Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 01.03.2023, RV/6100335/2021

Anwendungsbereich der Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ:
RV/6100336/2021

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0011-12.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/6100335/2021-RS1
Unter dem Begriff „Maßnahmen“ in § 35 Abs 8 GebG 1957 idF BGBl I 2020/23 sind nur Maßnahmen iSd COVID-19 Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen gemeint. Während § 35 Abs 8 erster Satz leg cit dabei die Hoheitsverwaltung betrifft, erfasst die auf Rechtsgeschäfte bezogene Gebührenbefreiung des § 35 Abs 8 letzter Satz leg cit im Ergebnis insbesondere den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl zu den Begrifflichkeiten zB Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3. Auflage 21 ff), sowie Fälle, in denen eine Betrauung ausgegliederter Rechtsträger (juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts) mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt. Rechtsgeschäfte zwischen Privatpersonen bzw Unternehmen, bei denen nicht eine Betrauung einer der Vertragsparteien mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung des Staates erfolgt ist, fallen demgegenüber nicht unter den Begriff der „Maßnahme“.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag.Dr. Thomas Leitner, die Richterin Drin Natalie Brennsteiner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rupert Mayr und Mag. Armin Üblagger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PKF Rößlhuber & Partner Steuerberatungs GmbH & Co KG, Reichenhaller Straße 7, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebührenfestsetzung für Nachtrag Nr. 4 vom zum Pachtvertrag vom mit ***Bestandgeberin1***, Erfassungsnummer ***ErfNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich (im Folgenden: "belangte Behörde") für einen zwischen der Beschwerdeführerin und der ***Bestandgeberin1*** vereinbarten Nachtrag vom zum Pachtvertrag vom die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG von der Bemessungsgrundlage iHv 259.739,04 Euro mit 2.597,39 Euro fest.

Am wurde von der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin gegen den vorgenannten Bescheid das Rechtmittel der Beschwerde erhoben und die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Begründend wurde dazu zusammengefasst ausgeführt, dass in der im ***EKZ1*** von der Beschwerdeführerin betriebenen Filiale neben dem Einzelhandelsgeschäft auch ein ***Geschäftsszweig1*** geführt worden sei, das unmittelbar von den Geschäftsschließungen im Zuge der COVID-19 Pandemie betroffen gewesen sei und sei es - auch infolge der geminderten Kundenfrequenz in der Filiale - zu einem starken Rückgang der Umsätze gekommen. Die Beschwerdeführerin habe aus diesem Grund Vertragsverhandlungen mit der Bestandgeberin geführt und habe die Bestandgeberin zur Abmilderung der negativen Effekte aus der Krise eine Bestandzinsreduktion für die Monate März 2020 und April 2020 gewährt. Im Gegenzug habe die Beschwerdeführerin einer Vertragsverlängerung um ein Jahr zugestimmt. Da sowohl in der Bestandzinsreduktion als auch in der Vertragsverlängerung eine Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19 Krise zu erblicken sei, komme die Gebührenbefreiung gemäß § 35 Abs 8 GebG zu Anwendung und sei der gegenständliche Nachtrag von der Rechtsgeschäftsgebühr befreit.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den von § 35 Abs 8 GebG erfassten Maßnahmen um behördliche Maßnahmen (zB Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Testungen) handeln müsse. Vereinbarungen von Privaten seien demgegenüber nicht von den Bestandvertragsgebühren befreit.

Daraufhin wurde am von der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag eingebracht und darin zusammengefasst vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der behördlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie in mehreren Fällen Verhandlungen mit Bestandgebern über eine Bestandzinsreduktion geführt habe. In jenen Fällen, in denen die Bestandgeber einer Bestandzinsreduktion zugestimmt haben, hätte die Beschwerdeführerin im Gegenzug oft eine Verlängerung der Mietdauer akzeptieren müssen. Der Staat habe mit Reisebeschränkungen, Geschäftsschließungen, Zutrittstests, Verkürzung von Öffnungszeiten und Ausgangsbeschränkungen zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen. Die einzelnen Unternehmer hätten ebenfalls Maßnahmen ergreifen müssen, um die potentiellen Verluste durch die Einschränkungen möglichst gering zu halten. Die Verlängerung des Bestandvertrages im Gegenzug für eine Bestandzinsreduktion sei eine Maßnahme in Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID 19 Krise gewesen. Aus dem Gesetz gehe nicht hervor, dass sich die Befreiung nur auf behördliche Maßnahmen und nicht auch auf Maßnahmen von Unternehmern bezieht. Es sei nur allgemein von Maßnahmen die Rede. Die Befreiungsbestimmung sei daher auch auf Maßnahmen anzuwenden, die der einzelne Unternehmer zur Bewältigung der COVID-19 Krise getroffen hat. Ziel des Gesetzgebers sei gewesen, die Belastungen durch COVID-19 möglichst gering zu halten und die Betroffenen rasch und unbürokratisch zu unterstützen. Auch sei in Zusammenhang mit den COVID-19 Förderungen eine Schadensminderungspflicht vorgesehen und sei der Unternehmer zu Maßnahmen zur Kostenreduktion während des Beantragungszeitraumes verpflichtet. Es könne nicht Zweck des Gesetzes sein, auf der einen Seite Unterstützungen einzuschränken, wenn der Betroffene nicht ausreichend Maßnahmen getroffen hat, die laufenden Kosten zu senken und auf der anderen Seite genau für diese Maßnahmen zusätzliche Abgaben einzuheben.

