zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.03.2023, RV/4100308/2021

Vorauszahlungen von Pflichtbeiträgen an die gesetzliche Sozialversicherung

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Folgerechtssätze
RV/4100308/2021-RS1
wie RV/3190-W/09-RS1
Hat der Bw. im Jahr 2008 17.000 € an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorausbezahlt, ist aber auf dem Kontoauszug der Hinweis enthalten, dass das Guthaben über Antrag rückzahlbar ist, so folgt daraus, dass der Bw. zum Zeitpunkt der Überweisung die Verfügungsmacht über den in Rede stehen­den Betrag noch nicht verloren hatte, sondern jederzeit die von ihm geleistete Summe rücküberweisen hätte lassen können. Somit liegen Betriebsausgaben erst in dem Zeitpunkt vor, in dem die Sozialversicherungsanstalt die Sozialversicherungsbeiträge mit dem am Beitragskonto bestehen­den Guthaben verrechnet hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin I. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schubertstraße 68, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wird der Feststellungsbescheid 2019 zum Nachteil der Bf. abgeändert.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden gemäß § 188 BAO in Höhe von € 54.357,53 festgestellt.

Anteil Frau A:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb € 20.688,63
Bei den betrieblichen Einkünften wurden berücksichtigt:
Grundfreibetrag € 1.467,30

Anteil Herr B:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb € 33.668,90
Bei den betrieblichen Einkünften wurden berücksichtigt:
Grundfreibetrag € 2.432,70

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine Kommanditgesellschaft, an der die Gesellschafterin Frau A ("Frau A") und der Gesellschafter Herr B ("Herr B") beteiligt sind. Die Bf. ermittelte in den Jahren 2019 bis 2021 ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988.

In der Erklärung über die Feststellung von Einkünften 2019 machte Frau A Sonderbetriebsausgaben für Sozialversicherungsservice ("SVS") in Höhe von € € 5.957,40 und - die hier strittigen - "SVS VZ 2020" in Höhe von € 4.000,00 geltend. Herr B machte Sonderbetriebsausgaben für SVS in Höhe von € 6.068,40 sowie - die hier strittigen - "SVS VZ 2020" in Höhe von € 6.000,00 geltend.

Im Feststellungsbescheid 2019 versagte das Finanzamt der VZ 2020 (€ 4.000,00) von Frau A den Betriebsausgabenabzug. Durch willkürliche Zahlungen, für die nach Grund und Höhe keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe vorliegen, dürfe ein Steuerpflichtiger die Höhe des Einkommens innerhalb verschiedener Veranlagungszeiträume nicht beeinflussen. Die VZ 2020 zum sei ohne Vorschreibung willkürlich vorgenommen worden und könne daher steuerlich nicht anerkannt werden.

Die Bf. erhob Beschwerde. Die Zahlung sei keine willkürliche, sondern basiere auf der Jahresvorschau 2020, die für 2020 Beiträge in Höhe von € 6.771,12 und eine Nachbemessung für 2018 in Höhe von € 382,68 ausweise, sohin eine Gesamtvorschreibung von € 7.153,80. Frau A habe in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen des EStG 1988 von € 7.153,80 nur etwas mehr als die Hälfte der für 2020 zu erwartenden Vorschreibungen vorausbezahlt, es könne wohl keinesfalls von einer willkürlichen Zahlung gesprochen werden.

Aus der beigelegten Jahres-Vorschau für 2020 geht hervor, dass die Gesamtbelastung an Unfall-, Pensions-, Krankenversicherung und Selbständigenvorsorge sowie der Nachbemessung 2018 für Frau A € 7.153,80 ausmache und in vier Teilbeträgen á € 1.788,42 jeweils zum , , und fällig werden.

In der Beschwerdevorentscheidung änderte das Finanzamt den Bescheid zum Nachteil der Bf. ab, indem es auch der VZ für 2020 in Höhe von € 6.000,00 des Herrn B den Betriebsausgabenabzug verwehrte.

Die Bf. brachte den Vorlageantrag ein.

Nach Ansicht des Finanzamtes im Vorlagebericht fehle der SVS die Verfügungsmacht über die Beiträge, weil die Gesellschafter die Möglichkeit hatten, die bezahlten Beiträge jederzeit rückerstattet zu erhalten. Ein rechtswirksamer und endgültiger Verzicht auf das Rückzahlungsrecht sei im GSVG nicht vorgesehen, weshalb Vorauszahlungen jeglicher Art dem Versicherten auf Antrag jederzeit rückerstattet werden müssten. Die SVS habe über die überwiesenen Beträge nicht verfügen können, die Bf. habe daher die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber auch nicht verloren, da auf die Rückzahlung nicht verzichtet werden könne. Die strittigen Ausgaben seien folglich noch gar nicht abgeflossen. Betriebsausgaben würden erst in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die SVS die Beiträge mit dem am Beitragskonto bestehenden Guthaben verrechnet hat.

Die Bf. entgegnete, dass das Finanzamt die gesetzlichen Bestimmungen und die höchstgerichtliche Judikatur im Zusammenhang mit SVS-Vorauszahlungen verkenne, siehe die Erkenntnisse des , vom , 92/14/0100, vom , 88/14/0076, vom , 98/14/0025, vom , 92/14/0025, und vom , 82/13/0266. Es übersehe, dass Zahlungen der Frau A und des Herrn B vom Konto am (Ausgabe 2019) abgeflossen seien und der Zufluss bei der SVS erst am (Einnahme 2020) erfolgt sei. Demzufolge seien Frau A und Herr B über die von ihnen von ihren Geschäftskonten geleisteten Beitragsvorauszahlungen für 2020 erst ab dem Kalenderjahr 2020 (tatsächlich ab ) verfügungsberechtigt.

