Verfassungskonformität der Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Berechnung der ImmoESt
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RV/3100101/2023-RS1 | Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt. Inhaltliche Schranken setzt lediglich der Gleichheitssatz, der es verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen ( G 3/2017; mwN).
Die Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Berechnung der Immobilienertragsteuer nach § 30 Abs 3 EStG 1988 vermag daher nicht verfassungswidrig zu sein. Das Bundesfinanzgericht sieht sich daher nicht veranlasst, den Verfassungsgerichtshof in dieser Sache anzurufen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des ***FA*** vom betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Sachverhalt und Verfahrensgang
Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Beschwerdeführer (in Folge kurz: Bf) die Liegenschaft in ***Ort, Straße*** (***GST-NR X***). Bei der Liegenschaft handelt es sich um ein Einfamilienhaus mit zwei Ferienwohnungen und Carport.
Die Immobilienertragsteuer wurde von der steuerlichen Vertretung des Bf wie folgt berechnet:
[...]
Die Berechnung wurde am der Abgabenbehörde übermittelt, woraufhin die Abgabenbehörde die Immobilienertragsteuer erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid 2019 am festsetzte. Der Bescheid wurde dem Bf über Finanzonline am selben Tag zugestellt.
Mit elektronisch am eingebrachter Eingabe brachte der Bf vor, dass nach § 299 BAO wegen Rechtsbedenken des Berechnungsverfahrens der Bescheid als vorläufig erklärt und die entsprechende juristische Anfrage an die zuständigen gerichtlichen Behörden weitergeleitet werden möge. Die Berechnungsmethode der Immobilienertragsteuer berücksichtige nicht die Inflationierung (= Substanzwerteverlust) des ursprünglichen Kaufwertes des Gebäudes, sondern greife jenseits des wirtschaftlichen Ertrages in die Substanz des Vermögens ein. Die Immobilienertragsteuer sei anhand des Verkaufserlöses minus der inflationsangepassten Herstellungskosten abzüglich AfA zu berechnen.
In weiterer Folge wurde der Antrag nach § 299 BAO von der Abgabenbehörde mit Bescheid vom abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass eine derartige wie vom Bf vorgebrachte Berechnung nicht der Regeleinkünfteermittlung nach § 30 Abs 3 EStG 1988 entspreche. Die Berechnung der Immobilienertragsteuer des steuerlichen Vertreters des Bf sei gesetzeskonform, die Festsetzung beruhe auf dieser Berechnung. Der Spruch des Bescheides vom 29.08.20022 sei daher richtig und der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides abzuweisen.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die direkte Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde der Bf darauf hingewiesen, dass die Beschwerde zwingende Inhaltserfordernisse nicht aufweise.
Schließlich brachte der Bf in seiner fristgerechten Mängelbehebung ergänzend vor, dass er die Neuberechnung und Herabsetzung der Steuer wie bereits vorgebracht beantrage. Ferner werde die direkte Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit der Immobilienertragsteuer beantragt.
Die Abgabenbehörde erließ am eine Beschwerdevorentscheidung mit welcher die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.
Am brachte der Bf einen Vorlageantrag ein und führte anspruchsbegründend aus, dass es ihm leider nicht gelungen sei, juristische Unterstützung für diesen Fall zu finden: Die Rechtschutzversicherung habe die Deckung aufgrund der verfassungsrechtlichen Thematik abgelehnt, kleine Anwaltskanzleien hätten die Unterstützung abgelehnt und große Anwaltskanzleien könne sich der Bf nicht leisten.
Der Gesetzgeber habe es in § 30 EStG 1988 unterlassen, die inflationären Wirkungen des Vermögenszuwachses in der Berechnungsmethodik zur Veranlagung der Immobilienertragsteuer einzubeziehen. Er benutze damit den wirtschaftlichen Begriff des Bruttovermögens identisch mit dem Begriff des Nettovermögens, wobei Nettovermögen definiert werde als ein um die Wirkung der Inflation im Zeitablauf angepasstes Vermögen. Die Inflationswirkung am bestehenden Vermögen stelle einen rein nominellen Wertzuwachs dar ohne substanziellen (sprich ertragswirksamen) Wertzuwachs. Die Berechnungsmethode nach § 30 EStG 1988 verstoße gegen das "Wirtschaftlichkeitsmandat" des § 21 BAO iVm Art 2 StGG.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Verfahrensablauf und zum Sachverhalt ergeben sich widerspruchfrei aus den vorliegenden Bescheiden, Schriftsätzen und Urkunden.