Am erfolgte die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und wurde von der belangten Behörde beantragt, diese als unbegründet abzuweisen.

Mit wurde die Beschwerdeführerin unter anderem um Vorlage folgender Beweismittel ersucht: Pachtvertrag vom mit ***Bestandgeberin1*** (betreffend Objekt ***EKZ1*** ***Ort1***); Nachtrag Nr. 1 vom / zum vorgenannten Pachtvertrag; Nachtrag Nr. 2 vom / zum vorgenannten Pachtvertrag; Nachtrag Nr. 3 vom / zum vorgenannten Pachtvertrag.

Dem kam die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom nach.

In der am antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde von der beschwerdeführenden Partei im Anschluss an eine Schilderung der vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin infolge der COVID-19- Pandemie geführten Vertragsverhandlungen mit Bestandgebern und der Vorlage von diesbezüglicher E-Mail-Korrespondenz, die vom erkennenden Verwaltungsgericht zum Akt genommen wurde, sowie einer Darlegung der hinter diesen Vertragsverhandlungen stehenden wirtschaftlichen Erwägungen im Wesentlichen ergänzend wie folgt vorgebracht: Aus den Gesetzesmaterialien zu der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung und dem darin enthaltenen Verweis auf § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG, sei abzuleiten, dass nach der Absicht des Gesetzgebers die von der Beschwerdeführerin getroffene Maßnahme eine Maßnahme iSd in Rede stehenden Befreiungsbestimmung darstelle. Dies sei im Wesentlichen damit zu begründen, dass in § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG ausdrücklich "Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmenausfällen in Folge der Krise" (Z 5) sowie "Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen" (Z 8) angeführt werden. Zudem werde diese Rechtsansicht durch die Rsp des BFG bestätigt (Verweis auf ). Der Vertreter der Amtspartei führte zusammengefasst aus, dass der vom BFG im vorgenannten Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht zwar zuzustimmen sei; es sei jedoch im Beschwerdefall der Kausalzusammenhang zwischen der Verlängerung des Pachtvertrages mit der COVID-19-Krisensituation nicht als erwiesen anzunehmen und die Beschwerde aus diesem Grund abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am wurde zwischen der ***Bestandgeberin2***. als Bestandgeberin und der Beschwerdeführerin als Bestandnehmerin ein Pachtvertrag über eine Ladenfläche von 550,04 m2 (Top Nr ***2***) im Einkaufszentrum ***EKZ1*** abgeschlossen. Das Bestandverhältnis hat diesem Vertrag zufolge am begonnen und wurde für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen.

Mit zwischen der ***Bestandgeberin1*** als Rechtsnachfolgerin der ***Bestandgeberin2***. und der Beschwerdeführerin am vereinbartem Nachtrag Nr 1 zum vorgenannten Pachtvertrag wurde die Bestanddauer um weitere 5 Jahre (bis zum ) verlängert.

Mit zwischen der ***Bestandgeberin1*** und der Beschwerdeführerin am vereinbartem Nachtrag Nr 2 zum vorgenannten Pachtvertrag wurde das Bestandverhältnis um eine zusätzliche Lagerfläche im Ausmaß von ca 17,9 m2 ("Lager ***1***") gegen Leistung eines zusätzlichen monatlichen Entgeltes durch die Beschwerdeführerin erweitert.

Mit zwischen der ***Bestandgeberin1*** und der Beschwerdeführerin am vereinbartem Nachtrag Nr 3 zum vorgenannten Pachtvertrag wurde das Bestandverhältnis um weitere 5 Jahre (bis zum ) verlängert.

