Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.03.2023, RV/7400004/2015

Haftung eines Kommanditisten für Kommunalsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwälte Pariasek Holper, Heinrichsgasse 4, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs und Abgabenwesen vom betreffend Festsetzung der Kommunalsteuer 2005, 2006 und 2007, MA 6/DII/R1 - ***XXXXX***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setze der Magistrat der Stadt Wien, MA 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, gemäß § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG 1993 - gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) die Kommunalsteuer für die in der Betriebsstätte der ***T*** KG gewährten Arbeitslöhne wie folgt fest:


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Zeitraum
Bemessugsgrundl.
Abgabenbetrag
Bezahlt
2005
121.481,60
3.644,45
1.934,21
2006
182.153,38
5.464,60
894,39
2007
178.603,96
5.358,12
1.590,74
2008
153.306,44
4.599,19
2.163,70
SUMME
635.545,38
19.066,36
6.583,04
RESTBETRAG
12.483,32

Gleichzeitig setze die belangte Behörde gemäß §§ 217 und 217a BAO einen Säumniszuschlag in Höhe von € 249,66 fest.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993 hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen, wenn sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig erweist oder die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet wird.

Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind. Das Unternehmen unterliegt der Kommunalsteuer in der Gemeinde, in der die Betriebsstätte unterhalten wird (§ 7 Abs. 1 KommStG 1993).

Gemäß § 6 KommStG 1993 ist der Unternehmer Steuerschuldner. Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, sind diese Personen und der Unternehmer Gesamtschuldner, dies gilt auch für Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Aus dieser Regelung folgt, dass ex lege zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft ein Gesamtschuldverhältnis besteht. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft haben daher für die Kommunalsteuerschuld mit ihrem gesamten Vermögen solidarisch einzustehen.

Nach der (dem § 4 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz 1953 vergleichbaren) Regelung des § 6 KommStG 1993 über die Gesamtschuldnerschaft ist es einem Kommanditisten als Mitunternehmer verwehrt, der gegen ihn erhobenen Kommunalsteuerforderung seine handelsrechtliche Haftungsbeschränkung als Kommanditist entgegenzuhalten. Der Kommanditist wird im Grunde des § 6 KommStG 1993 kraft Gesetzes unmittelbar und neben der KG Abgabenschuldner der Kommunalsteuerschuld des (auch) für seine Rechnung betriebenen Unternehmens der KG - VwGH 2006/13/0085 v. u. 2005/13/0159 v. (Hinweis E , 98/13/0228, mwN).

Selbst der Kommanditist einer Kommanditgesellschaft kann daher für die Kommunalsteuer nicht seine handelsrechtliche Haftungsbeschränkung einwenden.

Nach § 5 Abs. 1 KommStG 1993 ist die Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen.

Herr ***Bf1*** war von bis im Firmenbuch als Kommanditist der ***T*** KG eingetragen und daher Schuldner der Kommunalsteuer.

Die Kommunalsteuer für die an die Dienstnehmer der in Wien gelegenen Betriebsstätten des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne wurde nicht vollständig erklärt und entrichtet, weshalb die Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gegeben sind.

Auf Grund der Geschäftsaufzeichnungen wurde die Bemessungsgrundlage für den Zeitraum 2005bis 2008 mit EUR 635.545,38 ermittelt.

Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Kommunalsteuer 3 % der Bemessungsgrundlage. Für denBemessungszeitraum 2005 bis 2008 ergibt sich daher ein Kommunalsteuerbetrag von EUR19.066,36.

Die Festsetzung des Säumniszuschlages beruht auf den zwingenden Vorschriften der §§ 217 und 217a BAO."

******

In der gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wurde ausgeführt:

"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber die Kommunalsteuer für die in der Betriebsstätte der ***T*** KG gewährten Arbeitslöhne folgende Kommunalsteuerrückstände vorgeschrieben.


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Zeitraum
BMG in Euro
Abgabenbetrag
in Euro
Bezahlt in Euro
Offen in Euro
2005
121.481,60
3.644,45
1.934,21
1.710,24
2006
182.153,38
5.464,60
894,39
4.570,21
2007
178.603,96
5.358,12
1.590,74
3.767,38
2008
153.306,44
4.599,19
2.163,70
2.435,49
Summe
635.545,38
19.066,36
6.583,04
12.483,32

Die vorgeschriebene Kommunalsteuer beträgt somit insgesamt € 12.483,32.

Die Vorschreibung wurde damit begründet, dass der Berufungswerber aufgrund seiner Stellung als Kommanditist Mitunternehmer und daher in Bezug auf die Kommunalsteuer Gesamtschuldner im Sinne von § 6 KommStG sei.

Der Berufungswerber hatte zuvor mit Schreiben vom und die Gesamtschuld bestritten und sowohl Nachsicht von der Einhebung der Abgabe sowie Entlassung aus der Gesamtschuld beantragt. Mit dem gegenständlichen und nun zur Gänze angefochtenen Bescheid wurde über die Entlassung gemäß § 237 BAO gar nicht abgesprochen, der Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO wurde abgewiesen, zu Unrecht wie im Folgenden ausgeführt wird:

Mitunternehmer

Zunächst wird festgehalten, dass der Berufungswerber kein Mitunternehmer im Sinne von § 6 KommStG war, da ihm nicht die Stellung eines Kommanditisten laut Regelstatut des UGB zukam.

Unbeschränkt haftender Gesellschafter der ***T*** KG war der Vater des Berufungswerbers, Herr ***1***. Dieser hatte das Unternehmen gegründet und verfügte als einziger sowohl über das für die Unternehmensführung als auch für das Ausführen der Arbeiten notwendige Know-How, er kannte und warb Kunden, organisierte Dienstnehmer und stellte das notwendige Kapital zur Verfügung.

Der Berufungswerber hingegen war zum Zeitpunkt der Errichtung der ***T*** KG 24 Jahre alt und hat sich auf Bitten seines Vaters zum Kommanditisten bestellen lassen. Von einer Teilnahme als Mitunternehmer im Sinne des UGB kann keine Rede sein.

Aus diesem Grund ist der Berufungswerber nicht als Gesamtschuldner gemäß § 6 KommStG anzusehen und die Vorschreibung der Abgabenschuldigkeiten aufzuheben.

3. EU-Recht

Im Erkenntnis C-81/09 vom des EUGH (Idryma Typou AE) stellte der EUGH fest, dass die Artikel 49 AEUV und 63 AEUV nationalen Regelungen entgegenstehen, die vorsehen, dass Geldbußen für Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen, denen aber aufgrund ihrer Befugnisse keine praktische Möglichkeit gegeben ist, für das Funktionieren der Organe der Gesellschaft und das Beachten der Gesetze Sorge zu tragen, eben weil diese Gesellschafter gar nicht die Möglichkeit haben, solche Verstöße zu verhindern.

Der hier vorliegende Fall ist vergleichbar. Gemäß § 6 KommStG haftet der Kommanditist für die Nichtabfuhr der Kommunalsteuer, somit für Verstöße der Gesellschaft gegen gesetzliche Vorschriften, obwohl der Kommanditist aufgrund seiner ihm eingeräumten Rechte gar keine Möglichkeit hat, dies zu verhindern.

Wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts nicht möglich ist, ist die Behörde verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lässt, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führen würde (Anwendungsvorrang, C327/00).

Da auch § 6 KommStG eine nationale Maßnahme darstellt, die den Artikeln 49 AEUV und 63 AEUV entgegensteht und die Bestimmung somit nicht unionsrechtskonform ausgelegt und angewendet werden kann, ist diese unangewendet zu lassen und von der Einhebung der Kommunalsteuer beim Berufungswerber abzusehen bzw. die Vorschreibung der Kommunalsteuer gegenüber dem Berufungswerber aufzuheben.

4. Nachsicht gemäß § 236 BAO

[Anm. BFG: Der Text wird mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben]

5. Entlassung gemäß § 237 BAO

[Anm. BFG: Der Text wird mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben]

6. Verjährung gemäß § 238 BAO

Gemäß § 238 BAO verjährt eine Abgabe binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Gemäß § 11 Abs 2 KommStG ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Die Kommunalsteuer für Dezember 2006 war daher am fällig und verjährt gemäß § 11 Abs. 2 KommStG am .

Die Kommunalsteuer für November 2006 war am fällig und verjährt gemäß § 11 Abs. 2 KommStG am .

Hinsichtlich einer Unterbrechung der Verjährung ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern gerichtete Unterbrechungshandlung dem davon nicht betroffenen anderen Gesamtschuldner nicht zu schaden vermag. Einhebungsmaßnahmen, die nur gegen einen von mehreren Mitschuldnern gerichtet sind, betreffen nur dessen Einhebungsverhältnis und unterbrechen nur die gegen diesen Schuldner laufende Verjährungsfrist ( GZ 92/17/0103).

Die erste nach außen erkennbare Einhebungsmaßnahme gegen den Berufungswerber erfolgte mit dem Schreiben vom . Da keine früheren Einhebungsmaßnahmen erfolgten, verjährt die Kommunalsteuer für November 2006 wie dargestellt am .

Sofern daher die Kommunalsteuerrückstände nicht schon aus den oben genannten Gründen nicht beim Berufungswerber einzuheben sind, ist die Kommunalsteuer jedenfalls bis einschließlich November 2006 verjährt. Aus diesem Grund können die gegenständlichen Abgaben zumindest für Jänner 2005 bis November 2006 in diesem noch festzustellenden Ausmaß nicht beim Berufungswerber eingehoben werden.

