Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2023, RV/6100231/2018

Pflichtteilsansprüche der erblichen Kinder gegenüber einer Privatstiftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Mag. Erich Schwaiger, die beisitzende Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr und die Laienrichter Mag. Gottfried Warter, MBA und Herbert Unterkofler über die Beschwerde der A*** Privatstiftung, Adr., vertreten durch Quintax gerlich fischer kopp steuerberatungsgmbh, Ignaz-Rieder-Kai 13a, 5020 Salzburg, vom gegen den Bescheid des (damals zuständigen) Finanzamtes Salzburg-Stadt, Aigner Straße 10, 5026 Salzburg, vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer März 2011 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang

A/1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) ist eine im Jahr 2000 errichtete Privatstiftung. Ihr Stifter verstarb im Jahr 2008 unter Hinterlassung eines Testaments, in dem er die Bf. zur Universalerbin einsetzte und alle Noterben auf den Pflichtteil beschränkte.

Im Jahr 2014 fand bei der Bf. eine Außenprüfung statt, bei der festgestellt wurde, dass die Bf. als Universalerbin nach ihrem Stifter den drei pflichtteilsberechtigten Töchtern des Stifters eine Abfindung ihrer Pflichtteilsansprüche ausbezahlt hatte. Die Bf. hatte diese Auszahlung als "Substanzauszahlung Pflichtteilsvergleich" steuerfrei verbucht.

Das Finanzamt vertrat bei der Außenprüfung die Auffassung, dass es sich bei der Auszahlung des Pflichtteilsvergleiches um Zuwendungen handelt, weil die Pflichtteile des Erbes weitaus geringer ausgefallen wären. Die Zuwendungen unterlägen der Kapitalertragsteuer, die der Bf. vorzuschreiben sei.

Daher erließ das Finanzamt am einen Haftungsbescheid für den Zeitraum März 2011 und schrieb der Bf. Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 2.233.110,66 für Zuwendungen an die drei namentlich genannten Töchter des Stifters vor. Zur Begründung verweist der Haftungsbescheid auf den Bericht zur Außenprüfung. Darin sind die Beträge festgehalten, die den drei Töchtern aufgrund des Pflichtteilsübereinkommens zugekommen sind.

A/2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist Beschwerde erhoben, darin der Antrag auf mündliche Verhandlung und auf Senatsentscheidung gestellt und folgende, auszugsweise und anonymisiert dargestellte Begründung vorgebracht:

" Mit Testament vom hat der Stifter der Privatstiftung, Herr …, die Privatstiftung als Universalerbin eingesetzt und im Testament alle Noterben auf den Pflichtteil beschränkt:
... Ich berufe die … Privatstiftung zu meiner Universalerbin. Alle Noterben beschränke ich auf den Pflichtteil, in welchen alles Anzurechnende auch tatsächlich einzurechnen ist....

Am xx.yy.2008 ist der Stifter verstorben. Am hat die Privatstiftung aufgrund des Testamentes vom zum gesamten Nachlass eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben. Mit schriftlichen Eingaben an den Gerichtskommissär haben die pflichtteilsberechtigten Töchter am bzw. am ihre Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Um einen für die Stiftung wenig erfolgversprechenden, aber langen und kostenintensiven Rechtsstreit zu vermeiden, wurde am ein Pflichtteilsübereinkommen über einen Vergleichsbetrag von EUR 6,7 Mio geschlossen. Im Jahr 2010 wurde ein Betrag von EUR 1,8 Mio beim Oberlandesgericht hinterlegt, der Restbetrag von EUR 4,9 Mio wurde im März 2011 von verschiedenen Konten der Privatstiftung auf das Treuhandkonto des gemeinsamen Rechtsvertreters der pflichtteilsberechtigten Töchter überwiesen.

Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung können Pflichtteilsansprüche der Noterben durch Errichtung einer Privatstiftung weder gekürzt noch umgangen werden. Den Töchtern steht daher nicht nur ein Pflichtteilsanspruch aus dem Nachlass zu (je 1/6), sondern auch ein Schenkungspflichtteil (ebenso je 1/6) von jeder anrechnungspflichtigen Schenkung des Erblassers unter Lebenden. Unberücksichtigt bleiben Schenkungen, die vor mehr als zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen getätigt wurden.

Der Stifter hat sich bei Errichtung der Stiftung zwar kein Widerrufsrecht eingeräumt, aber ein Änderungsrecht. Durch eine Änderung der Stiftungsurkunde kann ein Stifter eine weitgehende Vermögensauskehr anordnen und sich selbst zum Letztbegünstigten bestimmen. Die Möglichkeit des Stifters, das gestiftete Vermögen wieder zurückzuholen, steht der Vermögensopfertheorie entgegen und hemmt daher den Beginn des Laufes der Zweijahresfrist.

Die Töchter sind somit berechtigt, die Anrechnung des der Privatstiftung gewidmeten Vermögens nach § 785 ABGB zu verlangen. Bei der Ermittlung ist im Falle einer Privatstiftung, bei der der Stifter Einfluss auf das gewidmete Vermögen nehmen kann, jenes Vermögen anzurechnen, das zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch vorhanden ist.

