Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 15.03.2023, RV/5100623/2020

Familienbeihilfe und Unterhaltskostentragung bzw. Polizeigrundausbildung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** betreffend Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des ehemals ***FA*** vom , nunmehr FAÖ DS ***, betreffend Familienbeihilfe ab 06.2019 für das Kind ***1***, VNR/Geb.dat.: ***2*** Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Der angefochtene Abweisungsbescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die Beschwerdführerin (Bfin). reichte am per Finanzonline den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe aus dem Anlass der Berufsausbildung ihrer Tochter ***1*** gem. § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 bei der zuständigen Abgabenbehörde ein.

Mit Abweisungsbescheid v. wurde der Antrag mit dem Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 sowie des ergangenen (Anmerkung des Gerichtes: mittlerweile nicht mehr relevanten) VwGH Erkenntnisses v. Ra 2018/16/0203 ab 06/2019 abgewiesen. Es liege demnach keine Berufsausbildung vor.

Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde am mit folgender Begründung erhoben:

"Sehr geehrte Damen und Herren, ich bringe hiermit Beschwerde/Einspruch gegen den Abweisungsbescheid hinsichtlich der Beantragung der Familienbeihilfe für mein Kind ***1***, VNR/Geb.dat.: ***2*** ein. Begründung: die von Ihnen zitierte Erkenntnis des GZ Ra 2018/16/0203 bezieht sich nicht auf die Polizeigrundausbildungslehrgänge, sondern auf die Ausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich. Es gibt wesentliche Unterschiede dieser beiden Ausbildungsformen und der Hauptunterschied liegt eindeutig in der Ausbildungsform. Der Unterschied ist im Urteil des VWGH eindeutig unter 4. aufgelistet und gegen über gestellt. Meine Tochter absolviert den Polizeigrundausbildungslehrgang und dies ist eine Ausbildung von insgesamt 24 Monaten. Dabei gibt es 2 Praxisphasen von 4 Monaten. Diese Praxis gilt als Teil der Ausbildung, weil die Aspiranten hier nicht selbständig, sondern unter der Begleitung und Aufsicht eines eigens geschulten Betreuungsbeamten tätig sind. Die Ablehnung im zitierten Erkenntnis erfolgte aus diesem Erkenntnis nur für die Aspiranten des Grenzdienstes und nur für die Phase der Ausübung der Berufsausübung an der Grenzdienststelle in Schwechat. Auch für die Ausbildungszeiten der 6 Monate und anschließenden 9 Monate im Bildungszentrum wurde die Familienbeihilfe zuerkannt. Aus meiner Sicht ist die generelle Ablehnung der Familienbeihilfe aufgrund dieser VwGH Entscheidung nicht entscheidungskonform, insbesondere die Legaldefinition der Ausbildung (Stundentafel, Unterricht und erfolgreiche Prüfungen) hier unzweideutig zutrifft. Zur Dokumentation des Polizeigrundausbildungslehrganges übermittle ich beiliegend den Ausbildungsvertrag. Ich ersuche um Prüfung und um positive Behandlung meines weiterhin aufrechten Antrages auf Familienbeihilfe."

Mit Beschwerdevorentscheidung v. wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

"Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend Familienbeihilfe ab 06/2019: Über die Beschwerde wird auf Grund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden: Ihre Beschwerde vom wird als unbegründet abgewiesen."

Begründung:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (zB 86/14/0059, 90/14/0108). Unter den Begriff "Berufsausbildung" fallen alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (zB 2006/15/0080). Laut Verwaltungsgerichtshof können im Zuge einer Berufsausbildung auch praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden (zB 2009/16/0315) und es fällt auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf unter eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 (zB 2011/16/0077). Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, stellt die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 dar."

Im rechtzeitigen Vorlageantrag v. wurde -ohne näherer Begründung- der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.