Am vereinbarten die ***Bestandgeberin1*** und die Beschwerdeführerin einen weiteren Nachtrag zum vorgenannten Pachtvertrag (Nachtrag Nr 4). Die über diesen Nachtrag errichtete Vertragsurkunde hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"Präambel:

Die Parteien sind sich darüber einig, dass sich durch die COVID-19-Pandemie und die sich aus dieser Pandemie ergebenden Folgen (wie z.B. behördlich angeordnete Zutrittsbeschränkungen, Geschäftsschließungen etc.) für beide Vertragsparteien besondere wirtschaftliche Herausforderungen ergeben. Ebenso wie es für den Verpächter erforderlich ist, den Pachtzins zu generieren, ist es für den Pächter erforderlich, seine wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und Liquidität zu bewahren. Um den Bedürfnissen der Parteien gerecht zu werden, treffen die Parteien die nachstehenden, für diesen Lebenssachverhalt abschließenden Absprachen:

1. Zwischen Pächter und Verpächter besteht der oben genannte Pachtvertrag über eine Bestandfläche von 550,04 m2 (im Folgenden "Ladenfläche" genannt) und eine Nebenfläche von 17,90 m2 im ***EKZ1***.

2. Der zurzeit aufgrund der vertraglichen Regelungen geschuldete monatliche Mindestpachtzins für die Ladenfläche beträgt EUR 12.269,56 und der monatliche Pachtzins für die Nebenfläche EUR 255,55. Insoweit abweichend hiervon wird Folgendes vereinbart:

a) In der Zeit vom bis zum beträgt der monatliche Mindestpachtzins für die Ladenfläche EUR 10.369,76 und der monatliche Pachtzins für die Nebenfläche unverändert EUR 255,55.

b) In der Zeit vom bis zum beträgt der monatliche Mindestpachtzins für die Ladenfläche EUR 8.588,69 und der monatliche Pachtzins für die Nebenfläche unverändert EUR 255,55.

...

d) Ab beträgt der monatliche Mindestpachtzins für die Ladenfläche wieder EUR 12.269,56 und der monatliche Pachtzins für die Nebenfläche EUR 255,55.

e) Die Regelungen zur Pachtzinsanpassung in Ziffer IX. des Pachtvertrages (Wertsicherung) finden unverändert und unberührt von den Regelungen in lit. a) und b)und ohne Unterbrechung weiterhin auf den in lit. d) benannten Pachtzins Anwendung.

f) Alle anderen Zahlungsverpflichtungen, wie insbesondere der Umsatzpachtzins,die Betriebs- und Nebenkosten, die Verwaltungspauschale und der Werbebeitrageinschließlich deren Vorauszahlungen gelten von vorstehenden Regelungen unberührt fort -jedoch wird bei der Berechnung des Umsatzpachtzinses für dasJahr 2020 unterstellt, dass in den Monaten März und April 2020 der Pachtzins inder einleitend und in lit. d) dieser Ziffer benannten Höhe gezahlt worden sei.

g) Bei den in dieser Ziffer geregelten Zugeständnissen des Verpächters handelt es sich ausschließlich um eine liquiditätsfördernde Maßnahme zugunsten des Pächters. Mit diesem Verzicht sind für die Zeit bis zum sämtliche allfälligen Ansprüche des Pächters im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und die hieraus resultierenden unmittelbaren Folgen (wie z.B. behördlich angeordnete Zutrittsbeschränkungen, Geschäftsschließungen etc.) oder mittelbaren Folgen abgegolten. Im Hinblick auf diese vertragsautonom getroffene Vereinbarung werden daher die Bestimmungen der §§ 1104 f ABGB für diesen Zeitraum einvernehmlich abbedungen.

...

3. Nach derzeitigem Vertragsstand endet der Pachtvertrag gemäß Nachtrag Nr. 3 Ziffer 2 am .

Mit Abschluss dieses Nachtrages wird der Pachtvertrag über das vorbenannte Pachtende hinaus so verlängert, dass er nunmehr am endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

4. Da der vorliegende Nachtrag im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgt, gehen die Parteien davon aus, dass dessen Abschluss gemäß § 35 Abs. 8.1 Gebührengesetz 1957 von der Rechtsgeschäftsgebühr befreit ist. Sollte sich diese Annahme jedoch als nicht richtig herausstellen, sind die mit Abschluss dieses Nachtrages nach österreichischem Gebührengesetz anfallenden Gebühren vom Pächter zu tragen.

..."

Das nach der Maßgabe der oa Vereinbarungen im Jahr 2021 von der Beschwerdeführerin zu leistende durchschnittliche Monatsentgelt betrug 21.644,92 Euro (siehe Vorhaltsbeantwortung der Beschwerdeführerin vom ).