Im weiteren Verfahren vor dem BFG hat sich Folgendes ergeben:

Die Gutschrift der € 4.000,00 bzw. € 6.000,00 langte bei der SVS am ein (unstrittig).

Auf dem "Kontoauszug der SVS" für Frau A und Herrn B vom war festgehalten: "Das Guthaben kann über schriftlichen Antrag zurückgefordert werden."

Die Beitragspflichtigen können jederzeit einen Rückzahlungsantrag stellen. Sollte keine Forderung der SVS offen sein, wird das Geld zurückgezahlt (Telefonat der Richterin mit der SVS).

Zur (Bezahlung der) VZ 2020 von Frau A:

Die Zahlung der € 4.000,00 erfolgte am vom Konto der Bf. In der Buchhaltung habe man - so die Bf. - auf Konto 9572 als Verbindlichkeit der Frau A gegenüber der Bf. ausgewiesen. Wirtschaftlich betrachtet habe Frau A bei der Bf. ein Darlehen aufgenommen, um die VZ 2020 zu bezahlen. Beigelegt waren die Bezug habenden Belege (Vorhaltsbeantwortung vom ).

Am stellte die steuerliche Vertretung von Frau A einen Antrag auf Rückzahlung von € 2.500,00. Da sich dieses Ansuchen jedoch mit der Vorschreibung überschnitten hat, wurde sodann von der SVS nach Verrechnung mit der ersten Quartalsvorschreibung iHV € 1.788,42 ein Betrag von € 2.211,58 im März 2020 an Frau A rückgezahlt (Telefonat der Richterin mit der SVS, Rückzahlungsansuchen, Kontoauszug).

Zur (Bezahlung der) VZ 2020 von Herrn B

Die Zahlung der € 6.000,00 erfolgte am vom Konto der GmbH ("GmbH"). In der Buchhaltung der GmbH habe man - so die Bf. - auf Konto 3590 eine Verbindlichkeit des Herrn B gegenüber der GmbH ausgewiesen. Wirtschaftlich betrachtet habe Herr B bei der GmbH ein Darlehen aufgenommen, um die VZ 2020 zu bezahlen. Beigelegt waren die Bezug habenden Belege (Vorhaltsbeantwortung vom ).

Am stellte die steuerliche Vertretung von Herrn B einen Antrag auf Rückzahlung von € 4.300,00. Da sich dieses Ansuchen jedoch mit der Vorschreibung überschnitten hat, wurde sodann von der SVS nach Verrechnung mit der ersten Quartalsvorschreibung ein Betrag von € 1.665,64 im März 2020 an Herrn B rückgezahlt (Telefonat der Richterin mit der SVS, Rückzahlungsansuchen, Kontoauszug).

Die Bf. wandte die Doppelerfassung der Beträge aus der VZ 2020 ein, weil die € 4.000,00 bzw. € 6.000,00 im Jahr 2019 nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen wurden, andererseits aber das Finanzamt die von der Bf. im Jahresabschluss 2020 in Ansatz gebrachte Betriebseinnahme für die Vorauszahlungen (€ 10.000,00) nicht ausgeschieden habe (Schreiben der Bf. vom 02.11.20211).

Die Bf. gab noch bekannt:

Die Beitragsvorschreibungen lt. Jahres-Vorschau für Frau A und die tatsächlich geleisteten Beiträge laut Zahlungsbestätigung haben betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Jahres-Vorschau
Zahlung lt. Zahlungsbestätigung
2018
€ 7.131,00
2019
€ 5.957,40
€ 5.957,40
2020
€ 7.153,80
€ 2.033,58 (darin VZ 2020 € 4.000,00 abzgl. Rückzahlung € 2.211,58 zuzgl. Zahlung € 245,16)
2021
€ 11.082,12
€ 11.098,32 (darin enthalten die VZ vom in Höhe von € 6.000,00 zuzgl. Zahlungen aus 2021 iHv € 2.327,97 und € 2.770,35)

Vorauszahlungen für Frau A und Rückzahlungsansuchen der Frau A:

Zu VZ 2019:
Für 2019 wurde eine VZ von € 7.100,00 am an die SVS gezahlt und dort einige Tage später gutgeschrieben. Diese Zahlung behandelte die Bf. 2018 nicht als Sonderbetriebsausgabe bzw. Sonderbetriebseinnahme.

Den aufgrund des Rückzahlungsansuchens vom rückgezahlten Betrag von € 5.610,56 behandelte die Bf. 2019 nicht als Sonderbetriebseinnahme.

Zur VZ 2020:
Für 2020 wurde eine VZ von € 4.000,00 am an die SVS gezahlt. Die € 4.000,00 wurden als Sonderbetriebsausgabe der Frau A im Jahr 2019 geltend gemacht.

Für Frau A wurde am ein Rückzahlungsansuchen über € 2.500,00 gestellt. Tatsächlich wurden Frau A nach Verrechnung mit Vorschreibungen € 2.211,58 am rückgezahlt.

Zur VZ 2021:
Für 2021 wurde eine VZ von € 6.000,00 am an die SVS gezahlt. Die € 6.000,00 wurden als Sonderbetriebsausgabe der Frau A im Jahr 2020 geltend gemacht.

Für Frau A wurde im Jahr 2021 kein Rückzahlungsansuchen gestellt.

