Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.04.2023, RV/5101424/2019

§ 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 - Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Reiseaufwandsentschädigungen aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des damaligen Finanzamtes ***FA**** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Haftung des Arbeitgebers für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer 2015 und 2016, Festsetzung eines Säumniszuschlages zur Lohnsteuer 2015 und 2016, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen 2015 und 2016 und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2015 und 2016 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Anlässlich einer den Zeitraum 2015 und 2016 umfassenden Prüfung lohnabhängiger Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) stellte der Prüfer im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung u.a. Folgendes fest:
"Aufwandsentschädigung
Sachverhaltsdarstellung
Die Arbeiter des Unternehmens unterliegen keinem Kollektivvertrag (Berechtigung: Sammeln und Behandeln von nicht gefährlichen Abfällen; freie Vereinbarung). Bisher wurde für jede Dienstreise 2,2 € pro Stunde steuerfrei gewährt. Ausbezahlte Taggelder, ohne Anspruch einer lohngestaltenden Vorschrift, können nur nach § 26 steuerfrei berücksichtigt werden (Diäten für die Anfangsphase bis zu 5 Tagen bei durchgehender Tätigkeit pro Einsatzort bzw. 15 Tage bei wiederkehrender Tätigkeit pro Einsatzort jährlich können steuerfrei gewährt werden).
Die über den § 26 hinausgehenden Differenzen werden pauschal nachversteuert.

Aufwandsentschädigung
Sachverhaltsdarstellung
Die Angestellten des Unternehmens unterliegen dem Kollektivvertrag Angestellte im Gewerbe. Laut Kollektivvertrag sind als Diäten für Dienstreisen über 5 Stunden 6,21 € bzw. für Dienstreisen über 11 Stunden 15,48
€ Taggeld zu gewähren. Bisher wurden 2,2 € pro Stunde anlässlich einer Dienstreise gewährt. Ausbezahlte Taggelder, die über den Anspruch einer lohngestaltenden Vorschrift hinausgehen, können nur nach § 26 steuerfrei berücksichtigt werden (Anfangsphase von 5 bzw. 15 Tagen).
Die anhand der Aufzeichnungen festgestellten Differenzen werden nachversteuert.
"

Den Prüfungsfeststellungen folgend nahm das Finanzamt die Bf. mit den Haftungs- und Abgabenbescheiden vom als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer in Anspruch, setzte den Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag fest und schrieb ihr einen Säumniszuschlag für die Lohnsteuer vor.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Im Rahmen einer Außenprüfung habe die belangte Behörde festgestellt, dass die bisher ausbezahlten Taggelder bei den Arbeitern des Unternehmens nicht gemäß § 26 EStG steuerfrei seien und somit die darüber hinausgehenden Differenzen pauschal nachversteuert werden müssten. Ebenso habe die Behörde festgestellt, dass dies auch bei den Angestellten des Unternehmens zutreffen würde, da laut Kollektivvertrag nur ein bestimmter Teil steuerfrei sei.

1. Dienstreisen der Arbeiter:
Richtig sei, dass die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin keinem Koliektivvertrag unterliegen würden. Eine steuerfreie Berücksichtigung der ausbezahlten Taggelder nach dem Kollektivvertrag Gütertransport liege aus nachstehenden Gründen vor:
Mit jedem einzelnen Mitarbeiter sei einvernehmlich vertraglich vereinbart worden, dass auf das Arbeitsverhältnis der Kollektivvertrag des Gütertransportes anzuwenden sei. Aus organisatorischen Gründen sei im beschwerdeführenden Unternehmen kein Betriebsrat eingerichtet.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 bestehe jedoch auch dann eine Befreiung von der Einkommenssteuer wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliege.
Da mit jedem Mitarbeiter der beschwerdeführenden Gesellschaft eine vertragliche Vereinbarung, insbesondere die Anwendung des Kollektivvertrages Gütertransport, vorliege, sei von einer Steuerfreiheit der Taggelder auszugehen. Es sei daher die Anwendung des Kollektivvertrages Gütertransport eine innerbetriebliche Regelung, die einer lohngestaltenden Vorschrift gleichzusetzen sei.
Analoge Anwendungen würden sich auch in jenen Fällen ergeben, in denen ein ausländischer Arbeitgeber Arbeitnehmer im Inland beschäftige, ohne dass ein inländischer Betrieb im Sinne des § 34 ArbVG vorliege. In diesen Fällen könnten daher innerbetriebliche Vereinbarungen - unabhängig von der Arbeitnehmeranzahl - Basis für die steuerfreie Auszahlung von Tagesgeldern sein.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG bestehe sogar eine Verpflichtung des Arbeitgebers eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern abzuschließen, wenn keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden könne.

