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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.05.2023, RV/7100098/2023

Zurückweisung eines aufgrund Zustellmangels der Beschwerdevorentscheidung unzulässigen Vorlageantrages

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag. Günter Narat über den Vorlageantrag vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Steuernummer: ***BF1StNr1***, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, Lerchenfelder Gürtel 45 Tür 11, 1160 Wien, betreffend den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom hinsichtlich Einkommensteuer 2019 den Beschluss:

I)
Der Vorlageantrag vom wird gem. § 278 Abs 1 lit. a iVm §§ 260 Abs 1 lit. a und 264 Abs 4 lit. e Bundesabgabenordnung (BAO) als unzulässig zurückgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Am wurde von der belangten Behörde der Einkommensteuerbescheid 2019 betreffend den Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) erlassen und an diesen zugestellt.

Mit Schreiben vom erhob der steuerliche Vertreter des BF RA Dr. Gregor Klammer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom . RA Dr. Gregor Klammer hat sich in der Beschwerdeschrift auf die erteilte Vollmacht berufen.

Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde an den BF adressiert und zugestellt.

Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom brachte der BF einen Vorlageantrag bei der belangten Behörde ein. Der Vorlageantrag ist mit datiert, wobei es sich offensichtlich um einen Tippfehler handelt und das Datum richtigerweise lautet.

Am hat die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der BF um Mitteilung ersucht, auf welche Weise sein steuerlicher Vertreter RA Dr. Gregor Klammer vom Inhalt der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom betreffend Einkommensteuer 2019 Kenntnis erlangt habe. Insbesondere wurde um Bekanntgabe ersucht, ob eine Weiterleitung des Originals dieser Erledigung an den rechtsfreundlichen Vertreter erfolgt sei.

Mit Email vom wurde vom steuerlichen Vertreter des BF folgendes mitgeteilt:

"Es trifft zu, dass die Beschwerdevorentscheidung vom direkt an den Beschwerdeführer und nicht an mich als seinen Vertreter adressiert war. Es trifft auch zu, dass die - hier auch beigelegte Vollmacht - auf die ich mich berufen hatte, eine Zustellvollmacht beinhaltet. Ich führe meine Akten elektronisch, in meinem Akt habe ich daher die Beschwerdevorentscheidung mit Dateierstellungsdatum nur eingescannt, ob hier Herr ***Bf1*** das Original zu mir vorbeigebracht hatte, kann ich aus dem Akt und auch aus der Erinnerung meiner Mitarbeiter nicht nachvollziehen. Per Post ist dieses Schriftstück mit Sicherheit nicht eingelangt, sonst würde es einen Eingangsstempel aufweisen. Mir liegt jedenfalls heute ein Original nicht vor."

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der BF nochmals aufgefordert, dem Bundesfinanzgericht bekannt zu geben, ob er die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom im Original an seinen steuerlichen Vertreter RA Dr. Gregor Klammer übermittelt habe.

Mit Email vom wurde vom steuerlichen Vertreter des BF folgendes mitgeteilt:

"Zum Schreiben vom wird mitgeteilt, dass unserer Kanzlei nur eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung vorliegt und davon auszugehen ist, dass uns von Herrn ***Bf1*** auch nur die Kopie gebracht wurde."

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Eingabe des steuerlichen Vertreters des BF vom der belangten Behörde zur Kenntnisnahme übermittelt und dieser Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zu erstatten.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde von dieser im Wesentlichen mitgeteilt, dass offensichtlich die Beschwerdevorentscheidung vom nicht wirksam zugestellt worden sei. Der Vorlageantrag vom werde daher zurückzuweisen sein und die belangte Behörde habe in weiterer Folge mit einer zu Handen des steuerlichen Vertreters zuzustellenden Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde vom abzusprechen.

2. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die belangte Behörde hat am den Einkommensteuerbescheid 2019 betreffend den BF erlassen und an diesen zugestellt.

Mit Schreiben vom erhob der steuerliche Vertreter des BF, RA Dr. Gregor Klammer, Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom . RA Dr. Gregor Klammer hat sich in der Beschwerdeschrift auf die erteilte Vollmacht berufen.

Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom betreffend die Beschwerde vom wurde an den BF adressiert und an diesen zugestellt.

Der BF hat seinem steuerlichen Vertreter RA Dr. Gregor Klammer nur eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung vom übermittelt.