Zur VZ 2022:
Für 2022 wurde eine VZ von € 10.000,00 am an die SVS gezahlt.

Für Frau A wurde am ein Rückzahlungsansuchen über € 6.387,19 (€ 10.000,00 abzgl. der 1. Vorschreibung für 2022 iHv € 3.612,81) gestellt und am an Frau A rückgezahlt.

Herr B

Die Beitragsvorschreibungen lt. Jahres-Vorschau für Herrn B und die tatsächlich geleisteten Beiträge laut Zahlungsbestätigung haben betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Jahres-Vorschau
Zahlung lt. Zahlungsbestätigung
2018
€ 14.868,36
2019
€ 6.068,40
€ 6.387,49
2020
€ 17.230,92
€ 9.092,16 (darin enthalten die VZ vom iHv € 6.000,00 sowie der Rückzahlungsbetrag von € 1.665,64)
2021
€ 15.053,76
€ 15.034,51 (darin die VZ vom von € 10.000,00 zuzgl. Zahlungen 2021 von € 1.271,43 und 3.763,08)

Vorauszahlungen für Herrn B und Rückzahlungsansuchen des Herrn B:

Zu VZ 2019:
Für 2019 wurde eine VZ von € 9.600,00 am an die SVS gezahlt und dort einige Tage später gutgeschrieben. Diese Zahlung behandelte die Bf. 2018 nicht als Sonderbetriebsausgabe.

Den aufgrund des Rückzahlungsansuchens vom rückgezahlten Betrag von € 8.065,80 behandelte die Bf. 2019 nicht als Sonderbetriebseinnahme.

Zu VZ 2020:
Für 2020 wurde eine VZ von € 6.000,00 am an die SVS gezahlt. Die € 6.000,00 wurden als Sonderbetriebsausgabe des Herrn B im Jahr 2019 geltend gemacht.

Für Herrn B wurde am ein Rückzahlungsansuchen über € 4.300,00 gestellt. Tatsächlich wurden Herrn B nach Verrechnung mit Vorschreibungen € 1.665,64 am rückgezahlt.

Zu VZ 2021:
Für 2021 wurde eine VZ von € 10.000,00 am an die SVS gezahlt. Die € 10.000,00 wurden als Sonderbetriebsausgabe des Herrn B im Jahr 2020 geltend gemacht.

Für Herrn B wurde im Jahr 2021 kein Rückzahlungsansuchen gestellt.

Zu VZ 2022:

Für 2022 wurde eine VZ von € 12.000,00 am an die SVS gezahlt. Die € 12.000,00 wurden als Sonderbetriebsausgabe des Herrn B im Jahr 2021 geltend gemacht.

Für Herrn B wurde am ein Rückzahlungsansuchen über € 6.538,98 gestellt, das ihm am von der SVS rückgezahlt wurde.

Zur tatsächlichen Höhe der Zahlungen für 2020

Eine von der Richterin eingeholte Auskunft bei der SVS hat ergeben, dass Frau A und Herr B am die Festsetzung in Höhe der Mindestbeitragsgrundlage (€5.500,00) gestellt haben, worauf die niedrigeren Beitragsleistungen im Jahr 2020 zurückzuführen sind (Anruf der Richterin bei der SVS).

Standpunkte der Parteien im weiteren Verfahren

Das Finanzamt blieb bei seinen bisherigen Ausführungen. Die Ansicht der Bf. würde den Entscheidungen des RV/3190-W/09, sowie des RV/2100876/2012, widersprechen.

Laut Bf. würden die gesetzlichen Bestimmungen des § 4 Abs. 3 EStG 1988 ausdrücklich vorsehen, dass Vorauszahlungen für das darauffolgende Kalenderjahr, die im vorangegangenen Kalenderjahr geleistet wurden, im vorangegangenen Kalenderjahr als Betriebsausgabe zu berücksichtigen seien, wenn diese nicht willkürlich erfolgen und der voraussichtlichen Höhe der Beiträge des folgenden Kalenderjahres entsprechen. Dies bedeute zwangsläufig, dass eine Vorauszahlung für das Kalenderfolgejahr an die SVS, die geringer ist als die Vorschreibung für das Kalenderfolgejahr, in jenem Kalenderjahr als Betriebsausgabe anzuerkennen ist, in dem die Vorauszahlung tatsächlich getätigt wurde.

Den vorgelegten Unterlagen sei eindeutig zu entnehmen, dass die in einem Kalenderjahr für das Folgekalenderjahr geleisteten Vorauszahlungen stets niedriger seien als die Vorschreibungen für das Kalenderfolgejahr:

Die vom Finanzamt in seiner Stellungnahme vom angeführten Entscheidungen seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden:

Es sei zutreffend, dass eine Gutschrift bei der SVS ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Gutschrift bei der SVS aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des GSVG rückzahlungsfähig sei und daraus folgend ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Gutschrift bei der SVS beim Steuerpflichtigen eine steuerpflichtige Betriebseinnahme darstelle.

Dies sei auch der Grund, warum die im Kalenderjahr 2018 von Frau A und Herrn B am getätigten SVS-Vorauszahlungen für 2019, da schon im Dezember 2018 bei der SVS zugeflossen und als Gutschrift ausgewiesen, im Kalenderjahr 2018 nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt worden seien, da diese Beiträge im Dezember 2018 bei Frau A und Herrn B gleichzeitig eine Betriebseinnahme darstellten und daraus folgend ein steuerneutraler Vorgang entstanden sei.

