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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2023, RV/3100775/2015

Verweis in einem Bescheid nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO auf einen Bericht, welcher keine Wiederaufnahmegründe anführt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100775/2015-RS1
Der Verweis in einer Begründung eines Bescheides nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO auf einen Bericht ist grundsätzlich zulässig. Jedoch ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme auf Festsetzungen gem § 201 Abs 2 Z 3 (2. Fall) BAO anwendbar. Enthält dieser Bericht keine tauglichen Wiederaufnahmegründe oder - wie im hier zu entscheidenden Fall – wird auf einen falschen Bericht verwiesen, ist vom Bundesfinanzgericht der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sepp Niederberger Steuerberatungs KG, Lofer 223, 5900 Lofer, über die Berufung (nunmehr Beschwerde) vom gegen die Haftungsbescheide für die Jahre 2006 - 2010, die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Jahre 2006 - 2010 sowie gegen die Bescheide über die Festsetzung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 - 2010 des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich), allesamt vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei (in Folge kurz: bfP) ist unter der FN ***1*** im Firmenbuch eingetragen. Zum Geschäftszweig der bfP gehören "***5***" und "Notarztflüge". Die bfP hat ihren Sitz in ***Ort*** und unterhält Stützpunkte in ***4***.

Für den Zeitraum - wurde bei der bfP eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben von der ***GKK*** und dem ***FA*** durchgeführt.

Die Schlussbesprechung zur Prüfung fand am statt.
Die Niederschrift zur Schlussbesprechung beinhaltet u. a. die Feststellung, dass "die Flugrettungsärzte in einem Werkvertragsverhältnis zur bfP stehen. Da die Flugrettungsärzte jedoch in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt sind, erfolgt eine Nachverrechnung nach § 4 Abs 2 ASVG".

Eine Kopie der Niederschrift wurde an den Geschäftsführer der bfP und der steuerlichen Vertretung der bfP übergeben.

Nach der Schlussbesprechung brachte die steuerliche Vertretung der bfP mit Schriftsatz vom , eingebracht bei der Abgabenbehörde am , vor, dass ein Erkenntnis des und die Rz 1211 der Lohnsteuerrichtlinien im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen seien. Ferner solle die grenzüberschreitende Steuerfrage vom Amts wegen gem Art 25 Abs 3 und 4 DBA Deutschland geklärt werden. Weiters sei im Zuge des Verfahrens von Seiten der steuerlichen Vertretung eine umfangreiche Abhandlung der Kriterien der Einteilung der strittigen Tätigkeit vorgelegt worden. Darin seien auch die nach Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Qualifizierung detailliert dargestellt worden. Diese Unterlagen seien von der Prüfung weitgehend ignoriert worden. Es werde daher beantragt, auch alle relevanten Umstände, welche für den Standpunkt der bfP sprechen, zu berücksichtigen.

Der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung datiert mit .

Ebenfalls am wurden vom ***FA*** die verfahrensgegenständlichen Bescheide erlassen. In der Begründung der Bescheide wurde auf den Bericht vom verwiesen ("Die Begründung für obige Bescheide entnehmen Sie bitte dem Bericht vom ").

Der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung führt unter der Rubrik "Eingesehene Unterlagen und Hinweise für den Dienstgeber" aus:

"Lohnkonten, Buchhaltung, Sachkonten, Rechnungen, Dienstpläne,

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 82 Einkommensteuergesetz (EStG) iVm § 202 Abs. 1 und § 224 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) wurde im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände getroffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" ist insbesondere die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einhebung der Abgaben" beizumessen. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberhaftung ein für den praktischen Vollzug des Lohnsteuerverfahrens unerlässliches Element darstellt und die im vorliegenden Fall festgestellten Fehlberechnungen und Einbehaltungsdifferenzen nicht bloß von geringem Ausmaß sind, waren bei der Ermessensübung dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Abgabenerhebung der Vorzug zu geben und die gegenständliche Haftungsheranziehung bescheidmäßig auszusprechen."

Unter dem Punkt Feststellungen wird für jeden bei der bfP beschäftigten im Ausland wohnhaften Notarzt unter Nennung des Namens und des Geburtsdatums ausgeführt:

"Sachverhaltsdarstellung

Deutscher unselbst. Notarzt wurde in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Es erfolgte eine NV in der LSt mit 38 % Steuersatz (lt. Tagestabelle-Berechnung erfolgte im Lohnexpress)"

bzw wenn der Notarzt selbständig beschäftigt war:

"Deutscher selbst. Notarzt wurde in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Es erfolgte eine NV in der LSt mit 38 % Steuersatz (lt. Tagestabelle-Berechnung erfolgte im Lohnexpress)"

Angeführt wurden anschließend jeweils die Abgabenart, der Zeitraum und die Höhe der Nachforderung.