Vom Vorstand der Privatstiftung wurden dazu Gutachten in Auftrag gegeben - einerseits zur Ermittlung der Rechtslage, andererseits zur Ermittlung der Beträge, welche den pflichtteilsberechtigten Töchtern gemäß den Bestimmungen des ABGB zustehen. Folgende Gutachten wurden erstattet und der Betriebsprüfung vorgelegt:
1. Gutachten/Stellungnahme vom von Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1***, Univ. Wien zusammen mit Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 2***, WU Wien
2. Ergänzungsgutachten vom von Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1***
3. Gutachten über die Feststellung des Wertes der vom Stifter an seine Töchter geleisteten Schenkungen von Unternehmensanteilen zum Zwecke der Ermittlung allfälliger Pflichtteilsansprüche vom , erstellt durch em.o. Univ.Prof. Dr.Dr.hc ***Gutachter 3***
4. Ergänzendes Schreiben vom von Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1***

Laut gutachterlicher Berechnung im Schreiben vom von Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1*** beträgt der letztendliche Nachlasspflichtteilsanspruch für alle drei Töchter zusammen EUR 677.527,14 und der Schenkungspflichtteil je Tochter EUR 2.541.938.87.

Im Pflichtteilsübereinkommen hat man sich in der Folge auf eine Summe von EUR 6.700.000,00 geeinigt, die einen pauschalierten Betrag für Zinsen ab dem Todestag des Erblassers in Höhe von EUR 600.000,00 und einen pauschalierten Anteil von EUR 100.000,00 für Kosten aus der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche beinhaltet.
Die Höhe der gesamten Pflichtteilsansprüche errechnet sich demgemäß (unter Berücksichtigung von korrigierten Nachlassschulden) wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Reiner Nachlass
1.814.654,26
Zzgl. bestrittene Schulden
482.611,81
Abzgl. Vergleich Schulden
- 125.000,00
Berichtigter reiner Nachlass
2.172.266,07
Zzgl. Vorschüsse 2x 229.800
459.600,00
Berichtigter erhöhter Nachlass
2.631.866,07
Davon 1/6-tel
438.644,35

Daraus abgeleitet ergibt sich unter Berücksichtigung der Schenkungspflichtteile in Höhe von 2x 2.541.938,87 und der berichtigten Gesamt-Nachlasspflichtteile von EUR 856.333,04 (unter Anrechnung der Vorschüsse) ein Gesamtbetrag für Pflichtteilsansprüche in Höhe von € 5.940.210,78, welcher mit dem Gesamtbetrag von EUR 6.000.000,- verglichen wurde.

Auch der Kostenersatz für Rechtskosten in Höhe von EUR 100.000,-, sowie die pauschalierten Zinsen auf das Pflichtteilskapital in Höhe von EUR 600.000,- kann nicht als Zuwendung gesehen bzw. besteuert werden.

Auf die Berechnung vom wurde im Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung zur Gänze NICHT eingegangen, es wurde lediglich auf frühere Berechnungen (vom ) Bezug genommen, auch die Berichtigung der Nachlassschulden wurde nicht beachtet.

Um einen langen und kostenintensiven Zivilprozess zu vermeiden, der letzten Endes ebenfalls zur Auszahlung der Pflichtteile geführt hätte, haben die Vorstände gutachterlich die Höhe der Ansprüche feststellen lassen und sodann diesem Pflichtteilsübereinkommen zugestimmt. Zusätzlich zum Pflichtteilsübereinkommen haben die pflichtteilsberechtigten Töchter gegenüber der Stiftung und dem Vorstand eine Schad- und Klagloserklärung dahingehend abgegeben, dass sowohl der Vorstand als auch die Stiftung gegenüber Ansprüchen insofern schad- und klaglos gehalten werden, als etwa Begünstigte der Stiftung Ansprüche wegen des Abschlusses des Pflichtteilsübereinkommens und der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche stellen. Die Vermögensherausgabe erfolgte jedenfalls aufgrund gesetzlicher Anordnung und nicht auf Beschluss des Vorstandes in Form einer freiwilligen Zuwendung. Es fehlte also jedenfalls an dem für eine Zuwendung notwendigen Bereicherungswillen, da die Herausgabe letztlich unter gesetzlichem Zwang erfolgte.

In der Stiftungszusatzurkunde vom wurde vom Stifter verfügt, dass nach dem Ableben des Stifters der Begünstigtenkreis (lediglich) aus folgenden Personen besteht:
a) den Nachkommen des Stifters, wobei aus heutiger Sicht die Töchter bestens versorgt sind und sie nur in den Fällen, dass ihr Lebensstandard deutlich unter den heutigen zu sinken droht, zu unterstützen sind, daher unter den Nachkommen des Stifters bei seiner Enkelgeneration mit den Zuwendungen zu beginnen sein wird…
b) …
Diese Anordnung sieht also dezidiert vor, dass die pflichtteilsberechtigten Töchter des Stifters KEINE Begünstigten der Privatstiftung sind - somit KEINE Zuwendungen aus der Stiftung zu erhalten haben. Insofern kann also von einer freiwilligen Zuwendung an die pflichtteilsberechtigten Töchter nicht ausgegangen werden, da der Vorstand mit dem Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens und der Auszahlung der Pflichtteile der gerichtlichen Anordnung lediglich zuvorgekommen ist, was aber nicht als freiwillige Zuwendung gewertet werden kann."

