Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.03.2023, RV/7106127/2015

Verständigung gemäß § 281a BAO

Entscheidungstext

Verständigung

Das Bundesfinanzgericht (BFG) teilt durch den Richter Ri im Beschwerdeverfahren über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, mit:

  1. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes wurde zur Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) vom zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und zur Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, keine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

  2. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes wurde in Bezug auf die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und zur Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, kein wirksamer Vorlageantrag eingebracht.

Die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde (Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des FA Wien 2/20/21/22) werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht in Bezug auf die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und zur Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, wird eingestellt.

Hinweis 1:
Das Verfahren in Bezug auf die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2007 bis 2011 (Sachbescheide) richtet, bleibt vor dem Bundesfinanzgericht anhängig. Jedoch darf das Bundesfinanzgericht erst dann über die Beschwerde gegen die Sachbescheide (Körperschaftsteuerbescheide) 2007 bis 2010 entscheiden, wenn das Beschwerdeverfahren gegen die zugehörigen Bescheide zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren abschließend erledigt ist (bzw. wenn das Bundesfinanzgericht gleichzeitig über die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmsbescheide und gegen die zugehörigen Sachbescheide entscheiden kann).

Hinweis 2:
Wenn das Finanzamt die fehlenden Beschwerdevorentscheidungen erlassen haben wird und

  1. wenn dagegen ein wirksamer (d.h. nach der Beschwerdevorentscheidung eingebrachter) Vorlageantrag gestellt wird, ist die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und zur Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, vom Finanzamt wieder an das Bundesfinanzgericht vorzulegen;

  2. oder wenn dagegen kein Vorlageantrag gestellt wird (und somit eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde - soweit sie sich gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2007 bis 2010 richtet - möglich wird), wird das Finanzamt um diesbezügliche Information ersucht.

Begründung

a) Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 erließ folgende angefochtene, mit datierte Bescheide (BFG-Akt Bl. 243 bis 256) an die beschwerdeführende Gesellschaft mit beschränker Haftung (Beschwerdeführerin, abgekürzt: Bf.):

  1. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2007;

  2. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2008;

  3. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2009;

  4. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2010;

  5. Körperschaftsteuerbescheid 2007;

  6. Körperschaftsteuerbescheid 2008;

  7. Körperschaftsteuerbescheid 2009;

  8. Körperschaftsteuerbescheid 2010;

  9. Körperschaftsteuerbescheid 2011;

  10. Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2007;

  11. Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2008;

  12. Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2009;

  13. Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2010;

  14. Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2011.

b) Die Bf. - damals vertreten durch Stb. Mag. Steuerberaterin - erhob mit Schreiben vom (Postaufgabe ; BFG-Akt Bl. 257 f) Beschwerde gegen die zuvor genannten, am zugestellten 14 Bescheide.

c) Das Finanzamt erließ einen mit datierten Mängelbehebungsauftrag zu dieser Beschwerde, und zwar sei bis die Begründung nachzureichen; ansonsten gelte das Anbringen (Beschwerde) als zurückgenommen (BFG-Akt Bl. 17).

d) Infolge der Überschreitung der Frist zur Behebung der Mängel stellte die Bf. - dabei vertreten durch Stb. Mag. Steuerberaterin - mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. 259) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der versäumten Frist. Weiters wurden mit Schreiben vom das Beschwerdebegehren und die Begründung nachgereicht (BFG-Akt Bl. 206 ff). Das Finanzamt gab dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom statt (BFG-Akt Bl. 18).

e) Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 erließ fünf, mit datierte Beschwerdevorentscheidungen, mit welchen die Beschwerde gegen
- den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom ,
- den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom ,
- den Körperschaftsteuerbescheid 2009 vom ,
- den Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom und
- den Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom
abgewiesen wurde (BFG-Akt Bl. 265 ff). Hierzu versandte das Finanzamt auch eine gesonderte Begründung, welche am zugestellt wurde (BFG-Akt Bl. 270 f).

f) Hingegen ist in den - dem BFG zur Verfügung stehenden - Akten keine Beschwerdevorentscheidung zur Beschwerde vom (Postaufgabe ), soweit sie sich gegen die Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich Körperschaftsteuer 2007 bzw. 2008 bzw. 2009 bzw. 2010 und gegen die Anspruchszinsenbescheide für 2007 bzw. 2008 bzw. 2009 bzw. 2010 bzw. 2011 richtet, ersichtlich.

g) Die Bf. stellte - dabei vertreten durch Stb. Mag. Steuerberaterin - mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. 272) den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidungen betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 bis . Laut Aktenlage wurde über diesen Fristverlängerungsantrag nicht bescheidmäßig abgesprochen, sodass die Fristverlängerung bis durch Hemmung gemäß § 264 Abs. 4 lit. a iVm § 245 Abs. 3 und 4 BAO de facto eingetreten ist.

Infolge Versäumung der Frist stellte die Bf. - dabei vertreten durch Stb. Mag. Steuerberaterin - mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. 273 f)

  1. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung von Vorlageanträgen gegen die Beschwerdevorentscheidungen vom zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2011 und

  2. den Antrag auf Verlängerung der diesbezüglichen Rechtsmittelfrist bis .