Bei den in den Kalenderjahren 2019, 2020 und 2021 von Frau A und Herrn B getätigten SVS-Vorauszahlungen für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 verhalte es sich vollends anders.

Frau A und Herr B haben jeweils am letzten Banktag des Kalenderjahres 2019, 2020 und 2021 eine für das Folgejahr bestimmte SVS-Vorauszahlung geleistet. Sie haben am letzten Banktag, nachdem das Bankinstitut die Abbuchung der Vorauszahlungen auf den Bankkonten vorgenommen hat, die Verfügungsmacht über die vorausgezahlten Beträge, d. h., jedenfalls noch im Kalenderjahr 2019, 2020 und 2021 verloren.

Nach erfolgter Abbuchung der Beiträge für das Kalenderfolgejahr am letzten Banktag des Kalenderjahres hätten sie weder die rechtliche noch die faktische Möglichkeit über den vorausgezahlten Betrag zu verfügen und/oder ihn zur Rückzahlung zu beantragen gehabt. Dies deshalb, da aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des GSVG die Rückzahlungsberechtigung für Beitragsguthaben gegenüber der SVS frühestens an dem Tag entstehe, an dem auf dem Beitragskonto der SVS ein Guthaben ausgewiesen sei.

Tatsächlich seien die jeweils in den Kalenderjahren 2019, 2020 und 2021 für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 geleisteten Vorauszahlungen erst am , und jeweils auf den SVS-Konten von Frau A und Herrn B gutgeschrieben worden. Demzufolge hätten Frau A und Herr B frühestens wieder am , und die Verfügungsgewalt (Berechtigung) für die jeweils im Vorjahr von ihnen für das Kalenderfolgejahr geleisteten SVS-Beiträge gehabt.

Jeweils im Kalenderfolgejahr seien die am letzten Banktag des Kalendervorjahres geleisteten Beitragsvorauszahlungen für das Kalenderfolgejahr in gesetzeskonformer Weise als Betriebseinnahme erfasst (vgl. Aufstellung der Sonderbetriebsausgaben/Einnahmen für die Kalenderjahre 2019,2020 und 2021).

Die Jahres-Vorschau für ein Kalenderjahr werde laut Bf. und eingeholter Auskunft der Richterin bei der SVS mit der ersten Beitragsvorschreibung (laut SVS rd. um den 20. Jänner eines Jahres) übermittelt.

Die Bf. teilte weiters mit:

"Anlässlich der Erstellung des Jahresabschlusses eines Kalenderjahres ist das RZL-Stürzlinger-Software Programm, welches unsere Gesellschaft verwendet, nicht nur in der Lage die Einkommensteuerabschlusszahlung für das Kalenderjahr zu berechnen, sondern auch die SVS-Beitragsbelastung für das betreffende Kalenderjahr.

Abzüglich der im Kalenderjahr geleisteten SVS-Vorauszahlungen ist somit schon zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses die Höhe der SVS-Beitragsabschlusszahlung für das Kalenderjahr bekannt und kann in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Einreichung der Einkommensteuererklärung beim Finanzamt auch der Zeitpunkt der SVS-Beitragsnachbemessung für vorangegangene Kalenderjahre bestimmt und beeinflusst werden.

Erst nach Übermittlung des Einkommensteuerbescheides durch das Finanzamt an die SVS, kann die SVS die Beitragsnachbemessung vornehmen."

Die Nachbemessung erfolge in vierteljährlichen Teilbeträgen in Gemeinsamkeit mit der "vorläufigen Beitragsvorschreibung" für ein Kalenderjahr.

"Aufgrund der Möglichkeiten unseres EDV-Systems wissen die Klienten unserer Gesellschaft stets schon anlässlich der Erstellung des Jahresabschlusses für ein Kalenderjahr wie hoch die Beitragsvorschreibungen einschließlich der Nachbemessungen für Kalenderfolgejahre sein werden.

Dies ist auch der Grund (siehe die Tabellen in dieser Stellungnahme), dass die von Frau A und Herrn B getätigten Vorauszahlungen jeweils für das Kalenderfolgejahr jeweils stets niedriger waren als die tatsächlichen Beitragsvorschreibungen (einschließlich Nachbemessungen) des Kalenderfolgejahres."

Die Bf. beantragte, dass sich das BFG bei der EDV-Firma die Bestätigung der Richtigkeit einhole, sofern die Möglichkeit der Berechnung durch die EDV nicht ohnehin bekannt sei.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass Frau A und Herr B

1. keine willkürlichen Beitragsvorauszahlungen in einem Kalenderjahr jeweils für das Kalenderfolgejahr tätigten,

2. Frau A und Herr B am letzten Banktag eines Kalenderjahres, dies war stets der Tag der Überweisung der Beitragsvorauszahlungen für das Kalenderfolgejahr, die Verfügungsgewalt über die zur Überweisung gebrachten Beträge sowohl rechtlich als auch faktisch verloren haben.

3. Frau A und Herr B aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des GSVG die Rückzahlungsberechtigung (Verfügungsberechtigung) für die im Kalendervorjahr für das Kalenderfolgejahr geleisteten Vorauszahlungen erst am 02.01. des Kalenderfolgejahres wieder erlangten.

4. Frau A und Herr B im Kalenderfolgejahr, unabhängig davon, ob im Kalenderfolgejahr Rückzahlungsanträge gestellt wurden oder nicht, Beitragsguthaben in gesetzeskonformer Weise, soweit diese im Vorjahr als Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt wurden, im Kalenderfolgejahr als Sonderbetriebseinnahmen erfassten.

