Unvollständige Liquiditätsaufstellungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache NN, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer 999, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die im Jahr 1 errichtete NN.GmbH seit Datum2 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3, x, wurde über die NN.GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Nach der Schlussverteilung wurde der Konkurs mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum4 aufgehoben. Die Gesellschaft wurde am Datum5 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN).
Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. in Kenntnis gesetzt, dass aus dem Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit am Abgabenkonto der NN.GmbH einzeln aufgelistete Abgaben in der Höhe von insgesamt 59.453,19 € unberichtigt aushaften, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden sei.
Der Bf. wurde ersucht bekannt zu geben, ob in dem Zeitraum, in dem er als Geschäftsführer für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich war, Mittel zur Verfügung standen, die eine Entrichtung des Abgabenrückstandes ermöglicht hätten und ob in diesem Zeitraum Zahlungen an andere Gläubiger (Lieferanten, Löhne, Krankenkasse, etc.) geleistet wurden.
Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, wurde der Bf. mit dem hier angefochtenen Bescheid vom für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der NN.GmbH im Ausmaß von 59.453,19 € in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Die Bezug habenden Abgabenbescheide wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen.
Begründend wurde ausgeführt, durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. als Vertreter sei die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft eingetreten. Der Bf. sei seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun, nicht nachgekommen.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom übermittelte die steuerliche Vertreterin des Bf. eine Aufstellung, die die Befriedigung der Gläubiger vor Konkurseröffnung darstellt. Der Bf. habe die verfügbaren finanziellen Mittel anteilig zur Befriedigung der Verbindlichkeiten verwendet und den Finanzamtsverbindlichkeiten sogar Vorrang gegenüber anderen Verbindlichkeiten eingeräumt. Es seien ehestmöglich Zahlungen an das Finanzamt ohne Zuweisung zu bestimmten Abgabenschuldigkeiten erfolgt, weshalb der Bf. keine schuldhafte Pflichtverletzung zu vertreten habe.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung sei nicht entsprechend erbracht worden; es fehlten die Darstellung der vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Dazu wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen. In dieser Aufstellung hätten alle damaligen Gläubiger der NN.GmbH (auch die zu Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein müssen. Außerdem wäre rechnerisch darzustellen gewesen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden. Diese Tilgungsquoten wären dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen gewesen. In der Beschwerde sei zwar eine Berechnung der anteiligen Gläubigerbefriedigung übermittelt worden, daraus gehe jedoch nicht hervor, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre. Dieser Nachweis wäre für jede Abgabe zu deren Fälligkeitstag zu erbringen gewesen. Auch der Nachweis der zu jedem Fälligkeitstag vorhanden gewesenen Mittel der Gesellschaft sei nicht erbracht worden.
Die in der Berechnung angeführten Zahlungen an das Finanzamt seien nicht nachvollziehbar; so schienen die Zahlungen von 11.028,98 € im Oktober 2015, 3.543,95 € im November 2015 und 2.808,76 € im Februar 2016 gar nicht auf. Die Zahlungen an die anderen Gläubiger und das Finanzamt seien auch nicht belegt worden. Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung sei daher nicht erbracht worden.
Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gälten Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen.
Im Schriftsatz vom beantragte die Vertreterin des Bf. die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Die zweimaligen Fristverlängerungsanträge "für die nochmalige Darstellung der Widerlegung der angemerkten schuldhaften Verletzung" wurden vom Finanzamt stattgebend erledigt; weitere Ausführungen zum Vorlageantrag wurden bis dato nicht eingebracht.
Im Schriftsatz vom beantragte der Bf. die (teilweise) Nachsicht der Haftungsbeträge. Aufgrund der ihm noch zur Verfügung stehenden Unterlagen könne er die ihm angelastete Pflichtverletzung nicht eindeutig widerlegen. Er habe sich bemüht, alle Außenstände umgehend zu begleichen. Die Abgaben seien alle gemeldet und, sobald Mittel vorhanden waren, bezahlt worden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom . Über das Nachsichtsansuchen vom hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Unbestritten ist, dass der Bf. vom Datum2 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der NN.GmbH am Datum3 als deren alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer fungierte.
Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten in diesem Zeitraum nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Pflicht, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().
Außer Streit steht im vorliegenden Fall auch die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der NN.GmbH, da diese am Datum5 wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde, weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote übersteigen, bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.
Gegen die Höhe der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenforderungen wurden keine Einwendungen erhoben. Sämtliche Abgabenbescheide wurden dem Bf. mit dem Haftungsbescheid übermittelt; die Behörde hat sich bei der Heranziehung zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe grundsätzlich an diese Abgabenbescheide zu halten (siehe ). Auch die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten, in den Haftungsbescheid übernommenen Selbstberechnungsabgaben wurde vom Bf. nicht bestritten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz: ).
Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben.
Reichten daher die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat.
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).
In der mit der Beschwerde vorgelegten Liquiditätsberechnung fehlen nicht nur, worauf das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung bereits hingewiesen hat, die Höhe der liquiden Mittel im Haftungszeitraum sowie die Berechnung einer Quote; insbesondere sind die behaupteten Zahlungen an das Finanzamt nicht nachvollziehbar. Aus der Buchungsabfrage der Gesellschafft ergibt sich, dass nicht nur Abgaben verspätet gemeldet wurden (z.B. die Lohnabgaben 11/2015, 01, 02 und 03/2016), sondern auch monatelang keine Zahlungen an das Finanzamt erfolgten ((z.B. Zahlung 2.100 €, nächste Zahlung 955,31 €, Abgabenrückstand zu diesem Zeitpunkt 46.479,75 €, nächste Zahlung 3.198,97 € bei einem Rückstand von 63.181,45 €).
Dass daher die vorhandenen Mittel - solche muss es bei laufendem Geschäftsbetrieb gegeben haben - anteilig auch zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet wurden bzw. das Finanzamt sogar bevorzugt wurde, ist nicht nachvollziehbar.
Dem rechtlich vertretenen Bf. wurde im Haftungsverfahren seitens der Behörde ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu äußern bzw. wurde ihm Gelegenheit gegeben, die anteilige Befriedigung aller Gläubiger nachzuweisen (Vorhaltsverfahren, ausführliche Darlegung der Rechtslage in der Beschwerdevorentscheidung, der diesbezüglich Vorhaltscharakter zukommt). Ein Nachweis oder eine Glaubhaftmachung kann der Bf. nach seinem Vorbringen im Nachsichtsansuchen vom nicht erbringen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war ().
Ein Nachweis der anteiligen Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten der NN.GmbH wurde nicht erbracht, weshalb das Finanzamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. ausgehen konnte.
Wie ebenfalls bereits vom Finanzamt ausgeführt, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen.
Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).
Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.
Die Auszahlung der Löhne und die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Lohnabgaben wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().
Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen.
Die Geltendmachung der Haftung ist eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO7, § 224 Tz 4), diese bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.
Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt, sondern in der (vollen) Heranziehung zur Haftung läge, etwa weil die Haftung auch gegenüber (weiteren) Geschäftsführern ausgesprochen wurde oder ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt, ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().
Im vorliegenden Fall war der Bf. der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft, weshalb eine Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihm möglich ist. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme die Einbringlichkeit der angeführten Abgaben erreicht werden und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Weitere Ermessensgründe zu Gunsten des Bf. wurden nicht geltend gemacht. Der Bf. wurde bereits mit dem Vorhalt des Finanzamtes im September 2017 und somit unmittelbar nach der Konkursaufhebung im Juli 2017 darauf aufmerksam gemacht, dass er als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten der NN.GmbH herangezogen werden kann, sollte er nicht den Nachweis erbringen, ohne sein Verschulden an der Entrichtung der Abgaben gehindert gewesen zu sein. Da dieser Nachweis von ihm in der Folge nicht erbracht wurde, erfolgte die für diesen Fall von der Abgabenbehörde angekündigte bescheidmäßige Geltendmachung der Haftung.
Eine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides liegt nicht vor; die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103446.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at