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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2022, RV/7102710/2022

Aufwendungen für einen Privatsekretär als außergewöhnliche Belastung; Berücksichtigung ausländischer Pension als Progressionseinkünfte mit dem Bruttobetrag; Anrechnung ausländischer Quellensteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2019, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Bei dem Beschwerdeführer (Bf.) handelt es sich um den als Alleinerbe der Verlassenschaft nach der am ***3*** verstorbenen Steuerpflichtigen ***4*** ex lege Vertretungsberechtigten gemäß § 810 ABGB.

Die Steuerpflichtige beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 die

I) Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen für

1) Kosten der Heilbehandlung in der Höhe von 1.986,81 Euro sowie

2) Kosten aufgrund einer Behinderung in der Höhe von 6.330,40 Euro.

II) Einbeziehung der gesamten Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD in die Berechnung der österreichischen Einkommensteuer für das Jahr 2019.

III) Anrechnung der bei der Ausschüttung der ***5*** angefallenen belgische Quellensteuer in der Höhe von 59,40 Euro.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 20189 in der Höhe von -913,00 Euro fest, wobei es lediglich die Kosten von Heilbehandlungen in der Höhe von 1.986,81 Euro berücksichtigte.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. wie folgt ein:

a) Außergewöhnliche Belastung

Die verstorbene Steuerpflichtige habe während des Kalenderjahres 2019 tatsächlich getragene Kosten in der Höhe von insgesamt 8.317,21 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, wobei die Teilsumme von 6.330,40 Euro das bezahlte Bruttoarbeitsentgelt für den von ihr angestellten Privatsekretär darstelle. Als betagte Pflegegeldempfängerin mit mittlerweile stark eingeschränktem Seh- und Gehvermögen habe sie einen Verwalter benötigt. Anstelle bezüglich der tatsächlich getragenen Kosten in der Höhe von 8.317,21 Euro konsequent zwischen "Heilbehandlungen" in der Höhe von 1.986,81 Euro und "eigener Behinderung" in der Höhe von 6.330,40 Euro zu differenzieren, habe der Einkommensteuerbescheid 2019 lediglich die tatsächlichen Kosten in der Höhe von 1.986,81 Euro als außergewöhnliche Belastungen in Abzug gebracht.

Darüber hinaus dürften gemäß § 34 Abs. 6 EStG Mehraufwendungen aufgrund der eigenen Behinderung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen übersteigen würden. Hinsichtlich dieser Summe sei das Kongruenzprinzip zu beachten, wonach ausschließlich im kausalen Zusammenhang stehende Einnahmen abzuziehen seien. Entscheide eine pflegebedürftige Person im Einvernehmen mit ihren Familienmitgliedern, von diesen zu Hause unentgeltlich betreut zu werden, so würden diese Familienmitglieder Pflegeleistungen erbringen. Könne sich die pflegebedürftige Steuerpflichtige aus sittlichen Gründen nicht entziehen, dem sie unentgeltlich betreuenden Familienmitglied eine freiwillige monatliche Abgeltung für die erbrachte Pflegetätigkeit zu erbringen, so dürfe sie dies auch aus dem gesamten während des Kalenderjahres 2019 bezogenen Bundespflegegeldes finanzieren.

Es sei daher materiell rechtswidrig, wenn die belangte Behörde bei ihrer Berechnung gemäß § 34 Abs. 6 EStG keine Rücksicht auf die Umstände des konkreten Falles nehme und bloß summarisch das gesamte während des Kalenderjahres 2019 bezogene Bundespflegegeld den Mehraufwendungen aus dem Titel der eigenen Behinderung gegenüberstelle, ohne zuvor festzustellen, ob die Summe von 8.131,20 Euro überhaupt noch unvermindert vorhanden gewesen sei.

b) Berücksichtigung der BRD Pensionseinkünfte iRd. Progressionsvorbehaltes

Die Berechnung betreffend die Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD erweise sich als unrichtig, weil diese Einkünfte gemäß Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland nur in der BRD besteuert werden dürften und darüber hinaus die in der BRD bereits entrichtete deutsche Einkommensteuer bei der Berechnung der österreichischen Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2019 in keiner Weise berücksichtigt worden sei.

c) Anrechnung der ausländischen (belgischen) Quellensteuer

Im Hinblick auf Artikel 10 Abs. 1-3 iVm. Artikel 23 Abs.1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werde die Doppelbesteuerung bei der Ausschüttung von Dividenden dadurch vermieden, dass die in Belgien erhobene Steuer auf die von diesen Einkünften in Österreich erhobene Steuer anzurechnen sei. Demnach wären die bereits zuvor einbehaltenen 64,90 Euro auf die österreichische KESt in der Höhe von 27,5% im Ausmaß von 59,50 Euro anzurechnen.