Laut Bf. seien die Vorauszahlungen vom von Frau A und Herrn B verhältnismäßig. Den beiden sei schon 2019 bekannt gewesen, dass die Vorschreibung für 2020 mehr als € 6.000,00 (Frau A) bzw. € 10.000,00 betragen werde.

Gefragt nach den Gründen der Vorauszahlung und folgenden (teilweisen) Rückforderung gab der steuerliche Vertreter an, dass die Vorgangsweise unterschiedliche Gründe haben könne, wie z. B. die Verminderung der Einkommensteuervorauszahlungen für Folgejahre. Es sei irrelevant, ob die am bezahlten Vorauszahlungen am Konto der SVS stehen gelassen werden oder aber ihre Rückzahlung beantragt werde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die unter I., Verfahrensgang, festgehaltenen zeitlichen Abläufe und Geschehnisse werden der Entscheidung zugrunde gelegt.

Strittig ist die Frage, ob die von Frau A und Herrn B getätigten "VZ 2020" im Jahr 2019 als Betriebsausgabe zum Abzug zuzulassen sind.

2. Beweiswürdigung

Die Entscheidung fußt auf dem vorgelegten Akteninhalt sowie den Ergebnissen des ergänzend durchgeführten Vorhalteverfahrens und den von der Richterin eingeholten Auskünften bei der SVS.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Ist die "VZ 2020" im Jahr 2019 eine Betriebsausgabe?

Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:

1. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

Einnahmen sind gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben darf gemäß § 4 Abs. 3 erster Satz EStG 1988 dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden.

Ausgaben sind gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

Vorauszahlungen sind Zahlungen, die wirtschaftlich einem späteren Zeitraum als dem des Zahlungszeitpunkts zuzurechnen sind (der Zahlung steht noch keine Leistung des Empfängers gegenüber; EStR 1381). Maßgeblich ist nicht die Bezeichnung, sondern die wirtschaftliche Funktion der Zahlungen ( Leasing; zB zur Abgrenzung gegenüber Darlehen) [Peyerl in Jakom EStG, 15. Aufl. (2022), § 19, Rz. 23].

Unstrittig stellen die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung Betriebsausgaben dar. Es ist zweifellos auch nicht abwegig, dass Frau A und Herr B mit gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen für 2020 rechnen mussten. Auch wenn es eine "formelle Vorauszahlung" auf die Pflichtversicherungsbeiträge im GSVG nicht gibt, wird man einer Zahlung für im nächsten Jahr anfallende Pflichtversicherungsbeiträge den betrieblichen Zusammenhang nicht absprechen können.

Es wird auch nicht bestritten, dass das EDV-Programm der steuerlichen Vertretung in der Lage war, die voraussichtliche Belastung an Pflichtversicherungsbeiträgen der Höhe nach errechnen zu können, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag der Bf. nicht zu folgen ist.

Strittig - und daher zu prüfen - ist im gegenständlichen Fall die Frage, ob die am getätigten Vorauszahlungen für Frau A (€ 4.000,00) und Herrn B (€ 6.000,00) im Jahr 2019 tatsächlich abgeflossen sind.

Fälligkeit

Laut 92/14/0011, ist für den Zeitpunkt des Abfließens die Fälligkeit einer Verbindlichkeit nicht ausschlaggebend. Geld oder Geldwerte können sowohl vor als auch nach Fälligkeit einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit abfließen. Entscheidend ist der tatsächliche Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht.

Wirtschaftliche Verfügungsmacht

Die Fälligkeit der ersten vierteljährlichen Beitragszahlung war Ende Feber 2020. Auch wenn Zahlungen vor Fälligkeit nicht die Qualifikation als Betriebsausgabe ausschließen, ist ungeachtet dessen zu prüfen, ob die wirtschaftliche Verfügungsmacht von Frau A und Herrn B aufgegeben war.

Die Bf. behauptet, dass mit der Abbuchung der VZ 2020 Frau A und Herr B am die wirtschaftliche Verfügungsmacht aufgegeben und diese mit Einlangen bei der SVS am wiedererlangt hätten. Das Finanzamt verneint schon die Aufgabe, weil Frau A und Herr B durch jederzeitiges Rückzahlungsansuchen die Rückforderung begehren konnten. Die Zahlung sei daher rechtsgrundlos bzw. willkürlich erfolgt.

Im Erkenntnis des 92/14/0011, ist bezüglich einer Gutschrift in den Büchern des Schuldners festgehalten, dass eine solche bei diesem immer dann ein Abfließen bedeutet, wenn die Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt - gewissermaßen als Anerkennung einer Zahlungsverpflichtung zu werten ist -, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass ein Betrag von nun an dem Berechtigten (und nicht mehr dem Verpflichteten) zur tatsächlichen Verfügung steht.

Erforderlich ist der Übergang der "vollen Verfügungsmacht" (; EStR 4601 [Peyerl in Jakom EStG, 15. Aufl. (2022), § 19, Rz. 11].

Bereits in der Entscheidung des RV/3190-W/09, hat der UFS entschieden, dass bei einer Vorauszahlung von € 17.000,00 im Jahr 2008 an die SVS aus dem Hinweis auf dem Kontoauszug, dass das Guthaben über Antrag rückzahlbar ist, folgt, dass der Bf. zum Zeitpunkt der Überweisung die Verfügungsmacht über den in Rede stehenden Betrag noch nicht verloren hatte, sondern jederzeit die von ihm geleistete Summe rücküberweisen hätte lassen können. Somit lagen Betriebsausgaben erst in dem Zeitpunkt vor, in dem die SVS Sozialversicherungsbeiträge mit dem am Beitragskonto bestehenden Guthaben verrechnet hat.