7. Antrag

Aus den beschriebenen Gründen beantragt der Berufungswerber, der Berufungssenat der Stadt Wien möge den Bescheid zur Gänze aufheben und aussprechen, dass

> dem Berufungswerber nicht die Stellung eines dem Regelstatut des UGB entsprechenden Kommanditisten zukam, er daher kein Mitunternehmer im Sinne von § 6 KommStG war und er daher aus der Gesamtschuld für die Kommunalsteuer zu entlasten ist, in eventu

> von der Einhebung abgesehen wird, da § 6 KommStG den Art. 49 AEUV und Art 63 AEUV entgegensteht, in eventu

> von der Einhebung der Kommunalsteuerrückstände der ***T*** KG beim Berufungswerber gemäß § 236 BAO nachgesehen wird, in eventu

> der Berufungswerber hinsichtlich dieser Kommunalsteuerrückstände gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld entlassen wird, in eventu

> die verjährten Kommunalsteuerrückstände nicht eingehoben werden."

****

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde um Vorlage des Gesellschaftsvertrages.

Mit Schriftsatz vom wurde der Gesellschaftsvertrag der ***T*** KEG vom vorgelegt.

Gemäß Pt 1 dieses Vertrages war der Bf. Kommanditist der gegründeten Gesellschaft.

******

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Berufung (Beschwerde) als unbegründet ab und führte aus:

"Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, dass er kein Mitunternehmer im Sinne von § 6 KommStG gewesen sei, da ihm nicht die Stellung eines Kommanditisten laut Regelstatut des UGB zugekommen wäre.

Unbeschränkt haftender Gesellschafter sei Herr ***1***, sein Vater, gewesen. Dieser hätte das Unternehmen gegründet und verfügte als einziger sowohl über das für die Unternehmensführung als auch für das Ausführen der Arbeiten notwendige Know-How.

Der Beschwerdeführer hingegen wäre zum Zeitpunkt der Errichtung der ***T*** KG 24 Jahre alt gewesen und hätte sich auf Bitten seines Vaters zum Kommanditisten bestellen lassen. Von einer Teilnahme als Mitunternehmer im Sinne des UGB könne daher keine Rede sein.

Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer nicht als Gesamtschuldner gemäß § 6 KommStG anzusehen und die Vorschreibung der Abgabenschuldigkeiten aufzuheben.

Der Beschwerdeführer führt in diesem Zusammenhang ein Erkenntnis des EUGH Rs C-81/09 an, in welchem der EUGH feststellte, dass die Artikel 49 AEUV und 63 AEUV nationalen Regelungen entgegenstehen, die vorsehen, das Geldbußen für Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5% besitzen, denen aber aufgrund ihrer Befugnisse keine praktische Möglichkeit gegeben ist, für das Funktionieren der Organe der Gesellschaft und das Beachten der Gesetze Sorge zu tragen, weil die Gesellschafter gar nicht die Möglichkeit haben, solche Verstöße zu verhindern.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, dass oben angeführter Fall des EUGH mit der gegenständlichen Inanspruchnahme als Kommanditist vergleichbar wäre.

Wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts nicht möglich ist, sei die Behörde verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden.

Da auch § 6 KommStG eine nationale Maßnahme darstelle, die den Artikeln 49 AEUV und 63 AEUV entgegenstehen und die Bestimmung somit nicht unionsrechtskonform ausgelegt und angewendet werden könne, sei sie unangewendet zu lassen und von der Einhebung der Kommunalsteuer beim Beschwerdeführer abzusehen.

Der Beschwerdeführer wendet außerdem ein, dass die Kommunalsteuerbeträge für den Zeitraum Jänner 2005 bis November 2006 mangels einer Unterbrechungshandlung jedenfalls gemäß § 238 BAO verjährt seien.

Dieser Argumentation wird Folgendes entgegengehalten:

Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind. Das Unternehmen unterliegt der Kommunalsteuer in der Gemeinde, in der die Betriebsstätte unterhalten wird (§ 7 Abs. 1 KommStG 1993).

Gemäß § 5 Abs. 1 KommStG 1993 ist die Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.

Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b. des Einkommensteuergesetzes 1988 - EstG 1988, BGBl. Nr. 400/1998, in der derzeit geltenden Fassung, sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988.

Gemäß § 6 KommStG 1993 ist der Unternehmer Steuerschuldner. Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, sind diese Personen und der Unternehmer Gesamtschuldner, dies gilt auch für Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen, wenn sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig erweist oder die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet wird.

Nach § 6 zweiter Satz KommStG 1993 wird ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Personen begründet, die für ihre Rechnung das Unternehmen betreiben. Mit den verba legalia "Betreiben für Rechnung mehrerer Personen" wird tatbestandsmäßig die Zurechnungsfrage angesprochen und zwar insofern, dass als Gesamtschuldner nur Personen in Betracht kommen, auf deren Rechnung und Gefahr Marktleistungen letztendlich in dem Sinn erbracht werden, dass sie unmittelbar, das heißt ohne weitere Abschirmung, von den Markterfolgen betroffen sind. Dies ist bei den Gesellschaftern einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft bzw. einer Kommanditgesellschaft der Fall.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Kommanditgesellschaft ausführte, wird der Kommanditist nach § 6 KommStG 1993 kraft Gesetzes unmittelbar und neben der Kommanditgesellschaft Abgabenschuldner der Kommunalsteuer des (auch) für seine Rechnung betriebenenUnternehmens der Kommanditgesellschaft. Kommanditisten sind im Hinblick auf die Anführungdieser Art von Gesellschaftern in § 23 Z 2 EStG 1988 grundsätzlich Mitunternehmer. Eine demRegelstatut des Handelsgesetzbuches entsprechende Stellung als Kommanditist bewirkt dessenMitunternehmerstellung im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 (ZI. 2006/13/0085). Dies gilt gleichermaßen für Kommanditisten von Kommandit-Erwerbsgesellschaften nach dem - mit Ablauf des außer Kraft getretenen -Erwerbsgesellschaftengesetz, BGBl. Nr. 257/1990, weil auch solche Kommanditisten vonKommanditgesellschaften vergleichbare Stellung als Mitunternehmer im Sinne desEinkommensteuergesetzes 1988 anzusehen sind ( ZI. 2011/16/138).

Gemäß § 167 UGB ist, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern zunächst ein ihrer Haftung angemessener Betrag des Jahresgewinns zuzuweisen.

Gemäß § 121 Abs. 1 UGB ist, wenn Gesellschafter zur Leistung von Diensten verpflichtet sind, diesen, sofern ihnen für die Dienste nicht eine Beteiligung an der Gesellschaft gewährt wird, mangels anderer Vereinbarung ein den Umständen nach angemessener Betrag des Jahresgewinns zuzuweisen.

Gemäß § 121 Abs. 2 UGB wird der diesen Betrag übersteigende Teil des Jahresgewinnes oder der Verlust eines Geschäftsjahres sodann den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung (§ 109 Abs. 1) zugewiesen.

Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gesellschaftsvertrag geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer an der Gesellschaft mit einer Bareinlage in Höhe von EUR 3.000,00 beteiligte.

Überdies verpflichtete er sich, seine Fachkenntnisse in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.

Weiters geht aus dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag hervor, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf 25% des Gewinnes hatte, wobei die monatlichen Privatentnahmen dabei anzurechnen waren.

Außerdem ist laut vorgelegtem Gesellschaftsvertrag jeder Gesellschafter befugt, monatlich zu Lasten seines Gewinnes der Geschäftskasse Beträge bis zu EUR 1.000,00 zu entnehmen.

Die aufgezeigten Regelungen weichen nicht von den gesetzlichen Regeln ab und entsprechen dem typischen Schema des Unternehmensgesetzbuches, weshalb der Beschwerdeführer als Mitunternehmer zu qualifizieren ist.

Die Gesamtschuldnerschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 zweiter Satz KommStG 1993 besteht daher zu Recht, sodass im Rahmen des der Abgabenbehörde eingeräumten Ermessenspielraumes der Abgabenbescheid erlassen werden konnte.

Das Ermessen der Behörde bei ihrer Entscheidung, welchen der Gesamtschuldner sie zur Leistung heranzieht, ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ( ZI. 1805/69, u. a.).

Im Sinne dieser Ermessensübung ist die Vorschreibung der Steuer an einen der Gesamtschuldner begründet, wenn die Einhebung beim anderen Gesamtschuldner bzw. beim (Haupt-)Schuldner zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden ist ( ZI. 84/16/0117).

Die Einhebung der gegenständlichen Steuerschuld beim Hauptschuldner (***T*** KG) bzw. bei dessen Komplementär (***1***) ist deshalb mit großen Schwierigkeiten verbunden bzw. unmöglich, weil das Schuldenregulierungsverfahren des Komplementärs in ein Abschöpfungsverfahren mündete und die Firma mittlerweile gelöscht wurde.

Bei Abstandnahme von der Gesamtschuldnerschaft würde der Abgabengläubiger seines Anspruches verlustig gehen.

Zu dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte C-81/09, ist Folgendes festzuhalten:

Gegenständlich geht es um die Kommunalsteuerbemessung gegenüber einem Kommanditisten als Mitunternehmer. In der Rs C-81/09 ging es hingegen um Geldbußen gegenüber Aktionären mit einem Anteil von Aktien von mehr als 2,5% wegen Verstößen privater Fernsehveranstalter gegen nationales Recht und journalistische Standesregeln.

In den sachlichen Geltungsbereich von Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit fallen nach der Rechtsprechung des EuGH nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.

Unter Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr fallen insbesondere Direktinvestitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen, sowie Portfolioinvestitionen, d. h. der Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH betrifft der Begriff "Beschränkung" iSd Art. 49 AEUV Maßnahmen, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen. Nationale Maßnahmen sind ebenso als "Beschränkungen" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV anzusehen, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren.

Der EuGH maß in der Rs C-81/09 der anzuwendenden Gelbbußenregelung die Wirkung zu, Investoren abzuhalten, und somit ihren Zugang zum Markt für Beteiligungen an Gesellschaften zubeeinträchtigen. Die Regelung ermöglicht es nämlich, die Aktionäre einerFernsehaktiengesellschaft für gegen diese Gesellschaft verhängte Geldbußen haftbar zu machen,damit diese Aktionäre dafür Sorge tragen, dass diese Gesellschaft die Gesetze und Standesregelnbeachtet, obwohl die Befugnisse, die diesen Aktionären nach den Regeln für das Funktionieren derOrgane von Aktiengesellschaften eingeräumt sind, ihnen keine praktische Möglichkeit dazu geben.