Das Finanzamt gab diesen Anträgen mit Bescheid vom statt (BFG-Akt Bl. 276).

h) Die Bf. stellte - dabei vertreten durch Stb. Mag. Steuerberaterin - mit Schreiben vom (Postaufgabe ) den Antrag gemäß § 264 BAO, die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Körperschaftsteuer 2007 bis 2011, die Körperschaftsteuerbescheide 2007 bis 2011 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen betreffend Körperschaftsteuer 2007 bis 2011 dem Bundesfinanzgericht vorzulegen (Vorlageantrag, BFG-Akt Bl. 277).

i) Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 legte die Beschwerde vom (ergänzt mit Schreiben vom ) gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren der Körperschaftsteuer für 2007 bis 2010, die Körperschaftsteuerbescheide 2007 bis 2011 und die Bescheide über die Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor. Das Finanzamt erstattete am auch einen Vorlagebericht an das BFG und legte Akten vor.

j) Seitens des BFG wurde das Finanzamt ersucht, die fehlenden Beschwerdevorentscheidungen betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für die Jahre 2007 bis 2010 und betreffend Anspruchszinsen für die Jahre 2007 bis 2011 dem BFG zu übermitteln. Seitens des Finanzamtes wurde darauf geantwortet, dass es nur hinsichtlich der (Körperschaftsteuer-) Sachbescheide eine Beschwerdevorentscheidung erlassen habe (BFG-Akt Bl. 16).

k) Abgesehen von - hier nicht relevanten - Ausnahmen, hat die belangte Behörde gemäß § 262 BAO (ggfs. nach weiteren Ermittlungen) über die Beschwerde "mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen."
Bei der Beurteilung, ob gemäß § 262 BAO zwingend eine Beschwerdevorentscheidung (BVE) zu erlassen war/wäre und ob dies geschehen ist, ist die Beschwerde gegen jeden einzelnen angefochtenen Bescheid für sich zu beurteilen.

Wenn es sich um eine Beschwerde handelt, über welche gemäß § 262 BAO zwingend mit BVE zu entscheiden gewesen wäre, welche aber ohne Erlassung einer BVE und ohne Erhebung eines wirksamen, diesbezüglichen Vorlageantrages an das BFG vorgelegt wird, dann darf das BFG (zunächst) nicht über die Beschwerde entscheiden (vgl. : "Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde." Eine solche Situation liegt hier für die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für 2007 bis 2010 und zur Festsetzung der Anspruchszinsen für 2007 bis 2011 richtet, vor.

l) Unter einem Vorlageantrag ist nur ein wirksamer Vorlageantrag zu verstehen, d.h. ein nach der Erlassung der diesbezüglichen BVE eingebrachter Vorlageantrag. Hingegen sind vor der Erlassung der diesbezüglichen BVE eingebrachte Vorlageanträge unwirksam und als unzulässig zurückzuweisen. Folglich wird das BFG den Vorlageantrag vom (Postaufgabe ) - soweit er sich auf die Beschwerde gegen die Bescheide vom über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2007 bis 2011 und gegen die Bescheide vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2007 bis 2011 bezieht - zurückzuweisen haben.

m) Bis zum Bekanntwerden der nachfolgend dargestellten Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom , Zl. Ra 2017/13/0010) wurde beim Fehlen einer zwingenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom BFG in der Regel folgende Lösung angewendet: Es wurde ein Beschluss zur Feststellung der Unzuständigkeit des BFG zur Entscheidung über die vorgelegte Beschwerde erlassen, woraufhin man davon ausging, dass die belangte Behörde eine zwingende BVE nachholen könne, ohne dass diese gemäß § 300 BAO wiederum von Nichtigkeit bedroht wäre. Durch wurde dieser Lösungsweg verbaut, indem der VwGH einen derartigen Unzuständigkeitsbeschluss als rechtswidrig aufgehoben hat mit der Begründung, dass das BFG seinerseits nicht zuständig sei, derartige Unzuständigkeitsbeschlüsse zu erlassen. Zu Details wird auf Urban-Kompek in SWK 3/2018, 97 und auf Lenneis in BFGjournal 1/2018, 32 verwiesen.
Überdies war nach vorherrschender Meinung vor der nachfolgend dargestellten Novellierung der BAO die belangte Behörde nicht in der Lage, eine wirksame BVE nachzuholen; vielmehr sei eine solche BVE gemäß § 300 BAO nichtig.
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2018, BGBl. I 62/2018, ausgegeben am , in Kraft getreten am , wurden folgende Bestimmungen geschaffen, die einerseits die Information der Parteien sicherstellen sollen und andererseits der belangten Behörde ermöglichen, auch nach Vorlage der Beschwerde an das BFG die fehlende BVE nachzuholen:
§ 281a BAO: "Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen."
Weiters wurde durch BGBl. I 62/2018 folgender zweiter Satz in § 300 Abs. 1 BAO eingefügt: "Die Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 1) wird dadurch nicht berührt."

n) § 281a BAO idF BGBl.I 62/2018 sieht nur eine Mitteilung vor. Das BFG hat zum jetzigen Verfahrensstand - wie er sich aus der ho. Aktenlage ergibt - keine über den o.a. § 281a BAO hinausgehende Zuständigkeit, diesbezüglich eine zwingende Aufforderung an die belangte Behörde zu richten oder einen Termin zu setzen.

o) Weitere Folge der derzeitigen Unzuständigkeit des BFG, über die Beschwerde - soweit sie sich gegen die Bescheide zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren richtet - zu entscheiden: Wenn sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft sind, so darf das BFG nicht zuerst über die Beschwerde gegen den Sachbescheid und danach über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid entscheiden (vgl. Ritz, BAO6 § 307 Tz 7 und ). Somit gilt die Entscheidungssperre laut derzeitiger ho. Aktenlage auch hinsichtlich der Körperschaftsteuer(sach)bescheide für die Jahre 2007 bis 2010.

Information für die Parteien (Belehrung gemäß § 280 Abs. 4 BAO)

Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106127.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at