Mit Ergänzungsersuchen vom teilte die belangte Behörde dem Bf. mit, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschäftigung eines "Privatsekretärs" nicht abzugsfähige Aufwendungen im Sinne des § 20 EStG darstellten, während Kosten einer Sachwalterschaft im Zuge einer Behinderung als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden können und nicht um das Pflegegeld zu kürzen wären. Für diesen Fall werde um Vorlage der diesbezüglichen Bescheide und Zahlungsbelege ersucht. Betreffend die Berücksichtigung der deutschen Pensionseinkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehaltes wurde mitgeteilt, dass die einbehaltene deutsche Steuer nicht die Höhe des Progressionsvorbehaltes kürze.

Mit Eingabe vom teilte der Bf. mit, dass seine verstorbene Mutter bereits im Jahr 1998 begonnen habe, ihm die Administration und Abwicklung ihrer Angelegenheiten zu übertragen und verwies dabei auf den beigelegten Arbeitsvertrag vom sowie dessen Abänderung vom .

Infolge diverser Gesundheitsbeeinträchtigungen und altersbedingter Leidenszustände habe die verstorbene Abgabepflichtige seit Bundespflegegeld, zunächst in der Höhe der Stufe 2 und zuletzt in der Höhe der Stufe 5, bezogen. Mit Gültigkeit ab habe das Sozialministeriumservice der Abgabepflichtigen einen unbefristeten Behindertenpass über einen Grad der Behinderung von 100% ausgestellt.

Im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme sei der Abgabepflichtigen mit Beschluss des BG Leopoldstadt vom ein einstweiliger Sachwalter (***6***, Rechtsanwalt) lediglich zur Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten im Zusammenhalt mit ihrer Mietwohnung bestellt worden. Überdies habe sie bereits am ihrem selbst erwählten Generalbevollmächtigten eine Vollmacht rechtswirksam erteilt und zu ihren Lebzeiten nicht widerrufen, weswegen sie der Bevollmächtigte auch während des Kalenderjahres 2019 vertreten habe.

In Bezug auf die Berücksichtigung der deutschen Rente im Rahmen des Progressionsvorbehaltes wurde ausgeführt, dass die Heranziehung der Bruttorente für die Ermittlung der Höhe des in Österreich anzuwendenden Steuersatzes trotz des Bestehens eines Doppelbesteuerungsabkommens zu einer Doppelbesteuerung dieser Bruttorente sowohl in der BRD als auch in Österreich führe. Einerseits habe die Abgabepflichtige die Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der BRD faktisch nie lukrieren können, andererseits sei die bereits an das deutsche Finanzamt entrichtete Einkommensteuer in Österreich nicht einmal im Wege der Anrechnung berücksichtigt worden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 2019 ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Bf. ist Alleinerbe nach seiner am ***3*** verstorbenen Mutter, welche im Streitjahr Pflegegeld der Stufe 4 in der Höhe von 8.131,20 Euro bezog.

Die Mutter beschäftigte ihren Sohn aufgrund ihres stark eingeschränkten Seh- und Gehvermögens als "Privatsekretär" und bezahlte diesem während des Kalenderjahres 2019 für häusliche Pflegeaufwendungen ein Bruttogehalt in der Höhe von 6.330,40 Euro.

In der Einkommensteuererklärung 2019 wurden einerseits Aufwendungen für Heilbehandlung (1.986,81 Euro) und andererseits tatsächliche Kosten auf Grund einer Behinderung (Privatsekretär, häusliche Pflege: 6.330,40 Euro) als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.