Obwohl die Maßnahme unterschiedslos auf inländische Investoren und Investoren andererMitgliedstaaten anwendbar ist, ist die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme für Investorenanderer Mitgliedstaaten größer als für inländische Investoren. Soweit nämlich das Ziel desGesetzes darin besteht, die Aktionäre dazu zu veranlassen, mit anderen Aktionären Allianzen zuschließen, um die Entscheidungen über die Führung der Geschäfte der Gesellschaft beeinflussenzu können, ist die Beachtung dieser Option, obgleich deren Wahrnehmung allen Aktionärenaufgegeben ist, zweifellos schwieriger für Investoren anderer Mitgliedstaaten, die über dieVerhältnisse der Medienlandschaft im Inland schlechter im Bilde sind und nicht notwendigerweisedie verschiedenen Gruppen oder Allianzen kennen, die im Kapital einer Gesellschaft, die Inhaberineiner Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehsenders ist, vertreten sind.

Folglich beschränkt die Regelung sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch den freienKapitalverkehr.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und desfreien Kapitalverkehrs zugelassen werden, wenn sich erweist, dass sie zwingenden Gründen desAllgemeininteresses entspricht, dass sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zugewährleisten, und dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zielserforderlich ist.

Die in Rs C-81/09 maßgebliche Geldbußenregelung sollte die Einhaltung der gesetzlichenVorschriften und der Standesregeln für Journalisten durch die Fernsehgesellschaften bewirken, umu. a. zu verhindern, dass die Ehre oder das Privatleben von Personen beeinträchtigt werden, derenBild gezeigt oder deren Name genannt wird. Die Regelung bezweckte, eine Gruppenbildung derAktionäre im Hinblick auf die Programmentscheidungen anzuregen.

Nach Ansicht des EuGH kann das Ziel der Geldbußenregelung, dass Journalisten die Gesetze undStandesregeln ihres Berufs befolgen, für den Journalisten persönlich wegen von ihnen begangeneVerstöße auferlegte Sanktionen angemessen sein, nicht aber für Aktionäre, die nicht notwendigJournalisten sind. Die Regelung ging sohin über das Ziel hinaus, zumal der EuGH hervorhob, dassdas Gesetz andere Sanktionsmöglichkeiten enthält, die zur Erreichung des mit ihm verfolgten Zielsgeeigneter erscheinen, da sie die Fernsehtätigkeit betreffen und nicht die einfache Beteiligung amGesellschaftskapital, so die Aussetzung oder Einstellung der Ausstrahlung einer bestimmten Sendung, die vorübergehende Aussetzung der Ausstrahlung aller Fernsehprogramme bis zu dreiMonaten, den Entzug der Erlaubnis zum Betrieb des Kanals und ethische Sanktionen.

Der EuGH wertete im Übrigen die Annahme der Regelung, dass alle Aktionäre einerAktiengesellschaft Fachleute in dem Bereich sind, in den der Gesellschaftszweck der Gesellschaftfällt, geradezu als Negation des freien Kapitalverkehrs, der u. a. auf Portfolioinvestitionen abzielt,d. h. auf den Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einerGeldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zuwollen. Es ist jedoch gerade diese Art von Investitionen, die Investoren aus anderenMitgliedstaaten, die ihre Anlagen diversifizieren möchten, tätigen könnten.

Der dem Urteil Rs C-81/09 zu Grunde liegende Sachverhalt und die anzuwendenden nationalenRegelungen unterscheiden sich somit grundlegend vom vorliegenden Sachverhalt und dem § 6Abs. 1 3. Satz KommStG, sodass der Bf mit seiner aufgezeigten Argumentation nichts daraus zugewinnen vermag. Gegenständlich geht es um keine Geldbußenregelung für Rechtsverstößeanderer Rechtsunterworfene. § 6 Abs. 1 3. Satz KommStG ist eine Regelung derGesamtschuldnerschaft hinsichtlich der Kommunalsteuer für alle Mitunternehmer des für ihreRechnung geführten Unternehmens. Es handelt sich somit nicht um eine Haftung für fremdeAbgabenschulden bzw. für die Abfuhr der Abgabenschulden der Gesellschaft, sondern um dieEntrichtung eigener Abgabenschulden für das für eigene Rechnung geführte Unternehmen.

Gesamtschuldnerregelungen für alle Steuerschuldner finden sich in vielen Steuervorschriften. Bei§ 6 Abs. 1 dritter Satz KommStG handelt es sich um eine Regelung des Steuersubjektes. Dabeiwird auch nicht auf einen Gesellschaftszweck, unternehmensbezogene Fachkompetenzen,berufliche Standespflichten, berufsspezifische Sorgfaltspflichten oder eine Staatsangehörigkeitabgestellt. Abschließend wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer auch keinengrenzüberschreitenden Sachverhalt geltend gemacht hat.

Das zitierte Urteil des EuGH ist somit im gegenständlichen Verfahren nicht von Relevanz.

Zur behaupteten Verjährung ist anzumerken:

Gemäß § 207 (1) der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, in der geltendenFassung, - unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung.

Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach demII. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 dreiJahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Gemäß § 209 (1) verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb derVerjährungsfrist von der Abgabenbehörde nach außen erkennbare Amtshandlungen zurGeltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigenunternommen werden.

Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen ineinem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Im Jahr 2010 erfolgte eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben. Im Zuge dieserPrüfung wurden die der Bemessung zugrundeliegenden Kommunalsteuerbeträge nachverrechnet.

Diese Prüfung stellt eine nach außen erkennbare Amtshandlung dar, welche die Verjährungsfristunterbrochen hat.

Im Jahr 2011 erging an die steuerliche Vertretung der Gesellschaft, nämlich an die ***2*** KG, eine e-mail betreffend auszustellender Bemessungsbescheide 2005 bis 2008,welche ebenfalls eine Unterbrechungshandlung darstellt.

Auch im Jahr 2012 wurde die Bemessungsverjährung unterbrochen, da einKommunalsteuerbemessungsbescheid für die Kalenderjahre 2005 bis 2008 an die Gesellschaft zuHanden der steuerlichen Vertretung (***2*** KG) erging.

Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen sowie festzusetzen istim gegenständlichen Verfahren somit nicht verjährt.

Es war spruchgemäß zu entscheiden."

****

Dagegen brachte der Bf. durch seine steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein und führte aus:

"Ich habe am gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 6, Dezernat II - Referat 1 vom , GZ MA 6/DII/R1 - ***XXXXX***, meinem bevollmächtigten Vertreter zugestellt am , Berufung (nunmehr Beschwerde bezeichnet) erhoben.

Diese Beschwerde hat die Magistratsabteilung 6, Dezernat II - Referat 1 gemäß § 263 BAO mit Beschwerdevorentscheidung vom , GZ MA 6/DII/R1 - ***xxxxx***, meinem bevollmächtigten Vertreter zugestellt am , abgewiesen

Meinem Beschwerdeantrag, wonach der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufzuheben und auszusprechen ist, dass

> dem Berufungswerber nicht die Stellung eines dem Regelstatut des UGB entsprechenden Kommanditisten zukam, er daher kein Mitunternehmer im Sinne von § 6 KommStG war und er daher aus der Gesamtschuld für die Kommunalsteuer zu entlasten ist, in eventu

> von der Einhebung abgesehen wird, da § 6 KommStG den Art. 49 AEUV und Art 63 AEUV entgegensteht, In eventu

> von der Einhebung der Kommunalsteuerrückstände der ***T*** KG beim Berufungswerber gemäß § 236 BAO nachgesehen wird, in eventu

> der Berufungswerber hinsichtlich dieser Kommunalsteuerrückstände gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld entlassen wird, in eventu

> die verjährten Kommunalsteuerrückstände nicht eingehoben werden, wurde nicht stattgegeben.

1. Begründung

Ich habe meinen Beschwerdeantrag unter anderem damit begründet, dass § 6 KommStG eine nationale Maßnahme darstellt, die den Artikeln 49 AEUV und 63 AEUV entgegensteht und somit nicht unionsrechtskonform ausgelegt und angewendet werden kann, weshalb diese Bestimmung unangewendet zu lassen ist. Dies wurde mit einem ähnlich gelagerten Fall in dem Erkenntnis C-81/09 vom des EUGH (Idryma Typou AE) begründet:

In diesem Erkenntnis hat der EUGH festgehalten, dass die Artikel 49 AEUV und 63 AEUV nationalen Regelungen entgegenstehen, die vorsehen, dass Geldbußen für Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen, denen aber aufgrund ihrer Befugnisse keine praktische Möglichkeit gegeben ist, für das Funktionieren der Organe der Gesellschaft

und das Beachten der Gesetze Sorge zu tragen, eben weil diese Gesellschafter gar nichtdie Möglichkeit haben, solche Verstöße zu verhindern.

Der Sachverhalt, der Gegenstand dieses Erkenntnisses war, ist entgegen der Begründungin der Beschwerdevorentscheidung dem hier vorliegenden Fall vergleichbar.

So hat die belangte Behörde unter anderem ausgeführt, dass § 6 Abs. 1 3. SatzKommStG eine Regelung der Gesamtschuldnerschaft hinsichtlich der Kommunalsteuer füralle Mitunternehmer des für ihre Rechnung geführten Unternehmens ist. Es handelt sichsomit nicht um eine Haftung für fremde Abgabenschulden bzw. für die Abfuhr der Abgabenschulden der Gesellschaft, sondern um die Entrichtung eigener Abgabenschulden fürdas für eigene Rechnung geführte Unternehmen. Gesamtschuldnerregelungen für alleSteuerschuldner finden sich in vielen Steuervorschriften. ...