2. Dienstreisen der Angestellten:
Bei den Angestellten der Beschwerdeführerin sei der Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe anwendbar. Die Nachversteuerung der Differenzbeträge werde von der belangten Behörde damit begründet, dass eine Berücksichtigung der Steuerfreiheit der Diäten nur nach§ 26 EStG 1988 durchgeführt werden könne.
Bei genauer Betrachtung der einschlägigen Bestimmungen ergebe sich jedoch, dass keine ausdrückliche Regelung einer Nachversteuerung von Differenzbeträgen angeordnet sei. Die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde sei somit nicht nachvollziehbar.

In einer in Beantwortung eines Ergänzungsersuchens per Mail eingebrachten Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom heißt es im Wesentlichen:
"Zu Ergänzungspunkt 1:
Sie haben ersucht, Nachweise über die einvernehmliche Vereinbarung der Anwendung des Kollektivvertrages des Gütertransportes zu übermitteln.
Exemplarisch habe ich Ihnen Dienstverträge im Anhang angefügt.
Hier ist ersichtlich dass unter dem Punkt 4. LOHNVEREINBARUNG ausgeführt wird, dass auf das Dienstverhältnis der Kollektivvertrag für "Transportgewerbe" in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden ist.
Wir verstehen unter diesem Begriff "Transportgewerbe" die Anwendung des Kollektivvertrages für Gütertransport. Dieser KV wird beim Einstellungsgespräch händisch ausgefüllt, nachdem mit dem Dienstnehmer die Lohnvereinbarung besprochen und festgelegt wurde.
Zu Ergänzungspunkt 2:
In der
***Bf1*** wurde kein Betriebsrat eingerichtet.
Bisher war auch noch kein Bedarf von Seiten der Belegschaft vorhanden, bzw. wurde darüber nie diskutiert. Die
***Bf1*** ist Teil der ***X.***. Möglicherweise findet sich die Ursache hier, weil die ***X.*** in mehreren verschiedenen Sparten Tätigkeiten verrichtet. Die Mitarbeiter sehen sich möglicherweise als Teil der ganzen ***X.***. Die Bestimmungen über die Anzahl der Betriebsräte, die ja abhängig ist von der Mitarbeiterzahl der einzelnen Firmen würde möglicherweise ein Ungleichgewicht in der Mitarbeitervertretung bewirken, die nicht von allen verstanden werden würde.
ZB.:
***X1-GmbH*** hat ca. 150 Mitarbeiter --> 4 Betriebsräte
***X2-GmbH*** unter 20 Mitarbeiter --> 2 Betriebsräte
***Bf1*** unter 20 Mitarbeiter --> 2 Betriebsräte
Da gs. in der
***X.*** insbesondere bei Lohnthemen die kollektivvertraglichen Bestimmungen Grundlage fürEntscheidungen sind, die die Mitarbeiter betreffen, war bisher kein Bedarf an der Errichtung eines Betriebsratesgegeben."