A/3. Mit Schreiben vom ergänzte die Bf. die Beschwerde dahingehend, dass der Wert des reinen Nachlasses gemäß dem notariellen Inventar vom EUR 1.904.057,01 betrage. Zuzüglich der bestrittenen Schulden und der Bewertungsdifferenz bei den Waffen und abzüglich der Sachverständigenhonorare und des Vergleichsbetrages über die Schulden betrage der berichtigte reine Nachlass EUR 2.283,297,97. Zuzüglich der empfangenen Vorschüsse ergebe sich daher ein erhöhter Nachlass von EUR 2.742.897,97. Insgesamt würden die Nachlasspflichtteile der drei Töchter EUR 911.849,01 betragen. Damit ergebe sich ein Gesamtbetrag für Pflichtteilsansprüche in Höhe von EUR 5.995.726,75, welcher dem Gesamtbetrag laut Pflichtteilsübereinkommen nahezu entspreche.

Die pauschalierten Zinsen auf das Pflichtteilkapital in Höhe von EUR 600.000 seien bei einem gesetzlichen Zinssatz von 4% durchaus berechtigt, weil das Pflichtteilsübereinkommen erst 2,5 Jahre nach Erstellung des Inventares geschlossen worden sei. Laut Schwimann, ABGB Taschenkommentar sei der Pflichtteil mit Erstellung des Übernahmeprotokolls fällig.

A/4. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus, dass der Stifter in der Stiftungsurkunde auf ein Widerrufsrecht verzichtet habe. Er habe sich lediglich das Änderungsrecht vorbehalten. Durch eine Änderung der Stiftungserklärung könne er sich einen Widerruf der Stiftung aber nicht nachträglich einräumen. Dies würde eine unzulässige Umgehung von § 34 PSG bedeuten. Der Stifter habe es somit nicht mehr in der Hand, sein gestiftetes Vermögen zurückzuholen. Die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB sei im Zeitpunkt des Todes des Stifters bereits abgelaufen gewesen. Die Töchter hätten daher die Anrechnung des der Stiftung gewidmeten Vermögens nicht einklagen können. Das Pflichtteilsübereinkommen sei freiwillig geschlossen worden, und die Zahlungen an die Töchter seien als Zuwendungen der Privatstiftung zu beurteilen. Auf die Berechnungen laut Gutachten und die von der Bf. bekanntgegebenen Änderungen des Wertes des reinen Nachlasses ging das Finanzamt nicht ein.

A/5. Dagegen richtet sich der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, in dem ausgeführt wurde:
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung seien gerichtlich durchsetzbare Pflichtteilsergänzungsansprüche keine Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs 1 Z 7 EStG. Um zu klären, ob und welche Pflichtteilsansprüche die Töchter des Stifters haben, seien mehrere Gutachten in Auftrag gegeben worden. Im Gutachten der Univ. Professorinnen ***Gutachterin 1*** und ***Gutachterin 2*** werde die Meinung vertreten, dass der Stifter in Bezug auf das der Stiftung gewidmete Vermögen ein Vermögensopfer bis zum Todestag noch nicht erbracht hätte. Daher seien die Töchter berechtigt, die Anrechnung dieses gewidmeten Vermögens zu verlangen.

Um einen wenig erfolgversprechenden Rechtsstreit zu vermeiden, habe der Stiftungsvorstand die Entscheidung getroffen, am ein Pflichtteilsübereinkommen mit den Noterben zu schließen. Zur Feststellung der Höhe seien die Werte aus den Gutachten herangezogen worden, mit EUR 5.995.726,75 beziffert und pauschal mit EUR 6 Mio abgefunden worden. Die kleine Differenz von EUR 4.273,25 werde nicht bestritten.

Das Finanzamt habe ungeachtet dessen übersehen, dass der Nachlasspflichtteil jedenfalls steuerfrei zu behandeln wäre. Der reine Nachlass habe zum Todeszeitpunkt etwa EUR 1,8 Mio betragen.

Die beschwerdeführende Privatstiftung habe eine Auszahlung in Bereicherungsabsicht nicht gewollt, weil die Töchter einerseits grundsätzlich vom Begünstigtenkreis ausgeschlossen waren und andererseits die Stiftungsurkunde eine Bestimmung enthält, wonach Nachkommen, die eine Verkürzung ihrer Pflichtteilsansprüche im Sinne des § 785 ABGB geltend machen, aus dem Begünstigtenkreis so lange auszuschließen sind, als sie nicht endgültig darauf verzichten. Dies bedeutete, dass der damalige Vorstand keinen Willen hatte, den als Begünstigte ausgeschlossenen Töchtern freiwillig etwas zuzuwenden.

Nach herrschender Lehre bewirke ein umfassender Änderungsvorbehalt in der Stiftungserklärung, dass die Frist des § 785 Abs 3 ABGB nicht zu laufen beginnt.

Im Jahr 2015 habe das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern den Erbanfall geprüft und festgestellt, dass für die Berechnung der anfallenden Erbschaftssteuer auch die Vermögenswerte relevant seien, die der Erblasser an die Privatstiftung übertragen hat. Das Finanzamt für Gebühren habe daher gegenüber zwei Töchtern am Erbschaftssteuerbescheide erlassen und darin rechtskräftig entschieden, dass es sich nicht um kapitalertragsteuerpflichtige Zuwendungen, sondern um Pflichtteilszahlungen handle, die gemäß § 8 Erbschaftsteuergesetz zu versteuern wären. Somit liege gegenständlich eine Doppelbesteuerung vor.