VwGH Ra 2021/16/0065 zu überwiegenden Unterhaltskostentragung (bei getrennten Wohnsitzen von Kindesmutter und Kind im Ausbildungszeitraum):

In diesem Erkenntnis wurde auch vom VwGH zu § 6 Abs. 5 FlAG hingewiesen, mit dem ausgesprochen wurde, dass die Unterhaltszahlungen der Eltern nicht den vom Kind selbst aufgewendeten Beträgen gegenüber zu stellen sind, sondern es ist zu prüfen, ob die Eltern mehr als die Hälfte der Unterhaltskosten durch ihre Unterhaltsbeiträge abgedeckt haben. Ausschlaggebend ist, welche Beiträge von den Eltern tatsächlich zur Bestreitung der Unterhaltskosten des Kindes geleistet worden sind. Demnach komme es auf das eigene Einkommen des Kindes der Revisionswerberin bei der Frage, ob der Revisionswerberin gemäß § 2 Abs. 2 FlAG 1967 ein Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Revisionswerberin mit ihren Beiträgen tatsächlich die Unterhaltskosten des Kindes im relevanten Zeitraum überwiegend getragen hat. Dafür sind nach der zitierten Rechtsprechung des VwGH die gesamten Unterhaltskosten für ein -den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnden Kind -den im selben Zeitraum von der die Familienbeihilfe beanspruchenden Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträgen gegenüberzustellen. Ein zu versteuerndes eigenes Einkommen des Kindes § 33 Abs. 1 EStG ist hingegen bei der Prüfung gemäß § 2 Abs. 2 FlAG, ob eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten vorlag, nicht zu berücksichtigen. Erst in einem 2. Schritt ist zu prüfen, ob sich ein allfälliger Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 5 Abs. 1 FlAG 1967 verringert. Dies erfordert nicht nur nach Zeiträumen aufgegliederte Feststellungen zum bestehenden Anspruch auf Familienbeihilfe, sondern auch zu dem zu versteuernden eigenen Einkünfte des Kindes im gleichen Zeitraum (§ 5 Abs. 1 lit. auf FlAG) und zum Bezug von Leistungen gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FlAG, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Betracht zu bleiben haben. Dazu traf jedoch das Bundesfinanzgerichtes keine Feststellungen. Es führt lediglich Beweiswürdigung aus, was zu dieser Frage von der steuerlichen Vertretung der Revisionswerberin vorgebracht worden sei und nimmt auch keine Gegenüberstellung der Unterhaltskosten des Kindes der Revisionswerberin mit den von der Revisionswerberin tatsächlich geleisteten Unterhaltskosten vor. Indem das Bundesfinanzgerichtes den Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 FlAG 1967 schon mit der Begründung verneint hat, aufgrund der Höhe des Einkommens des Kindes habe die Revisionswerberin dessen Unterhalt nicht überwiegend getragen, und infolge dessen weder die Unterhaltskosten des Kindes den von der Revisionswerberin geleisteten Unterhaltsbeiträgen, noch gemäß § 5 Abs. 1 FlAG einen allfällig bestehenden Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe dem zu versteuernden Einkommen des Kindes gegenübergestellt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des Zeitraumes März 2020 bis Mai 2021 mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet".

VwGH Ro 2021/16/0004-3 zur Polizeigrundausbildung:

Rz. 37

"Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangt, die Polizeigrundausbildung-die zwar durch generelle Normen, und zwar durch die Grundausbildungsverordnung-Exekutivdienst des Bundesministeriums für Inneres, BGBl II Nr. 153/2017 geregelt ist-sei, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt des Auszubildenden, mit einer Lehre -in einem Lehrberuf- nicht vergleichbar. Dieser Beurteilung -gegen die sich die Revision nicht wendet, sondern dazu lediglich vorbringt, bei der Polizeigrundausbildung handele sich nicht um eine Berufsausübung - ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten."