Nach einem entsprechenden Vorhalt zur Wahrung des Parteiengehörs wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Behörde an:
"Im Unternehmen werden den Arbeitern Taggelder gewährt. Außer Streit steht, dass für die Arbeiter kein entsprechender Kollektivvertrag abgeschlossen wurde. Daher wurde in jedem Arbeitsvertrag vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis der Kollektivvertrag des Gütertransportes in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sei.
Aus organisatorischen Gründen ist in der Firma
***Bf1*** kein Betriebsrat eingerichtet. Auf Nachfrage des Finanzamtes mittels Vorhalt vom , warum konkret ein solcher nicht eingerichtet sei, wurde seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass kein Bedarf von Seiten der Belegschaft bestehe bzw. darüber nie diskutiert worden sei.Die Angestellten der Firma ***Bf1*** unterliegen dem Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe. Die Reisekostenbestimmungen sehen vor, dass für Dienstreisen mit einer Dauer von über fünf Stunden € 6,21 bzw. für solche mit einer Dauer von über elf Stunden € 15,48 als Taggeld steuerfrei zu gewähren sind. Aus den vorliegenden Reisekostenaufzeichnungen ist jedoch ersichtlich, dass ab der ersten Stunde € 2,20 steuerfrei ausbezahlt werden.

Rechtliche Würdigung:

1. Der fachliche Geltungsbereich eines Kollektivvertrages ist abhängig von den Branchen oder Geschäftszweigen, die der Geltung des Kollektivvertrages unterliegen. Welcher Kollektivvertrag im Einzelfall anzuwenden ist, richtet sich nach der entsprechenden Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu einer kollektivvertragsabschließenden Partei, im Bereich der gesetzlichen Interessenvertretungen somit grundsätzlich nach der Kammerzugehörigkeit des Arbeitgebers. Nur für diese Teile entfaltet der Kollektivvertrag seine normative Wirkung iSd §§ 8ff ArbVG (vgl. dazu ausführlich: Prinz, Personalverrechnung in der Praxis 2019, 30. Auflage, S. 20ff).
Die Firma
***Bf1*** ist der Fachgruppe Entsorgungs- und Ressourcenmanagement zugehörig. Für Angestellte, die in diesem Bereich tätig sind, besteht ein Kollektivvertrag, für Arbeiter hingegen nicht.
Die Steuerbefreiung des § 3 (1) Z 16b EStG für vom Arbeitgeber ersetzte Reiseaufwandsentschädigungen bedingt, dass dieser aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 (5) Z 1 bis 6 EStG
verpflichtet ist. Zu diesen lohngestaltenden Vorschriften zählen Kollektivverträge und unter gewissen Umständen auch Betriebsvereinbarungen.
Die hier gewählte Vertragsgestaltung vermag den Voraussetzungen nicht zu entsprechen. Die
***Bf1*** ist vom fachlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages Gütertransport nicht umfasst. Daraus folgt, dass sich der Normcharakter dieses Kollektivvertrages nicht gegenüber der Beschwerdeführerin entfaltet und diese somit daraus nicht verpflichtet werden kann, den Arbeitern den Reiseaufwand zu ersetzen.
Innerbetriebliche Vereinbarungen wie die hier gegenständlichen Arbeitsverträge, in denen die Anwendung des Kollektivvertrages Gütertransport vereinbart wird, können nur dann Basis für die steuerfreie Gewährung von Taggeldern sein, wenn weder auf Seiten des Arbeitgebers ein kollektivvertragsfähiger Vertragsteil noch die erforderliche Arbeitnehmeranzahl für die Wahl des Betriebsrates gegeben ist.
Die Firma
***Bf1*** ist - wie Eingangs bereits erwähnt - als Mitglied derWirtschaftskammer OÖ der Fachgruppe Entsorgungs- und Ressourcenmanagementzugehörig. Es besteht also auf Seiten des Arbeitgebers die Möglichkeit, einen eigenenKollektivvertrag abzuschließen, dies ist jedoch bis dato nicht erfolgt.
Selbst wenn auf Seiten des Arbeitgebers kein kollektivvertragsfähiger Vertragsteil
bestünde, so wäre im vorliegenden Fall dennoch die Einrichtung eines Betriebsrates demGrunde nach möglich.
Daher können einzelne Bestimmungen in den Arbeitsverträgen, selbst wenn sie auf einen
anderen Kollektivvertrag verweisen, nicht als lohngestaltende Vorschriften iSd § 3 (1) Z16b EStG gelten.

