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Streitfall war keine Rechtsfrage zu lösen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 26 Abs. 3 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 26 Abs. 1 und 2 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 246 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 44 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 4 Abs. 5 Beschluss 2006/646/EG, ABl. Nr. L 265 vom S. 18
§ 91 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Verweise

UZK, Zollkodex Art. 201 Abs. 2
UZK, Zollkodex Art. 27 Abs. 3
UZK, Zollkodex Art. 44 Abs. 1
UZK, Zollkodex Art. 27
UZK, Zollkodex Art. 172 Abs. 1

UZK, Zollkodex Art. 74 Abs. 1 und 2
UZK, Zollkodex Art. 74 Abs. 3

UZK, Zollkodex Art. 44
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 16 Buchstabe a
UZK, Zollkodex Art. 70
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7200027.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at