Dabei wird auch nicht auf einen Gesellschaftszweck, unternehmensbezogene Fachkompetenzen, berufliche Standespflichten, berufsspezifische Sorgfaltspflichten oder eineStaatsangehörigkeit abgestellt.

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass daher das zitierte Urteil des EUGH im gegenständlichen Fall nicht von Relevanz sei.

Gemäß § 6 KommStG ist der Unternehmer Steuerschuldner, in dessen Unternehmen dieDienstnehmer beschäftigt werden. ...Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, sind diese Personen und der Unternehmer Gesamtschuldner: dies giltauch für Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Allerdings übersieht die belangte Behörde, dass Gegenstand des zitierten Urteils desEUGH nicht fremde Schulden, sondern ebenso eine gesamtschuldnerische Haftung war.

In Randnummer 12 des Urteils wird die dort gegenständliche Bestimmung angeführt, diefolgendermaßen lautet:

(3) Die in den vorstehenden Absätzen genannten Geldbußen werden gemeinschaftlichund gesamtschuldnerisch gegen die Gesellschaft und persönlich gegen ihren gesetzlichenVertreter (oder ihre gesetzlichen Vertreter), gegen alle Mitglieder ihres Verwaltungsratsund gegen alle Aktionäre verhängt, die einen Anteil an Aktien halten, der 2,5 % übersteigt.

Somit handelt es sich sowohl in dem dortigen als auch in dem vorliegenden Fall um einegesamtschuldnerische Haftung, wobei in beiden Fällen nicht auf einen Gesellschaftzweck, unternehmensbezogene Fachkompetenzen, berufliche Standespflichten, berufsspezifische Sorgfaltspflichten oder eine Staatsangehörigkeit abgestellt wird.

Daher Ist das zitierte Urteil für den vorliegenden Fall sehr wohl von Relevanz und gilt dasdortige Erkenntnis des EUGH auch für den hier vorliegenden Fall.

Wie oben beschrieben, hat der EUGH in dem zitierten Urteil erkannt, dass die Artikel 49und 63 AEUV nationalen Regelungen entgegenstehen, die vorsehen, dass für Geldbußen,die gegen eine Gesellschaft verhängt werden, auch alle Aktionäre gesamtschuldnerischhaften, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen, denen aber aufgrundihrer Befugnisse keine praktische Möglichkeit gegeben ist, für das Funktionieren der Organe der Gesellschaft und das Beachten der Gesetze Sorge zu tragen, eben weil diesegar nicht die Möglichkeit haben, solche Verstöße zu verhindern.

Auch ein Kommanditist hat aufgrund der Ihm eingeräumten Rechte gar keine Möglichkeit,zu verhindern, dass die Geschäftsführung einer Kommanditgesellschaft die ihr vorgeschriebenen Kommunalsteuern nicht bezahlt. Ein Kommanditist haftet somit gemäß § 6KommStG gesamtschuldnerisch für Versäumnisse, obwohl er keine Möglichkeit hat, diesezu verhindern. Daher stehen die Artikel 49 AEUV und 63 AEUV ebenso wie im ähnlichgelagerten Fall des zitierten Urteils dieser nationalen Bestimmung entgegen.

Darüber hinaus sind Kommanditisten anderer Mitgliedsstaaten von der gegenständlichenBestimmung stärker betroffen, weil es ihnen noch schwerer ist, Einblick auf den Geschäftsablauf zu nehmen und die beschränkten Kontrollrechte wahrzunehmen, um füreine ordentliche Geschäftsführung zu sorgen.

Schließlich handelt es sich auch im vorliegenden Fall um einen grenzüberschreitendenSachverhalt. So bin ich einerseits polnischer Staatsbürger, andererseits werden mir Abgaben aufgrund meiner Beteiligung als Kommanditist an der ***T*** KGmit Sitz in Österreich gemäß § 11 Abs. 3 iVm § 6 KommStG - somit aufgrund eines österreichischen Gesetzes -vorgeschrieben.

Beweis: Reisepass in Kopie

Das Vorbringen in der Beschwerde wird darüber hinaus vollinhaltlich aufrechterhalten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind. Das Unternehmen unterliegt der Kommunalsteuer in der Gemeinde, in der die Betriebsstätte unterhalten wird (§ 7 Abs. 1 KommStG 1993).

Gemäß § 5 Abs. 1 KommStG 1993 ist die Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.

Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b. des Einkommensteuergesetzes 1988 - EstG 1988, BGBl. Nr. 400/1998, in der derzeit geltenden Fassung, sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988.

Gemäß § 6 KommStG 1993 ist der Unternehmer Steuerschuldner. Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, sind diese Personen und der Unternehmer Gesamtschuldner, dies gilt auch für Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Gemäß § 6a Abs. 1 KommStG haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

Gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen, wenn sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig erweist oder die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet wird.

§ 15 KommStG lautet: Strafbestimmungen

§ 15 (1) Wer unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht die Kommunalsteuer verkürzt, begeht eine Verwaltungsübertretung. Die Tat wird mit Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß bei vorsätzlicher Begehung bis zum Zweifachen des verkürzten Betrages, höchstens aber 50.000 Euro, bei fahrlässiger Begehung bis zum Einfachen des verkürzten Betrages, höchstens aber 25.000 Euro, beträgt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist bei vorsätzlicher Tatbegehung eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, bei fahrlässiger Begehung bis zu drei Wochen festzusetzen.

(2) Wer, ohne hiedurch den Tatbestand des Abs. 1 zu verwirklichen, vorsätzlich die Kommunalsteuer nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen festzusetzen.

(3) Wer, ohne hiedurch den Tatbestand des Abs. 1 zu verwirklichen, vorsätzlich die Kommunalsteuererklärung nicht termingemäß einreicht oder eine abgabenrechtliche Pflicht zur Führung oder Aufbewahrung von Büchern oder sonstigen Aufzeichnungen verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche festzusetzen.

(4) Die Ahndung der Verwaltungsübertretungen richtet sich nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991.

§ 23 Z 2 EStG lautet: Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind: Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften), sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben.

Verjährung

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

§ 207 Abs. 2 BAO: Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.

§ 209 Abs. 1 BAO lautet: Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

Judikatur:

:

"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es einem Kommanditisten als Mitunternehmer nach § 6 KommStG 1993 verwehrt, der gegen ihn erhobenen Kommunalsteuerforderung seine handelsrechtliche Haftungsbeschränkung als Kommanditist entgegen zu halten. Der Kommanditist wird im Grunde des § 6 KommStG 1993 kraft Gesetzes unmittelbar und neben der Kommanditgesellschaft Abgabenschuldner der Kommunalsteuer des (auch) für seine Rechnung betriebenen Unternehmens der Gesellschaft. Kommanditisten sind im Hinblick auf die Anführung dieser Art von Gesellschaftern im § 23 Z. 2 EStG 1988 grundsätzlich Mitunternehmer. Eine dem Regelstatut des HGB entsprechende Stellung als Kommanditist bewirkt dessen Mitunternehmerstellung im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 (vgl. etwas das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/13/0085, mwN).

Dies gilt gleichermaßen für Kommanditisten von Kommanditerwerbs-gesellschaften nach dem - mit Ablauf des außer Kraft getretenen - Erwerbsgesellschaftengesetz, BGBl. Nr. 257/1990, weil auch solche Kommanditisten im Hinblick auf ihre zufolge des § 4 Abs. 1 leg. cit. mit Kommanditisten von Kommanditgesellschaften vergleichbare Stellung als Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 anzusehen sind."

:

"Nach § 6 KommStG 1993 in seiner im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor seiner Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 142/2000 ist der Unternehmer Steuerschuldner. Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, sind diese Personen und der Unternehmer Gesamtschuldner; dies gilt auch für Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Aus der Anführung der Kommanditgesellschaft in § 23 Z. 2 EStG 1988 ergibt sich, dass Kommanditisten einkommensteuerlich jedenfalls dann als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn ihre Stellung der vom Regelstatut des HGB vorgegebenen entspricht (siehe das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0128, mit weiteren Nachweisen). Dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Kommanditist der GesmbH & Co KG nicht Mitunternehmer dieser Kommanditgesellschaft gewesen sei, hat er zu keiner Zeit behauptet. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als Mitunternehmer der GesmbH & Co KG aber brachte es mit sich, dass der Beschwerdeführer im Grunde des § 6 KommStG 1993 kraft Gesetzes unmittelbar und neben der GesmbH & Co KG als Unternehmer Abgabenschuldner der Kommunalsteuerschuld des (auch) für seine Rechnung betriebenen Unternehmens der GesmbH & Co KG wurde. Dies verschloss dem Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde unter Hinweis auf die zur vergleichbaren Regelung des § 4 Abs. 1 GewStG 1953 ergangene Rechtsprechung (siehe hiezu die Nachweise bei Fellner, KommStG3, § 6 Rz 9, und bei Taucher, Kommentar zur Kommunalsteuer, § 6 Anm. 12) zutreffend ausgeführt hat, die Möglichkeit, der gegen ihn erhobenen Kommunalsteuerschuld seine handelsrechtliche Haftungsbeschränkung als Kommanditist einzuwenden."

Da die Feststellungen der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt gelten, wäre es Sache des Bf. gewesen, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser (in der Berufungsvorentscheidung auch inhaltlich mitgeteilten) Ermittlungen auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (Hinweis E , 93/17/0110; E , 85/17/0019).

2. Rechtliche Würdigung

Die belangte Behörde hat sich in der Beschwerdevorentscheidung ausführlich mit den Beschwerdevorbringen des Bf. auseinandergesetzt und ausgeführt, weshalb dem Bf. die Stellung eines Mitunternehmers zukommt, dem zitierten EuGH Urteil keine Relevanz zukommt und auch keine Verjährung eingetreten ist.