2. Wie bereits weiter oben ausgeführt wurde, unterliegen die Angestellten der Firma ***Bf1*** dem Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe. Die Reisekostenbestimmungen sehen für Dienstreisen, welche über fünf Stunden dauern einen Satz iHv € 6,21 - für Reisen die über elf Stunden dauern einen solchen iHv € 15,48 vor. Diese Beträge fallen unter die Steuerbefreiungen des § 3 (1) Z 16b EStG.
Das heißt im Umkehrschluss, dass Dienstreisen
bis zu fünf Stunden nicht von der lohngestaltenden Vorschrift gedeckt sind und somit auch nicht von § 3 (1) Z 16b EStG umfasst sind.
Aus den der Behörde vorliegenden Diätenaufzeichnungen geht hervor, dass pro Stunde im Außendienst € 2,20 steuerfrei ausbezahlt werden. Wie bereits in der Begründung zu den beschwerdegegenständlichen Bescheiden ausgeführt wurde (vgl. den Bericht vom , welcher explizit Teil der Bescheidbegründung ist), kann der über das Ausmaß laut Kollektivvertrag gewährte Betrag in weiterer Folge unter den Voraussetzungen des § 26 Z 4 EStG nicht steuerbar gewährt werden. Jene Beträge, welche auch in leg.cit. keine Deckung finden, sind steuerpflichtig.

Die Beschwerde ist daher aus den dargelegten Gründen abzuweisen."

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Im Vorlageantrag heißt es (auszugsweise):
"…
Zu Punkt 1. der rechtlichen Würdigung in der Beschwerdevorentscheidung:

Die belangte Behörde führt aus, die steuerfreie Auszahlung von Reiseaufwandsentschädigungen gemäß § 3 Abs. 1Z 16b EStG bedinge, dass der Arbeitgeber auf Grund einer lohngestaltenden Vorschriftgemäß § 68 Abs. 5 Z1 bis 6 EStG zur Zahlungverpflichtet sei. Kollektivverträge seien solche lohngestaltenden Vorschriften. Hierbei lässt die belangte Behörde aber außer Acht, dass die Verpflichtung desArbeitgebers nicht zwingend auf einem anzuwendenden Kollektivvertrag beruhen muss, um eine Steuerbefreiunggemäß § 3 Abs. 1Z 16b EStG herbeizuführen. Vielmehr enthält § 3 Abs. 1Z 16b EStG auchdie Regelung, wonach von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auch dann auszugehen ist, wenn einevertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt. Einesolchevertragliche Vereinbarung in Form von Arbeitsverträgen mit sämtlichen Arbeitern der ***Bf1*** liegt gegenständlich vor.

Selbst wenn diese Regelung direkt nur den Fall erfasst, dass in dem Fall des § 68 Abs. 5 Z 6 EStG keineBetriebsvereinbarung mangels Betriebsrates abgeschlossen werden kann, so steht dies der analogenAnwendung dieses Steuerbefreiungstatbestandes im vorliegenden Fall nicht entgegen. Für eine analoge Anwendung dieses Steuerbefreiungstatbestandes spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass bei den sog. "SEG-Zulagen" § 68 Abs. 5 Z 7 EStG explizit vorsieht, dass diese Zulagen dann begünstigt werden,wenn sie "innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" gewährt werden.
Die für eine Analogie erforderliche, planwidrige Lücke des § 3 Abs. 1
Z 16b EStG ist unbestreitbar.
Somit führen im vorliegenden Fall die mit allen Arbeitern der
***Bf1*** abgeschlossenen Arbeitsverträge zu einer Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG. Dies gilt umso mehr, als dass die Arbeitsvertragsparteien im vorliegenden Fall den Abschluss des Vertrages mit der Anwendung des Kollektivvertrages "Gütertransport" verknüpfen.

Die Behauptung der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, wonach die gegenständlichen Arbeitsverträge in Verbindung mit dem Kollektivvertrag "Gütertransport" nur dann eine Basis für die steuerfreie Gewährung von Taggeldern sein können, wenn weder auf Arbeitgeber- noch auf Arbeitnehmerseite ein kollektivvertragsfähiger Vertragsteil bestehe, kann nicht nachvollzogen werden. Es ist nicht erkennbar, worauf die belangte Behörde diese Rechtsansicht stützt. Die belangte Behörde wird darzulegen und nachzuweisen haben, auf welcher Rechtsgrundlage diese Rechtsansicht beruht.