Ebenso verneinte das BFG im Erkenntnis des RV/2100876/2012, die Abzugsfähigkeit einer am Jahresende 2011 geleisteten Vorauszahlung für nicht vorgeschriebene Pflichtbeiträge als Betriebsausgabe im Jahr 2011. Ein rechtswirksamer und endgültiger Verzicht auf das Rückzahlungsrecht sei im GSVG nicht vorgesehen, weshalb Vorauszahlungen jeglicher Art dem Versicherten auf Antrag zurückzuzahlen waren.

Bezogen auf den gegenständlichen Fall stellt sich daher die Frage, ob ab die strittigen Beträge nicht mehr in der vollen wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Frau A und des Herrn B, sondern der SVS standen:

  1. Die von Frau A und Herrn B gegebene Verrechnungsweisung "VZ 2020" ist für das SVS völlig belanglos, weil es im Sozialversicherungsrecht keine gesetzliche Bestimmung für eine "Vorauszahlung" auf die für das Folgejahr zu leistenden Beiträge gibt.

  2. Aufgrund der Auskunft der Richterin bei der SVS hatte die SVS keine Grundlage, eine "VZ 2020" einzufordern, weil es eine formelle "Vorauszahlung" für die im Jahr 2020 zu leistenden vierteljährlichen Zahlungen gesetzlich nicht gibt. Demnach war die Zahlung einer "VZ 2020" schon an sich eine rechtsgrundlose Zahlung.

  3. Die SVS hatte demnach keine Handhabe, vor der ersten Beitragsvorschreibung (rd. um den 20. Jänner eines Jahres) mit Fälligkeit Ende Februar eines Jahres, auf die überwiesenen Gelder zu greifen, weil dieses Geld immer noch "Frau A und Herrn B gehörte". Das Guthaben stand nach wie vor in der Verfügungsmacht der Frau A und des Herrn B, wovon die Bf. sogar selbst für die Zeit ab Einlangen der Beträge bei der SVS ausgeht.

  4. Der Vermerk auf der ersten Beitragsvorschreibung mit einem Guthaben weist Frau A und Herrn B auf die jederzeitige Rückforderbarkeit ausdrücklich hin.

  5. Frau A und Herr B haben einen Großteil der Vorauszahlung wieder rückgefordert.

Diese Umstände sprechen nach Ansicht des BFG dafür, dass trotz Überweisung am Frau A und Herr B weiterhin die volle wirtschaftliche Verfügungsmacht über die "VZ 2020" hatten.

Wenn die Bf. meint, dass Frau A und Herr B die Verfügungsmacht mit der tatsächlichen Überweisung am verloren und mit dem Einlangen bei der SVS am wiedererlangt hätten, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Der Bf. ist zuzustimmen, dass grundsätzlich eine Überweisung von einem Bankkonto am einen Abfluss und damit eine Betriebsausgabe für diesen Tag bedeutet., vorausgesetzt allerdings, dass die wirtschaftliche Verfügungsmacht der Frau A und des Herrn B tatsächlich am verloren gegangen ist und keine willkürliche oder rechtsgrundlose Zahlung vorlag.

Wenn nun die Bf. meint, Frau A und Herr B hätten bis zum Einlangen des Geldes bei der SVS über diese Beträge nicht verfügen können, so übersieht sie, dass beim vorliegenden Sachverhalt keine Anhaltspunkte gegeben sind, dass bei einem Rückzahlungsansuchen vom selben Tag (), vom oder oder einer der Folgetage Frau A und Herr B ihr Geld nicht rückgezahlt bekommen hätten. Dass die Rückzahlung der Überweisung wohl aus steuerlichen Gründen nicht am Tag der Einzahlung beantragt worden sein wird, versteht sich von selbst. Demnach konnten hier Frau A und Herr B jederzeit mit der getätigten Überweisung der - gesetzlich im GSVG nicht vorgesehenen - "Vorauszahlung" auch die Rückzahlung beantragen, weil ihnen ein jederzeitiges Rückforderungsrecht zustand. Dass die SVS einem Rückzahlungsansuchen erst nach Einlangen des Geldes bei ihr folgen konnte, ist eine logische Konsequenz, ändert aber nichts daran, dass Frau A und Herr B mit der Einzahlung nach wie vor die Verfügungsmacht hatten und diese nicht am aufgegeben haben.

Diese Ansicht findet Deckung in den Ausführungen des Erkenntnisses des 91/13/0084, betreffend eine irrtümliche Zahlung. Während der Bf. die Zahlung im Jahr 1986 und die Rückzahlung im Jahr 1987 in den Steuererklärungen außer Ansatz ließ, erfasste das Finanzamt die Vorgänge in den einzelnen Jahren. Der Vorgangsweise des Finanzamtes folgte der VwGH nicht. Im Erkenntnis heißt es u. a. wie folgt:

"Recht hat die Beschwerde mit der Auffassung, es fehle der irrtümlichen Überweisung an der für die Betriebsausgabenqualifikation erforderlichen Minderung im Vermögen des Beschwerdeführers. Der Vermögensabgang muss, um steuerlich beachtet zu werden, im Zeitpunkt des Abgangsein endgültiger sein, weshalb etwa bei der Darlehenshingabe ebenso wie bei der Pfandbestellung wegen der von Anfang an bestehenden Rückzahlungs(stellungs)ansprüche kein Abfluss, sondern eine bloße Vermögensumschichtung anzunehmen ist (vgl. Taucher, Das Zufluss-Abfluss-Prinzip im Einkommensteuerrecht, Wien 1983, 46, zur Darlehenshingabe ebenso Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, TZ 67 zu § 4 EStG 1972, Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, TZ 214 zu § 4 EStG 1988).

