Fremdwährungsverbindlichkeiten fallen nicht unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 - Verluste aus der Tilgung eines betrieblichen Fremdwährungsdarlehens können zur Gänze gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA1*** vom betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang und Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin betreibt eine Fremdenpension als Einzelunternehmen und erklärte im Beschwerdejahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 23.665,37 Euro. Sie ermittelte den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.
Am leistete sie eine Tilgungsrate auf das ausstehende CHF-Darlehen in der Höhe von 5.500,00 CHF. Hieraus wurde ein Kursverlust in der Höhe von 1.070,13 Euro realisiert.
Am hat die Beschwerdeführerin ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 beim Finanzamt eingereicht. In der gleichzeitig übermittelten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wurde der Kursverlust aus der anteiligen Tilgung des Fremdwährungsdarlehens in der genannten Höhe als Betriebsausgabe ausgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde in Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes vom u. a. die Berechnung des Kursverlustes übermittelt sowie mitgeteilt, dass dieser aus der Tilgung von 5.500,00 CHF als Kreditrate auf das aushaftende Darlehen entstanden sei, welche am geleistet wurde.
Am wurde der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2013 erlassen, worin Verluste in Höhe von (-) 535,06 Euro in sohin festgestellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 24.200,43 Euro Eingang gefunden haben. Der Verlust aus der Tilgung wurde nur zur Hälfte als verrechenbar anerkannt.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Veranlagung unter Zugrundelegung der mit der Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter aufgenommenen Niederschrift bzw. unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Vorhalteverfahrens erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am , sohin fristgerecht, Bescheidbeschwerde, worin die Anträge gestellt wurden, die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen und vor diesem eine mündliche Verhandlung abzuhalten.
In der Sache wurde - maßgeblich unter Berufung auf Literaturmeinungen - beantragt, die Veranlagung 2013 entsprechend den eingereichten Steuererklärungen vorzunehmen und - zusammengefasst - vorgebracht, dass Kursgewinne und Kursverluste aus Fremdwährungskrediten nicht unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu subsumieren seien, da Fremdwährungsverbindlichkeiten insbesondere keine ("negativen") Wirtschaftsgüter im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG seien.
§ 27 Abs. 3 EStG sehe vor, dass realisierte Wertsteigerungen von Kapitalvermögen im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG steuerlich zu erfassen sind. Jedoch erziele der Kreditnehmer aus einer Verbindlichkeit keine Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG.
Dies bedeute für die Konvertierung betrieblicher Kredite, dass Gewinne zur Gänze der progressiven Einkommensteuer unterlägen und Verluste in voller Höhe den Gewinn des Betriebes minderten. Somit sei der Kursverlust der Beschwerdeführerin im Veranlagungsjahr 2013 in voller Höhe zu berücksichtigten.
Überdies sei das steuerliche Einkommen 2013 nicht richtig berechnet worden, da der Gewinnfreibetrag in Höhe von 13% des Einkommens bei der Hinzurechnung von 50% des Kursverlustes nicht wieder in Abzug gebracht worden sei.
Diese Beschwerde wurde am vom Finanzamt ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom wurden seitens des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie auf mündliche Verhandlung zurückgezogen.
Dies wurde dem Finanzamt am schriftlich mit dem Ersuchen mitgeteilt, binnen zwei Wochen nach Erhalt der Mitteilung allfälliges Vorbringen zu erstatten. Hierauf hat das Finanzamt in seiner Äußerung vom erklärt, kein ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
2. Beweiswürdigung
Die entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich widerspruchsfrei bereits aus dem Inhalt der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Akten. Dass der Beschwerdeführerin ein Kursverlust in der Höhe von 1.070,13 Euro entstanden ist, ist unstrittig.
3. Rechtslage
Im vorliegenden Fall waren die Bestimmungen der § 6 Z 2 lit. c EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 sowie § 27 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden.
§ 6 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 lautet - auszugsweise - wie folgt:
"Bewertung
§ 6. Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gilt folgendes:
…
2. c) Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (lit. a) und Verluste aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, auf deren Erträge der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist, sind vorrangig mit positiven Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüter desselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang darf nur zur Hälfte ausgeglichen werden.
…"
§ 27 Absätze 2 und 3 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2012 lauten folgendermaßen:
"Einkünfte aus Kapitalvermögen
§ 27. (1) Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (Abs. 2), aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (Abs. 3) und aus Derivaten (Abs. 4), soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören.
(2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung;
b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;
c) Gleichartige Bezüge aus Genussrechten und Bezüge aus Partizipationskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes;
d) Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes;
2. Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes, ausgenommen Stückzinsen;
3. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen;
4. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste herabgeminderten Einlage zu verwenden sind.
(3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen)."