Im Vorlageantrag wurden ergänzende Vorbringen zum EuGH-Urteil vorgebracht, im Übrigen noch angeführt, dass "das Vorbringen in der Beschwerde darüber hinaus vollinhaltlich aufrechterhalten wird", ohne sich mit den in der Beschwerdevorentscheidung enthaltenen Fakten auseinanderzusetzen.

Die Ausführungen der belangen Behörde zur Verjährung - konkret zu den Unterbrechungshandlungen - sowie zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages sind daher als zutreffend anzusehen.

Nachdem die Ausführungen der belangten Behörde ausführlich sind und sich das Bundesfinanzgericht auch den rechtlichen Ausführungen anschließt, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen.

Daher wird lediglich auf das Vorbringen, dass § 6 KommStG den Art. 49 AEUV und Art. 63 AEUV entgegensteht, eingegangen:

Das Vorbringen wird von der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. mit dem Erkenntnis C-81/09 vom des EUGH (Idryma Typou AE) begründet und die Ansicht vertreten, dass der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier vorliegenden vergleichbar sei.

Das Urteil lautet:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Richtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Idryma Typou AE, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Athen (Griechenland), und dem Ypourgos Typou kai Meson Mazikis Enimerosis (Minister für Presse und Massenmedien) der Hellenischen Republik wegen einer Geldbuße, die gegen diese Gesellschaft wegen Verletzung der gesetzlichen Vorschriften und der Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gelten, verhängt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 In den ersten drei Erwägungsgründen der Ersten Richtlinie heißt es:

"Die in Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) [des EWG-Vertrags] und im Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vorgesehene Koordinierung ist insbesondere bei den Aktiengesellschaften, den Kommanditgesellschaften auf Aktien und den Gesellschaften mit beschränkter Haftung dringlich, da die Tätigkeit dieser Gesellschaften häufig über die Grenzen des nationalen Hoheitsgebiets hinausreicht.

Der Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Offenlegung, die Wirksamkeit eingegangener Verpflichtungen und die Nichtigkeit dieser Gesellschaften kommt insbesondere zum Schutz der Interessen Dritter eine besondere Bedeutung zu.

Auf diesen Gebieten müssen Vorschriften der Gemeinschaft für diese Gesellschaften gleichzeitig erlassen werden, da diese Gesellschaften zum Schutze Dritter lediglich das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stellen."

4 Art. 1 der Ersten Richtlinie in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Griechenland und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1979, L 291, S. 17) geänderten Fassung bestimmt:

"Die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen gelten für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Gesellschaften folgender Rechtsformen:

- in Griechenland:

ανώνυμη εταιρία, εταιρία περιωρισμένης ευθύνης, ετερόρρυθμη κατά μετοχές εταιρία [die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Kommanditgesellschaft auf Aktien]".

5 Die Erste Richtlinie umfasst drei Abschnitte. Der erste Abschnitt behandelt die Offenlegung von Gesellschaftsurkunden, der zweite die Gültigkeit der von der Gesellschaft durch die Handlungen ihrer Organe eingegangenen Verpflichtungen und der dritte die Nichtigkeit von Gesellschaften.

Nationales Recht

6 Nach Art. 15 Abs. 2 der griechischen Verfassung in der vor der Verfassungsrevision von 2001 geltenden Fassung stehen Hörfunk und Fernsehen unter der unmittelbaren Aufsicht des Staates.

7 Durch das Gesetz Nr. 2863/2000 über den Nationalen Rundfunk- und Fernsehrat sowie andere Behörden oder Einrichtungen im Bereich der Erbringung von Hörfunk- und Fernsehdienstleistungen (FEK A' 262) wurde der Ethniko Symvoulio Radiotileorasis (Nationaler Rundfunk- und Fernsehrat, im Folgenden: ESR) geschaffen.

8 Das Gesetz Nr. 2328/1995 betreffend die rechtliche Regelung des Privatfernsehens und des lokalen Hörfunks, die Regelung von Fragen im Zusammenhang mit dem Markt für Hörfunk und Fernsehen und andere Bestimmungen (FEK A' 159, im vorliegenden Fall in der nach der Änderung durch das Gesetz Nr. 2644/1998 über die Erbringung von Hörfunk- und Fernsehdienstleistungen gegen Entgelt [FEK A' 233] geltenden Fassung, im Folgenden: Gesetz Nr. 2328/1995) definiert die rechtliche Regelung und den Rahmen für den Betrieb des Privatfernsehens und des lokalen Hörfunks.

9 Dieses Gesetz regelt insbesondere die Erteilung von Erlaubnissen für die Gründung, die Errichtung und den Betrieb von privaten Fernsehsendern sowie die Beteiligung an Aktiengesellschaften, die eine solche Erlaubnis beantragen. Diese Beteiligungen müssen grundsätzlich in Form von Namensaktien erfolgen. Verschiedene gesetzliche Bestimmungen beschränken die Höchstbeteiligung einer natürlichen oder juristischen Person am Aktienkapital einer Gesellschaft, die Inhaberin einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehsenders ist, auf 25 %. Im Übrigen ist jede Übertragung von Beteiligungen über 2,5 % des Aktienkapitals dem ESR bekannt zu geben.

10 Art. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 bestimmt:

"(1b) Sendungen aller Art (einschließlich Werbung), die von Hörfunk- und Fernsehsendern ausgestrahlt werden, müssen die Persönlichkeit, die Ehre, das Ansehen, das Privat- und Familienleben, die berufliche, soziale, wissenschaftliche, künstlerische, politische oder jede andere ähnliche Tätigkeit jeder Person achten, die in einer Sendung gezeigt oder namentlich erwähnt wird oder durch hinreichende Angaben identifizierbar ist."

11 Art. 3 Abs. 15 des Gesetzes Nr. 2328/1995 sieht die Ausarbeitung von Standesregeln des journalistischen Berufs durch den ESR vor. Art. 5 der Verordnung Nr. 1/1991 des ESR bestimmt, dass "[es] nicht zulässig [ist], Personen in einer Art und Weise darzustellen, durch die unter den gegebenen Umständen ihre Erniedrigung, soziale Isolierung oder Diskriminierung begünstigt wird."

12 Art. 4 des Gesetzes Nr. 2328/1995 sieht vor:

"(1) In allen Fällen eines Verstoßes gegen (a) nationale Rechtsvorschriften, [Rechtsvorschriften] der Europäischen Union und Regeln des Völkerrechts, die unmittelbar oder mittelbar die privaten Fernsehsender und allgemeiner den Betrieb von Privatfernsehen betreffen, (b) … [und] (c) Standesregeln, die gemäß Art. 3 des vorliegenden Gesetzes festgelegt worden sind, werden … folgende … Sanktionen verhängt: (a) Empfehlungen und Verwarnungen, (b) Geldbußen von 5 Millionen bis 500 Millionen Drachmen …, (c) die vorübergehende Aussetzung für höchstens drei Monate [oder] endgültige Einstellung der Ausstrahlung einer bestimmten Sendung des Kanals, (d) die vorübergehende Aussetzung der Ausstrahlung aller Fernsehprogramme für höchstens drei Monate, (e) der Entzug der Erlaubnis für den Betrieb des Kanals und (f) ethische Sanktionen (wie die verpflichtende Ausstrahlung einer Bekanntmachung der weiteren verhängten Sanktionen). Der ESR übermittelt seine Entscheidung unverzüglich an den Ypourgos Typou kai Meson Mazikis Enimerosis, der eine Rechtmäßigkeitskontrolle vornimmt und die Entscheidung über die Verhängung der Sanktion erlässt. Die Wahl der Art der im vorliegenden Artikel genannten Verwaltungssanktion und die Festsetzung ihrer Höhe erfolgen unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes, des Publikums des Programms, in dessen Rahmen der Verstoß begangen wurde, des Anteils am Markt für Hörfunk- und Fernsehdienstleistungen, die der Inhaber der Erlaubnis möglicherweise erworben hat, der Höhe der erfolgten oder geplanten Investitionen und des möglichen Vorliegens von Wiederholungen. Die Entscheidung des ESR über die Verhängung von Sanktionen im Sinne des vorliegenden Absatzes enthält eine vollständige und spezifische Begründung und wird in jedem Fall nach Anhörung der Betroffenen in zumindest einer Zusammenkunft der Vollversammlung dieser Einrichtung erlassen.

(3) Die in den vorstehenden Absätzen genannten Geldbußen werden gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch gegen die Gesellschaft und persönlich gegen ihren gesetzlichen Vertreter (oder ihre gesetzlichen Vertreter), gegen alle Mitglieder ihres Verwaltungsrats und gegen alle Aktionäre verhängt, die einen Anteil an Aktien halten, der 2,5 % übersteigt.

(5) Die genannten Verwaltungssanktionen sind vom Vorliegen einer etwaigen strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Haftung unabhängig."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Aktiengesellschaft, ist Aktionärin der Nea Tileorasi AE, die Eigentümerin des Fernsehsenders Star Channel ist.

14 Sie wendet sich vor dem Symvoulio tis Epikrateias gegen die Entscheidung Nr. 11840/E/ des Ypourgos Typou kai Meson Mazikis Enimerosis, mit der ihr eine Geldbuße in Höhe von 10 000 000 Drachmen (ungefähr 29 347 Euro) gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch mit der Nea Tileorasi AE sowie mit deren anderen Aktionären und deren Verwaltungsratsmitgliedern mit der Begründung auferlegt wurde, dass sie während der Hauptnachrichtensendung des Fernsehsenders Star Channel am gegen die Verpflichtung zur Achtung der Persönlichkeit, der Ehre, des Ansehens und des Familienlebens verschiedener Persönlichkeiten sowie der zu deren Gunsten geltenden Unschuldsvermutung verstoßen habe. Sie ficht außerdem die Entscheidung Nr. 122/91/ des ESR an, auf deren Grundlage die angefochtene ministerielle Entscheidung ergangen ist.