Zum errechneten Pflichtteil von EUR 6 Mio seien Zinsen vom Todestag bis zum Übereinkommen, also für 31 Monate in Höhe von EUR 600.000 vereinbart worden. Dies entspreche einem Zinssatz von 3,8%, welcher damals einem marktüblichen Zinssatz entsprochen habe. Auch darin sei keine Zuwendung zu erblicken, weil die Stiftung in diesen 31 Monaten Nutznießerin der Vermögenswerte gewesen sei. Beim Kostenersatz von EUR 100.000 handle es sich um Vermeidungskosten der Stiftung für einen Rechtsstreit, für den die Stiftung die Rechtskosten hätte tragen müssen.
Mit dem Vorlageantrag wurden die Erbschaftsteuerbescheide der beiden Töchter sowie die entsprechenden Prüfberichte des Finanzamts für Gebühren vorgelegt.

A/6. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht forderte beide Parteien zur Vorlage weiterer Unterlagen auf. Das Finanzamt legte die Prüfungsakten vor. Die steuerliche Vertretung legte ebenfalls diverse Unterlagen vor (darunter vor allem mehrere Rechtsgutachten zu den Pflichtteilsansprüchen und den Bewertungsfragen; Näheres dazu sowie Inhalt sämtlicher beschwerderelevanter Urkunden und Schriftstücke unter Pkt. B/ Sachverhalt).

A/7. Das Finanzamt erstattete über Aufforderung durch das BFG zu den Rechtsgutachten und den darin genannten Werten eine Stellungnahme mit divergierender Rechtsauffassung, die, wie auch der Inhalt der Gegenäußerung der Bf., ebenfalls unter Pkt. B/Sachverhalt dargestellt wird.

A/8. In der vor dem Senat abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde den Parteien eine Tabelle mit den Pflichtteilszahlungen ausgehändigt und Einvernehmen darüber erzielt, dass die Zahlungen der Nachlasspflichtteile ohne Bereicherungsabsicht erfolgte und daher nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen. Für die Berechnung der Schenkungspflichtteile ist ausschließlich die Frage der "Schenkung Stiftung" und "Schenkung 5% B*** Holding" streitgegenständlich.

In der mündlichen Verhandlung erklärten beide Parteien ausdrücklich, dass einzig und allein strittig ist, ob die umfassende Änderungsmöglichkeit durch den Stifter einer Widerrufsmöglichkeit gleichzusetzen ist oder nicht. Das Zahlengerüst laut der überreichten Tabelle wurde dabei auch vom Vertreter des Finanzamtes ausdrücklich außer Streit gestellt.

Der Vorstandsvorsitzende der beschwerdeführenden Privatstiftung wies darauf hin, dass für zwei Pflichtteilserwerbe Erbschaftsteuer vorgeschrieben wurde. Bei einer Tochter unterblieb die Vorschreibung nur deshalb, weil die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erst nach dem und damit nach Aufhebung der Erbschaftsteuerpflicht erfolgte. Der Vertreter des Finanzamtes betonte, dass nach Rücksprache mit dem damaligen Außenprüfer des Finanzamtes für Gebühren und nach dessen Kenntnisstand die Erbschaftsteuerbescheide bekämpft worden wären, wenn damals die hier zu beurteilenden Kapitalertragsteuerbescheide schon existiert hätten.

Sodann wurden die drei ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bf., die mit der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche der Töchter befasst waren, als Zeugen einvernommen.

Die damalige Vorstandsvorsitzende legte dar, dass ihr Kontakt mit den Töchtern im Zuge der Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens "kontradiktorisch" auf einer sachlich/feindseligen Ebene gewesen sei. Dabei hätten die Töchter grundsätzlich an einem Strang gezogen.

Die geltend gemachten Pflichtteilsansprüche seien ursprünglich nicht beziffert worden. Die Geltendmachung habe eingangs auf die Erhebung der vorhandenen Werte abgezielt. Diese Prüfung habe sich sowohl auf den Nachlass wie auch die Stiftung bezogen.

In dieser Phase habe die Zeugin die beiden Gutachterinnen als ausgewiesene Expertinnen für das Erb- und Stiftungsrecht eruiert und die Beauftragung des Gutachtens im Einvernehmen mit den anderen Vorstandsmitgliedern initiiert. Sie habe schon damals das Rechtsproblem erkannt, ob ein Änderungsvorbehalt einer Widerrufsmöglichkeit gleichzusetzen ist. Zu diesem Zeitpunkt habe dazu mangels entsprechender Anlassfälle noch keine Judikatur existiert. Schon beim Erstkontakt mit den Gutachterinnen signalisierten diese, dass die Ansprüche der Töchter grundsätzlich zu berücksichtigen sein werden. Daraufhin habe man begonnen, die Stiftung zu "inventarisieren" und den Vermögensstand zum Todestag umfassend zu rekonstruieren.

