Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Mag. Constantin-Adrian Nițu, Prinz-Eugen-Straße 70/1/3, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen vom betreffend Abgabennummer ***Str.Nr.*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit von RA Mag. Constantin-Adrian Nițu für den Beschwerdeführer sowie von Clemens Tomandl für den Magistrat der Stadt Wien und der Schriftführerin Mag. Verena Magdics zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird zur Haftung für Kommunalsteuer in Höhe von 5.420,88 € herangezogen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Haftungsvorhalt
Mit Schreiben vom richtete der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) folgendes Schreiben an den Beschwerdeführer:
"Sie waren bis im Firmenbuch als Geschäftsführer der Firma ***Primärschuldnerin*** eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter.
Gemäß § 80 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, in der derzeit geltenden Fassung, haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Bezüglich der Kommunalsteuer haften gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 -KommStG 1993, BGBl. Nr. 819/1993, in der derzeit geltenden Fassung, die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Im gegenständlichen Fall wurden die nachstehenden Abgabenbeträge bis dato nicht entrichtet, wodurch die gesetzliche Voraussetzung für Ihre Haft- und Zahlungspflicht gegeben ist.
Der Rückstand setzt sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:
Kommunalsteuer 7-12/2019 7.907,51
Es wird Ihnen gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu zu äußern. Sollten Sie Ihre Haft- und Zahlungspflicht anerkennen, so werden Sie ersucht, den Rückstand zu begleichen."
Der Haftungsvorhalt ist an den Beschwerdeführer mit einer Anschrift in Rumänien adressiert.
Ratenzahlung
Mit E-Mail vom wurde die zuständige Magistratsabteilung von einer Buchhaltungsabteilung der Stadt Wien informiert, dass eine Ratengenehmigung für den offenen Rückstand erteilt wurde.
Mit Bescheid vom wurde ein Ansuchen der Firma ***Primärschuldnerin*** i.Liqu. vom um Bewilligung einer Zahlungserleichterung bewilligt.
Der Bescheid vom ist an die ***Primärschuldnerin*** i.Liqu (Primärschuldnerin) "p.A. [Beschwerdeführer, Anschrift in Österreich]" gerichtet.
Bescheid
Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuer als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** für den Zeitraum Juli 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von € 6.907,51 heran und begründete dies wie folgt:
"Gemäß § 6a Abs. 1 des zitierten Kommunalsteuergesetzes haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom zur Zahl 28 S 17/20h wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Die Gesellschaft wurde am im Firmenbuch gelöscht. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung ist durch die Löschung der Gesellschaft jedenfalls erfüllt.
Herr ***Bf1*** war bis im Firmenbuch als Geschäftsführer bzw. ab als Liquidator der oben angeführten Gesellschaft eingetragen und hat weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.
Die Geltendmachung der Haftung entspricht auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf besteht, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte. Eine zwischenzeitlich eingebrachte Ratenvereinbarung wurde nicht eingehalten, sondern lediglich 2 Raten zu je 500,00 Euro entrichtet.
Er hat somit die ihm als Geschäftsführer bzw. Liquidator der im Spruch genannten Gesellschaft auferlegten Pflichten verletzt und ist daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann.
"
Beschwerde
Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer wie folgt Beschwerde gegen den Haftungsbescheid:
"In umseits bezeichneter Rechtssache gibt der Beschwerdeführer bekannt, Herrn Rechtsanwalt ***RA_Vertreter***, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt zu haben. Der gefertigte Rechtsanwalt beruft sich gemäß § 8 Abs 1 RAO auf die erteilte Vollmacht.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , zugestellt am , erhebt der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten und umseits ausgewiesenen Rechtsanwalt binnen offener Frist
BESCHWERDE
an das Verwaltungsgericht Wien.
Der Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach angefochten.
I. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Die Angelegenheit ist auch nicht gemäß Art. 130 Abs. 5 B-VG von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen, da keine Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichtes oder des Verfassungsgerichtshofs gegeben ist.
1.2. Berechtigung zur Erhebung
Der Beschwerdeführer ist durch den Bescheid der belangten Behörde in Rechten verletzt. Dieser ist daher gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG berechtigt, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit zu erheben.
II. Rechtzeitigkeit der Beschwerde
Der angefochtene Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am zugestellt. Die Beschwerde ist daher gemäß § 7 Abs 4 VwGVG fristgerecht erhoben.
III. Sachverhalt
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** ein Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Die Gesellschaft wurde am im Firmenbuch gelöscht. Der Beschwerdeführer wurde mittels des angefochtenen Bescheides aufgefordert, den Rückstand an Kommunalsteuer der ***Primärschuldnerin*** in Höhe von € 6.907,51 für den Zeitraum Juli 2019 bis Dezember 2019 als zur Vertretung der juristischen Person berufene Person zu begleichen, da er als Geschäftsführer bzw. Liquidator haftbar sei.
IV. Beschwerdegründe
Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Nichterlassung eines Haftungsbescheides verletzt.