15 Die Vierte Kammer des Symvoulio tis Epikrateias, die mit der Klage befasst wurde, verwies die Rechtssache aufgrund ihrer großen Bedeutung an das Plenum.

16 Der Symvoulio tis Epikrateias hat eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 im Hinblick auf den in Art. 5 der griechischen Verfassung geschützten Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit vorgenommen, da er eine Sanktion gegen die Aktionäre der Gesellschaft vorsieht. Er ist im Wesentlichen der Ansicht, dass der nationale Gesetzgeber das Recht habe, Vorschriften zu erlassen, die von den allgemeinen Regeln, die für Aktiengesellschaften gälten, und insbesondere von dem Grundsatz abwichen, dass Aktionäre nicht für die Schulden der juristischen Person hafteten, einem fundamentalen und zwingenden Grundsatz der allgemeinen Rechtsvorschriften über Aktiengesellschaften, der aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz sei. Der nationale Gesetzgeber habe diese Möglichkeit erst recht, wenn es sich um besondere Gesellschaften handele, die dem öffentlichen Interesse dienten und der unmittelbaren Aufsicht des Staates unterlägen. Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 sehe jedenfalls keine gesamtschuldnerische Haftung der Aktionäre für die "Schulden" der juristischen Person vor, sondern die Verhängung von Verwaltungssanktionen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die in dieser Bestimmung angeführten Personen. Schließlich werde dadurch die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit nicht unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert.

17 Der Symvoulio tis Epikrateias verweist jedoch auf Sondervoten von Mitgliedern des Spruchkörpers, denen zufolge die streitige Bestimmung die Aktionäre der Fernsehaktiengesellschaften verpflichte, eine Geldbuße zu zahlen, die der Gesellschaft als solcher wegen eines Rechtsverstoßes bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auferlegt worden sei und die eine Schuld darstelle, die zu den Passiva der Gesellschaft zähle. Diese Bestimmung verletze die fundamentalen Grundsätze des Rechts der Aktiengesellschaften - u. a. des Grundsatzes, das Risiko des Aktionärs zu beschränken - und demnach die in Art. 5 der griechischen Verfassung geschützte wirtschaftliche Freiheit, die das Recht umfasse, Handelsgesellschaften zu gründen, da die freie Marktwirtschaft ohne solche Gesellschaften nicht funktionieren könne. Denn in dem Grundsatz, dass die Aktiengesellschaft allein für die Gesellschaftsschulden hafte, gelange in elementarer Weise das Wesen von Kapitalgesellschaften zum Ausdruck, und damit auch das Wesen der Aktiengesellschaft. Es komme nicht darauf an, dass die Gesellschaft eine Tätigkeit im öffentlichen Interesse ausübe oder dass sie der Aufsicht des Staates unterworfen sei.

18 Im Rahmen seiner Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stellt der Symvoulio tis Epikrateias fest, dass die streitige Regelung ein zulässiges Ziel verfolge und keine Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit darstelle, die im Vergleich zu den mit ihr verfolgten Zielen offenkundig unverhältnismäßig sei, da offensichtlich nicht angenommen werden könne, dass sie die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit im Bereich der Errichtung und des Betriebs von privaten Fernsehsendern unmöglich mache oder wesentlich erschwere.

19 Der Symvoulio tis Epikrateias legt u. a. dar, dass der nationale Gesetzgeber, der die Voraussetzungen und die tatsächliche Situation der Fernsehlandschaft in dem Land kenne, der Ansicht sei, dass ein Aktionär, dessen Anteil an den Aktien 2,5 % übersteige, kein gewöhnlicher Anleger sei, sondern dass es sich in der Sache um einen als Unternehmer tätigen Aktionär handele, der aufgrund dieser Beteiligung an der Gesellschaft die Möglichkeit habe, die Leitung der juristischen Person und folglich den Betrieb des Fernsehsenders zu beeinflussen. Diese inhaltliche Beurteilung des nationalen Gesetzgebers könne weder als offenkundig fehlerhaft noch als sachwidrig angesehen werden, wenn man den Umstand berücksichtige, dass nach dem Gesetz Nr. 2328/1995 ein Aktionär (eine natürliche oder juristische Person) höchstens 25 % des Gesellschaftskapitals halten dürfe und dass demnach die Zusammenarbeit mehrerer Aktionäre bei der Leitung der Gesellschaft absolut erforderlich sei, um deren Geschäftsführung zu beeinflussen.

20 Der Symvoulio tis Epikrateias nimmt jedoch auf die Sondervoten von Mitgliedern des Spruchkörpers Bezug, die diese Art der objektiven Haftung der Aktionäre, welche den Erwerb der Aktien von Fernsehaktiengesellschaften unattraktiv mache, beanstandeten. Die Maßnahme könne die Verwirklichung des verfolgten Ziels nicht fördern, da eine Beteiligung von etwas mehr als 2,5 % zu gering sei, um die Geschäftsführung der Gesellschaft zu beeinflussen und zu verhindern, dass sie sich standeswidrig verhalte. Die Maßnahme bedeute in Wirklichkeit, dass gegen einen Aktionär einer Fernsehaktiengesellschaft, der einen begrenzten Anteil am Aktienkapital halte, ausschließlich deshalb eine Sanktion verhängt werde, weil er Aktionär einer derartigen Aktiengesellschaft sei.

21 In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 mit den verschiedenen Richtlinien der Union über Gesellschaften vereinbar sei.

22 Dazu meint es, dass sich der Regelungsbereich von Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 nicht mit dem der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien überschneide. Denn diese enthielten keine Vorschriften, die sich darauf bezögen oder es gar untersagten, dass im Allgemeinen Aktionäre einer Aktiengesellschaft, die einen bestimmten prozentualen Aktienanteil besäßen, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch mit der juristischen Person der Gesellschaft für Geldbußen hafteten, die wegen eines Gesetzesverstoßes durch die Tätigkeit der juristischen Person, die eine Aktiengesellschaft sei, verhängt worden seien, und das Gleiche gelte im Besonderen dann, wenn die geahndeten Gesetzesverstöße aus der Tätigkeit einer juristischen Person resultierten, die eine Aktiengesellschaft im Besitz einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehsenders sei. Ein solches Verbot könne nicht aus Art. 1 der Ersten Richtlinie abgeleitet werden, in dem sich der Unionsgesetzgeber darauf beschränkt habe, die bereits vorhandenen Gesellschaftsformen in den Mitgliedstaaten aufzuzählen, für die die Vorschriften der Richtlinie gälten.

23 Auch wenn angenommen werde, dass sich die Anwendungsbereiche der Ersten Richtlinie und des Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 überschnitten, verstoße diese Bestimmung nicht gegen Art. 1 dieser Richtlinie. Dieser Artikel enthalte nämlich keine Definition der Aktiengesellschaft und beschränke sich darauf, die Gesellschaftsformen aufzuzählen, auf die die Richtlinie Anwendung finde. Folglich hindere das Unionsrecht den nationalen Gesetzgeber nicht daran, entweder neue Gesellschaftsformen einzuführen, die nicht in den Anwendungsbereich der Gesellschaftsrichtlinien fielen, oder (besondere) Aktiengesellschaften zu schaffen, auf die vom Unionsrecht der Aktiengesellschaften abweichende Vorschriften Anwendung fänden, vorausgesetzt natürlich, diese abweichenden Regelungen verstießen nicht gegen die besonderen Vorschriften der Richtlinien über Gesellschaften oder gegen das Unionsrecht im Allgemeinen, wie es sich im Fall des Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 verhalte.

24 Nach Ansicht des Symvoulio tis Epikrateias ergibt sich das Fehlen einer unionsrechtlichen Garantie dafür, dass Aktionäre einer Aktiengesellschaft für die Schulden der juristischen Person nicht hafteten, zum einen daraus, dass in den Rechtsordnungen vieler Mitgliedstaaten seit Jahrzehnten - hauptsächlich durch die Rechtsprechung - der Grundsatz der möglichen Aufhebung der Selbständigkeit der juristischen Person anerkannt worden sei, der unter bestimmten Voraussetzungen zur Haftung eines Aktionärs für die Verpflichtungen der Aktiengesellschaft führe, ohne dass sich die Frage nach einem Widerspruch dieses Grundsatzes zum Unionsrecht stelle, zum anderen aber auch daraus, dass die Voraussetzungen für eine solche Aufhebung der Selbständigkeit der juristischen Person nicht harmonisiert worden seien.

25 Nach der Mindermeinung mehrerer Mitglieder des vorlegenden Gerichts hat der Begriff "Aktiengesellschaft" in Art. 1 der Ersten Richtlinie jedoch einen verpflichtenden Mindestgehalt. Die grundlegenden Merkmale einer Aktiengesellschaft, von denen der nationale Gesetzgeber nicht abweichen könne, seien

a) die strenge Unterscheidung zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem persönlichen Vermögen ihrer Aktionäre und

b) das Fehlen einer persönlichen Haftung der Aktionäre für die Gesellschaftsschulden, da die Aktionäre nur dazu verpflichtet seien, ihre Einlage zu zahlen, deren Höhe sich nach ihrer Beteiligung am gesamten Gesellschaftskapital richte.

26 Nach dieser Mindermeinung sei außerdem in keiner Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union in der Gesetzgebung oder in der Rechtsprechung eine Abschwächung des Grundsatzes zugelassen worden, dass der Aktionär nicht mit seinem persönlichen Vermögen für die Schulden der Gesellschaft hafte. Es sei in der Rechtsprechung einzig bejaht worden, dass im Falle eines vollständigen Zusammenfallens des Vermögens einer Aktiengesellschaft mit demjenigen eines Aktionärs und der treuwidrigen Verwaltung des damit einheitlichen Vermögens durch persönliche Handlungen oder Unterlassungen des Aktionärs dieser sich gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nicht mehr auf den Grundsatz der Selbständigkeit der beiden Vermögen (des persönlichen und des Gesellschaftsvermögens) berufen könne.