Des Weiteren bezog die Mutter des Bf. im Streitjahr eine Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD in der Höhe von 3.393,12 Euro. Diese in Österreich steuerbefreite deutsche Sozialversicherungsrente wurde gemäß Artikel 23 Abs. 2 lit. d DBA Deutschland als Progressionseinkunft mit dem Bruttobetrag erfasst.

Die bei der Ausschüttung der ***5*** angefallene belgische Quellensteuer in der Höhe von 59,50 Euro wurde nicht berücksichtigt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Außergewöhnliche Belastung

Kosten für Heilbehandlungen (1.986,81 Euro) und für Privatsekretär (6.330,40 Euro)

§ 34 Abs. 6 Teilstrich 6 EStG 1988 sowie der Schlussteil dieses Absatzes lauten:

"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

(...)

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, 72 BlgNR 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 sowie § 35 EStG 1988 lauten auszugsweise:

"Der Neufassung jener Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen, liegen folgende Überlegungen zugrunde:

1. Für alle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhalten, soll zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag auf Grund ihrer Behinderung berücksichtigt werden, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnlichen Geldleistungen abgedeckt werden. Werden die tatsächlichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so soll durch die entsprechende Aufnahme in § 34 Abs. 6 sichergestellt werden, dass nur der die pflegebedingte Geldleistung übersteigende Mehrbetrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist.

(...)

4. Auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 6 (letzter Satz) wird eine neue Verordnung hinsichtlich der Berücksichtigung bestimmter Mehraufwendungen ergehen, die hinsichtlich Art der Aufwendung (Kosten einer Krankendiätverpflegung, PKW- bzw. Taxikosten für Körper- und Gehbehinderte, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel und Pauschbetrag für unterhaltsberechtigte Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird), dem (teilweise pauschalierten) Ausmaß und der Nachweispflicht mit der bestehenden Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. Nr. 675/1988, inhaltlich übereinstimmen wird.

(...)

In der neu zu erlassenden Verordnung über außergewöhnliche Belastungen soll festgehalten werden, dass für Bezieher von Pflegegeld weiterhin ohne Gegenverrechnung

die Pauschbeträge für Diätverpflegung im Sinne des § 1 der derzeit bestehenden Verordnung,

der Pauschbetrag für Kfz-Kosten oder Taxikosten bei Gehbehinderung im Sinne des § 3 der bisherigen Verordnung und

nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) im Sinne des § 4 der bisherigen Verordnung zustehen.

1.(...)"

§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 lautet:

"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Zu § 4 der VO hat der Verfassungsgerichtshof in seinem - die Kosten für die behindertengerechte Einrichtung eines Badezimmers betreffenden - Erkenntnis vom , B 785/02, ausgeführt:

"§ 34 Abs. 6 EStG 1988 sieht vor, dass (alle) Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung (u.a. für Kinder, für die - wie im vorliegenden Fall - erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird) ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes - aber unter Anrechnung der pflegebedingten Geldleistungen - als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Überdies wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, mit Verordnung festzulegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung (u.a.) auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. Wenn der Verordnungsgeber in Ausübung dieser Ermächtigung (in § 4) '(n)icht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel' nennt, so kann das nur in einem weiten Sinn so interpretiert werden, dass darunter auch etwa behinderungsbedingte Ein- und Umbauten in Gebäuden verstanden werden, würden doch andernfalls aus dem Geltungsbereich der Verordnung gerade jene Aufwendungen herausfallen, bei denen in Hinblick auf die Unregelmäßigkeit des Anfalles die Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre. Eine gesetzeskonforme Interpretation des § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996, idF BGBl. II 91/1998, führt daher zu dem Ergebnis, dass unter den dort verwendeten Begriff 'Hilfsmittel' (der durch den Klammerausdruck nur beispielhaft erläutert wird) auch sanitäre Einrichtungsgegenstände fallen, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie mit dem Gebäude fest verbunden werden oder nicht (im Ergebnis gleicher Ansicht E. Müller, Freibeträge für behinderte Kinder, SWK 1998, 239 ff., 247)."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge in seinem Erkenntnis vom , 99/13/0169, zum Ausdruck "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel)" nach § 4 der Stammfassung der VO zu Recht erkannt, dass der Begriff der Hilfsmittel im gegebenen Zusammenhang auch Heilbehandlungskosten in Form von Aufwendungen für Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien umfasst. Auch diese Aufwendungen fielen nicht regelmäßig an und auch deren Herausfallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ließe vor dem Hintergrund des gesetzlich formulierten Zweckes des Bundespflegegeldgesetzes (pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen) Zweifel an der Sachlichkeit der verordneten Regelung aufkommen. Eine dem Sachlichkeitsgebot verpflichtete Auslegung der Vorschrift des § 4 der VO in ihrer Stammfassung gebiete es, auch Heilbehandlungskosten (Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien) als vom Tatbestandsmerkmal der "nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel" erfasst anzusehen.

Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben sohin bei Interpretation von Regelungen der VO, die eine steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen ohne Gegenverrechnung mit pflegebedingten Geldbezügen ermöglichen, Tatbestandsmerkmalen über deren Begriffskern hinaus einen weiten Inhalt beigemessen, wenn Aufwendungen betroffen waren, bei denen es nicht offenkundig auf der Hand liegt, dass sie durch die bezogenen pflegebedingten Geldleistungen abgegolten werden sollen ().

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen zur Anwendung der oben zitierten Verordnung gegeben. Die von der Mutter des Bf. getragenen Kosten für Heilbehandlung in der Höhe von 1.986,81 Euro wurden bereits in der Beschwerdevorentscheidung unter § 4 der Verordnung subsumiert und ohne Anrechnung auf das Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Das Bundesfinanzgericht teilt diese Rechtsansicht.

Die in § 34 Abs. 6 Teilstrich 6 EStG 1988 getroffene Anordnung, dass Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung eines Steuerpflichtigen, der pflegebedingte Geldleistungen erhält, nur zu berücksichtigen sind, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, wird durch den letzten Satz des § 34 Abs. 6 EStG 1988 inhaltlich verändert, indem der Bundesminister für Finanzen auch zur Festlegung von solchen Fällen ermächtigt wird, in denen Aufwendungen "ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung" zu berücksichtigen sind.

Dem Bf. ist daher beizupflichten, wenn er ausführt, dass Mehraufwendungen aufgrund der eigenen Behinderung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen übersteigen würden.

Zu prüfen ist, ob es sich bei den Aufwendungen für den "Privatsekretär" in der Höhe von 6.330,40 Euro tatsächlich um nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der VO handelt.

§ 4 der streitgegenständlichen Verordnung betrifft Hilfsmittel, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben ().

Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu mildern oder zu beseitigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 35 Anm 66).

Die mit "Zweck des Pflegegeldes" überschriebene Bestimmung des § 1 des Bundespflegegeldgesetzes legt fest, dass das Pflegegeld den Zweck hat, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Der Zusammenhang der Aufwendungen für den Privatsekretär mit der Pflegebedürftigkeit der verstorbenen Mutter des Bf. ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts offensichtlich und findet seine Bestätigung in den Beschwerdeausführungen, wonach der angestellte Privatsekretär aufgrund des stark eingeschränkten Seh- und Gehvermögens der verstorbenen Abgabepflichtigen benötigt worden sei. Es handelt sich daher um regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit angefallene Aufwendungen, welche nicht unter den Begriff "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" des § 4 der Verordnung zu subsumieren ist.

Aufwendungen, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit verursacht werden (zB. Kosten für Pflegepersonal) sind auch nicht als Kosten der Heilbehandlung anzusehen, sondern werden durch das Pflegegeld abgegolten.

Aus diesem Grund hat die belangte Behörde das ausbezahlte Pflegegeld zu Recht von den für den Privatsekretär geltend gemachten Aufwendungen in Abzug gebracht. Da das ausbezahlte Pflegegeld diese Aufwendungen überstieg, kam eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht.

3.2. Berücksichtigung der BRD Pensionseinkünfte iRd Progressionsvorbehaltes

Gemäß Artikel 18 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl III 2002/182 idF BGBl III 2012/32, (in der Folge DBA Deutschland) dürfen Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Gemäß Artikel 23 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland dürfen Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen ist, gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

Die deutsche Sozialversicherungspension darf daher nur in Deutschland besteuert werden und ist in Österreich steuerbefreit. Allerdings ist der Progressionsvorbehalt anzuwenden.