Für die Zeugin sei die Einigung grundsätzlich und letztlich (Zeitdruck) alternativlos gewesen. Sie hätte eine klare Rechtsauskunft der beiden Gutachterinnen gehabt, der ein enormes Prozesskostenrisiko gegenüberstand. Allein die Pauschalgebühr für die Klage sei damals mit ca. EUR 130.000,00 errechnet worden. Im Falle einer Niederlage bzw. des Durchdringens der Töchter auch nur mit der Hälfte wäre die Bf. gemäß § 273 ZPO kostenersatzpflichtig geworden, weil die Ausmittlung der Ansprüche von der Bewertung der Sachverständigen abhängig war.

Die Entscheidung über das Pflichtteilsübereinkommen sei zwischen den Stiftungsvorstandsmitgliedern und den Beiräten (vertreten durch deren Anwälte) einstimmig getroffen worden. Die Bf. sei 2011 unter Zeitdruck gestanden, weil die Klagsfrist für die Pflichtteilsansprüche Mitte dieses Jahres geendet hätte und man im Falle der Nichteinigung sowohl die Klagen wie auch das Prozesskostenrisiko riskiert hätte.

Die Zeugin ist davon überzeugt, dass die damalige rechtliche Einschätzung korrekt war und weist darauf hin, dass die damalige Rechtsprechungstendenz zum Zeitpunkt von Schenkungen "wann das Vermögensopfer wirklich gemacht wird" sogar durch die nachfolgende Erbrechtsreform 2015 abgebildet wurde.

Dem Stiftungsvorstand sei es aufgrund der klaren Anweisungen des Erblassers untersagt gewesen, die Töchter mit Ausschüttungen zu dotieren.

Das zweite Vorstandsmitglied betonte, dass das Verhältnis zwischen den Töchtern und den Stiftungsvorstandsmitgliedern denkbar schlecht gewesen sei. Die Töchter hätten die Vorstandsmitglieder als Feinde der Familie betrachtet.

Der Zeuge legte Teile des Schriftverkehrs über die Pflichtteilsansprüche vor, darunter das Anwaltsschreiben vom , womit der Bf. das Gutachten "***Gutachter 3***" übermittelt und die Bf. aufgefordert wurde, die sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche der Töchter bis zu errechnen und zur Auszahlung zu bringen. Der Zeuge habe dieses Gutachten am an Frau Dr. ***Gutachterin 1*** weitergeleitet, welche per Mail vom die Neuberechnung der Ansprüche übermittelte.

Der Zeuge wies darauf hin, dass die Gutachterin bei der Ankündigung der Übermittlung dieses Gutachtens noch nicht davon ausging, dass dieses gravierende Änderungen mit sich bringen würde. Aus der E-mail sei ersichtlich, dass sie die Ansprüche aber dann doch "schlimmer als angenommen" einstufte. Daraus sei erkennbar, dass die Bf. nur die Ansprüche befriedigte, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen konnte. Er begründete dies damit, dass es die Aufgabe der Stiftungsvorstandsmitglieder gewesen sei, dem Willen des Stifters nachzukommen. Er habe verfügt, dass wer seinen Willen nicht anerkennt, nicht begünstigt sein solle. Aus der Sicht des Vorstandes wäre es sinnlos gewesen, einen Prozess zu führen, da die Rechtslage für die beiden Juristen im Vorstand eindeutig war. Das dritte Vorstandsmitglied wollte eine Zahlung auch bei dieser Rechtslage noch verhindern.

Der Zeuge betonte abschließend noch einmal, dass der Stiftungsvorstand nichts freiwillig zuwenden wollte, sondern von einem Rechtsanspruch der Töchter ausging.

Der dritte Zeuge bestätigte das distanzierte Verhältnis der Töchter zum Stiftungsvorstand, konnte sich aber darüber hinaus aufgrund seines Alters nicht mehr an Details erinnern.

Das Finanzamt verwies in seinem Schlusswort auf seine bisherigen Ausführungen und stellte das Zahlengerüst für die Berechnung der bezahlten Ansprüche ausdrücklich außer Streit. Es beantragte nur die Besteuerung des so ermittelten Schenkungspflichtteils mit KESt.

Die Bf. verwies in ihrem Schlusswort darauf, dass weder eine objektive Bereicherung noch eine subjektive Bereicherungsabsicht vorgelegen sei. Sie räumte zwar ein, dass das Problem der objektiven Bereicherung zivilrechtlich immer noch nicht höchstgerichtlich geklärt ist, betonte aber, dass eine Bereicherungsabsicht jedenfalls nicht vorgelegen sei. Die Zeugeneinvernahmen würden dies zweifelsfrei beweisen.

Der Vorsitzende schloss die mündliche Verhandlung am mit dem Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt (§ 277 Abs. 4 BAO).

Unmittelbar nach Abschluss der Verhandlung zog sich der Senat zur Beratung zurück und beschloss die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die Berichterstatterin fertigte daraufhin dieses Erkenntnis aus und legte es dem Vorsitzenden zur Approbation vor, die sich feiertags- und urlaubsbedingt verzögerte. Unmittelbar vor der Approbation der Ausfertigung langten beim Bundesfinanzgericht zwei Mails des Finanzamtes für Großbetriebe vom ein. Die erste lautete wörtlich:

"… Ich möchte jetzt nur noch auf - meiner Meinung nach - nicht richtige bzw. logisch nicht nachvollziehbare Aussagen der ehemaligen Stiftungsvorstände bzw. auch vom aktuellen Stiftungsvorstand hinweisen.