Die ***Bf1*** wendet den Kollektivvertrag "Gütertransport" zum Schutz und zum Wohle ihrer Arbeiter an. Sie gibt diesen damit ein Instrument an die Hand, auf das sich die Arbeiter im Bedarfsfall berufen und stützen können. Auch die Tatsache, dass die ***Bf1*** ihren Arbeitern Tagesgelder ab der ersten Stunde ausbezahlt hat, erfolgte ausschließlich zum Wohle der Arbeiter. Diese Umstände lässt die belangte Behörde bei der Feststellung und rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes gänzlich außer Acht.

Betreffend die weiteren Beschwerdegründe wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.
"

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Gesellschaft verfügt über eine Gewerbeberechtigung betreffend das Sammeln und Behandeln von nicht gefährlichen Abfällen. Sie ist der im Bereich der Wirtschaftskammer Oberösterreich eingerichteten Fachgruppe Entsorgungs- und Ressourcenmanagement zugeordnet.
Trotz Bestehens einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft auf Arbeitgeberseite wurde für die in diesem Bereich beschäftigten Arbeiter kein Kollektivvertrag abgeschlossen. Auch wenn die Einrichtung eines Betriebsrates dem Grunde nach möglich war, bestand im Betrieb der Bf. im Streitzeitraum kein Betriebsrat.
Daher vereinbarte die Bf. mit den nicht dem Angestelltengesetz unterliegenden Arbeitnehmern in jedem Arbeitsvertrag, dass auf das Arbeitsverhältnis der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sei sowie die Auszahlung von Taggeldern nach der im vorgenannten Kollektivvertrag enthaltenen Regelung.
Nach den unbestrittenen Feststellungen der Behörde wurden für jede Dienstreise 2,20 Euro pro Stunde steuerfrei ausbezahlt.

Die Beschäftigungsverhältnisse der Angestellten der Beschwerdeführerin unterlagen im Streitzeitraum dem Kollektivvertrag für Angestellte "im Handwerk und Gewerbe in der Dienstleistung in Information und Consulting". Die Bestimmungen betreffend Reiseaufwandsentschädigungen (§ 10) sahen darin vor, dass für Dienstreisen mit einer Dauer von über fünf Stunden 6,21 Euro bzw. für solche mit einer Dauer von über elf Stunden 15,48 Euro als Taggeld steuerfrei zu gewähren sind. Aus den der Behörde vorgelegten Reisekostenaufzeichnungen geht hervor, dass ab der ersten Stunde 2,20 Euro steuerfrei ausbezahlt wurden.

2. Beweiswürdigung

Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Die Beschwerde wendet sich auch nicht gegen die Höhe der Abgabenfestsetzung bzw. Abgabennachforderung. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht daher keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

3. Rechtliche Beurteilung

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des § 201 Abs. 2 BAO und muss nach Maßgabe des § 201 Abs. 3 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gelten die §§ 201 und 201a sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.

§ 303 BAO nennt als Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens, dass
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Dienstnehmer sind nach § 41 Abs. 2 leg. cit. u.a. Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen.

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998.

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist nach Maßgabe des § 217 BAO ein Säumniszuschlag zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäß § 2 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) sind Kollektivverträge Vereinbarungen, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber einerseits und der Arbeitnehmer andererseits schriftlich abgeschlossen werden.

Nach § 3 Abs. 1 ArbVG können die Bestimmungen in Kollektivverträgen, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern regeln, durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch eingeschränkt werden. Sondervereinbarungen sind, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind.

Gemäß § 4 Abs. 1 ArbVG sind gesetzliche Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer kollektivvertragsfähig, denen unmittelbar oder mittelbar die Aufgabe obliegt, auf die Regelung von Arbeitsbedingungen hinzuwirken und deren Willensbildung in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 ArbVG sind Betriebsvereinbarungen schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuss, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist.