Für österreichische Flugärzte, welche bei der bfP beschäftigt waren, wurde folgendes ausgeführt:

"Pauschale Nachrechnung Finanz

Sachverhaltsdarstellung

Österr. Notärzte (selbst-und unselbständige) wurden in ein Dienstverhältnis nach § 4/2 ASVG umgewandelt es erfolgte eine NV für (DB,DZ)"

Angefügt war wiederum eine Tabelle mit Angabe der Abgabenart, des Zeitraums und der Nachforderung.

Für Notärzte, dessen Geburtsdatum von der Abgabenbehörde nicht feststellbar war, wurde ausgeführt:

"Sachverhaltsdarstellung

pauschale NV laut Rechnung für Deutsche Ärzte wo kein Geb. Datum vorhanden ist

Steuersatz 38 %"

Angefügt war wiederum eine Tabelle mit Angabe der Abgabenart, des Zeitraums und der Höhe der Nachforderung.

Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom und in den verfahrensgegenständlichen Bescheiden wurde nicht auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom verwiesen.

Mit rechtzeitig am eingebrachter Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die vom ***FA*** erlassenen Bescheide brachte die steuerliche Vertretung der bfP zusammengefasst vor, dass eine genauere Begründung der Beschwerde momentan nicht möglich sei, da die Bescheide keine rechtliche Grundlage für die "Umqualifizierung" der Honorare enthalte. Jeder Bescheid müsse zwingend eine Begründung enthalten, fehle eine solche, liege kein Bescheid vor. Der Verweis auf den Bericht vom gehe ins Leere, da dieser Bericht nicht den geringsten Ansatzpunkt liefere, aufgrund welcher Sachverhaltsfeststellungen die Prüfung zu ihren Beurteilungen komme. Es werde daher beantragt, die Bescheide um die fehlende Begründung zu ergänzen und die Bescheide vom ersatzlos aufzuheben.

Mit weiteren Eingaben vom , , , erstattete die steuerliche Vertretung der bfP ergänzende Vorbringen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide 2006 - 2009 teilweise stattgegeben. Die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid 2010 sowie gegen die Festsetzungsbescheide Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 - 2010 wurde als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass nach Maßgabe des § 93 Abs 3 lit a BAO eine Bescheidbegründung notwendig sei. Diesbezüglich sei der bfP zuzustimmen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Anführung eines Sachverhaltes ein zentrales Begründungselement. Der Abgabepflichtige solle nicht rätseln müssen, warum ihm eine Abgabe vorgeschrieben worden sei. Es sei jedoch zulässig, Begründungsmängel im Rechtsmittelverfahren zu sanieren. Daher könne die Begründung einer Beschwerdevorentscheidung einen Begründungsmangel sanieren.

Ferner könne nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO eine Festsetzung erfolgen, wenn in sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen. Durch die Feststellungen des Prüfers, welche in der Niederschrift vom festgehalten worden seien, seien bezüglich der im Bericht vom namentlich genannten Notärzte Tatsachen neu hervorgekommen, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde. Diese neuen Tatsachen seien die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit und die Beschäftigung gegen Entgelt.

In weiterer Folge führte die Abgabenbehörde aus, weshalb ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen des § 47 Abs 2 EStG 1988 gegeben seien und bei den bei der bfP beschäftigten Notärzte Dienstverhältnisse vorlägen. Die Inanspruchnahme der Bf als Haftungsverpflichtete hinsichtlich der bei ihr beschäftigten Notärzte sei daher zu Recht erfolgt.

Schließlich brachte die bfP am einen Vorlageantrag ein.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Ergänzend wird festgestellt, dass die bfP im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Lohnsteuer, DB und DZ monatlich für die bei ihr nicht selbständigen Beschäftigten dem Finanzamt abgeführt hat.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Geschäftszweig der bfP stützen sich auf die Einsicht des Bundesfinanzgerichtes in das Firmenbuch und der Homepage der bfP.