Dass es zu einer Einigung zwischen der Stiftung und den Erben gekommen ist, wird ein Prozessrisiko als Ausgang für die Einigung erwähnt. Eine Klage wäre aber von den Erben eingebracht worden, und nicht von der Stiftung. Wieso sollte dann eine Pauschalgebühr von 130.000,- anfallen?

Und es ist nicht nachvollziehbar, warum man sich geeinigt hat, wenn - auch lt. Gutachten von ***Gutachterin 1*** - noch keine Entscheidung vom OGH erlassen wurde.

Der wesentliche Unterschied besteht auch darin (Meinung Stiftung und Finanzamt), dass das Gutachten von ***Gutachterin 1*** als Grundlage für die Einigung herangezogen werden kann. Man hätte ein zweites Gutachten erstellen können. Es steht ja auch im Gutachten, dass es nicht 100 %ig sicher ist, dass ein Pflichtteilsanspruch besteht wenn es kein Widerrufsrecht gibt.

Der nächst Punkt: die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist nicht nachvollziehbar. Das wurde auch von ***Gutachterin 1*** ursprünglich anders berechnet. Erst nach Berechnung von ***Gutachter 3***, wurde von ***Gutachterin 1*** eine neue Berechnung durchgeführt. Leider war dieses Thema im Rahmen der BP bzw. im Rahmen der Beschwerde vom damals zuständigen Finanzamt kein Thema. Und jetzt - 15 Jahre später - wäre es wohl auch sehr schwer zu ermitteln und zu berechnen, daher wurde diese Höhe sowohl von den Stiftungsvorständen, als auch vom damals zuständigen Finanzamt akzeptiert.

Dies jetzt nur zu Ihrer Info wie das nun zuständige FA der Meinung ist. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es keinen Pflichtteilsanspruch gibt wenn kein Widerrufsrecht enthalten ist. Damit würde ja auch sehr viele Stiftungen - die genau deshalb auf das Widerrufsrecht verzichtet haben - extrem belastet werden. Und es widerspricht eindeutig dem PSG."

Die zweite Mail langte etwa eine Stunde später ein und lautete:

"Noch ein Nachtrag den ich vergessen habe.

Es ist für uns absolut nicht verständlich, warum sich die Stiftungsvorstände geeinigt haben, und dann rund 6.000.000,- bezahlt haben.

Hätte es ein Verfahren vor dem Gericht gegeben, hätte man ev. 130.000,- zahlen müssen, aber es war auch lt. Gutachten ***Gutachterin 1*** nicht klar, ob man gewinnt oder nicht, da es noch kein Erkenntnis betreffend Pflichtteilsanspruch gegeben hat, bzw. gibt.

Warum zahlt man dann 6 Millionen?"

B. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht nimmt den folgenden Sachverhalt als erwiesen an, der aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten und dem Vorbringen der Parteien vor dem BFG hervorgeht. Dabei berücksichtigte es, dass es gem. § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, liefert dabei eine von der Abgabenbehörde ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift Beweis über den Gegenstand und den Verlauf der betreffenden Amtshandlung (§§ 87 und 88 BAO).

Es darf hier ausdrücklich erwähnt werden, dass die im Zeitpunkt der hier strittigen Zahlungen verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Bf. dem erkennenden Senat im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahmen unter Wahrheitspflicht einen sehr offenen, kooperativen und vertrauenswürdigen Eindruck boten. Soweit deshalb gegen ihre nachstehenden Angaben vom Finanzamt keine Einwendungen erhoben wurden und soweit dies nicht gesondert erläutert wird, sieht das Bundesfinanzgericht keinen Grund, an ihren Aussagen zu zweifeln, und nimmt sie deshalb als erwiesen an.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Verfahrensparteien nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es nicht an, im Verwaltungsverfahren untätig zu bleiben, um sodann im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu behaupten, die belangte Behörde hätte Verfahrensvorschriften verletzt ( mit weiteren Nachweisen).

B/1. Die beschwerdeführende A*** Privatstiftung (kurz: Bf.) wurde von ihrem Stifter N.N. mit Stiftungsurkunde vom errichtet. Laut Pkt. 14.1. der Stiftungsurkunde ist ein Widerruf der Stiftung nicht zulässig. Die Stiftungsurkunde kann, solange der Stifter lebt und voll geschäftsfähig ist, durch den Stifter ergänzt und/oder geändert werden.

Mit Notariatsakt vom fasste der Stifter den Beschluss auf Änderung der Stiftungsurkunde und richtete als weiteres Stiftungsorgan einen Beirat ein. Aufgabe des Beirates als Kontroll- und Beratungsorgan ist die Vertretung der Interessen der Begünstigten gegenüber dem Stiftungsvorstand. Der Beirat ist berechtigt, bei Gericht die Abberufung eines Vorstandsmitglieds zu beantragen. Dem Beirat kommt aber kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Stiftungsvorstandes und kein Weisungsrecht gegenüber dem Stiftungsvorstand zu.
Als Beiräte bestimmte der Stifter mit letztwilliger Anordnung vom zwei seiner Enkelinnen.