In § 10 des in den Streitjahren anzuwendenden Rahmenkollektivvertrages für Angestellte im Handwerk und Gewerbe heißt es auszugsweise:
"…
2. Reiseaufwandsentschädigung:
Bei Dienstreisen im Sinne der Z 1 ist dem Angestellten der durch die Dienstreise verursachte Mehraufwand nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu entschädigen.
a) …
b) Bei einer ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als 5 Stunden gebührt ein Taggeld von € 6,21.
c) Bei einer Abwesenheit von mehr als 11 Stunden - einschließlich Wegzeit, ausschließlich Mittagspause - gebührt ein Taggeld in Höhe von € 15,48.
…"

Gemäß § 13 des genannten Kollektivvertrages können die Bestimmungen dieses Kollektivvertrages, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Angestellten regeln, durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden, und sind Sondervereinbarungen nur gültig, soweit sie für den Angestellten günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind (§ 3 Arbeitsverfassungsgesetz).

Gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 gehören Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger. Eine Dienstreise liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers
- seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder
- so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.
Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz).

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 sind vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder von der Einkommensteuer befreit, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind, die für eine
- Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste),
- Fahrtätigkeit (zB Zustelldienste, Taxifahrten, Linienverkehr, Transportfahrten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers), § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988
- Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers,
- Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988, oder eine
- vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde
gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Kann im Falle des § 68 Abs. 5 Z 6 keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, weil ein Betriebsrat nicht gebildet werden kann, ist von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.

Voraussetzung für eine (zeitlich unbegrenzte) Einkommensteuerbefreiung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 von als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlten Tagesgeldern ist u.a. die Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988. Für einen von § 68 Abs. 5 Z. 6 EStG 1988 erfassten Fall, dass eine Betriebsvereinbarung nicht abgeschlossen werden kann, weil ein Betriebsrat nicht gebildet werden kann, ist außerdem von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.

Lohngestaltende Vorschriften nach § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 sind:

1. … gesetzliche Vorschriften,

2. … von Gebietskörperschaften erlassene Dienstordnungen,

3. … aufsichtsbehördlich genehmigte Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,

4. … die auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegte Arbeitsordnung,

5. … Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,

6. … Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,

Innerbetriebliche Vereinbarungen mit allen oder bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern, die die vorstehend geforderten Qualitäten nicht haben (§ 68 Abs. 5 Z. 7 EStG 1988), sind nicht vom Verweis des § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 umfasst.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde das Vorliegen lohngestaltender Vorschriften im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 verneint.

Die in § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 4 EStG 1988 genannten lohngestaltenden Vorschriften haben für den gegenständlichen Fall keine Relevanz.

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass für die im Betrieb der Beschwerdeführerin beschäftigten Arbeiter kein Kollektivvertrag abgeschlossen wurde. Wegen Fehlens eines entsprechenden Kollektivvertrags sowie infolge dessen auch fehlender kollektivvertraglicher Ermächtigung zum Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung kann daher im Beschwerdefall auch keine lohngestaltende Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z. 5 EStG 1988 vorliegen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Vereinbarungen zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer weder Kollektivverträge noch Betriebsvereinbarungen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin mit allen Arbeitnehmern die "Betriebsvereinbarung" geschlossen hat (; ).
Solche gesonderten Vereinbarungen sind daher auch nicht als lohngestaltende Vorschriften im Sinn des § 68 Abs. 5 Z. 6 EStG 1988 zu qualifizieren.

Wie bereits erwähnt verweist § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 nur auf die Z. 1 bis 6 des § 68 Abs. 5 EStG 1988 und nicht auch auf die Z. 7 ("innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" gewährte Zulagen).
Nur im Fall des § 68 Abs. 5 Z. 6 EStG 1988, dass ein Betriebsrat nicht gebildet und eine Betriebsvereinbarung nicht abgeschlossen werden kann, ist nach dem dritten Satz des § 16 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 außerdem von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.
Das Finanzamt hielt der Bf. mit Schreiben vom ("Ersuchen um Ergänzung/Auskunft") vor, dass nach den behördlichen Ermittlungen gegenständlich die Einrichtung eines Betriebsrates im Betrieb der Bf. dem Grunde nach möglich sei.
Weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag wird diesen Feststellungen entgegengetreten.