27 Das vorlegende Gericht stellt demgemäß unterschiedliche Auffassungen zu den Fragen fest, ob sich die Regelungsbereiche des Art. 1 der Ersten Richtlinie und des Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 überschneiden und ob die nationale Rechtsvorschrift mit dieser Bestimmung vereinbar ist.

28 Unter diesen Umständen hat der Symvoulio tis Epikrateias gemäß Art. 234 Abs. 3 EG und unter Berücksichtigung des Urteils vom , Cilfit u. a. (283/81, Slg. 1982, 3415), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Enthält die Richtlinie 68/151, die in Art. 1 bestimmt, dass die "durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen … für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Gesellschaften folgender Rechtsformen [gelten]: … - in Griechenland: ανώνυμη εταιρία [Aktiengesellschaft] …", eine Regelung, die den Erlass einer nationalen Vorschrift wie derjenigen des Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 verbietet, soweit diese bestimmt, dass die in den vorangehenden Absätzen dieses Artikels vorgesehenen Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gelten, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, die Inhaberin der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb des Fernsehsenders ist, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien besitzen, der über 2,5 % liegt?

29 Der Gerichtshof hat die in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten, die an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen wünschten, ersucht, sich insbesondere zur Relevanz von Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit und von Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr für die Beantwortung der vom Symvoulio tis Epikrateias gestellten Frage zu äußern.

Zur Vorlagefrage

30 Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung der Ersten Richtlinie.

31 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein einzelstaatliches Gericht die Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. Urteil vom , ČEZ, C-115/08, Slg. 2009, I-10265, Randnr. 81).

32 In Anbetracht des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und der anzuwendenden griechischen Regelung sind neben der Ersten Richtlinie auch die Art. 49 AEUV und 63 AEUV auszulegen.

Zur Ersten Richtlinie

33 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Erste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 entgegensteht, wonach die in den vorangehenden Absätzen dieses Artikels vorgesehenen Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gelten, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, die Inhaberin der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb des Fernsehsenders ist, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen.

34 Die griechische Regierung weist darauf hin, dass Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 nicht allgemein die gesamtschuldnerische Haftung der Aktionäre der Gesellschaft, die einen Aktienanteil von mehr als 2,5 % besäßen, für die Schulden der juristischen Person vorsehe, sondern dass die Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gälten, sowohl gegen die Gesellschaft, die Inhaberin der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb des Fernsehsenders sei, als auch gegen alle diese Aktionäre verhängt würden, die eine besondere Bedeutung für die Errichtung und den Betrieb der juristischen Person hätten.

35 Insoweit ist indessen zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung das Verfahren gemäß Art. 267 AEUV auf einer klaren Trennung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, der nur befugt ist, sich zur Auslegung oder zur Gültigkeit von Rechtsakten der Union im Sinne dieses Artikels zu äußern. In diesem Rahmen kann der Gerichtshof weder über die Auslegung nationaler Rechtsvorschriften befinden noch darüber entscheiden, ob diese vom nationalen Gericht zutreffend ausgelegt worden sind (vgl. Urteil vom , Auroux u. a., C-220/05, Slg. 2007, I-385, Randnr. 25).

36 Es ist daher die Auslegung des griechischen Rechts zugrunde zu legen, wie sie in Randnr. 17 des vorliegenden Urteils zusammengefasst wurde und die Prämisse der an den Gerichtshof gerichteten Frage bildet.

37 Die Erste Richtlinie wurde auf der Grundlage von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des EWG-Vertrags, jetzt Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV, erlassen.

38 Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV sieht vor, dass der Gesetzgeber der Union zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit Richtlinien erlässt, um, soweit erforderlich, die Schutzbestimmungen zu koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 54 Abs. 2 AEUV im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten. Nach Art. 54 Abs. 2 AEUV gelten als "Gesellschaften" die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.

39 Wie sich aus den ersten beiden Erwägungsgründen der Ersten Richtlinie ergibt, soll diese die einzelstaatlichen Vorschriften über die Offenlegung, die Wirksamkeit eingegangener Verpflichtungen und die Nichtigkeit von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung koordinieren. Die Vorschriften, die in das jeweilige nationale Recht zu übernehmen sind, werden in den Art. 2 bis 12 der Ersten Richtlinie genannt.

40 Auch wenn im dritten Erwägungsgrund der Ersten Richtlinie angedeutet wird, dass es einen Grundsatz gebe, wonach ausschließlich die Gesellschaften mit ihrem Gesellschaftsvermögen Dritten gegenüber für ihre Schulden hafte, sieht diese Richtlinie weder einen einheitlichen Begriff der Aktiengesellschaften noch der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor, der auf einen solchen Grundsatz gestützt wäre. Art. 1 der Ersten Richtlinie nennt hingegen für jeden Mitgliedstaat die verschiedenen in dessen Recht bestehenden Arten von Gesellschaften, auf die die in den Art. 2 bis 12 genannten Vorschriften anzuwenden sind.

41 Folglich schreibt die Erste Richtlinie nicht vor, was eine Aktiengesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu sein hat, sondern beschränkt sich darauf, Vorschriften vorzusehen, die auf bestimmte Arten von Gesellschaften anzuwenden sind, die vom Gesetzgeber der Union als Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung identifiziert wurden.

42 Auch wenn im Übrigen aus einer Prüfung des Rechts der Mitgliedstaaten, wie sie die Generalanwältin in Nr. 34 ihrer Schlussanträge vorgenommen hat, hervorgeht, dass die Aktionäre der in Art. 1 der Ersten Richtlinie genannten Gesellschaften in den meisten Fällen nicht persönlich für die Schulden einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haften, kann daraus nicht geschlossen werden, dass es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gesellschaftsrechts handelte, der unter allen Umständen und ohne Ausnahme gilt.

43 Im Hinblick auf die Verpflichtungen einer Gesellschaft lässt sich ein allgemeiner Grundsatz ebenso wenig aus den Art. 7 bis 9 der Ersten Richtlinie herleiten, die sich darauf beschränken, insoweit eine Reihe von Regeln aufzustellen.

44 Daher ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Ersten Richtlinie noch aus ihrer Auslegung im Licht ihres Gegenstands oder des Rechts der Mitgliedstaaten, dass diese Richtlinie eine Regel vorsähe, wonach ein Aktionär niemals für eine Geldbuße haften dürfte, die gegen eine Gesellschaft verhängt wurde, so insbesondere auch nicht für den Fall, dass die Geldbuße gegen eine Aktiengesellschaft und gegen diesen Aktionär gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch verhängt wird.

45 Im Übrigen würde das Bestehen einer solchen Regel im nationalen Recht angesichts des beschränkten Gegenstands der Ersten Richtlinie diesen nicht beeinträchtigen.

46 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die Erste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 nicht entgegensteht, wonach die in den vorangehenden Absätzen dieses Artikels vorgesehenen Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gelten, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, die Inhaberin der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb des Fernsehsenders ist, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen.

Zur Niederlassungsfreiheit und zum freien Kapitalverkehr

47 In den sachlichen Geltungsbereich von Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit fallen nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom , Baars, C-251/98, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 22, vom , Kommission/Deutschland, C-112/05, Slg. 2007, I-8995, Randnr. 13, und vom , Kommission/Italien, C-326/07, Slg. 2009, I-2291, Randnr. 34).

48 Unter Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr fallen insbesondere Direktinvestitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen, sowie Portfolioinvestitionen, d. h. der Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Glaxo Wellcome, C-182/08, Slg. 2009, I-8591, Randnr. 40).

49 Eine nationale Regelung, die nicht nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern unabhängig vom Umfang der Beteiligung eines Aktionärs an einer Gesellschaft gilt, kann sowohl unter Art. 49 AEUV als auch unter Art. 63 AEUV fallen (vgl. Urteil Kommission/Italien, Randnr. 36).

50 Im Ausgangsverfahren beschränkt das griechische Recht die Höchstbeteiligung einer natürlichen oder juristischen Person am Aktienkapital einer Gesellschaft, die Inhaberin einer Erlaubnis für die Gründung, die Errichtung und den Betrieb eines privaten Fernsehsenders ist, auf 25 %. Außerdem sieht Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 vor, dass eine Geldbuße gegen einen Aktionär verhängt werden kann, sobald er einen Anteil an den Aktien einer solchen Gesellschaft besitzt, der über 2,5 % liegt.

51 Je nach der Verteilung des übrigen Gesellschaftskapitals, insbesondere im Fall seiner Streuung unter einer großen Zahl von Aktionären, kann eine Beteiligung von 25 % ausreichen, um die Kontrolle über eine Gesellschaft zu halten oder zumindest im Sinne des in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils angeführten Urteils Baars einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnr. 38). Die griechische Regelung kann daher in den sachlichen Geltungsbereich von Art. 49 AEUV fallen.

52 Soweit die Regelung Aktionäre betrifft, deren Beteiligung über 2,5 % liegt, aber nicht ausreicht, um die Kontrolle oder einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben, kann sie auch unter Art. 63 AEUV fallen.

53 Folglich sind diese beiden Bestimmungen auszulegen.

54 Nach ständiger Rechtsprechung betrifft der Begriff "Beschränkung" im Sinne von Art. 49 AEUV die Maßnahmen, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (Urteil vom , Kommission/Italien, C-518/06, Slg. 2009, I-3491, Randnr. 62).

55 Nationale Maßnahmen sind ebenso als "Beschränkungen" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV anzusehen, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 19).

56 Im Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass die streitige Maßnahme die Wirkung hat, Investoren abzuhalten, und somit ihren Zugang zum Markt für Beteiligungen an Gesellschaften beeinträchtigt.