Soweit der Bf. in diesem Zusammenhang vorbringt, dass es - aufgrund des Umstandes, dass Bezüge, welche eine ausschließlich in der Republik Österreich ansässige österreichische Staatsangehörige aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD erhält, gemäß Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland nur in der BRD versteuert werden dürften und darüber hinaus die für diese Bruttorente in der BRD bereits entrichtete Einkommensteuer in keiner Weise berücksichtigt worden sei - de facto zu einer Doppelbesteuerung gekommen sei, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Bei der Beurteilung der Steuerpflicht grenzüberschreitender Sachverhalte muss zunächst der Steueranspruch nach innerstaatlichem Steuerrecht, also durch Anwendung des EStG 1988, ermittelt werden. Gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 ist dabei bei unbeschränkt Steuerpflichtigen das nach den Vorschriften des EStG 1988 ermittelte Welteinkommen heranzuziehen. Auf der Grundlage dieses Steueranspruchs errechnet sich der anzuwendende Durchschnittssteuersatz. Sodann wird der Teil des Einkommens, das aufgrund des DBA Deutschlands der Besteuerungsbefugnis Österreichs entzogen wird, aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden und der zuvor ermittelte Durchschnittssteuersatz auf das übrige Einkommen angewendet (Progressionsvorbehalt).

Betreffend die Nichtberücksichtigung der bereits in Deutschland entrichteten Einkommensteuer ist wie folgt festzustellen: Soweit bei der Berechnung der Einkommensteuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, sind die Bestimmungen des EStG 1988 maßgebend (§ 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988). Da somit Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern bei den einzelnen Einkünften auch dann nicht in Abzug gebracht werden können, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 8 Z 1 iVm § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988), kürzt die auf die Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD in der Höhe von 3.393,12 Euro einbehaltene deutsche Steuer im Ausmaß von 306,00 Euro die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Höhe des in Österreich anzuwendenden Steuersatzes nicht (§ 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988; Doralt/Ruppe, Steuerrecht I, 12. Auflage, S. 341, TZ 645; DKMZ, EStG, 20. Auflage § 20 TZ 143).

c) Anrechnung der belgischen Quellensteuer

Der Bf. beantragt die Anrechnung der belgische Quellensteuer in der Höhe von 59,50 Euro, welche für die ausländischen Dividendenerträge (Ausschüttung der ***5***) einbehalten wurde.

Gemäß Artikel 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung bestimmter anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuern und der Grundsteuern, BGBl 1973/415, (in der Folge: DBA Belgien) dürfen Dividenden, die eine in einem Vertragstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Gemäß Abs. 2 leg. cit. dürfen diese Dividenden jedoch in dem Vertragstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden.

Gemäß Artikel 23 Abs. 1 Z 2a DBA Belgien wird die in Belgien erhobene Steuer von Dividenden, die nach Artikel 10 Abs. 2 zu behandeln sind, auf die von diesen Einkünften in Österreich erhobene Steuer angerechnet.

Aus diesem Grund ist die in Belgien einbehaltene Quellensteuer in der Höhe von 64,90 Euro auf die österreichische KESt in der Höhe von 27,5% im Ausmaß von 59,50 Euro anzurechnen.

d) Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen mit besonderem Steuersatz

Das Bundesfinanzgericht schließt sich der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde an, wonach die Vorschreibung der Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen mit besonderem Steuersatz in der Höhe von 16,36 Euro irrtümlich erfolgte und daher zu berichtigen ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (zB. ). Da gegenständlich nur einzelfallbezogen maßgebliche Sachverhaltsfragen zu beurteilen waren und das Bundesfinanzgericht darüber hinaus der in der Entscheidung genannten Rechtsprechung der Höchstgerichte folgte, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor.

Aus diesem Grund war die ordentliche Revision spruchgemäß nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 1 Z 2a DBA B (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Belgien (Einkommen-, Vermögens-, Gewerbe- u. Grundsteuer), BGBl. Nr. 415/1973
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993
§ 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 10 Abs. 1 DBA B (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Belgien (Einkommen-, Vermögens-, Gewerbe- u. Grundsteuer), BGBl. Nr. 415/1973
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102710.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at