Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2023, RV/7100208/2020

Polizeiausbildung ist keine Lehre

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Familienbeihilfe ab März 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Der Sohn der Bf., geboren 1998, begann am die Polizeigrundausbildung bei der Landespolizeidirektion Wien aufgrund eines Sondervertrages nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (§ 1 Abs. 1 VBG). Der Dienstvertrag war befristet für die Dauer von 24 Monaten.

Einkommen:

Laut Lohnzetteln der Landespolizeidirektion bezog der Sohn der Bf. von bis netto € 13.405,56 und im Jahr 2019 für 12 Monate netto € 19.177,16.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen.

Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Zif. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Basisausbildung (12 Monate Theorie),

das Berufspraktikum I (3 Monate),

die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)

und das viermonatige Berufspraktikum II.

Die Bf. beantragte für Ihren Sohn die Familienbeihilfe wegen Berufsausbildung. Das Finanzamt stellte im Wesentlichen in Abrede, dass eine Berufsausbildung erfolgt sei und wies das Anbringern mit Bescheid und BVE ab. Die Bf. erhob fristgerecht Beschwerde und Vorlageantrag.

Zu klären ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die Grundausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt und damit einen grundsätzlichen Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe begründet.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 idgF haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Feststellungen:

Der Sohn der Bf. absolvierte vom Mai 2019 bis ins Jahr 2020 den Grundausbildungslehrgang für den Exekutivdienst, basierend auf der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 verringert sich der Familienbeihilfenanspruch, wenn das - diesen Anspruch vermittelnde - Kind nach Vollendung des 19. Lebensjahres in einem Kalenderjahr ein den Betrag von 15.000 € (im Kalenderjahr 2019 lag dieser Betrag bei 10.000 €) übersteigendes (zu versteuerndes) Einkommen gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 erzielt. Bei der Ermittlung des (zu versteuernden) Einkommens bleiben gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" außer Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Zu klären ist im vorliegenden Fall, ob die Grundausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt und ob das Gehalt in der Grundausbildung familienbeihilfenschädlich ist.

Berufsausbildung - Allgemeines

Der Begriff "Berufsausbildung" ist im Familienlastenausgleichsgesetz 1967 nicht näher definiert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung zum Begriff "Berufsausbildung" Folgendes erkannt:

Unter den Begriff Berufsausbildung fallen allgemein (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl zB , , ). Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bei bereits berufstätigen Personen eine Berufsausbildung vorliegen kann (vgl zB ).

Diese Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung iSd § 3 Studienförderungsgesetz (StudFG) liegen (vgl. , ;).

Die Gewährung der Familienbeihilfe ist nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt, sondern Familienbeihilfe ist auch (etwa nach Abschluss einer Berufsausbildung) bei einer weiteren Berufsausbildung zu gewähren ().

Für die Qualifikation einer Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies lässt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu (, ).

Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung (vgl. ).

Im Zuge einer Berufsausbildung können auch praktische - und nicht nur theoretische - Kenntnisse vermittelt werden und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen (vgl zB ; ).

Auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf fällt unter den Begriff der Berufsausbildung (, , ).

Im Fall einer Absolventin eines Lehramtsstudiums hat der VwGH im Unterrichtspraktikum keine Berufsausbildung gesehen (), während er hingegen die Tätigkeit eines Rechtspraktikanten als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gewertet hat ().

Ausbildung für den Exekutivdienst

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen. Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Z. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Der Ausbildungsplan beruht auf einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht.

Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).

Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die

1. Basisausbildung (12 Monate Theorie),
2. das Berufspraktikum I (3 Monate),
3. die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
4. das viermonatige Berufspraktikum II.

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Grundausbildung für den Exekutivdienst

Im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, verneinte der VwGH eine Berufsausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich mit (auszugsweise) folgender Begründung:

"Absolviert der öffentlich Bedienstete (etwa auch: in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) seine Grundausbildung oder Ausbildungsphase erfolgreich, hat dies nicht eine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge. Dem öffentlich Bediensteten soll die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden (vgl. die ErläutRV 1561 BlgNR 20. GP zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt. Der Umstand, dass ein öffentlich Bediensteter in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufes. Mit einer Berufsausübung sind die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht erfüllt."

Im Erkenntnis vom stellte der VwGH dann fest, dass die Basisausbildung noch eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstelle.