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den jeweils zitierten aktenkundigen Unterlagen, deren Beweiskraft weder von der Beschwerdeführerin noch von der belangten Behörde in Zweifel gezogen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gebührenrechtliche Qualifikation des Nachtrages vom

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 21 GebG 1957 (im Folgenden nur "GebG") ist ein Nachtrag betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes als selbstständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 21 GebG (ErläutRV 549 BlgNR XV. GP 8 f) sollte damit klarstellend zum Ausdruck gebracht werden, dass bei allen Rechtsgeschäften, bei denen das durch sie begründete Rechtsverhältnis nach Ablauf einer vereinbarten Zeit beendet sein soll, die Verlängerung dieser vereinbarten Geltungsdauer neuerlich eine Gebührenschuld begründet. Die Verlängerung der vereinbarten Geltungsdauer ist gebührenrechtlich insoweit als Neuabschluss eines selbstständigen Rechtsgeschäftes zu behandeln und unterliegt im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung nach jener Tarifpost der Gebühr, der das geänderte Rechtsgeschäft unterlag (vgl ).

Mit dem gegenständlichen Nachtrag wurde die Laufzeit des Bestandverhältnisses von bisher 20 Jahren um 1 Jahr verlängert und unterliegt dieser Nachtrag somit grundsätzlich - sofern keine Befreiung anwendbar ist - einer Gebühr nach § 33 TP 5 GebG ausgehend vom Entgelt für diesen Verlängerungszeitraum von 1 Jahr. Die Höhe dieses Entgelts und damit die Höhe der - möglichen - Bemessungsgrundlage (259.739,04 Euro) sind unstrittig.

3.2. Nichtanwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23

3.2.1. Rechtsentwicklung

Mit BGBl I 2020/16 wurde in § 35 GebG 1957 folgender Abs 8 angefügt:

"(8) Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit."

Damit sollte den Gesetzesmaterialien zufolge "eine umfassende Befreiung von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben für sämtliche Schriften und Amtshandlungen geschaffen werden, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen. Erforderliche Maßnahmen sind insbesondere jene Maßnahmen, die in § 3 Abs. 1 COVID-19-FondsG angeführt werden. Es soll damit sichergestellt werden, dass beispielsweise für Anträge betreffend Unterstützungszahlungen nach dem Epidemiegesetz 1950 keine Gebühren gemäß § 14 Gebührengesetz 1957 oder Bundesverwaltungsabgaben zu entrichten sind" (IA 397/A XXVII. GP 31; AB 112 BlgNR XXVII. GP 4).

Mit BGBl I 2020/23 wurde in § 35 Abs 8 GebG folgender Satz angefügt:

"Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit."

Den Gesetzesmaterialien zufolge sollten mit dieser Anpassung des GebG "insbesondere Bürgschaften befreit werden, die als Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherstellen. Außerdem sollen beispielsweise Bestandverträge von den Hundertsatzgebühren befreit werden, die von Gebietskörperschaften oder Hilfsorganisationen abgeschlossen werden, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen" (IA 402/A XXVII. GP 32; AB 115 BlgNR XXVII. GP 5).

Mit BGBl I 2021/227 wurde § 35 Abs 8 GebG wie folgt neu gefasst:

"(8) Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen hoheitlichen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Die Befreiung gilt auch in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof. Wurden Bundesverwaltungsabgaben bereits bescheidmäßig festgesetzt, so ist auf Antrag der Bescheid durch die Behörde abzuändern und eine bereits entrichtete Bundesverwaltungsabgabe rückzuerstatten. Hinsichtlich der Gebühren gilt § 241 Abs. 2 BAO sinngemäß. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit."

Die oa Neufassung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2021/227 ist gemäß § 37 Abs 45 GebG rückwirkend mit in Kraft getreten. In den Gesetzesmaterialien wird dazu wie folgt ausgeführt (IA 2080/A XXVII. GP 68; AB 1185 BlgNR XXVII. GP 8 f):

"Die ursprüngliche Befreiungsbestimmung iZm COVID-19 (§ 35 Abs. 8 idF BGBl. I Nr. 23/2020) ist gemeinsam mit den meisten anderen abgabenrechtlichen Befreiungsbestimmungen mit ausgelaufen. Aufgrund der außergewöhnlichen Situation wurden einige Verfahren (zB nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950) bis zum noch nicht abgeschlossen. Da die Gebührenschuld insbesondere bei Eingaben nach § 14 Tarifpost 6 in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die abschließende Erledigung über die in der Eingabe enthaltenen Anbringen zugestellt wird, wären diese Eingaben nun gebührenpflichtig. Zudem ist damit zu rechnen, dass zukünftig weitere Eingaben aufgrund von gesetzten Maßnahmen erfolgen werden. Aus diesen Gründen soll eine Befreiungsbestimmung geschaffen werden, die wie § 35 Abs. 8 idF BGBl. I Nr. 23/2020, auf hoheitliche Maßnahmen (zB Bescheide gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950) zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation abstellt. Diese Maßnahmen müssen allerdings bereits vor dem gesetzt worden sein, womit der Zusammenhang mit der COVID-19 Krisensituation sichergestellt werden soll."