In der Beschwerde und im Vorlageantrag wird in diesem Zusammenhang sinngemäß vorgebracht, dass die mit sämtlichen Arbeitnehmern erfolgte vertragliche Vereinbarung über die Anwendung des Kollektivvertrages Gütertransport eine innerbetriebliche Regelung darstelle, die einer lohngestaltenden Vorschrift gleichzusetzen sei. § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 enthalte auch die Regelung, wonach von einer Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers auch dann auszugehen sei, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliege. Selbst wenn diese Regelung nur den Fall erfasse, dass in dem Fall des § 68 Abs. 5 Z. 6 EStG 1988 keine Betriebsvereinbarung mangels Betriebsrates abgeschlossen werden könne, so stehe dies einer analogen Anwendung des Steuerbefreiungstatbestandes im vorliegenden Fall nicht entgegen. Für eine analoge Anwendung dieses Steuerbefreiungstatbestandes spreche insbesondere die Tatsache, dass bei den sog. "SEG-Zulagen" § 68 Abs. 5 Z. 7 EStG 1988 vorsehe, dass diese Zulagen dann begünstigt werden, wenn sie "innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" gewährt werden. Die für eine Analogie erforderliche, planwidrige Lücke des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sei unbestreitbar.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 147/05, den damaligen vierten Satz in § 26 Z. 4 EStG 1988 als verfassungswidrig aufgehoben. § 26 Z 4 vierter Satz EStG 1988 normierte, dass in lohngestaltenden Vorschriften iSd § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 enthaltene Regelungen des Begriffs der Dienstreise dem engeren allgemeinen Dienstreisebegriff des § 26 Z. 4 EStG 1988 vorgehen können. Der VfGH erachtete diesen Satz insoweit für verfassungswidrig, als dieser Satz es im Ergebnis zuließ, Tagesgelder unter dem Titel Reisekostenersatz von der Besteuerung auszunehmen, denen auch bei typisierender Betrachtungsweise keine entsprechenden Verpflegungsmehraufwendungen gegenüberstanden.
In Reaktion auf das Erkenntnis des VfGH hat der Gesetzgeber mit der Reisekosten-Novelle 2007, BGBl I Nr. 45/2007, die Regelung des § 3 Abs 1 Z. 16b EStG 1988 geschaffen, um zu erreichen, dass - wie nach der Rechtslage vor der Gesetzesaufhebung - über die Dienstreise im engeren Sinn hinausgehend auch für in lohngestaltenden Vorschriften großzügiger geregelte Dienstreisen nicht der Einkommensteuer zu unterziehende Tagesgelder gezahlt werden können. Den Gesetzesmaterialien zur Reisekosten-Novelle 2007 (IA 220/A, 23. GP 4) ist zu entnehmen, es solle mit dieser Novelle verhindert werden, dass für die Arbeitnehmer eine Verschlechterung in der Höhe ihres Nettolohnes eintrete. Um sich nicht in Widerspruch zur Entscheidung des VfGH zu stellen, wurde die Anwendung des solcherart erweiterten Dienstreisebegriffs auf bestimmte, taxativ aufgezählte Tätigkeiten beschränkt, wobei die Gesetzesmaterialien die in § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 geregelte Beibehaltung der Nichtbesteuerung von in lohngestaltenden Vorschriften geregelten Tagesgeldern in diesen Fällen mit erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer im Außendienst sowie Reiseerschwernissen und Mobilitätsanreizen rechtfertigen (vgl. ; AnwBl 2021/140).

Gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 wurden in der Literatur die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben wie gegen die Regelung im früheren § 26 Z. 4 EStG 1988 (vgl. etwa Doralt, RdW 2007, 365; Laudacher in Jakom 2016, § 3 Rz 93; Resch, taxlex 2007, 390f).

