Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2023, RV/3300006/2023

Unwirksamkeit eines per E-Mail eingebrachten Einspruchs gegen eine Strafverfügung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3300006/2023-RS1
Ein per E-Mail an die Amtsbeauftragte eingebrachter Einspruch gegen eine Strafverfügung wurde nicht wirksam eingebracht, er gilt als rechtlich inexistent.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Hüseyin Kilic, Meinhardstraße 5 Tür Top 2, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl ***Gz***, mit welchem sein Einspruch gegen das Straferkenntnis zurückgewiesen wurde, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

Über den Beschwerdeführer (Bf.) wurde mit Strafverfügung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl ***Gz***, Strafkontonummer ***StrKtoNr***, eine Geldstrafe in Höhe von 1.600 € verhängt sowie Kostenersatz in Höhe von 160 € festgesetzt. Nach Ansicht der belangten Behörde hat der Bf. Finanzordnungswidrigkeiten nach § 51 Abs. 1 lit. c und d FinStrG begangen, indem er eine näher bezeichnete Leistung nicht in die Registrierkasse eingegeben und über diese Leistung keinen Beleg erteilt hatte.

Diese Strafverfügung wurde von der belangten Behörde per RSa-Brief versandt, stand ab dem in der Filiale des Postpartners zur Abholung bereit und wurde vom Bf. am tatsächlich in Empfang genommen. Am übermittelte die Kanzlei der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. einen Einspruch gegen diese Strafverfügung per E-Mail an die Amtsbeauftragte. Nachdem der Vertreter des Bf. von der belangten Behörde am telefonisch darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Einbringung eines Einspruchs mittels E-Mails wirkungslos sei, wurde der Einspruch von der rechtsfreundlichen Vertretung noch am selben Tag zur Post gegeben.

Mit Bescheid vom , der rechtsfreundlichen Vertretung zugestellt am , wies die belangte Behörde den Einspruch zurück, wobei sie begründend zusammengefasst ausführte, der Einspruch sei wirksam erst am eingebracht worden, die Einspruchsfrist sei jedoch bereits am abgelaufen. Die vorherige Einbringung per E-Mail sei jedenfalls unzulässig und wirkungslos.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid richtet sich die am postalisch eingebrachte Beschwerde des Bf., vertreten durch seine rechtsfreundliche Vertretung, in welcher er zusammengefasst vorbringt, die E-Mail-Adresse sei ihm von der Sachbearbeiterin fernmündlich mitgeteilt worden und die Einbringung an diese von der Behörde bekanntgegebene E-Mail-Adresse sei somit zulässig und wirksam. Die somit "neuerlich" eingebrachte Eingabe vom stelle inhaltlich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO dar, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand würden jedenfalls vorliegen. Alternativ dazu könne die Eingabe auch als Fristverlängerungsantrag nach § 245 Abs. 3 BAO gewertet werden, dem eine die Beschwerdefrist hemmende Wirkung zukomme.

Am legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht zur Entscheidung vor.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt (Verfahrensgang) ergibt sich widerspruchsfrei aus dem gesamten Akteninhalt, insbesondere den im Akt erliegenden Zustellnachweisen und Eingangsstempeln sowie dem Ausdruck des E-Mails vom . Er steht auch im Einklang mit dem Vorbringen des Bf., weshalb das Gericht ihn als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen konnte.

Weitere Ermittlungen hinsichtlich einer etwaigen Ortsabwesenheit (eine solche wurde vom Bf. auch gar nicht behauptet) konnten unterbleiben, weil sich an der rechtlichen Beurteilung selbst dann nichts ändern würde, wenn die Beschwerdefrist erst mit dem Tag der nachweislichen Abholung der Strafverfügung durch den Bf. begonnen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Im Finanzstrafverfahren ist die Bundesabgabenordnung nicht vollständig, sondern nur insoweit anzuwenden, als das Finanzstrafgesetz (FinStrG) auf diese verweist. Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG gelten die §§ 85 bis 113 BAO sowie § 114 Abs. 3 BAO im Finanzstrafverfahren sinngemäß, soweit das FinStrG keine davon abweichende Regelung trifft.

Beim gegenständlichen Einspruch gemäß § 145 FinStrG handelt es sich um ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten, welches gemäß § 85 Abs. 1 BAO iVm § 56 Abs. 2 FinStrG grundsätzlich schriftlich einzubringen ist. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sind unter bestimmten Umständen - hier nicht von Relevanz - mündliche Anbringen zulässig. Ein mündliches Anbringen liegt jedoch im gegenständlichen Fall nicht vor; die Telefonate zwischen der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. und der belangten Behörde erfüllen jedenfalls nicht den Tatbestand eines mündlichen Anbringens (Ritz/Koran, BAO7 § 85 Rz 9 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 86a BAO ist die Einbringung von Anbringen im Wege der automationsunterstützten Datenübertragung oder "in jeder anderen technisch möglichen Weise" nur zulässig, soweit sie durch eine Verordnung des Bundesministers für Finanzen ausdrücklich zugelassen wird. E-Mails werden jedoch in den darauf gestützten Verordnungen (Telekopierer-VO, BGBl. 494/1991 idgF; FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II 97/2006 idgF) nicht ausdrücklich zur zulässigen Einbringungsart erklärt, weshalb die Einbringung per E-Mail unzulässig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung sind dennoch per E-Mail eingebrachte Anbringen rechtlich inexistent (Ritz/Koran, BAO7 § 86a Rz 4 mit weiteren Nachweisen).

Daher entfaltete das E-Mail vom keinerlei Wirkung. Der gegenständliche Einspruch wurde folglich erst am rechtswirksam eingebracht. An diesem Tag war die Frist gemäß § 145 Abs. 1 FinStrG jedoch bereits abgelaufen, und zwar unabhängig davon, ob man von einer Zustellung am (Beginn der Hinterlegungsfrist, Fristende: ) oder etwa aufgrund einer möglichen, aber gar nicht behaupteten Ortsabwesenheit des Bf. erst am (tatsächliche Abholung durch Bf., Fristende diesfalls: ) ausgeht. Erfolgte die Zustellung bereits am wirksam, wäre zudem selbst das gegenständliche E-Mail vom bereits verspätet gewesen.

Ob die Eingabe vom (auch) als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (allerdings gemäß § 167 FinStrG und nicht § 308 BAO) gewertet werden kann, hat zunächst die belangte Behörde zu beurteilen und allenfalls bescheidmäßig darüber abzusprechen. Der rechtsfreundliche Vertreter des Bf. wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine Umdeutung von Anträgen anwaltlich vertretener Personen nur in äußerst engen Grenzen für zulässig erachtet wird; zudem begründet seine offenkundige Unkenntnis des Gesetzes weder ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" (vgl. ; , 91/16/0046) noch wird darin ein lediglich "minderer Grad des Verschuldens" zu erblicken sein, weil an den rechtskundigen Vertreter des Bf. diesbezüglich ein strengerer Maßstab anzulegen ist (). Nicht nachvollziehbar ist im Übrigen auch das Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters, wonach der Eingabe der Charakter eines Fristverlängerungsantrags zukomme, da die Einspruchsfrist im Finanzstrafverfahren nicht verlängerbar ist.

Der Einspruch vom war daher gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG von der Finanzstrafbehörde mittels Bescheid als verspätet zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als richtig.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden. Über die Beschwerde konnte gemäß § 160 Abs. 2 lit. a und d FinStrG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da eine solche vom Bf. nicht beantragt wurde und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Gericht bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht zweckmäßig erschien.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da dieses Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 145 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 145 Abs. 4 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3300006.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at