Die Feststellungen zum Verfahrensablauf ergeben sich zweifelsfrei aus dem angeführten Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, der Niederschrift über die Schlussbesprechung, den angefochtenen Bescheiden, der Beschwerdevorentscheidung sowie aus den eingebrachten Schriftsätzen, der Beschwerde samt Ergänzungen und dem Vorlageantrag. An der Echtheit dieser Urkunden hat das Bundesfinanzgericht keine Bedenken.

Die Feststellung, wonach weder im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung noch in den angefochtenen Bescheiden auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen wurde, ergibt sich zweifelsfrei aus diesen Urkunden.

Dass die bfP im verfahrensgegenständlichen Zeitraum monatlich Lohnsteuer, DB und DZ dem Finanzamt gemeldet und abgeführt hat, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Abgabenakt der bfP.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 79 Abs 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Gemäß § 41 Abs 1 FLAG 1967 haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten.

Gemäß § 43 FLAG 1967 ist der Dienstgeberbeitrag für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das für die Erhebung der Lohnsteuer zuständige Finanzamt zu entrichten.

Die Regelungen des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ), welcher von der in § 41 FLAG 1967 festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, finden sich in § 122 Abs 7 und 8 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 (WKG).

§ 201 Abs 1 BAO lautet:

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs 2 und muss nach Maßgabe des Abs 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gemäß § 201 Abs 2 BAO kann die Festsetzung erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,

4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

Gemäß § 202 Abs 2 BAO gelten die §§ 201 und 201a sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.

Gemäß § 303 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Lohnsteuer eine Selbstberechnungsabgabe gemäß § 202 BAO ist, da die Selbstberechnung der Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch § 202 Seite 548).

In weiterer Folge ist daher zu prüfen, welcher der vier Tatbestände des § 201 Abs 2 BAO im gegenständlichen Fall zur Anwendung gelangen kann.

Nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 79 Abs 1 EStG 1988 muss der Arbeitgeber die gesamte einbehaltene Lohnsteuer in einem Betrag abführen. Es erfolgt daher keine Aufteilung nach Arbeitnehmern (Lenneis in Jakom 2021 § 79 Rz 1).

Die bfP hat für die bei ihr nichtselbständig beschäftigten Arbeitnehmer Lohnsteuer, DB und DZ monatlich abgeführt. Insofern hat die bfP die Lohnsteuer selbst berechnet und durch monatliche Entrichtung die Selbstberechnung auch der Abgabenbehörde bekannt gegeben. Dass die Lohnsteuer für die bei der bfP beschäftigten Notärzte - aufgrund der Rechtsansicht der bfP - nicht bekannt gegeben wurde, ist dabei nicht relevant.

Vor diesem Hintergrund kann daher nur - da sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist - § 201 Abs 2 Z 1 BAO (innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe) bzw Z 3 zweiter Fall (in sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO) zur Anwendung gelangen.

§ 201 Abs 2 Z 1 BAO scheidet allerdings aus, da die Festsetzung nicht innerhalb eines Jahres erfolgte. Die Bescheide datieren mit , verfahrensgegenständlich ist der Zeitraum 2006 - 2010. Es ist daher § 201 Abs 2 Z 3 zweiter Fall leg cit anzuwenden. Im Übrigen stellt auch die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung vom "klar", dass die Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO in sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO erfolgte.

Die Abgabenbehörde hat in der Begründung der angefochtenen Bescheide auf den Bericht vom verwiesen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein solcher Verweis grundsätzlich zulässig ist. Allerdings muss dabei aus dem verwiesenen Bericht schlüssig und nachvollziehbar hervorgehen, auf welche Wiederaufnahmegründe sich die Abgabenbehörde stützt, sowie welche Überzeugungen zur Ermessensübung angestellt wurden (vgl mit Verweis auf ; ). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme ist auf Festsetzungen gem § 201 Abs 2 Z 3 BAO anwendbar (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 201 Tz 22).

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jede Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von amtswegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter der Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit Verweis auf ).

Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommen Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos aufheben (vgl. ). Gleiches gilt für Bescheide im Sinne des § 201 Abs 2 Z 3 BAO () und entsprechende Bescheide nach § 202 BAO.

Entscheidend ist daher im Fall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamtes dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (). Bedeutsam ist in dem Zusammenhang, dass das Finanzamt seiner erstmaligen Abgabenfestsetzung auch klar erkennbar einen bestimmten Tatsachenkomplex zu Grunde gelegt hat (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 201 Tz 23).