Rz. 38

"Wird somit die vom Kind der Revisionswerberin absolvierte Polizeigrundausbildung nicht als anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angesehen, sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs. 1 FlAG 1967 bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen und verringern mit dem im Kalenderjahr 2019 noch 10.000 € und danach 15.000 € übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe."

Rz. 39

"Die Revision erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Es sind daher noch ergänzende Erhebungen betreffend Höhe des Ausbildungsbeitrages (unter Heranziehung von Lohnzetteln) zwecks allfälliger Neuberechnung der endgültigen FB /KG im Ausbildungszeitraum sowie

der Frage, ob der getrennte Wohnsitz von Kindesmutter bzw. Tochter im Ausbildungszeitraum im Zusammenhang mit der gegenständlichen Sache (siehe dazu auch Vorlagebericht des FA v. und durchgeführte ZMR-Abfragen des FA ) von Relevanz war, durchzuführen.

Ungeklärter Sachverhalt:

Im Hinblick auf die zuletzt ergangene Rechtsprechung des VwGH Ro 2022/16/0004-3 bzw. das im fortgesetzten Verfahren -nach dem VwGH Ra 2021/16/0065 -ergangene BFG Entscheidung RV/2100779/2022) ist der entscheidungswesentliche Sachverhalt sowohl zur Polizeigrundausbildung (insbesondere auch zur Verlängerung des Ausbildungszeitraumes bzw. der endgültigen Höhe der FB unter allfälliger Anrechnung des Ausbildungsbeitrages bei ev. Überbezug) als auch zur Frage der Relevanz des getrennten Wohnsitzes (siehe ZMR-Abfragen des FA lt. Vorlagebericht v.) nicht geklärt.

Es erweist sich daher eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde als weitaus ökonomischer bzw. zielgerichteter.

Hinweis :

Die Familienbeihilfe wurde - nach der Abfrage des Gerichtes v. - vom Finanzamt ab 09/2019 durchgehend bis 01/2021 schon gewährt. Auch für den Zeitraum danach wurde eine einmalige Auszahlung v. (€ 1.117, 50 für den Zeitraum 01/21 bis Juni 21 -Berufspraktikum II ? ) - offenbar irrtümlich- gewährt. Dies, obwohl es einen abweislichen Dauerbescheid ab 06/2019 (der im Übersichtsblatt des Vorlageberichtes v. auf Seite 1., Bescheide, Punkt 2. "bis 08/2019" eingegrenzt wurde) gegeben hat. Das Berufspraktikum II ist aber nach der jüngsten Rechtsprechung des VwGH Ro 2022/16/0004-3 keine Berufsausbildung. Sollte sich im Zuge weiterer Erhebungen herausstellen, dass in sachverhaltsmäßiger Hinsicht beispielsweise die Ausbildung gar abgebrochen worden sei (und auch eine Abschlussprüfung nicht erfolgte -seit der Vorlage vom erfolgten keine diesbezüglichen Mitteilungen), wäre dies ev. in einem allfälligen Rückforderungsverfahren zu klären sein.

Auf die entsprechende Information des BKA v. (FLAG-Plattform) wird verwiesen, wonach für bereits bis zum gewährte Anspruchszeiträume aus Gründen des Vertrauensschutzes im Hinblick auf eine sich ev. ergebende Überschreitung der Einkommensgrenze im Zusammenhang mit dem Bezug von Ausbildungsbeiträgen (=keine Lehrlingsentschädigung iSd § 5 Abs. 1 lit b FlAG 1967) ein Absehen von der Rückforderung wegen Unbilligkeit vorzunehmen sei (siehe dazu die Sichtweise des BFG RV/7102337/2022 und diesbezügliche Rechtsprechung des VfGH G 181/2022 zum hier nicht anwendbaren § 31 Abs 2 KBGG).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Zurückverweisung im gegenständlichen Fall betrifft keine grundsätzliche Rechtsfrage, weswegen die Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Zurückverweisung
Familienbeihilfe
Polizeigrundausbildung
Unterhaltskostentragung
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100623.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at