In materiell-rechtlicher Hinsicht leidet die angefochtene Entscheidung an Rechtswidrigkeit. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit beruht auf einer falschen Auslegung des angewendeten Gesetzes. Dies deshalb, weil eine Haftung des Beschwerdeführers als Vertreter im Sinne der §§ 80 BAO gemäß § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetzes im vorliegenden Fall zu verneinen ist. Eine solche Haftung ist nur dann zu bejahen, wenn die Kommunalsteuer infolge schuldhafter Verletzung der auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann.
Der Beschwerdeführer hat sich zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten eines Steuerberaters bedient. Unstrittig ist, dass ein Geschäftsführer grundsätzlich auf die von diesem - in voller Kenntnis des richtigen Sachverhalts - erteilten Rechtsauskünfte vertrauen darf, solange diese nicht offensichtlich unrichtig wären oder an diesen bei Anwendung der objektiv zumutbaren Sorgfalt erhebliche Zweifel bestehen müssten ().
Der Steuerberater des Beschwerdeführers war in voller Kenntnis des richtigen Sachverhalts und durfte der Beschwerdeführer sohin auf seine Rechtsauskünfte vertrauen, welche nicht offensichtlich unrichtig waren und auch bei der durch den Beschwerdeführer angewandten objektiv zumutbaren Sorgfalt keine erheblichen Zweifel hervorzurufen geeignet waren. Eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtung durch den Beschwerdeführer ist sohin zu verneinen.
V. Anträge
Die im gegenständlichen Fall gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für die Erlassung eines Haftungsbescheides aufgrund einer Haftung als Vertreter der juristischen Person für die diese treffende Kommunalsteuer gemäß § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetzes liegen nicht vor und erweist sich der von der belangten Behörde erlassene Haftungsbescheid somit als rechtswidrig.
In Ansehung des oben Gesagten stellt der Beschwerdeführer daher nachstehende
ANTRÄGE:
1. Die Behörde möge der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen, zumal einer solchen Zuerkennung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen und
2. gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen und sodann
3. den angefochtenen Haftungsbescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts zur Gänze aufheben."
Vorhalt zur Stellungnahme
Am richtet die belangte Behörde folgendes Schreiben an den Beschwerdeführer:
"Sehr geehrter Herr ***Bf1***,
in Ihrer Beschwerde vom bringen Sie im Wesentlichen vor, nicht schuldhaft gehandelt zu haben. Weiters bringen Sie vor, sich eines Steuerberaters bedient zu haben und auf seien Rechtsauskünfte vertraut zu haben.
Dazu wird Folgendes festgestellt:
Mit der Bestellung einer Person zum Geschäftsführer wird dieser Person auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden; nimmt der Geschäftsführer die steuerlichen Agenden nicht selbst wahr, sondern überträgt sie an Dritte, wird er dadurch nicht vom Haftungsrisiko befreit. Insbesondere müssen Kontrollen so oft vorgenommen werden, dass dem Verantwortlichen Steuerrückstände nicht verborgen bleiben ().
Im gegenständlichen Fall ist es offensichtlich, dass Sie Ihre Sorgfaltspflichten nicht eingehalten und somit schuldhaft gehandelt haben, denn ansonsten hätten Ihnen die Abgabenrückstände, bzw. die Nichtzahlung der Kommunalsteuer über einen Zeitraum von 6 Monaten, nicht verborgen bleiben können. Der Abgabenrückstand resultiert ausschließlich aus der selbst gelegten Jahreserklärung an Kommunalsteuer für das Jahr 2019. Das Argument des Vertrauens auf den zugezogenen Steuerberater geht somit ins Leere.
Es wird Ihnen gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu zu äußern."
Der Beschwerdeführer gab mit Schriftsatz vom folgende Stellungnahme zum Vorhalt der belangten Behörde ab:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft dann zu verneinen, wenn er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet (; ÖStZB 2005/471). Wurde der Geschäftsführer ohne sein Verschulden daran gehindert, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, liegt sohin keine schuldhafte Pflichtverletzung vor (, 0038; , 94/13/0281).
Trotz seiner Stellung als Geschäftsführer war es dem Beschwerdeführer unmöglich dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden.
Dies deshalb, weil alle übrigen Personen, welche Funktionen innerhalb der Gesellschaft innehatten, sowie der Steuerberater der Gesellschaft, sämtliche führungsbezogenen Aufgaben an sich nahmen und den Beschwerdeführer von diesen gänzlich ausschlossen.
Trotz Bemühungen von Seiten des Beschwerdeführers war ihm eine diesbezügliche Informationsbeschaffung sowie eine Überwachung der gesellschaftsinternen Vorgänge bis zuletzt verwehrt. Da ihm sohin die Erfüllung seiner Pflichten ohne sein Verschulden verunmöglicht wurde, ist eine schuldhafte Pflichtverletzung und damit auch eine Haftung für den Kommunalsteuerrückstand der Gesellschaft zu verneinen."
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde wie folgt als unbegründet abgewiesen:
"Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG 1993, BGBl. Nr. 819/1993, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 17/1970, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Es ist ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich war, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun hat, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden kann, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist.