3.2.2. Zur Auslegung des Maßnahmenbegriffs iSd § 35 Abs 8 GebG

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob auf den gegenständlichen Vertrag (Nachtrag) die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23 anzuwenden ist. Während die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass diese Bestimmung ausschließlich behördliche Maßnahmen, die der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation dienen, erfasst, ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass diese Bestimmung auch auf rechtsgeschäftliche Vereinbarungen anwendbar ist, die zwischen Privatpersonen bzw Unternehmen getroffen wurden, sofern diese der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation dienen.

§ 35 Abs 8 GebG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl I 2020/23 lautet wie folgt:

"(8) Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit."

Die Auslegung der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung hat nach der für alle Gesetze geltenden Auslegungsregel des § 6 ABGB zu erfolgen (vgl zB ; Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Stand , rdb.at Rz 26 mwN). Folglich ist bei der Interpretation dieser Gesetzesnorm auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen (vgl zB ).

Im Hinblick auf den als Ausgang jedes Interpretationsvorganges dienenden Gesetzeswortlaut ist dabei zunächst festzuhalten, dass die Formulierung "... zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation ..." darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der betreffenden Bestimmung ganz bestimmte (ihm bekannte) Maßnahmen im Blick hatte (so auch Twardosz, GebG7.00 § 35 Stand , rdb.at Rz 9). Andernfalls hätte der Gesetzgeber sich nicht des bestimmten Artikels "der" bedient, sondern allgemein auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation abgestellt.

Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Formulierung "Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation" vom Gesetzgeber auch an anderen Stellen verwendet wurde:

So bedient sich insbesondere die in § 35 Abs 8 erster Satz GebG vorgesehene Befreiung für Schriften und Amtshandlungen der Formulierung "... der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation...". In den Gesetzesmaterialien zu dieser Befreiungsbestimmung (IA 397/A XXVII. GP 31; AB 112 BlgNR XXVII. GP 4) wurde zum Begriff der "Maßnahme" seinerzeit ausgeführt, dass dies insbesondere jene Maßnahmen seien, die in § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG angeführt werden und unter die Gebührenbefreiung somit beispielsweise Anträge betreffend Unterstützungszahlungen nach dem Epidemiegesetz 1950 fallen würden.

Auch im COVID-19-FondsG, auf das in den vorgenannten Gesetzesmaterialien zu § 35 Abs 8 erster Satz GebG verwiesen wird, wird in dessen § 1 Abs 2 eine nahezu identische Formulierung verwendet. § 1 COVID-19-FondsG lautet wie folgt:

"(1) Mit diesem Bundesgesetz wird der ,COVID-19-Krisenbewältigungsfonds' (in weiterer Folge ,Fonds') errichtet. Er verfügt über keine eigene Rechtspersönlichkeit und wird beim Bundesminister für Finanzen eingerichtet und von diesem verwaltet.

(2) Der Fonds verfolgt das Ziel, den Bundesministerien gemäß Art. 77 B-VG die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diesen auf effizientestem Wege ermöglicht wird, die erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation setzen zu können."

Ebenso ist in § 239a Abs 6 WTBG 2017 idF BGBl I 2021/139 und in § 75 Abs 3 BiBuG 2014 idF BGBl I 2021/138 die Rede von "Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19- Krisensituation". Den Gesetzesmaterialien zufolge sind unter "Maßnahmen" dabei Unterstützungs- und Entschädigungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19 Unterstützungsmaßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen (zB Fixkostenzuschuss, EpidemieG, NPO-Unterstützungsfonds, Start-Up Hilfsfonds uam) zu verstehen (zu § 239a Abs 6 WTBG 2017 vgl IA 1751/A XXVII. GP 1 f und AB 986 BlgNR XXVII. GP 1; zu § 75 Abs 3 BiBuG 2014 vgl IA 1750/A XXVII. GP 1 f und AB 985 BlgNR XXVII. GP 1).