Den Standpunkt der belangten Behörde, der Berücksichtigung des mit der irrtümlich geleisteten Zahlung entstandenen Rückforderungsanspruches stehe die vom Beschwerdeführer gewählte Gewinnermittlungsart entgegen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Wohl ist für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich nur die Geldbewegung erfolgswirksam, sodass Rückzahlungen vorausempfangener Beträge etwa deswegen, weil ein erwarteter Vertrag nicht zustandekam, im Rückzahlungszeitpunkt eine Betriebsausgabe darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 82/14/0076, 0086, 0087). Es ist der auf die Lehrmeinung Tauchers (a.a.O., 53) gestützten Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die steuerliche Berücksichtigung getätigter Ausgaben entsprechend dem Abflußprinzip durch Rückzahlungen keine Einschränkung erfahre, nicht entgegenzutreten. Der Gerichtshof erkennt aber im Falle einer betrieblich veranlassten rechtsgrundlosen Leistungdem rechtlich im Leistungszeitpunkt entstandenen Rückforderungsanspruch die gleiche, der Leistung die Ausgabeneigenschaft nehmende Wirkung zu, wie sie nach einhelliger Auffassung dem Darlehensrückforderungsanspruch im Verhältnis zur Darlehenshingabe zugebilligt wird (vgl. dazu auch Herrmann - Heuer - Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz19, Kommentar, Anm. 61 zu § 11 EStG).

Anders als im Fall einer nachträglichen Rückabwicklung oder Korrektur vertraglicher Leistungsbeziehungen aus den zivilrechtlich eingeräumten Gründen von Vertragsanfechtung oder Leistungsstörung zieht die betrieblich veranlasste irrtümliche Leistung einer Nichtschulddas gleichzeitige Entstehen des - ebenso betrieblich veranlassten und daher nach den oben getroffenen Ausführungen von Kenntnis und Willentlichkeit ebenso unabhängigen - Kondiktionsanspruchs nach sich, der es verbietet, in der irrtümlich erbrachten Leistung eine Betriebsausgabe zu sehen. Danach kann aber in der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Vorgangsweise, Überweisung und Rücküberweisung des - unbestritten - irrtümlich bezahlten Betrages bei der Gewinnermittlungsart außer Ansatz zu lassen, ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 EStG 1972 auch unter dem Aspekt der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 nicht erkannt werden."

Im gegenständlichen Fall liegt eine betriebliche rechtsgrundlose Zahlung vor. Es wurde keine nachträgliche Rückabwicklung oder Korrektur einer vertraglichen Leistung durchgeführt. Den zuvor gemachten Aussagen des VwGH folgend, stand Frau A und Herrn B bereits im Leistungszeitpunkt - also im Zeitpunkt der Überweisung am - ein Kondiktionsanspruch zu. Dies bedeutet, dass sie gleichzeitig mit der Einzahlung einen Anspruch auf Herausgabe der "VZ 2020" erworben haben. Demnach handelt es sich letztendlich am um die betrieblich veranlasste, jedoch rechtsgrundlose Leistung einer Nichtschuld, der bereits am ein Rückforderungsanspruch gegenüberstand.

Zumal ein rechtswirksamer und endgültiger Verzicht im GSVG nicht möglich ist - solches bestreitet die Bf. nicht - sind alle nicht durch Beitragsvorschreibungen gedeckte Zahlungen der Versicherten auf Antrag zurückzuzahlen. Konkrete wirtschaftliche Gründe wurden im gegenständlichen Fall nicht genannt, die steuerliche Vertretung führte nur allgemein steuerliche Gründe, wie etwa die Verminderung der Vorauszahlungen für Folgejahre, ins Treffen. Demzufolge sind die hier getätigten Zahlungen nicht geeignet, hinsichtlich des Aufwandes eine Periodenverschiebung zu ermöglichen.

Wenn sich hier das Rückzahlungsansuchen und die Vorschreibung überschnitten haben und die SVS von der geleisteten "VZ 2020" die erste der vier vierteljährlichen Vorschreibungen in Abzug gebracht und den Restbetrag zur Rückzahlung "angeboten" hat, bedeutet dies, dass bis zur Vorschreibung des ersten vierteljährlichen vorläufigen Beitrages die gesamte am geleistete VZ 2020 rückgefordert hätte werden können.

Zur Höhe der Vorauszahlungen

Selbst die EStR (Anm.: an die das BFG nicht gebunden ist) sehen für Vorauszahlungen eine "sorgfältige Schätzung" der Vorauszahlungsbeträge vor. Die Bf. beruft sich auf die Möglichkeit der Errechnung der zu erwartenden Vorschreibungen durch das Computerprogramm.

Die Bf. hat keine konkrete Schätzung vorgelegt, sondern sie behauptet nur, die "VZ" sei geringer gewesen, als der in der Jahres-Vorschau angeführte Betrag. Dies stimmt im vorliegenden Fall. Allerdings übersieht die Bf., dass die Jahres-Vorschreibung allein noch nichts über die Höhe der letztendlich tatsächlich gezahlten Beiträge aussagt. Ins Auge fällt hier:

  1. Zum einen hat mit Rückzahlungsansuchen vom Frau A € 2.500,00, d. s. 62,5% von € 4.000,00 und Herr B € 4.300,00, d. s. 71,66% von € 6.000,00 zurückgefordert und haben Frau A diesen Betrag zum Großteil und Herr B zum Teil rückgezahlt erhalten.