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe dem Steuerberater und seinen Rechtsauskünften vertrauen können. Eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtung sei somit zu verneinen. In der Stellungnahme vom bringt der Beschwerdeführer weiters vor, es sei ihm trotz seiner Stellung unmöglich gewesen, sämtliche Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten. Dies deshalb, weil alle übrigen Personen, welche Funktionen innerhalb der Gesellschaft innehatten, sowie der Steuerberater der Gesellschaft, sämtliche führungsbezogenen Aufgaben an sich genommen hätten, und er von diesen gänzlich ausgeschlossen gewesen sei. Trotz Bemühungen wäre ihm eine diesbezügliche Informationsbeschaffung sowie eine Überwachung der gesellschaftsinternen Vorgänge bis zuletzt verwehrt.
Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl. Nr. 58/1906, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben.
Voraussetzungen für die Haftung sind also:
Eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.
Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestehen, steht nach der Aktenlage fest. Weiters steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehört.
Ferner wird nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich sind.
Dazu wird Folgendes festgestellt:
Mit der Bestellung einer Person zum Geschäftsführer wird dieser Person auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden; nimmt der Geschäftsführer die steuerlichen Agenden nicht selbst wahr, sondern überträgt sie an Dritte, wird er dadurch nicht vom Haftungsrisiko befreit. Insbesondere müssen Kontrollen so oft vorgenommen werden, dass dem Verantwortlichen Steuerrückstände nicht verborgen bleiben ().
Im gegenständlichen Fall ist es offensichtlich, dass Sie Ihre Sorgfaltspflichten nicht eingehalten und somit schuldhaft gehandelt haben, denn ansonsten hätten Ihnen die Abgabenrückstände, bzw. die Nichtzahlung der Kommunalsteuer über einen Zeitraum von 6 Monaten, nicht verborgen bleiben können. Der Abgabenrückstand resultiert ausschließlich aus der selbst gelegten Jahreserklärung an Kommunalsteuer für das Jahr 2019. Das Argument des Vertrauens auf den zugezogenen Steuerberater geht somit ins Leere.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat. Tut er dies nicht, ist ihm ein gemäß § 9 BAO relevantes Verschulden anzulasten (vgl. Zl. 2010/16/0028).
Ein Sachvorbringen, dass der Beschwerdeführer alles ihm Zumutbare getan habe, um die Behinderung in der Ausübung seiner Funktion abzustellen, hat der Beschwerdeführer nicht erstattet.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war.
Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Der Beschwerdeführer hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet wird.
Auf Grund dieser Tatsachen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Vorlageantrag
Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Beschluss vom
Das Bundesfinanzgericht wandte sich wie folgt an beide Verfahrensparteien:
"I. Das Bundesfinanzgericht geht derzeit von folgenden Sachverhaltselementen aus:
Die ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) wurde im Juni 2015 im Firmenbuch des Landesgerichts Korneuburg eingetragen. Im November 2018 wurde vom Handelsgericht Wien die Sitzverlegung nach Wien ins Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer wurde im Juli 2019 als Alleingeschäftsführer und Alleingesellschafter ins Firmenbuch eingetragen.
Die Primärschuldnerin hatte im Jahr 2019 insgesamt 86 Dienstnehmer bei der Sozialversicherung angemeldet.
Im Februar 2020 wurde vom Handelsgericht Wien in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, dass das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet wird.
Die ***Stb*** war für die Primärschuldnerin beratend tätig; die Steuerberatungsgesellschaft hat gegenüber dem Magistrat unter Hinweis auf eine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht keine Auskünfte erteilt.
Die Primärschuldnerin hat für das Jahr 2019 eine Kommunalsteuer-Jahreserklärung abgegeben.
Die Kommunalsteuer 2019 beträgt zumindest € 7.907,51, wobei im Jahr 2021 zwei Mal je € 500,-- bezahlt wurden.
>> Beide Verfahrensparteien werden eingeladen, dazu Stellung zu nehmen.
II. Sowohl aus dem Verwaltungsakt als auch aus den behördlichen Erledigungen ist ersichtlich, dass
a) eine Kommunalsteuer-Jahreserklärung 2019 existiert und
b) ein Ratenansuchen existiert und zwei Ratenzahlungen geleistet wurden.
In der Beschwerdevorentscheidung wird darauf hingewiesen, dass der Abgabenrückstand ausschließlich aus der selbst gelegten Jahreserklärung stammt. Haftungsgegenständlich ist ein Betrag in Höhe von € 6.907,51 für den Zeitraum Juli 2019 bis Dezember 2019 (laut Haftungsbescheid).
>> Die belangte Behörde wird ersucht, bekannt zu geben, warum sich der (restliche) Jahresbetrag (nur) auf die Monate Juli bis Dezember verteilt.
>> Die belangte Behörde wird aufgefordert, sowohl die Kommunalsteuer-Jahreserklärung 2019 als auch das Ratenansuchen vom dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
III.
a) In der Äußerung des Beschwerdeführers vom wird angeführt, dass der Beschwerdeführer nicht dafür sorgen konnte, dass die Kommunalsteuer aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet wurde, weil "alle übrigen Personen, welche Funktionen innerhalb der Gesellschaft innehatten, sowie der Steuerberater der Gesellschaft, sämtliche führungsbezogenen Aufgaben an sich nahmen und den Beschwerdeführer von diesen gänzlich ausschlossen".