57 Die nationale Maßnahme ermöglicht es nämlich, die Aktionäre einer Fernsehaktiengesellschaft für Geldbußen haftbar zu machen, die gegen diese Gesellschaft verhängt wurden, damit diese Aktionäre dafür Sorge tragen, dass diese Gesellschaft die griechischen Gesetze und Standesregeln beachtet, obwohl die Befugnisse, die diesen Aktionären nach den Regeln, die für das Funktionieren der Organe von Aktiengesellschaften gelten, eingeräumt sind, ihnen keine praktische Möglichkeit dazu geben.

58 Obwohl die Maßnahme unterschiedslos auf griechische Investoren und Investoren anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, ist die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme für Investoren anderer Mitgliedstaaten größer als für griechische Investoren.

59 Soweit nämlich das Ziel des Gesetzes darin besteht, die Aktionäre dazu zu veranlassen, mit anderen Aktionären Allianzen zu schließen, um die Entscheidungen über die Führung der Geschäfte der Gesellschaft beeinflussen zu können, ist die Beachtung dieser Option, obgleich deren Wahrnehmung allen Aktionären aufgegeben ist, zweifellos schwieriger für Investoren anderer Mitgliedstaaten, die über die Verhältnisse der Medienlandschaft in Griechenland schlechter im Bilde sind und nicht notwendigerweise die verschiedenen Gruppen oder Allianzen kennen, die im Kapital einer Gesellschaft, die Inhaberin einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehsenders ist, vertreten sind.

60 Folglich beschränkt eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren streitige sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch den freien Kapitalverkehr.

61 Dies wäre auch dann der Fall, wenn eine solche Maßnahme so ausgelegt würde, wie es die griechische Regierung erläutert hat und wie es in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils dargestellt worden ist.

62 Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs kann zugelassen werden, wenn sich erweist, dass sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, dass sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit Urteil Kommission/Italien, C-518/06, Randnr. 72, und hinsichtlich des freien Kapitalverkehrs Urteil Kommission/Deutschland, Randnrn. 72 und 73).

63 Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, soll die im Ausgangsverfahren streitige Maßnahme die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Standesregeln für Journalisten durch die Fernsehgesellschaften bewirken, um u. a. zu verhindern, dass die Ehre oder das Privatleben von Personen beeinträchtigt werden, deren Bild gezeigt oder deren Name genannt wird. Dabei handelt es sich zweifellos um ein legitimes Ziel.

64 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass die Akten keinen Hinweis darauf enthielten, warum man davon ausgehen könnte, dass ein Aktionär, der mehr als 2,5 % der Anteile einer Fernsehgesellschaft besitze, in der Lage sein sollte, die Leitung der Gesellschaft zu beeinflussen. Dazu befragt, hat die griechische Regierung erläutert, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes Nr. 2328/1995 zahlreiche Journalisten solche Aktionäre gewesen seien und es Ziel dieses Gesetzes sei, zum einen das Gesellschaftskapital von Fernsehgesellschaften zu stückeln, um einen zu großen Einfluss eines einzigen Aktionärs zu vermeiden, und zum anderen eine Gruppenbildung der Aktionäre im Hinblick auf die Programmentscheidungen anzuregen.

65 Selbst wenn zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes Nr. 2328/1995 ein statistischer Zusammenhang zwischen Aktionären, die 2,5 % der Anteile einer Fernsehgesellschaft besaßen, und dem Journalistenberuf bestanden haben sollte, erscheint eine solche Verbindung nicht hinreichend, um anzunehmen, dass die fragliche Maßnahme geeignet wäre, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und insbesondere nicht über das hinausginge, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

66 Auch wenn nämlich der Beruf des Journalisten als ein angemessenes Kriterium für die Identifizierung der Personen angesehen werden kann, die die Leitung einer Fernsehgesellschaft zu beeinflussen geeignet erscheinen, gilt dies nicht für die einfache Eigenschaft als Aktionär, der etwas mehr als 2,5 % der Anteile oder sogar genügend Aktien besitzt, um im Sinne des Urteils Baars einen sicheren Einfluss in den Organen der Fernsehgesellschaft auszuüben.

67 Ist es das Ziel der Maßnahme, dass Journalisten die Gesetze und Standesregeln ihres Berufs befolgen, könnte es angemessen sein, ihnen persönlich für von ihnen begangene Verstöße Sanktionen aufzuerlegen, nicht aber Aktionären, die nicht notwendig Journalisten sind.

68 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das griechische Gesetz andere Sanktionsmöglichkeiten enthält, die zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels geeigneter erscheinen, da sie die Fernsehtätigkeit betreffen und nicht die einfache Beteiligung am Gesellschaftskapital, so die Aussetzung oder Einstellung der Ausstrahlung einer bestimmten Sendung, die vorübergehende Aussetzung der Ausstrahlung aller Fernsehprogramme bis zu drei Monaten, den Entzug der Erlaubnis zum Betrieb des Kanals und ethische Sanktionen.

69 Im Übrigen ist die Annahme, dass alle Aktionäre einer Aktiengesellschaft Fachleute in dem Bereich sind, in den der Gesellschaftszweck der Gesellschaft fällt, geradezu die Negation des freien Kapitalverkehrs, der u. a. auf Portfolioinvestitionen abzielt, d. h. auf den Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (Urteil vom , Kommission/Niederlande, C-282/04 und C-283/04, Slg. 2006, I-9141, Randnr. 19). Es ist jedoch gerade diese Art von Investitionen, die Investoren aus anderen Mitgliedstaaten, die ihre Anlagen diversifizieren möchten, tätigen könnten.

70 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Art. 49 AEUV und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2328/1995 entgegenstehen, wonach die in den vorangehenden Absätzen dieses Artikels vorgesehenen Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, die für den Betrieb von Fernsehsendern gelten, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, die Inhaberin der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb des Fernsehsenders ist, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden, die einen Anteil an den Aktien von mehr als 2,5 % besitzen."

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist das zitierte EUGH-Judikat auf den hier vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier vorliegenden unterschiedlich, somit nicht vergleichbar ist.

Das zitierte EuGH-Judikat behandelt Strafen bzw. Geldbußen, die prinzipiell verschuldensabhängig sind. Es behandelt die Frage, ob Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die Standesregeln, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen alle Aktionäre verhängt werden dürfen. Dies wurde mit der Begründung verneint, dass Aktionäre einer Aktiengesellschaft nicht zwingend auch Fachleute in dem Bereich sind, in den der Gesellschaftszweck der Gesellschaft fällt, und man nicht davon ausgehen könne, dass ein Aktionär, der mehr als 2,5 % der Anteile (einer Fernsehgesellschaft) besitze, in der Lage sein sollte, die Leitung der Gesellschaft zu beeinflussen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bf. gemäß § 6 KommStG als Mitunternehmer -Kommanditist einer KG - mit einem an ihn gerichteten Abgabenbescheid zur Entrichtung einer Abgabenschuld aufgefordert, die durch den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, somit losgelöst von einem Verschulden entstanden ist.

Eine Kommanditgesellschaft, kurz KG, verfolgt den Zweck, einen Gewerbebetrieb gemeinsam mit mindestens zwei Gesellschaftern zu betreiben. Der Kommanditist ist berechtigt, jederzeit in die Aufzeichnungen und Papiere der Gesellschaft Einsicht zu nehmen, weiters hat der Kommanditist eine Abschrift des Jahresabschlusses samt dazugehöriger Gewinn- und Verlustrechnung zu erhalten, und deren Richtigkeit unter Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft zu prüfen.

Im zitierten EUGH-Erkenntnis war u.a. entscheidungswesentlich, dass Aktionäre nicht die Möglichkeit hätten, Geldbußen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verhindern. Dies ist jedoch für den vorliegenden Fall, irrelevant, da es nicht um Strafen, sondern um einen Bescheid geht mit dem Abgaben vorgeschrieben werden, deren Schuldner der Bf. gemäß § 6 KommStG ist. Da es sich um Abgabenschuldigkeiten handelt, die auf der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit beruhen, kann auch nicht schlüssig argumentiert werden, dass diese nicht entstanden wären, wenn der Bf. Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung gehabt hätte.

Soferne die steuerliche Vertretung vorbringt, dass der Kommanditist keine Möglichkeit habe, zu verhindern, dass die Geschäftsführung einer KG die ihr vorgeschriebenen Kommunalsteuern nicht bezahlt habe, scheint sie zu übersehen, dass Haftungen infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten gemäß § 6a Abs. 1 KommStG mit Haftungsbescheiden geltend zu machen sind.

Verfahrensgegenständlich ist jedoch kein Haftungsbescheid gemäß § 6a KommStG, sondern ein an den Bf. als Mitunternehmer gerichteter Abgabenbescheid im Zusammenhang mit Kommunalsteuer, deren Schuldner ein Kommanditist als Mitunternehmer losgelöst von einer Verschuldensfrage im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist.

Der Vollständigkeit halber wird noch bemerkt, dass das Kommunalsteuergesetz in § 15 Strafbestimmungen enthält. Hier wäre eine Gemeinsamkeit mit dem EUGH-Erkenntnis zu erblicken. Allerdings wird durch diese Bestimmung der Täter sanktioniert, eine Gesamtschuld eines Unbeteiligten (Kommanditisten) ist nicht vorgesehen, sodass auch diesfalls kein Zusammenhang mit dem EUGH-Erkenntnis bestünde.

Es trifft zwar zu, dass die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt ist (vgl. z.B. die bei Ritz, BAO3, § 6 Tz 6 ff zitierte hg. Rechtsprechung), doch lässt der Beschwerdefall keine fehlerhafte Ermessensübung erkennen. Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners läge allenfalls vor, wenn aushaftende Abgabenschulden von anderen Gesamtschuldnern ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch hätten eingebracht werden können. Dies war wie sich aus der Beschwerdevorentscheidung ergibt nicht der Fall.

Zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses vom wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen (vgl. , , 2008/15/0263).

Das Nachsichtsansuchen und der Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld waren nicht Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens.

2.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

So eine Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 11 Abs. 3 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 7 Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 5 Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400004.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at