Nun entspricht es einem Gebot der Gesetzestechnik, denselben Begriff stets nur mit demselben Wort zu bezeichnen, aber auch dasselbe Wort zur Bezeichnung desselben Begriffes zu verwenden. Solcherart muss bei der Auslegung von Gesetzen grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dann, wenn er dasselbe Wort verwendet, darunter auch denselben Begriff verstanden wissen will (). Mit anderen Worten ist nach dem Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache prinzipiell davon auszugehen, dass in der Rechtssprache geprägte Begriffe die gleiche Bedeutung haben (vgl zB , mwH).

In diesem Zusammenhang ist freilich zu berücksichtigen, dass die Einbettung der Formulierung "Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19 Krisensituation" in unterschiedliche Zusammenhänge im Ergebnis jeweils eine unterschiedliche Reichweite des Maßnahmenbegriffs zur Folge hat. So umfasst dieser in § 239a Abs 6 WTBG 2017 idF BGBl I 2021/139 und in § 75 Abs 3 BiBuG 2014 idF BGBl I 2021/138 im Ergebnis nur solche Unterstützungs- und Entschädigungsmaßnahmen, bei denen vorgesehen ist, dass die Angaben der Unternehmen von einem Wirtschaftstreuhänder oder Bilanzbuchhalter zu bestätigen sind, während dieser Begriff in § 35 Abs 8 erster Satz GebG idF BGBl I 2020/16 auf hoheitliche Maßnahmen beschränkt ist. Dies ergibt sich einerseits bereits daraus, dass diese Regelung nur auf "Schriften und Amtshandlungen", die gemäß § 1 GebG nach der Maßgabe des II. Abschnitts des GebG den Gebühren unterliegen und somit von vorneherein nur behördliche bzw hoheitliche Tätigkeiten betreffen, Bezug nimmt. Zudem erfolgte mit der Neufassung des § 35 Abs 8 GebG mit BGBl I 2021/227 in diesem Zusammenhang eine Ergänzung des Wortes "hoheitlich" im Gesetz, wobei diese Ergänzung den Gesetzesmaterialien zufolge lediglich klarstellende Bedeutung hatte (vgl IA 2080/A XXVII. GP 68 sowie AB 1185 BlgNR XXVII. GP 8 f, wonach auch bereits § 35 Abs 8 idF BGBl I 2020/23 auf hoheitliche Maßnahmen abstellte). Demgegenüber kann die im Beschwerdefall in Rede stehende Befreiungsbestimmung durch das Abstellen auf Rechtsgeschäfte naturgemäß nicht den Bereich der Hoheitsverwaltung des Staates betreffen (vgl dazu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 21 ff).

Trotz des somit unterschiedlichen Anwendungsbereichs jener Gesetzesbestimmungen, die sich der Formulierung "Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19 Krisensituation" bedienen, ist bei den oa Bestimmungen des § 239a Abs 6 WTBG 2017 idF BGBl I 2021/139, des § 75 Abs 3 BiBuG 2014 idF BGBl I 2021/138, des § 1 Abs 2 COVID-19-FondsG und des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/16 als Gemeinsamkeit festzustellen, dass der Maßnahmenbegriff jeweils - wie sich eindeutig aus den oa Zitaten der Gesetzesmaterialien ergibt - nur Maßnahmen iSd COVID-19 Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen umfasst. Gemeint sind somit im Wesentlichen jene Maßnahmen, die in § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG angeführt werden, sowie allfällige weitere vom Gesetzgeber identifizierte und im Rahmen anderer Gesetze als erforderlich definierte Maßnahmen. Gerade auch unter Berücksichtigung der eingangs dieses Unterabschnittes der rechtlichen Erwägungen thematisierten Formulierung der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung, die sich des bestimmten Artikels "der" bedient, und die somit auf einen bestimmten, dem Gesetzgeber vor Augen schwebenden Begriffsinhalt hindeutet, ergeben sich aus dem Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte dafür, dass der Maßnahmenbegriff im Kontext dieser Befreiungsbestimmung einen anderen Begriffsinhalt haben könnte. Hinzukommt, dass bei Gesetzen, die erfahrungsgemäß auf Vermittlung durch rechtskundige Personen angelegt sind, im Zweifel ein präziser rechtstechnischer Sprachgebrauch dem allgemeinen vorgeht (RIS-Justiz RS0008788), sodass der Wortfolge "...der Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation..." im Zweifel ein vom Gesetzgeber geprägter Inhalt beizumessen ist und nicht jener, der im allgemeinen Sprachgebrauch damit verbunden wird.