>> Zu diesem Vorbringen wird der Beschwerdeführer aufgefordert, Folgendes bekannt zu geben:
--) Welche Personen (Name, Geburtsdatum, Anschrift) hatten Funktionen innerhalb der Gesellschaft inne? Welche Funktionen wurden von diesen Personen ausgeführt? Wer hat diesen Personen diese Funktionen übertragen?
--) Wer war der "Steuerberater der Gesellschaft" (Name und Anschrift)? Welche führungsbezogenen Aufgaben hat der Steuerberater der Gesellschaft wahrgenommen? Wer hat dem Steuerberater die dazu nötige Bevollmächtigung erteilt?
--) Warum wurde die ***Stb*** nicht von einer Verschwiegenheitspflicht entbunden, um gegenüber der belangten Behörde Auskünfte erteilen und (vorhandene) Unterlagen vorlegen zu können?
Zum Nachweis der Richtigkeit der Angaben wird der Beschwerdeführer auch aufgefordert, die entsprechenden und zweckdienlichen Unterlagen vorzulegen.
b) In der Beschwerde vom wird vom Beschwerdeführer angeführt, dass keine Gründe für eine Haftung vorliegen, weil sich der Beschwerdeführer zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten eines Steuerberaters bedient hatte und der Steuerberater in Kenntnis des richtigen Sachverhaltes war und der Beschwerdeführer auf seine Rechtsauskünfte vertrauen durfte.
>> Zu diesem Vorbringen wird der Beschwerdeführer aufgefordert, Folgendes bekannt zu geben:
--) Welchen Steuerberater hat der Beschwerdeführer beauftragt (Name, Anschrift). Was war Inhalt dieses Auftrages. Wann erfolgte die Beauftragung?
--) Welcher Sachverhalt wurde dem Steuerberater vom Beschwerdeführer mitgeteilt? Wann erfolgte diese Sachverhaltsmitteilung? Welche Rechtsauskünfte wurden vom Steuerberater erteilt?
--) Wann wurde die Kommunalsteuer-Jahreserklärung erstellt? Auf Grund welcher Sachverhalte wurde die Jahreserklärung erstellt? Wer hat die Kommunalsteuer-Jahreserklärung erstellt? Wer hat die Lohnverrechnung durchgeführt?
Zum Nachweis der Richtigkeit der Angaben wird der Beschwerdeführer auch aufgefordert, die entsprechenden und zweckdienlichen Unterlagen vorzulegen."
Mit E-Mail vom gab die belangte Behörde bekannt, dass die Kommunalsteuer-Jahreserklärung von der ***Stb*** übermittelt wurde und 13.901,98 € betrage. Auf Grund der zweimaligen Ratenzahlung von je € 500 reduzierte sich der Rückstand auf 6.907,51 €. Vorgelegt wurde die Jahreserklärung sowie einige Banküberweisungen.
Mit Schreiben vom beantwortete der Beschwerdeführer die an ihn gerichteten Fragen wie folgt:
"1. Frage:
Welche Personen hatten Funktionen innerhalb der Gesellschaft inne? Welche Funktionen wurden von diesen Personen ausgeführt? Wer hat diesen Personen diese Funktionen übertragen?
1. Antwort:
Bei den Verantwortlichen handelt es sich um ***AB***, ***CD*** und eine dritte Person, deren Name - welcher mit dem Anfangsbuchstaben "B" beginnt - dem Beschwerdeführer nicht erinnerlich ist Die Geburtsdaten dieser Personen sind dem Beschwerdeführer nicht bekannt, ebenso wenig ihre Anschrift. Der Beschwerdeführer hat lediglich noch in Erinnerung, dass von ***AB*** ein Unternehmen namens "Treuhand" betrieben wurde.
Der Beschwerdeführer weiß, dass diese Personen in der Vergangenheit als Geschäftsführer der Gesellschaft agiert haben.
Zu einer Funktionsübertragung an diese drei Personen kam es nicht, sondern zogen diese sämtliche führungsbezogenen Aufgaben und Angelegenheiten eigenmächtig an sich und schlossen den Beschwerdeführer von diesen gänzlich aus.
2. Frage:
Wer war Steuerberater der Gesellschaft? Welche führungsbezogenen Aufgaben hat der Steuerberater der Gesellschaft wahrgenommen? Wer hat dem Steuerberater die dazu nötige Bevollmächtigung erteilt?
2. Antwort:
Dem Beschwerdeführer sind Name und Anschrift des Steuerberaters der Gesellschaft nicht bekannt. Dies ist lediglich den oben genannten Personen ***AB***, ***CD*** sowie der dritten Person bekannt und wurde auch der Steuerberater von diesen bestellt.
3. Frage:
Warum wurde die ***Stb*** nicht von einer Verschwiegenheitspflicht entbunden, um gegenüber der belangten Behörde Auskünfte erteilen und (vorhandene) Unterlagen vorlegen zu können?
3. Antwort:
Dem Beschwerdeführer ist nicht bekannt, warum eine solche Entbindung nicht erfolgt ist. Er selbst hat kein diesbezügliches Gespräch mit der ***Stb*** geführt.