Zufolge der Z 192 des § 124b EStG 1988 ist
auf die Veräußerung nach dem von in einem Betriebsvermögen gehaltenen
Anteilen an Körperschaften und Anteilscheinen an Investmentfonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes und an Immobilienfonds im Sinne des Immobilien-Investmentfondsgesetzes, die vor dem entgeltlich erworben worden sind und
anderen Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, die vor dem entgeltlich erworben worden sind,
bereits der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 und 2 anzuwenden."
4. Rechtliche Würdigung
Streitpunkt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist die Rechtsfrage, ob bei Tilgung eines betrieblichen Fremdwährungskredites entstandene (Kurs-) Verluste in voller Höhe - als den Gewinn des Betriebes mindernd - oder als negative Einkünfte aus einer tatsächlichen oder fiktiven Veräußerung im Hinblick auf § 6 Z 2 lit. c in Verbindung mit § 27 Abs. 2 und 3 EStG 1988 nur zur Hälfte abgezogen werden können. Das Finanzamt ließ im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2013 einen Verlustausgleich nur zur Hälfte zu.
Mit Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0026, hat der Verwaltungsgerichtshof die strittige Rechtsfrage dahingehend entschieden, dass es sich bei einer Fremdwährungsverbindlichkeit um kein Wirtschaftsgut handelt, dessen Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG 1988 begründen. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in der Folge - dem Ausgangssachverhalt entsprechend, in dem die damalige Revisionswerberin durch die Konvertierung eines betrieblich veranlassten Fremdwährungskredites im Jahre 2013 Verluste erlitten hatte - ausführt, dass die Konvertierung der Fremdwährungsverbindlichkeit nicht den Tatbestand des § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfülle, unterliegt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso wenig die Verrechnung des durch deren Tilgung entstandenen Kursverlustes den Beschränkungen des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 in der auch gegenständlich anzuwendenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012.
Nach dem Wortlaut und dem Telos des § 27 Abs. 3 EStG 1988 sind nämlich nur "Finanzvermögen" und nicht auch "Finanzschulden" von dieser Bestimmung erfasst. Dem Verwaltungsgerichtshof zufolge erziele der Schuldner aus der Verbindlichkeit keine Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen. Aus diesen Erwägungen erscheine es weder gerechtfertigt noch vom Wortlaut des § 27 Abs. 3 EStG 1988 gedeckt, hinsichtlich der Steuerpflicht einer Fremdwährungsverbindlichkeit auf die aus Sicht des Gläubigers vorliegende Fremdwährungsforderung abzustellen (vgl. in diesem Sinne auch Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Tz 149; Marschner, SWK 2016, 769 ff; Peyerl, SWK 2014, 881ff, sowie Mechtler, ÖStZ 19/2015, 564f). Die formale Anknüpfung von § 27 Abs. 3 an dessen Absatz 2 betrifft die Kapitalerträge aus einer Kapitalanlage desselben Steuerpflichtigen.
Daher fallen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes "negative Wirtschaftsgüter" wie Verbindlichkeiten auch nicht in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 EStG 1988.
Die Judikatur, wonach sowohl bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als auch bei einer solchen durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung die Gewinnrealisierung erst (anteilig) mit der (anteiligen) Tilgung der Fremdwährungsverbindlichkeit oder, sollte eine solche vereinbart worden sein, bereits mit der Konvertierung der Verbindlichkeit in Euro oder in eine andere zum Euro wechselkursstabile Fremdwährung eintritt (so z. B. , für den Fall einer Konvertierung unter Verweis auf die Vorjudikatur), wurde damit auch (jedenfalls) in ihrer Relevanz für den hier vorliegenden Fall der anteiligen Tilgung einer Fremdwährungsverbindlichkeit durch , überlagert.
Kann eine Verbindlichkeit nicht - auch nicht etwa steuersubjektübergreifend - unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 subsumiert werden, so kommt es insofern auf eine Änderung ihrer Modalitäten nicht an und ist auch nicht mehr auf eine Realisierung der Kursverluste abzustellen (vgl. hierzu insbesondere noch ).
Nach der Rechtsprechung führt weder eine Konvertierung noch eine Tilgung - im weiteren Sinne - zu Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988; vielmehr wirken sich die durch die Tilgung realisierten Verluste in vollem Umfang gewinnmindernd aus.
Deshalb war der Gewinnfreibetrag (als Grundfreibetrag), ausgehend von der Höhe der nicht berücksichtigten halben Kursverluste, in Anwendung des § 10 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 EStG 1988 entsprechend zu reduzieren.
5. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die zu lösende Rechtsfrage konnte in Anwendung der insoweit eindeutigen gesetzlichen Bestimmung entlang der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Z 2 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 27 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100415.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at