Wie bereits ausgeführt, hat die Abgabenbehörde in den angefochtenen Bescheiden nur auf den Bericht vom verwiesen. Das Bundesfinanzgericht hat daher ausschließlich zu prüfen, ob die im Bericht dargelegten Tatsachen als Wiederaufnahmegrund geeignet sind, zumal ein Verweis auf weitere Urkunden fehlt.

Der Bericht vom führt namentlich die bei der bfP beschäftigten Notärzte an und führt als Sachverhaltsdarstellung an, dass "ein unselbständiger bzw selbständiger Notarzt in ein Dienstverhältnis umgewandelt wurde und eine Nachverrechnung erfolgt". Weitere Angaben enthält der Bericht nicht.
Unter den Begriff "Tatsachen" iSd § 303 Abs 1 lit b BAO sind ausschließlich die mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände zu subsumieren (). Damit sind Sachverhaltselemente gemeint, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom erlassenden Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Derartige Sachverhaltselemente sind etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften ().

Diese Kriterien erfüllt die im Bericht vom angeführte Begründung nicht. Eine von der Abgabebehörde beabsichtigte oder vorgenommene Handlung ("Notarzt wurde in ein Dienstverhältnis umgewandelt und eine Nachverrechnung erfolgt") wie auch eine rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes sind keine Tatsachen iSd § 303 Abs 1 lit b BAO und sind somit als Wiederaufnahmegründe ungeeignet. Auch wären zum Umstand des "Neu-Hervorkommens" der Tatsachen Feststellungen zu treffen gewesen, was gänzlich fehlt.

Grundsätzlich können Begründungsmängel im Rechtsmittelverfahren saniert werden (). Fehlende Wiederaufnahmegründe können im Wiederaufnahmeverfahren jedoch nicht nachgeschoben werden. Dementsprechend können die in der Beschwerdevorentscheidung vom angeführten Wiederaufnahmegründe nicht nachgeholt werden (vgl. auch Ritz, BAO6, § 307 Tz 3).

Dass die bfP Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund gehabt haben musste, ist hingegen unerheblich, da nicht die Kenntnis von einem Wiederaufnahmegrund gefordert wird, sondern ob der Wiederaufnahmegrund schlüssig und nachvollziehbar in der Bescheidbegründung angeführt wird. Nach Ellinger/Sutter/Urtz darf das Identifizieren der Begründung der Wiederaufnahme nicht einem "Suchbildrätsel" gleichen.

In diesem Zusammenhang ist jedoch ergänzend auszuführen, dass die bfP offensichtlich keine Kenntnis von den tatsächlichen Wiederaufnahemegründen gehabt hatte: Nach der Schlussbesprechung erstattete die bfP noch ein ergänzendes Vorbringen. Die angefochtenen Bescheide verweisen nur auf den Bericht vom , in welchem rudimentär die Handlung der Abgabenbehörde dargelegt und die Ermessensübung formelhaft wiedergegeben wird. In der Beschwerde bringt die bfP sogar vor, dass die Bescheide keine Begründung enthalten und stellt die bfP den Antrag auf Ergänzung der Bescheide um die fehlende Begründung. Auch wenn ein Antrag auf Begründung iSd § 245 Abs 2 BAO keine Entscheidungspflicht auslöst, hätte die Abgabenbehörde vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung durch eine bloße Mitteilung die Begründung und somit die Wiederaufnahmegründe nachliefern können. Da dies erst mit Beschwerdevorentscheidung und somit erst im Rechtsmittelverfahren geschehen ist, kann der Begründungsmangel - wie ausgeführt - nicht mehr saniert werden.

Ferner ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes bereits der Verweis auf eine falsche Tz in einem Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung eine mangelhafte Begründung, welche im Wiederaufnahmeverfahren nicht saniert werden kann (; ; ). Demzufolge ist der Verweis auf einen Bericht - wie im hier gegenständlich zu entscheidenden Fall -, welcher gar keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund enthält, jedenfalls schädlich.

Die vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der Haftungsbescheide für die Lohnsteuer sind auch betreffend die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und die Bescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrages wesentlich. § 43 FLAG 1967 sieht eine "angeordnete" Selbstberechnung vor, weshalb ebenfalls § 201 Abs 2 Z 3 BAO zur Anwendung gelangt.

Im Ergebnis waren die angefochtenen Bescheide daher aufzuheben, zumal die Bescheidebegründungen keine schlüssig dargelegte Wiederaufnahmegründe enthalten.

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis orientiert sich an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes in Zusammenhang mit der Begründung einer Wiederaufnahme iSd § 303 BAO. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 122 Abs. 7 und 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100775.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at