  2. Zum anderen haben die Beitragspflichtigen die Möglichkeit - und haben es hier Frau A und Herr B mit ihren Anträgen vom genutzt - die Herabsetzung auf die Mindestbeitragsgrundlage (€ 5.500,00) zu fordern. Dies hatte zur Folge, dass bei Herrn B die tatsächlichen Zahlungen für 2020 laut Zahlungsbestätigung € 9.092,16 (darin enthalten die VZ vom iHv € 6.000,00 sowie der Rückzahlungsbetrag von € 1.665,64) deutlich unter dem Betrag laut Jahres-Vorschau 2020 gelegen sind. Die tatsächlichen Zahlungen haben bei Frau A laut Zahlungsbestätigung € 2.033,58 bzw. laut Beilage zur Steuererklärung € 1.986,84 betragen. Demnach lagen die tatsächlichen Zahlungen der Frau A für 2020 jedenfalls deutlich unter der "VZ 2020" in Höhe von € 4.000,00. Demnach wäre insoweit auch die Betriebsausgabeneigenschaft zu verneinen (vgl. ).

Da hier die geleisteten "VZ 2020" der Höhe nach nicht begründet sind, ist nicht von einer "sorgfältigen Schätzung" iSd EStR auszugehen. Eine solche hätte nach Ansicht des BFG auch allfällige Anträge auf Herabsetzung (auf die Mindestbeitragsgrundlage) beinhalten müssen. Demzufolge wurden hier die Beträge willkürlich gewählt.

Zu der von der Bf. zitierten und als Untermauerung für ihre Vorgehensweise genannten VwGH-Judikatur darf Folgendes gesagt werden:

Zu 91/13/0160

Es wurde zwar ausgesagt, dass bei der Gewinnermittlung iSd § 4 Abs. 3 EStG 1972 grundsätzlich auch Anzahlungen und Vorauszahlungen, die im jeweiligen Kalenderjahr geleistet werden, als Betriebsausgaben abzusetzen sind. Dabei muss aber im Zeitpunkt der Leistung ernstlich damit gerechnet werden, dass der die Betriebsausgabeneigenschaft begründende Zusammenhang gegeben ist. Allerdings bestätigte der VwGH die Verneinung des betrieblichen Zusammenhangs für eine angeblich irrtümliche Zahlung von Beiträgen in Höhe des Vierfachen des vorgeschriebenen Betrages.

Zu 92/14/0100

In diesem Fall standen einander der auf den stillen Gesellschafter entfallende Verlustanteil und seine noch nicht aufgezehrte Vermögenseinlage gegenüber. Diese Konstellation ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Zu 88/14/0076

Hier war die Frage des Fremdvergleichs betreffend die Übernahme von Lebensversicherungsprämien für Arbeitnehmer der Höhe nach strittig. Eine solche Frage ist nicht Thema des gegenständlichen Verfahrens.

Zu 98/14/0025

Die dort strittige Frage des Abflusszeitpunktes einer Überweisung auf einem einen Sollstand aufweisenden Kontos ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Allfällige generelle Aussagen zum Abflusszeitpunkt betrafen jedoch nicht eine rechtsgrundlose Zahlung.

Zu 92/14/0025

Im dortigen Fall gab es eine Vorauszahlungsvereinbarung. Demnach liegt im dortigen Fall - weil es eine solche hier nicht gibt - ein anders gelagerter Sachverhalt vor.

Zu 82/13/0266

Der zu diesem Erkenntnis festgehaltene Rechtssatz "1. § 16 Abs 2 zweiter Satz EStG VERPFLICHTET den Arbeitgeber zur Berücksichtigung rückerstatteten Arbeitslohnes als Werbungskosten in jenem Lohnzahlungszeitraum, in dem die Rückerstattung tatsächlich erfolgt.", zeigt schon auf, dass der vorliegende mit dem dem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Zusammenfassend darf nun festgehalten werden:

Im vorliegenden Fall

  1. haben Frau A und Herr B am die "VZ 2020" rechtsgrundlos und auch willkürlich geleistet,

  2. haben Frau A und Herr B im Zeitpunkt der Überweisung einen Rückforderungsanspruch erworben,

  3. konnten Frau A und Herr B ihr Guthaben jederzeit rückfordern (und haben sie dies für Teilbeträge auch getan,

  4. konnte ein rechtswirksamer und endgültiger Verzicht auf die Rückzahlung gegenüber der SVS nicht abgegeben werden.

Daher geht das BFG davon aus, dass Frau A und Herr B am die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die "VZ 2020" noch nicht aufgegeben haben. Die volle wirtschaftliche Verfügungsmacht ist am noch nicht auf die SVS übergegangen. Die "VZ 2020" von € 4.000,00 (Frau A) und € 6.000,00 (Herr B) sind daher 2019 nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen.

Nach all dem Gesagten konnte der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 2019 kein Erfolg beschieden sein, weshalb sie als unbegründet abzuweisen war. Gleichzeitig war hinsichtlich der "VZ 2020" des Herrn B der Feststellungsbescheid 2019 zum Nachteil der Bf. abzuändern. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Anteile der Frau A und des Herrn B werden laut BVE festgesetzt.

3.2. Zur Un/Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des BFG findet in den Erkenntnissen des , sowie vom , 91/13/0084, Deckung. Im Übrigen liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at