Im Hinblick auf den im Rahmen der historischen Interpretation der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung zu berücksichtigenden Kontext mit den übrigen Normen der historischen Rechtsordnung bei Erlassung des Gesetzes und den Anlass für die Schaffung dieser Bestimmung (vgl dazu Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Stand , rdb.at Rz 92) ist festzuhalten, dass die Schaffung dieser Befreiungsbestimmung in eine ganze Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation eingebettet war. So wurden etwa mit dem 3. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/23) gleichzeitig mit der Ergänzung des § 35 Abs 8 GebG um eine Befreiungsbestimmung für bestimmte Rechtsgeschäfte zahlreiche gesetzliche Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation gesetzt. Auch zuvor waren vom Gesetzgeber bereits zahlreiche dahingehende Maßnahmen beschlossen worden (COVID-19 Gesetz, BGBl I 2020/12; 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/16). Insbesondere stand zu diesem Zeitpunkt bereits das COVID-19-FondsG in Geltung, in dessen § 3 Abs 1 iVm § 1 Abs 2 leg cit diverse nach der Ansicht des historischen Gesetzgebers erforderliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation genannt werden. War der historische Gesetzgeber im zeitlichen Umfeld der Schaffung der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung somit regelmäßig mit der Identifizierung und Implementierung von Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation beschäftigt, liegt es nahe, dass er ebendiese Maßnahmen meinte, wenn er im Kontext der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung unter Verwendung des bestimmten Artikels "der" von "Maßnahmen" spricht.

Der historische Kontext der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung deutet somit ebenfalls darauf hin, dass diese als Begleitmaßnahme zu den vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Maßnahmen intendiert war und damit verhindern werden sollte, dass die entweder unmittelbar aufgrund des Gesetzes oder in weiterer Folge mittelbar auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung in die Wege geleiteten (staatlichen) Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation mit Rechtsgebühren belastet werden.

Die Gesetzesmaterialien zu der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung (IA 402/A XXVII. GP 32; AB 115 BlgNR XXVII. GP 5), in denen als Beispiel für eine unter die Befreiung fallende Maßnahme neben Bestandverträgen, die von Gebietskörperschaften oder Hilfsorganisationen abgeschlossen werden, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen, auch Bürgschaften genannt werden, die als Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherstellen, stehen dazu im Übrigen nicht im Widerspruch. So ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass zu den vom Gesetzgeber als zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation als erforderlich erachteten Maßnahmen gemäß § 3 Abs 1 Z 8 COVID-19-FondsG "Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen" gehören.

In den Gesetzesmaterialien (IA 402/A XXVII. GP 40; AB 115 BlgNR XXVII. GP 14) wird dazu wie folgt ausgeführt: "Mit der Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sind einschneidende Maßnahmen (wie beispielsweise die Schließung bzw. Einschränkung von Betrieben) verbunden, welche für österreichische Unternehmen schwerwiegende wirtschaftliche Folgen bedeuten können, die ohne entsprechende staatliche Unterstützungen zu unverschuldeten Liquiditätsschwierigkeiten und möglicherweise sogar zur Zahlungsunfähigkeit führen könnten. Demnach sollen die finanziellen Mittel des Fonds auch für Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen, wie beispielsweise Haftungsübernahmen, Garantien, Darlehensvergaben oder Zuschüsse zu Betriebskosten, verwendet werden können. Für die konkrete Durchführung dieser Stabilisierungsmaßnahmen kommen insbesondere die Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG) oder eine ihrer Tochtergesellschaften, die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT), die Österreichische Kontrollbank (ÖKB) oder die AWS in Betracht."

Wie sich auch bereits aus dem Kontext des § 3 Abs 1 Z 8 COVID-19-FondsG ergibt (vgl § 1 Abs 2 COVID-19-FondsG), sind unter Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen in diesem Zusammenhang ausschließlich staatliche Maßnahmen, die mit den dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zugewiesenen finanziellen Mitteln finanziert werden, gemeint. Diese Maßnahmen sind - wie auch aus den oa Gesetzesmaterialien zu § 3 Abs 1 Z 8 COVID-19-FondsG hervorgeht - nicht der Hoheitsverwaltung zuzuordnen, sondern erfolgen diese notwendigerweise im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung bzw unter Betrauung ausgegliederter Rechtsträger mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung (in den oa Gesetzesmaterialien werden in diesem Zusammenhang beispielhaft die ABBAG und ihre Tochtergesellschaften, die ÖHT, die ÖKB und die AWS genannt; vgl zur Betrauung ausgegliederter Rechtsträger mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung allgemein zB ).