4. Frage:
Welchen Steuerberater hat der Beschwerdeführer beauftragt? Was war Inhalt dieses Auftrages? Wann erfolgte die Beauftragung?
4. Antwort:
Eine Beauftragung durch den Beschwerdeführer selbst erfolgte nicht, weshalb ihm auch Name und Anschrift des Steuerberaters unbekannt sind. Die Beautragung wurde von den Personen ***AB***, ***CD*** sowie der dritten Person vorgenommen.
5. Frage:
Welcher Sachverhalt wurde dem Steuerberater vom Beschwerdeführer mitgeteilt? Wann erfolgte diese Sachverhaltsmitteilung? Welche Rechtsauskünfte wurden vom Steuerberater erteilt?
5. Antwort:
Diese Umstände sind dem Beschwerdeführer nicht bekannt, da die Personen ***AB***, ***CD*** sowie die dritte Person sämtliche führungsbezogenen Aufgaben ausübten. Zu einer Sachverhaltsmitteilung durch den Beschwerdeführer an den Steuerberater kam es nie.
6. Frage:
Wann wurde die Kommunalsteuererklärung-Jahreserklärung erstellt? Auf Grund welcherSachverhalte wurde die Jahreserklärung erstellt? Wer hat die Kommunalsteuer-Jahreserklärung erstellt? Wer hat die Lohnverrechnung durchgeführt?
6. Antwort:
Zuletzt können auch diese Fragen vom Beschwerdeführer nicht beantwortet werden und ist abermals auf die Personen ***AB***, ***CD*** sowie die dritte Person zu verweisen.
Die drei genannten Personen waren auch für die Mitarbeiter und sohin ebenfalls für die Lohnverrechnung zuständig. Daneben fungierte eine weitere Person namens "***E***" als Mitarbeiterteamleiter."
Beschluss
Mit Beschluss vom wurde dem Beschwerdeführer die Höhe der monatlichen Kommunalsteuerbemessungsgrundlagen, die im Schätzungswege zu ermitteln war, bekannt gegeben.
Darüber hinaus wurden beiden Verfahrensparteien die jeweils letzten Eingaben der anderen Verfahrenspartei zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
Mündliche Verhandlung
Hinsichtlich der differenzierenden Vorbringen in der Beschwerde vom und der Äußerung vom in Verbindung mit der Beantwortung des gab der Vertreter des Beschwerdeführers nun in der mündlichen Verhandlung an, dass es seinem Mandanten nicht bewusst war, dass er eine Firma übernehme. Vielmehr dachte der Beschwerdeführer, er unterschreibe irgendwelche Anstellungsformulare.
Weiters erfolgte in der mündlichen Verhandlung die Entbindung der Steuerberatungskanzlei von der Verschwiegenheitspflicht und es wurde vorgebracht, dass in der Steuerberatungskanzlei noch Unterlagen aufliegen müssten, aus denen hervorgeht, welche Personen für die Gesellschaft tätig geworden sind. Es wurde im Zuge der Unterfertigung der Unterlagen auch kein Dolmetscher beigezogen; daher treffe den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Verschuldens.
Der Vertreter der belangten Behörde erwiderte, dass auch eine Pro-forma-Geschäftsführung nicht vom Haftungsrisiko befreie, zumal der Beschwerdeführer auch noch als Liquidator nach Abweisung des Konkurseröffnungsantrages eingetragen wurde. Abgesehen davon müsse man wissen, was man unterschreibt. Aus Sicht des Magistrats wusste der Beschwerdeführer, dass er die Geschäftsführung übernommen habe.
Der Vertreter des Beschwerdeführers ergänzte, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig sei, zumal er selbst mit ihm ausschließlich auf rumänisch kommuniziere und ihm der Beschwerdeführer dies auch so mitgeteilt habe. Der deutsch klingende Nachname des Beschwerdeführers sei insofern irreführend.
Zum Ratenansuchen, das in deutsche Sprache verfasst wurde, gab der Vertreter des Beschwerdeführers an, dass es in Rumänien offenbar Dolmetscher gibt, die man beiziehen kann, um ein solches Ansuchen zu verfassen. Die Ratenzahlung stelle jedoch kein Haftungsanerkenntnis dar.
Zu den im Firmenbuch hinterlegten und vom Beschwerdeführer unterschriebenen Urkunden, auf denen der Notar hingewiesen hatte, dass der Beschwerdeführer den Inhalt der Urkunden kenne, gab der Vertreter des Beschwerdeführers an, dass aus den Urkunden nicht ersichtlich ist, ob ein Dolmetscher beigezogen wurde und dass es unüblich sei, dass auf Grund der rumänischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers kein Dolmetscher beigezogen wird.
Zum Überweisungsbeleg der Kommunalsteuer Juli 2019 führte der Vertreter der belangten Behörde aus, dass der Haftungsbescheid ohne Kenntnis der Bankbelege erstellt wurde, aber Widmungen zu berücksichtigen wären. Insgesamt werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Vertreter des Beschwerdeführers beantragte die Stattgabe der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Primärschuldnerin wurde im Juni 2015 im Firmenbuch des Landesgerichts Korneuburg eingetragen. Im November 2018 wurde vom Handelsgericht Wien die Sitzverlegung nach Wien ins Firmenbuch eingetragen.