Rechtssatz des VwGH:

"Hat die von der Revisionswerberin (Antragstellerin betreffend Familienbeihilfe) angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses , erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. (Hier: Nach Angabe der Revisionswerberin befand sich ihr Sohn seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum.)"

20 Monate sind Berufsausbildung:

Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung iSd FLAG dar (vgl zB ).

Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken dreimonatige zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikums I noch keine Berufsausübung darstellt. Auf die beispielhaft angeführten h.a. Erkenntnisse wird verwiesen: ; ; ; ; .Demgemäß liegt mittlerweile eine einheitliche Spruchpraxis des Bundesfinanzgerichtes vor.

Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt" . Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit der im Rahmen eines Unterrichtspraktikums erfolgenden Einschulung von Absolventinnen und Absolventen eines Lehramtsstudiums am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers (vgl dazu ). Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz, somit bereits eine Berufsausübung (vgl. zB ).

Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 dar (vgl ; ; ; ).

Der Sohn der Bf. hat im März 2019 mit der Basisausbildung im Exekutivdienst begonnen. Im Sinne der (abgeänderten) Judikatur des VwGH liegt daher grundsätzlich eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für die ersten drei Teile der Ausbildung, und somit für 20 Monate, vor.

Während des viermonatigen Berufspraktikums II besteht nach den vorstehenden Ausführungen kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz ().

Polizeiausbildung ist keine Lehre:

Der Lehrvertrag begründet ein besonderes immer nur befristetes Arbeitsverhältnis, das auf die Vermittlung der für die Ausübung eines bestimmten Berufes erforderlichen Kenntnisse gerichtet ist. Diese Kenntnisse, die Dauer der Ausbildung und alle übrigen Anforderungen und Prüfungsbedingungen für die Lehrabschlussprüfung sind in einer Verordnung zum Berufsausbildungsgesetz (BAG) zu regeln.

Anders als andere Anstellungsverhältnisse die mit einer Berufsausbildung verbunden sind, endet das Lehranstellungsverhältnis zwingend mit Ende der Ausbildung und kann nicht darüber hinaus verlängert werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen und die Anerkennung als Lehre sind an das BAG und die dazu vom zuständigen Ministerium zu erlassenden Verordnungen geknüpft.

Schon die Entscheidung des VwGH's (, Rz 33) legt nahe, dass dieser die Polizeiausbildung nicht als Lehre ansieht, denn anderenfalls hätte er nicht die Zuverdienstgrenzen des § 5 Abs. 1 FLAG erwähnt, die für Lehrverhältnis ausdrücklich nicht anzuwenden ist.

Gemäß § 5 Abs. 1 und 2 Berufsausbildungsgesetz 1969 (BAG) fallen unter den Begriff Lehrberuf alle in der Gewerbeordnung 1994 angeführten Handwerke.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind ferner Tätigkeiten Lehrberufe die

lit a: die hinsichtlich der Berufsausbildung der Gesetzgebung und der Vollziehung des Bundes, nicht jedoch der Gewerbeordnung 1994 unterliegende Beschäftigungen zum Gegenstand haben.

Lit b: bei denen die Ausbildung in dieser Beschäftigung als Lehrling im Sinne dieses Bundesgesetzes im Hinblick auf die für ihre Tätigkeit erforderliche Fertigkeiten und Kenntnisse zweckmäßig sind und

Lit c: bei denen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 lit. b und c vorliegen (Tätigkeit die geeignet ist im Wirtschaftsleben den Gegenstand eines Berufes zu bilden und dessen Erlernung mindestens 2 Jahre erfordert).

Im Bereich des Bundes wurden auf Basis dieser Bestimmungen einige Lehrberufe geschaffen und auch diverse andere übliche Lehrberufe angeboten.

So spezielle Lehrberufe z.B. der Verwaltungsassistent, Archiv, Bibliotheks- und Informationsassistent, Steuerassistent usw.

Und als allgemeine Lehrberufe z.B. Bürokaufmann/frau usw.

In der VO des für das BAG damals zuständige Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Lehrabschlussprüfungen in den kaufmännisch-administrativen Lehrberufen StF: BGBl. II Nr. 245/2004, werden diese und andere Lehrberufe im Zusammenhang mit der Lehrabschlussprüfung ausdrücklich genannt.