Eine Zusammenschau mit § 3 Abs 1 Z 8 COVID-19-FondsG und den zu dieser Bestimmung erfolgten Ausführungen in den Gesetzesmaterialien - auf die Gesetzesmaterialien zu § 35 Abs 8 erster Satz GebG, die hinsichtlich des Maßnahmenbegriffs auf § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG verweisen, sowie auf die oben erfolgten Ausführungen zum Auslegungsgrundsatz der Einheit der Rechtsordnung sei an dieser Stelle nochmals hingewiesen - spricht somit dafür, dass bei dem in den Gesetzesmaterialien zu der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung (IA 402/A XXVII. GP 32; AB 115 BlgNR XXVII. GP 5) genannten Beispiel der Gewährung einer Bürgschaft nicht jegliche Bürgschaften gemeint sind, deren Abschluss in einem ursächlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Krisensituation stehen und dass insbesondere nicht auch Verträge zwischen Privatpersonen gemeint sind, ohne dass dabei eine Betrauung einer der Vertragsparteien mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung des Staates erfolgt ist.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführung ist unter Berücksichtigung aller hier genannten, für die Gesetzesinterpretation maßgeblichen Umstände somit davon auszugehen, dass bei Verwendung des Begriffs "Maßnahmen" in § 35 Abs 8 GebG nur Maßnahmen iSd COVID-19 Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen gemeint sind. Während § 35 Abs 8 erster Satz GebG dabei die Hoheitsverwaltung betrifft, erfasst die auf Rechtsgeschäfte bezogene Befreiung des § 35 Abs 8 letzter Satz GebG im Ergebnis insbesondere den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl zu den Begrifflichkeiten zB Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 21 ff), sowie Fälle, in denen eine Betrauung ausgegliederter Rechtsträger (juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts) mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt (Anm: Im letzteren Fall handelt es sich begrifflich nicht mehr um staatliche Verwaltung vgl dazu zB , sodass es verfehlt wäre, den Anwendungsbereich der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung begrifflich mit dem Bereich der staatlichen Verwaltung gleichzusetzen).

Den gegenteiligen Ansichten von Moser (COVID-19-Gesetze: Gebührenbefreiung für Schriften und Rechtsgeschäfte - Vermeidung von Gebührenfallen, taxlex 2020, 144 [145]) und von Pinetz/Wimpissinger (Zweifelsfragen zur Befreiung von den Rechtsgeschäftsgebühren im Zuge der COVID-19-Krise, GRAU 2020/21, 71 [72]) kann nicht beigetreten werden und ist der im gegenständlichen Beschwerdefall vorliegende Vertrag (Nachtrag) somit entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht nicht als "Maßnahme im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation" iSd § 35 Abs 8 GebG zu qualifizieren.

3.2.3. Nichtvorliegen einer Notwendigkeit zur Durchführung einer der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation

Wie unter Punkt 3.2.2 ausgeführt wurde, ist der im Beschwerdefall vorliegende Vertrag (Nachtrag) als solcher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Maßnahme im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation iSd § 35 Abs 8 GebG.

Zu prüfen bleibt allenfalls, ob dieser Vertrag zur Durchführung einer solchen Maßnahme, dh einer Maßnahme iSd COVID-19 Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen, "notwendig" war.

Während § 35 Abs 8 Satz 1 GebG betreffend die Gebührenbefreiung für Schriften und Amtshandlungen auf einen mittelbaren oder unmittelbaren Kausalzusammenhang mit den erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation (Verursachung durch eine solche Maßnahme) abstellt, sind Rechtsgeschäfte nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann von den Hundertsatzgebühren befreit, wenn sie zur Durchführung solcher Maßnahmen notwendig sind. Vorausgesetzt wird somit maW, dass die Durchführung der betreffenden Maßnahme ohne den Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht möglich wäre.

Ob ein derartiger Zusammenhang des gegenständlichen Vertrages mit einer Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation im hier verstandenen Sinn vorliegt oder nicht, lässt sich der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde nicht entnehmen. Wenn aus einer Urkunde weder hervorgeht, dass alle für die in Rede stehende Befreiung von der Gebührenpflicht maßgebenden Tatsachen vorliegen, noch Umstände beurkundet sind, die die Befreiung ausschließen würden, ist nach der Rsp des VwGH allerdings eine "Undeutlichkeit des Urkundeninhaltes" iSd § 17 Abs 2 GebG gegeben. Es wird also in einem solchen Fall die Gebührenpflicht vermutet, der Gegenbeweis ist aber zulässig (vgl zB ).

Da die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall nicht einmal versuchte, einen Gegenbeweis im Sinne des § 17 Abs 2 GebG anzubieten, war das erkennende Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zu weiteren Ermittlungen bzw Feststellungen nicht verpflichtet (vgl , mwN).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu der im gegenständlichen Beschwerdefall strittigen Frage der Auslegung des § 35 Abs 8 GebG fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100335.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at