Der Beschwerdeführer wurde im Juli 2019 als Alleingeschäftsführer und Alleingesellschafter ins Firmenbuch eingetragen. Es war ihm bewusst, dass er die Funktion des Geschäftsführers übernommen hatte. Der Beschwerdeführer hat selbst keine Steuerberatungskanzlei beauftragt, für die Primärschuldnerin tätig zu werden und hat auch keiner Steuerberatungskanzlei abgabenrechtlich relevante Sachverhalte zur Kenntnis gebracht oder Auskünfte zu abgabenrechtlichen Fragestellungen eingeholt.
Die Primärschuldnerin hatte im Jahr 2019 insgesamt 86 Dienstnehmer bei der Sozialversicherung angemeldet.
Im Februar 2020 wurde vom Handelsgericht Wien in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, dass das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet wird. Mit Bescheid vom wurde die Primärschuldnerin als Scheinunternehmen eingestuft.
Die Kommunalsteuererklärung 2019, die einen Gesamtabgabenbetrag in Höhe von € 13.901,98 aufweist, wurde am erstellt. Haftungsgegenständlich ist der Zeitraum Juli bis Dezember 2019. Die Kommunalsteuer für den Monat Juli 2019 beträgt 1.486,63 und sie wurde per mit Überweisung samt Verrechnungsweisung entrichtet.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Firmenbuchstand (Gründung der Primärschuldnerin, Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers und seine Gesellschafterstellung) gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch, in das Einsicht genommen wurde. Aus den im Firmenbuch hinterlegten Urkunden ist ersichtlich, dass sowohl die Musterzeichnung als auch die Übernahme der Gesellschaftsanteile vor einem Notar erfolgte und der Notar die zwanglose Unterfertigung der jeweiligen Schriftstücke beurkundet hat. Bei einer bloßen Unterschriftenbeglaubigung auf einer Privaturkunde nach § 79 NO ist die Legalisierungsklausel eine öffentliche Urkunde, die unterfertigte Schrift bleibt Privaturkunde (). Gem § 168 BAO ist die Beweiskraft von öffentlichen und Privaturkunden nach Vorschriften der Zivilprozeßordnung zu beurteilen. Gemäß § 168 BAO iVm § 292 ZPO begründen öffentliche Urkunden den vollen Beweis dessen, was amtlich verfügt oder was darin bezeugt wurde, sie begründen also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer zunächst gar nicht bestritten, als Geschäftsführer eingesetzt gewesen zu sein:
In der Beschwerde vom wurde im Zusammenhang mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Geschäftsführerhaftung angeführt, dass sich der Beschwerdeführer "zur Wahrung der abgabenrechtlichen Pflichten eines Steuerberaters" bedient hat. Schon alleine diese Aussage in der Beschwerde kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer bewusst und willentlich die Geschäftsführungsfunktion der Primärschuldnerin übernommen hatte.
Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom dahingehend geäußert, dass es ihm "trotz seiner Stellung als Geschäftsführer" nicht möglich gewesen wäre, sämtliche Abgaben zu entrichten. Wenn nun der Beschwerdeführer dachte, im Juli 2019 irgendwelche "Anstellungsformulare" unterschrieben zu haben - die er wegen der behaupteten Unkenntnis der deutschen Sprache auch nicht verstanden hätte - stellt sich die Frage, warum er in seiner Äußerung vom überhaupt auf seine Geschäftsführerstellung einging.
Im Haftungsvorhalt vom März 2021 wurde der Beschwerdeführer mit einer Geschäftsführerhaftung durch die belangte Behörde konfrontiert und aufgefordert, den Rückstand zu begleichen, wenn er seien Haft- und Zahlungspflicht anerkennt. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am in Rumänien nachweislich zugestellt. Bereits am stellte der Beschwerdeführer per E-Mail ein Ratenansuchen in der Höhe von € 500 "monatlich ab ", das auch bewilligt wurde. Tatsächlich wurden am und am die Raten bezahlt.
Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass jemand, der der Ansicht ist, lediglich Dokumente für ein Arbeitsverhältnis unterschrieben zu haben, auf einen Haftungsvorhalt wegen Geschäftsführerhaftung innerhalb der in diesem Vorhalt gesetzten Frist reagiert und sich um eine Ratenvereinbarung bemüht, die er anfänglich auch noch einhält.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde vom sowie in der Äußerung vom erschöpft sich in der Aufzählung von - unterschiedlicher - Rechtsprechung, wann - trotz Pflichtverletzung - einen Geschäftsführer an dieser Pflichtverletzung kein Verschulden treffe. Weder in der Beschwerde noch in der Äußerung wurde auch nur annäherungsweise glaubhaft gemacht, dass ein das Verschulden ausschließendes Sachverhaltselement vorliegt. Aus der Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts ergibt sich vielmehr, dass genau jene Sachverhaltselemente (zB Auskünfte bei einem Steuerberater einholen) gar nicht vorliegen.
Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, dass dem Beschwerdeführer nun gar nicht bewusst gewesen wäre, reiht sich im Ergebnis nahtlos in die bisherige Strategie ein, dass zwar Rechtsfolgen geschildert werden, die eine Haftungsinanspruchnahme ausschließen, jedoch ein diesen Rechtsfolgen zu Grunde liegender Sachverhalt weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht wird. Es mag zwar Fälle geben, dass jemand, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen wurde, ohne dass ihm dies bewusst wäre. Es ist aber nicht glaubwürdig, dass einem im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer auf ein Konkursverfahren jener Gesellschaft, bei der er die Geschäfte führt und auf ein drohendes Haftungsverfahren dahingehend reagiert, dass man sich um eine Ratenvereinbarung bemüht und diese auch noch einhält und damit genau jenes Verhalten setzt, das im Haftungsvorhalt als Anerkenntnis der Haft- und Zahlungsschuld bezeichnet wird. Anderenfalls wäre der Beschwerdeführer in diesem Haftungsvorhalt aufgefordert gewesen, zum Vorbringen der belangten Behörde Stellung zu nehmen, was er nicht getan hat.
In der Äußerung vom gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beantwortung jener Fragen, die ihm mit Beschluss vom gestellt wurden, an, dass es durch ihn zu keiner Übertagung von Funktionen an andere Personen, insbesondere ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft gekommen ist, sondern dass sich drei Personen, die in früheren Zeiträumen als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen waren, sämtliche führungsbezogenen Angelegenheiten an sich gezogen haben und den Beschwerdeführer von der Geschäftsführung gänzlich ausgeschlossen hatten.
In dieser Äußerung gab der Beschwerdeführer auch an, dass er nicht einmal den Namen der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin kenne und dass es nie zu einer Sachverhaltsmitteilung durch den Beschwerdeführer an die Steuerberatung kam. Damit ist aber das Vorbringen in der Beschwerde vom , dass sich der Beschwerdeführer eines Steuerberaters bedient hätte und der Steuerberater in voller Kenntnis des richtigen Sachverhaltes gewesen wäre und der Beschwerdeführer auf die Rechtsauskünfte vertrauen durfte, widerlegt und als reine - nicht zutreffende - Schutzbehauptung anzusehen. Es ist nahezu ausgeschlossen, auf Rechtsauskünfte eines Steuerberaters zu vertrauen, den man nicht kennt und dem man selbst weder einen abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt mitgeteilt hat noch diesbezügliche Erkundigungen eingeholt hat.
Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Äußerung vom , wonach unter anderem der Steuerberater der Gesellschaft einer jener Personen war, welche sämtliche führungsbezogenen Aufgaben der Primärschuldnerin an sich gezogen hätten, steht in einem unüberbrückbaren Widerspruch mit den Angaben in der Äußerung vom , zumal der Beschwerdeführer nicht einmal den Namen dieses Steuerberaters nennen kann und ihm dieser erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens bekannt wurde.
Insgesamt gelangte das Bundesfinanzgericht zur Überzeugung, dass dem Beschwerdeführer sehr wohl bewusst war, dass er Geschäftsführer und Gesellschafter der Primärschuldnerin geworden und die Einträge im Firmenbuch zutreffend sind.
Die Feststellung zur Nichteröffnung des Insolvenzverfahren gründet sich auf die Eintragungen in der Ediktsdatei, in die Einsicht genommen wurde.
Eine Dienstnehmerauskunft durch den Dachverband der österreichischen Sozialversicherung hat ergeben, dass das Beitragskonto der Primärschuldnerin im Jahr 2019 insgesamt 86 Dienstnehmeranmeldungen aufweist.
Die Feststellungen zur Kommunalsteuererklärung gründen sich einerseits auf die diesbezüglichen Angaben der belangten Behörde und andererseits wurde in die Steuererklärung Einsicht genommen. Die belangte Behörde hat gegenüber dem Bundesfinanzgericht bekannt gegeben, dass es zu Entrichtungen von Kommunalsteuerbeträgen des Jahres 2019 gekommen war und der Zeitraum Jänner bis Juni 2019 als bezahlt angesehen wurde. Vorgelegt wurde unter anderem ein Bankbeleg, aus dem sich eine Gutschriftsbuchung per in Höhe von € 1.486,63 ergibt und als Verwendungszweck "KOMMST 07/2019 CBW GMBH" angeführt ist. Darüber hinaus hat die belangte Behörde noch weitere Bankbelege über Gutschriften im Zusammenhang mit Kommunalsteuer, die jedoch im Verwendungszweck keinen konkreten Zeitraum enthalten, vorgelegt. Betragsmäßig bewegen sich diese Gutschriften in einem ähnlichen Ausmaß wie die Zahlung vom . Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass die Gutschrift vom die gesamte Kommunalsteuer für den Zeitraum Juli 2019 betrifft.
Die Feststellung, dass es sich bei der Primärschuldnerin um ein Scheinunternehmen handelt, ergeben sich einerseits aus den diesbezüglichen Eintragungen im Firmenbuch, in das Einsicht genommen wurde und aus einer Einsichtnahme in die Liste der Scheinunternehmen, die auf der Webpage des Bundesministeriums für Finanzen abrufbar ist.