Mit Stiftungszusatzurkunde ebenfalls vom legte der Stifter den Begünstigtenkreis fest. Erstbegünstigter ist der Stifter selbst. Nach dem Ableben des Stifters besteht der Kreis der Begünstigten aus den Nachkommen des Stifters, wobei nach dem Stifterwillen mit den Zuwendungen bei der Enkelgeneration begonnen werden soll, weil die Töchter des Stifters bestens versorgt sind und nur in den Fällen, dass ihr Lebensstandard deutlich unter den gegenwärtigen zu sinken droht, zu unterstützen sind. Neben den Nachkommen des Stifters wird eine Reihe weiterer Begünstigter bestimmt.
Die Stiftungszusatzurkunde schließt Nachkommen, die eine Verkürzung ihrer Pflichtteilsansprüche auf Grund der vom Stifter vorgenommenen Vermögenswidmung im Sinne des § 785 ABGB geltend machen, ausdrücklich aus dem Begünstigtenkreis aus, solange diese nicht endgültig darauf verzichtet haben.

Ebenfalls im Dezember 2000 errichteten die geschiedene Ehefrau des Stifters sowie die drei gemeinsamen Töchter jeweils eine Privatstiftung.

B/2. Der Stifter gründete gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau im Jahr 1976 die C*** GmbH. Im Jahr 1982 schenkte er seinen Töchtern T 1 und T 2 je einen Geschäftsanteil an dieser GmbH in Höhe von 12%. Im Schenkungsvertrag wurde vereinbart, dass sich die beiden Töchter die Schenkungen auf den Pflichtteil nach ihrem Vater anrechnen lassen müssen.

Im Jahr 1993 brachte die GmbH den Betrieb in eine neu gegründete 100% Tochtergesellschaft ein und änderte ihren Firmenwortlaut in B*** Holding GmbH. Die Tochtergesellschaft wurde in die C*** GmbH (neu) umfirmiert.

1999 wurde der Betrieb der C*** GmbH verkauft, wodurch der B*** Holding GmbH erhebliche Geldmittel zuflossen. Im Jahr 2000 widmete der Stifter der Bf. als Nachstiftung einen 20% Anteil seiner Gesellschaftsanteile an der B*** Holding GmbH. Die restlichen Gesellschaftsanteile wurden den Privatstiftungen der Töchter sowie der geschiedenen Ehefrau des Stifters gewidmet.

B/3. Der Stifter und seine geschiedene Ehefrau waren auch Eigentümer der D*** GmbH, die nicht in die B*** Holding GmbH eingebracht wurde, sondern deren Gesellschaftsanteile in mehreren Tranchen der Tochter T 3 geschenkt wurden, sodass diese Tochter letztlich Alleineigentümerin der D*** GmbH wurde.

Die Betriebsliegenschaft dieser GmbH stand zur Hälfte im persönlichen Eigentum des Stifters. Er veräußerte seine Hälfte an die Tochter T 3 gegen eine monatliche Leibrente, auf welche er drei Monate vor seinem Tod verzichtete.

Als weitere Schenkung im Familienverband schenkte der Stifter seiner Tochter T 3 ein Sparbuch mit ATS 2.550.000.

B/4. Am verfasste der Stifter ein Testament, in welchem er die Bf. zu seiner Universalerbin einsetzte. Alle Noterben beschränkte er auf den Pflichtteil, in welchen alles Anzurechnende auch tatsächlich einzurechnen ist.

Am xx.yy.2008 verstarb der Stifter und hinterließ drei Töchter sowie mehrere Enkelkinder. Von seiner Ehefrau war er geschieden.

Mit Schreiben vom bzw. vom machten die Töchter des Stifters gegenüber dem Gerichtskommissär und der Bf. ihre Pflichtteilsansprüche außergerichtlich geltend und verlangten die Anrechnung der Vermögenswerte, die der Stifter der Bf. gewidmet hat.

Die Bf. gab zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Erbanfall und den Pflichtteilsansprüchen der Töchter ein Gutachten sowie ergänzende Stellungnahmen in Auftrag, deren Inhalte unter Punkt B/5., 6. und 8. dargestellt wird. Die pflichtteilsberechtigten Töchter gaben ein Bewertungsgutachten über die Unternehmensanteile in Auftrag, welches unter Punkt B/7. dargestellt wird.

Die Bf. gab zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung ab.

B/5. Gutachten Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1***/Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 2***

Der Vorstand der Privatstiftung beauftragte die Universitätsprofessorinnen Dr. ***Gutachterin 1*** und Dr. ***Gutachterin 2***, zur Klärung diverser Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Erbanfall nach dem Tod des Stifters ein Gutachten zu erstellen. Zur Frage, ob die Zuwendungen des Stifters an die Privatstiftung in den Pflichtteil der Töchter einzurechnen sind, vertritt das Gutachten vom folgende Rechtsansicht (auszugsweise und zusammengefasst wiedergegeben):

Durch die Errichtung einer Privatstiftung können Pflichtteilsansprüche von Noterben weder verkürzt noch umgangen werden. Gestiftetes Vermögen ist wie eine Schenkung nach § 785 ABGB anzurechnen, wobei Schenkungen unberücksichtigt bleiben, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind. Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Stifter ein "Vermögensopfer" erbracht hat.