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind im Wesentlichen allesamt aktenkundig.

Die Feststellung, dass der BF seinem steuerlichen Vertreter, RA Dr. Gregor Klammer, nur eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung vom übermittelt hat, gründet sich auf die diesbezügliche Mitteilung des steuerlichen Vertreters vom und wird diese Feststellung auch von der belangten Behörde geteilt (siehe Eingabe vom ).

Vor diesem Hintergrund können die unter Punkt 2 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

4. Rechtliche Beurteilung

Gem. § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Zufolge des § 264 Abs 4 lit. e BAO ist § 260 Abs 1 auf Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Nach § 264 Abs 1 BAO kann "gegen eine Beschwerdevorentscheidung" ein Vorlageantrag gestellt werden.

Gem. § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen im Allgemeinen durch Zustellung (§ 97 Abs 1 lit. a BAO).

Die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter können sich durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben (§ 83 Abs 1 BAO). Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen (§ 83 Abs 2 BAO).

Bei Rechtsanwälten, Wirtschaftstreuhändern, Notaren und Bilanzbuchhaltern ersetzt nach § 8 Abs 1 letzter Satz Rechtsanwaltsordnung, nach § 77 Abs 11 WTBG 2017, nach § 5 Abs 4a Notariatsordnung bzw § 36 Abs 5 BibuG 2014 die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Bei diesen Parteienvertretern reicht es somit, wenn sie sich schriftlich oder mündlich (nicht telefonisch) auf eine ihnen erteilte Bevollmächtigung berufen.

Der Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis ergibt sich primär aus der Vollmachtsurkunde. Subsidiär sind diesbezüglich ebenso wie für die Beurteilung des Bestandes der Bevollmächtigung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend. Durch eine Bevollmächtigung wird dem Bevollmächtigten (Machthaber) vom Machtgeber ein "rechtliches Können" eingeräumt (zB ). Die Bevollmächtigung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann nicht nur ausdrücklich (schriftlich oder mündlich), sondern auch schlüssig erfolgen (, SZ 49/110; , ZfV B 2000/2192).

Eine allgemeine Vollmacht umfasst nach ständiger Rechtsprechung (zB ; , 2001/15/0158; , 2012/13/0102) auch die Empfangnahme von Schriftstücken (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 83, Rz 15ff).

Diesbezüglich ist auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2020/16/0004, zu verweisen, in dessen Rn 16 der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgeführt hat:

"Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gem. den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa ; sowie im Ergebnis bereits ). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine ,Heilung durch Einlassung' kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. nochmals )."

Unter Punkt 2 (Sachverhalt) wurde festgestellt, dass die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung trotz Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters dem BF zugestellt hat und dieser nur eine Kopie dieser Beschwerdevorentscheidung an seinen steuerlichen Vertreter übermittelt hat.

Eine Heilung des Zustellmangels ist demnach nicht erfolgt.

Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (Ritz/Koran, BAO7, § 264 Rn 6 mit Verweis auf ; , 2006/15/0373; ; , RV/7103611/2016; ; , RV/6100360/2020). Vorher gestellte Vorlageanträge sind vom Verwaltungsgericht gemäß § 260 Abs 1 iVm § 264 Abs 4 BAO zurückzuweisen (zB ; , RV/7102328/2015; , RV/7103761/2016).

Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht (§ 264 Abs 5 BAO).

Da im vorliegenden Fall von der belangten Behörde abschließend keine Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich des angefochtenen Bescheides betreffend Einkommensteuer 2019 erlassen wurde, ist der eingebrachte Vorlageantrag als unzulässig zurückzuweisen.

Im Hinblick auf die von der belangten Behörde zu erlassende Beschwerdevorentscheidung wird seitens des Bundesfinanzgerichtes explizit darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde auf das Vorbringen des BF in der Beschwerde bzw im (unzulässigen) Vorlageantrag sowie auf die vom BF genannten Beweisanbote (Einvernahme der genannten Zeugen (Lebensgefährtin des BF, Familie P, VN und seine Freundin)) einzugehen haben wird.

4.1. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung eines unzulässigen Vorlageantrages unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und das Bundesfinanzgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. ; , 2006/15/0371; , 2006/15/0373), ist spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868
§ 77 Abs. 11 WTBG 2017, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 137/2017
§ 5 Abs. 4a NO, Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100098.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at