Des Weiteren veröffentlicht das nunmehr zuständige Ministerium Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (www.bmdw.gv.at) eine Liste aller Lehrberufe von A - Z die derzeit in Österreich erlernt werden können.

Weder in dieser Liste noch in der obzit. VO zu den für einen Lehrabschlußprüfung zugelassenen Berufen findet sich der Beruf "Polizist" bzw. "Polizeibeamter".

Das Bundesministerium für Inneres bietet auf seiner Hompage derzeit folgende Lehrberufe an:

Mögliche Lehrberufe im BMI

• SicherheitsverwaltungsassistentIn , Ausbildungsdauer: 3 Jahre

• Applikationsentwicklung - Coding, Ausbildungsdauer: 4 Jahre

• Elektronik mit Informations- und Telekommunikationstechnik mit Spezialmodul "Netzwerktechnik" , Ausbildungsdauer: 4 Jahre

• Installations- und Gebäudetechnik , Ausbildungsdauer: 3 ½ - 4 Jahre

• Informationstechnologie - Betriebstechnik , Ausbildungsdauer: 4 Jahre

• Informationstechnologie - Systemtechnik , Ausbildungsdauer: 4 Jahre

• Betriebslogistikkauffrau / -mann , Ausbildungsdauer: 3 Jahre

Auch das BM des Inneren betrachtet die Polizeiausbildung also ganz offensichtlich nicht als Lehrberuf, da es diese nicht als solchen anführt. Auch würde eine solche Einordnung den einschlägigen Gesetzen zuwiderlaufen.

Wie auch alle anderen Behörden, ist das BMI beim Vollzug an bestehende Gesetze gebunden. Wenn also die Absicht bestünde die Polizeiausbildung als Lehrberuf zu gestalten, so wäre das BMI gehalten, in Zusammenwirken mit dem für das BAG zuständige Ministerium und als solchen zuständigen Verordnungsgesetzgeber die entsprechenden Rechtsgrundlagen für einen entsprechenden Lehrberuf im Rahmen bereits geltend oder zu erlassenden Rechtes, zu schaffen.

Die Judikatur des VfGH () rügt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des BAG insoweit säumig war, als er die bestehenden Lehrverhältnisse nur unvollständig erfasst und z.B. die Berufsausbildung, die freie Berufe ermöglichen (hier zum Vermessungstechniker) nicht im BAG oder ergänzenden Verordnungen berücksichtigt hat. Die Beschränkung "anerkannter Ausbildungsverhältnisse" auf jene im BAG genannten, wäre daher unsachlich und damit verfassungswidrig, weshalb die Formulierung "gesetzliche Lehrverhältnisse" im § 5 Abs. 1 lit. b FLAG aufzuheben war. Zusammengefasst ging es dem VfGH darum, dass es außerhalb der in der Gewerbeordnung erfassten Tätigkeiten, noch freiberufliche und landwirtschaftliche Tätigkeiten gibt, die als "Lehrberuf" anzusehen sind und die nicht im BAG erfasst sind.

Das gilt aber nichtfür Lehrberufe im Bereich der Gesetzgebung und Vollziehung, denn diese Lehrberufe sind grundsätzlich (siehe § 5 Abs. 3 BAG) vom Anwendungsbereich des BAG umfasst und der zuständige Gesetzgeber hat eine ganze Reihe derartiger "Lehrberufe" geschaffen und ins Gesetz und zugehörige VO aufgenommen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass vollziehende Behörden einen "Lehrberuf Polizist" schaffen wollte und bloß hinsichtlich der gesetzliche Ausformung Säumnis vorläge. Die Grundausbildungsverordung des BMIbasiert nicht auf dem BAG, sondern den §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG.

Der VfGH hat ausdrücklich betont, dass nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Norm geregeltes, als "anerkanntes Ausbildungsverhältnis" verstanden werden kann. Der VfGH verwies in diesem Zusammenhang lediglich ergänzend auf kollektivvertragliche Grundlagen und zwar für freie Berufe und Landwirtschaft, da es dort an gesetzlichen Regelungen mangelt.