Im Übrigen ist der Sachverhalt zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Das Bundesfinanzgericht kann den festgestellten Sachverhalt daher bedenkenlos seiner Entscheidung zugrunde legen.
Strittig ist ausschließlich, ob die Berechnung der Immobilienertragsteuer gem § 30 Abs 3 EStG 1988 idF BGBl I 2015/118 auf Basis durch die Inflation zurückzuführende Wertsteigerungen verfassungswidrig ist.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 29 Z 2 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen als sonstige Einkünfte der Besteuerung.
Gemäß § 30 Abs 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 30 Abs 3 EStG 1988 ist der ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten als Einkünfte anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Müssen Grundstücksteile im Zuge einer Änderung der Widmung auf Grund gesetzlicher Vorgaben an die Gemeinde übertragen werden, sind die Anschaffungskosten der verbleibenden Grundstücksteile um die Anschaffungskosten der übertragenen Grundstücksteile zu erhöhen. Die Einkünfte sind um die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß § 30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtigungen gemäß § 6 Z 12 zu vermindern.
Nach Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 23, § 6 Tz 1 ist das Steuerrecht und damit auch die Einkommensteuer vom Nominalwertprinzip beherrscht. Eine Geldentwertung kann grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Betriebswirtschaftslehre sieht darin eine Scheingewinnbesteuerung, weil damit auch inflationsbedingte Werterhöhungen besteuert werden.
Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer Regelung dem einfachen Gesetzgeber eine - freilich nicht unbegrenzte - rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zukommt (). Rechtspolitische Erwägungen des Gesetzgebers unterliegen - außer im Falle eines Exzesses - nicht der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof und sind insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgebot ableitbaren Maßstäben zu messen (VfSlg. 6030/1969, 6152/1970, 6191/1970, 6929/1972, 9280/1981). Innerhalb dieser Grenzen ist die Rechtskontrolle nicht zu einem Urteil in Angelegenheiten der Rechtspolitik (etwa der Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik) berufen (VfSlg. 5692/1968, 6033/1969, 6533/1971, 7359/1974, 7864/1976).
In der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , G 3/2017, mit welcher der bereits seit durch das Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl I 2015/118 aufgehobene Inflationsabschlag des § 30 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 (BGBl Nr 400 idF I Nr 112/2012) als verfassungswidrig aufgehoben wurde, führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass nach ständiger Rechtsprechung, es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt. Inhaltliche Schranken setzt lediglich der Gleichheitssatz, der es verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann allerdings nicht mit dem Gleichheitssatz gemessen werden (vgl zB VfSlg. 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003, 19.904/2014).
Vor diesem Hintergrund und aufgrund des Umstandes, dass der Verkauf der gegenständlichen Liegenschaft im Jahr 2019 in zeitlicher Nähe zur zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom liegt, teilt das Bundesfinanzgericht die Ansicht des Bf nicht, wonach die Bestimmung des § 30 Abs 3 EStG 1988 verfassungswidrig sei. Eine Gleichheitswidrigkeit vermag das Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht zu erkennen. Es besteht daher keine Veranlassung, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Abgabenbehörde zu Recht eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat. Nach § 262 Abs 2 BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt. Es besteht allerdings kein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung (vgl zB ; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO 3, § 262 Rz 12).
Ferner ist keine Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs 3 BAO zu erlassen, wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird. Sollte im gegenständlichen Fall dieser Tatbestand greifen, gilt durch den eingebrachten Vorlageantrag die eingebrachte Beschwerde ohnehin wieder als unerledigt und muss die Beschwerde einer Erledigung durch das Bundesfinanzgericht zugeführt werden (vgl. Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) zu § 262 BAO Rz 42).
Im Ergebnis konnte dem Beschwerdebegehren kein Erfolg beschieden sein und war die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, zumal nur die Frage der Verfassungswidrigkeit der Nichtberücksichtigung der Geldentwertung im Rahmen der Immobilienertragsteuer zu klären war. Eine ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 140 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 29 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | G 3/2017 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100101.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at