Einem bereits beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) anhängig gewesenen Verfahren lag ein mit dem hier vorliegenden Beschwerdefall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, wonach - bei Bestehen einer kollekivvertragsfähigen Interessenvertretung gem. § 4 Abs. 1 ArbVG aber Fehlen eines entsprechenden Kollektivvertrages - die von einem ebenfalls in der Abfall- und Abwasserwirtschaft tätigen Arbeitgeber gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern übernommene dienstvertragliche Verpflichtung zur Zahlung von Tagesgeldern iSd. § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 keine lohngestaltende Vorschrift darstellen konnte, da im Unternehmen ein Betriebsrat gebildet werden konnte. Der vor dem VfGH beschwerdeführende Arbeitgeber sah sich durch die Anwendung der Regelungen des § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 iVm. § 68 Abs. 5 Z. 5 und 6 EStG 1988 unsachlich diskriminiert und rügte die Verletzung des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes und damit des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatzes.

Der VfGH hat diese Bedenken allerdings nicht geteilt. Er hat die Behandlung der Beschwerde zu § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 mit Beschluss vom , E 31/2015-14, abgelehnt.

Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis vom , G 147/05, betreffend brachte die Bundesregierung u.a. auch vor, dass die Bestimmung des § 68 Abs. 5 Z. 7 EStG 1988 vom Gesetzgeber mit guten Gründen nicht im vierten Satz des (früheren) § 26 Z. 4 leg.cit. angeführt worden sei. Hier handle es sich nicht um Normen des kollektiven Arbeitsrechts, sondern um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Präzisierung des Dienstreisebegriffes könne nicht einer rein zivilrechtlichen Vereinbarung überlassen werden, für die es keinerlei Publizitätsvorschriften und weitere Kontrolle gebe. Es erscheine daher sachlich geboten, derartige Vereinbarungen - anders als die Normen des kollektiven Arbeitsrechts, die auch für gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb eines Wirtschaftszweiges sorgen sollen - steuerlich nicht anzuerkennen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Bestimmung das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke, dass also das Gesetz - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig (ergänzungsbedürftig) ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt etwa dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. , mwN).

Unter Berücksichtigung des oben aufgezeigten Umstandes, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 die vormals in § 26 Z 4 EStG 1988 enthaltene Begünstigung für in lohngestaltenden Vorschriften geregelte Tagesgelder beibehalten wollte und der Verfassungsgerichtshof die insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt hat, liegt im Hinblick auf die Anwendbarkeit der im vorliegenden Beschwerdefall strittigen Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 insoweit keine durch Analogie zu schließende Lücke vor. Eine analoge Anwendung der von der Bf. angeführten Bestimmung des § 68 Abs. 5 Z. 7 EStG 1988 kommt daher nicht in Betracht.

Zum Beschwerdevorbringen betreffend "Dienstreisen der Angestellten" (Punkt I. 2. der Beschwerdebegründung) verweist das Bundesfinanzgericht aufgrund der eindeutigen Sach- und Rechtslage sowie der unbestritten gebliebenen Höhe der Abgabenfestsetzung bzw. Abgabennachforderung auf die in der Sache ergangene Beschwerdevorentscheidung vom und erhebt sie zum Inhalt der Begründung dieses Erkenntnisses (vgl. , wonach es zulässig ist, im Rahmen der Begründung auf die Begründung eines anderen, den Parteien zugestellten Bescheides zu verweisen).
Auch im Vorlageantrag wendet die Bf. dagegen nichts Substantiiertes mehr ein.

Gemäß § 217 BAO sind Säumniszuschläge bei verspäteter Entrichtung der Abgabenschuld zwingend festzusetzen. Der Behörde ist in diesem Fall kein Ermessen eingeräumt.
Die Bf. hätte die Lohnsteuer während der laufenden Lohnzahlung bereits entrichten müssen. Wie den bekämpften Bescheiden entnommen werden kann, ist bis zur Bescheiderlassung keine Entrichtung der Steuer erfolgt. Die Säumnis betrug damit mehr als fünf Tage. Der Tatbestand des § 217 Abs. 1 und 2 BAO wurde damit verwirklicht und die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Säumnis, bei der keine Verpflichtung zur Verhängung eines Säumniszuschlages entstanden wäre, waren nicht erfüllt. Ein Säumniszuschlag war somit zu verhängen.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Rechtsfragen orientiert sich das Erkenntnis an der zitierten Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101424.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at