Das BMI hat als Behörde nicht die Freiheit, abseits von bestehenden Gesetzen - konkret § 5 Abs. 3 BAG - zu handeln und vor allen ist es gehalten, die bestehenden Zuständigkeiten anderer Ministerien zu beachten. Das Bundesministerium für Inneres ist nicht befugt neue Lehrberufe zu schaffen und hat dies offenkundig auch nie beabsichtigt. Eine kollektivvertragliche Regelung eines Lehrverhältnisses ist dem Ministerium aufgrund der für Beamten geltenden Gesetze, die deren Arbeitsverhältnis regeln, ohnedies versperrt.

Das Gericht kommt schon deshalb zum Ergebnis, das die Polizeiausbildung zwar eine Berufsausbildung im Sinne der Judikatur des VwGH's darstellt, aber nicht unter dem Begriff "Lehre" bzw. "Lehrberuf" zu subsumieren ist.

Im Erkenntnis vom , RV/7104446/2020, stellte das Bundesfinanzgericht zudem dazu fest, dass bei einem Bruttomonatsbezug von € 1.740 und danach € 2.194 bei Polizeischülern nicht mehr von einem Bezug, der einer Lehrlingsentschädigung (einem Lehrlingseinkommen) vergleichbar ist, gesprochen werden kann. Es ist daher das erzielte Einkommen als Polizeiaspirant nicht gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 außer Ansatz zu lassen.

Im Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0004, ist der VwGH der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes im angefochtenen Erkenntnis, wonach die Polizeigrundausbildung - die zwar durch generelle Normen, und zwar durch die Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt ist - sei, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt der Auszubildenden, mit einer Lehre - in einem Lehrberuf - nicht vergleichbar ist, nicht entgegengetreten und hat die Anwendung der Zuverdienstgrenze akzeptiert.

Zuverdienstgrenze:

Wird somit die vom Sohn der Bf. absolvierte Polizeigrundausbildung nicht als "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen, sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs. 1 FLAG bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen und verringern mit dem im Kalenderjahr 2018 und 2019 noch € 10.000 übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe.

Im Zeitraum der Berufsausbildung bezog der Sohn laut Lohnzettel von März bis Dezember 2018 ein steuerpflichtiges Nettoeinkommen von € 13.405,56

Da laut § 5 Abs. 1 lit a FLAG jene Zeiten die vor und nach Zeiten liegen in denen potentiell ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (= Zeiten der Berufsausbildung) mit den dort erzielten Einkünften nicht in die Berechnung des Jahreseinkommens einfließen (= die vor Beginn der Ausbildung im März 2018 erzielten Einkünfte bleiben mangels FB-Bezuges außer Ansatz), überstieg das Einkommen des Sohnes die für 2018 geltendeZuverdienstgrenze von € 10.000,-- und die Familienbeihilfe war für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu gewähren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließend wird festgehalten, dass der angefochtene Bescheid vom kein Enddatum aufweist.

Es ist zwar so, dass die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ein zeitraumbezogener Anspruch ist. Ein diesbezüglicher Abspruch gilt für das Finanzamt, mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides. (, ).

De facto konnte das Finanzamt, im gegenständlichen Verfahren nur Sachverhalten erstinstanzlich rechtlich würdigen, die bis zur Bescheiderlassung im September 2019 verwirklicht wurden. Damit ist auch der Entscheidungszeitraum des BFG mit September 2019 begrenzt.

Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass die vom BFG ausführlich dargestellte Rechtsansicht nicht auch für nach dem September 2019 liegende Zeiträume gelten sollte.

Die als Berufsausbildung 2019 anzuerkennenden verbleibenden 10 Monate (von insgesamt 20) enden im Oktober 2019. Es ist also am Finanzamt erstmalig festzustellen, ob die Zuverdienstgrenze von € 10.000,-- auch 2019 überschritten ist. Zieht man in Betracht, dass für 12 Monate ein Nettoeinkommen von € 19.177,16 erzielt wurde. Kann mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass im Zeitraum Jänner bis Oktober 2019 (Ausbildungszeit) gleichfalls die Zuverdienstgrenze überschritten wurde und damit auch für 2019 keine Familienbeihilfe zusteht.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob die Basisausbildung der Ausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung darstellt, wurde vom Höchstgericht im Erkenntnis v. , Ra 2020/16/0039 geklärt, weswegen eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Die Frage, ob das Gehalt des Auszubildenden gemäß § 5 FLAG zu berücksichtigen ist, ist durch das Erkenntnis des , geklärt.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100208.2020

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