Rechtslage
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 lautet:
Haftung
§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.
(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Vertreterstellung
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Wer zur Vertretung von juristischen Personen in Betracht kommt, bestimmt sich nach den Vorschriften des Zivilrechts. Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Nach § 15 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Bestellung zu Geschäftsführern durch Beschluss der Gesellschafter. Die Bestellung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss wird mit der Fassung des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses und der Annahme der Bestellung durch den Bestellten wirksam. Die Annahme der Bestellung kann auch schlüssig erfolgen; dies etwa durch Abgabe der Musterzeichnung oder auch durch Tätigwerden für die Gesellschaft (vgl. N. Arnold/Pampel in Gruber/Harrer, GmbHG², § 15 Tz 32). Der Beschwerdeführer hat nicht nur eine Musterzeichnung vor einem Notar abgegeben und die für die Eintragung im Firmenbuch notwendige Eingabe eigenhändig unterschrieben. Darüber hinaus wurde notariell beurkundet, dass der Beschwerdeführer erklärt hat, den Inhalt der Urkunde zu kennen und deren Unterfertigung frei von Zwang erfolgte. Weiters hat der Beschwerdeführer am selben Tag, als er die Geschäftsführung der Primärschuldnerin übernommen hatte, auch sämtliche Gesellschaftsanteile übernommen. Er war somit nicht nur Alleingeschäftsführer, sondern auch Alleingesellschafter.
Auch ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer kann seinen Rücktritt von der Geschäftsführungsfunktion herbeiführen, in dem unverzüglich eine Urkunde iSd § 18 Abs 5 GmbHG errichtet wird (Ratka in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 16a Rz 4), mit der dann die eigene Löschung im Firmenbuch begehrt werden kann (Zib in U.Torggler (Hrsg), GmbHG § 16a Rz 8).
Erschwerte Einbringlichkeit
Die Haftung nach § 6a KommStG 1993 ist eine Gefährdungshaftung. Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung. Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, dass nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist. Die Tatsache, dass ein Verschulden des Haftungspflichtigen und schwere Einbringlichkeit beim Abgabepflichtigen als weitere Tatbestandsvoraussetzungen hinzutreten müssen, damit die Haftung des Vertreters besteht, zeigt, dass auch von einer unsachlich-überschießenden Regelung nicht die Rede sein kann ().
Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurden. Nach § 6a KommStG 1993 tritt die Haftung nicht nur bei Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, sondern auch bei Verletzung sonstiger Pflichten ein. Soweit sich der Geschäftsführer und Alleingesellschafter tatsächlich in seiner Geschäftsführung durch andere Personen einschränken ließ, wäre es seine Pflicht gewesen, diesen Missstand zu beseitigen oder die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Verschulden:
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ); Für die Haftung nach § 6a KommStG 1993 gilt nichts anderes ().
Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (). Der Umstand, dass die beschwerdeführende Person rechtsunkundig bzw. der deutschen Sprache nicht oder nur sehr eingeschränkt mächtig ist, enthob sie nicht der abgabenrechtlichen Verpflichtungen, weil ein Geschäftsführer der GmbH dafür einzustehen hat, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (vgl. ). In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden; dies gilt insbesondere bei selbstständiger Erwerbstätigkeit und bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind (vgl mwN).
Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).
Ausmaß der Haftung:
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 4 Tz 9).
Gemäß § 11 Abs 1 KommStG 1993 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Monats, in dem die Lohnzahlungen gewährt worden sind. Die Kommunalsteuer ist sodann vom Unternehmer selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats an die Gemeinde zu entrichten.
Gemäß § 214 Abs. 4 BAO sind Zahlungen, soweit sie die dort aufgezählten Abgabenschuldigkeiten betreffen, entsprechend dem der Abgabenbehörde auf dem Zahlungsbeleg bekannt gegebenen Verwendungszweck zu verrechnen. Mit Gutschrift vom erfolgte die Entrichtung der Kommunalsteuer 7/2019 laut Verwendungszweck. Damit ist die Abgabenschuld für die Kommunalsteuer 7/2019 erloschen und der Beschwerde war in diesem Punkt Folge zu geben.
Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringlichkeit bzw Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ).
Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Solche Unterlagen wären bereits bei Entstehung der Zahlungspflicht und nicht vollständiger Entrichtung zu sichern gewesen wären (vgl. ).
In einem Fall, in dem weder die Höhe der Abgabenschuld zur jeweiligen Fälligkeit bestritten wird, noch vom Haftungspflichtigen Gläubigergleichbehandlung behauptet wird, wäre eine Aufgliederung der Abgaben nach den jeweiligen Fälligkeiten nicht einmal nötig gewesen ().
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die erschwerte Einbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge der Löschung im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich. Bei Betrauung einer nicht geschäftsführenden Person mit den steuerlichen Angelegenheiten besteht eine Kontrollpflicht der Geschäftsführer.
Im Ergebnis besteht die Haftung wie folgt zu Recht:
Haftungsbescheid: 6.907,51 €
abzüglich KommSt 7/2019 - 1.486,63 €
ergibt 5.420,88 €.
Revisionszulassung
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 18 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400051.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at