Vorliegend hat sich der Stifter kein Widerrufsrecht, aber ein Änderungsrecht vorbehalten. In derartigen Fällen wird die Frage nach dem Vermögensopfer in der Literatur verschieden beantwortet. Das Gutachten schließt sich der in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass das Vermögensopfer noch nicht gemacht ist, solange es dem Stifter - auf welche Weise auch immer - möglich ist, die Stiftung zumindest faktisch betrachtet wieder rückgängig zu machen. Ein Stifter, der sich nur das Änderungsrecht vorbehalten hat, kann sich nicht nachträglich ein Widerrufsrecht einräumen. Er kann aber durch entsprechende Änderung der Stiftungsurkunde eine (weitgehende) Vermögensauskehr anordnen und sich selbst zum (Letzt-)Begünstigten bestimmen. Da er es somit in der Hand hat, das Vermögen faktisch wieder zurückzuholen, kann die Zwei-Jahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB noch nicht zu laufen begonnen haben.

Somit können die pflichtteilsberechtigten Töchter grundsätzlich die Anrechnung des der Privatstiftung gewidmeten Vermögens verlangen. Anzurechnen ist jenes Vermögen, das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in der Privatstiftung vorhanden war.

Innerhalb der Familie wurden weitere Zuwendungen gemacht, die pflichtteilsrechtlich relevant sein können. Ein beschenkter Noterbe muss sich nämlich die selbst vom Erblasser erhaltenen Schenkungen auf seinen Schenkungspflichtteil anrechnen lassen. Neben Schenkungen kennt das Gesetz auch Vorempfänge und Vorschüsse. Derartige Zuwendungen sind auch auf den Nachlasspflichtteil anzuwenden, während Schenkungen nur auf den Schenkungspflichtteil anzuwenden sind.

Die Töchter des Erblassers müssen sich die jeweils selbst erhaltenen Schenkungen auf ihren Schenkungspflichtteil anrechnen lassen. Dies gilt auch dann, wenn niemand die Anrechnung der Schenkungen an die Töchter verlangt.

Schenkungspflichtteile gegen die A*** Privatstiftung können nur dann geltend gemacht werden, wenn der Nachlass zur Deckung der Schenkungspflichtteile nicht ausreicht und die Töchter selbst nicht ohnehin vom Erblasser zu Lebzeiten ausreichend beschenkt wurden.

Der Erblasser hat den Töchtern T 2 und T 1 Anteile an der C*** GmbH geschenkt. Weil im Schenkungsvertrag die Verrechnung auf die Pflichtteilsansprüche vereinbart wurde, sind diese Schenkungen als Vorschuss zu qualifizieren, welchen sich die beiden Töchter auf ihren Nachlass- und Schenkungspflichtteil anrechnen lassen müssen.

Die dritte Tochter, T 3, hat vom Erblasser in mehreren Schritten seine Anteile an der D*** GmbH geschenkt erhalten. Die Zuwendung ist ebenso wie der Verzicht des Erblassers auf eine ihm zustehende Leibrente zugunsten dieser Tochter als Schenkung zu qualifizieren, die sich T 3 auf ihren Schenkungspflichtteil anrechnen lassen muss.

Alle Töchter müssen sich weiters auf ihren jeweiligen Schenkungspflichtteil anrechnen lassen, was ihnen der Erblasser zur Errichtung der jeweiligen Tochterstiftung als erforderliches Mindestkapital zur Verfügung stellte.

Der Erblasser schenkte seiner Tochter T 3 im Jahr 2000 ein Sparbuch mit einem Guthaben von ATS 2,55 Mio. Diese Schenkung muss sich die Tochter auf ihren Schenkungspflichtteil anrechnen lassen.

Schließlich hat der Erblasser Gesellschaftsanteile an der B*** Holding GmbH der E*** Privatstiftung gewidmet, deren Stifterin die Tochter T 3 ist. Da sich die Stifterin Einflussrechte auf die E*** Privatstiftung vorbehalten hat, ist ihr diese Stiftung wirtschaftlich zuzurechnen, weswegen die Schenkung an die Privatstiftung als Schenkung an die Tochter selbst zu qualifizieren ist. T 3 muss sich daher auch diese Schenkung auf ihren Schenkungspflichtteil anrechnen lassen.

Die E*** Privatstiftung hat auch von den Schwestern der Stifterin Zuwendungen erhalten. Weiters hat T 3 von ihren Schwestern Sparbücher erhalten. Wenn mit diesen Zuwendungen ein Ausgleich unter den drei Schwestern bezweckt war, kann darin eine vorweggenommene Erbteilung gesehen werden mit der Konsequenz, dass sich T 3 auch diese Zuwendungen auf ihren Schenkungspflichtteil anrechnen lassen muss.

Sollte den Töchtern des Erblassers wegen dessen Zuwendungen an die Privatstiftung ein Schenkungspflichtteil zustehen und reicht der Nachlass zur Deckung dieser Schenkungspflichtteile nicht aus, dann haftet die Privatstiftung nach § 951 ABGB. Sie ist als zuletzt Beschenkte zu qualifizieren, weil der Erblasser bis zu seinem Tod kein Vermögensopfer erbracht hat.

B/6. In einem Ergänzungsgutachten vom ging Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1*** auf die Werte ein, die bei der Ermittlung der Pflichtteile zugrunde zu legen sind und die der Gutachterin vom Stiftungsvorstand genannt wurden.

Folgende Werte werden dem Gutachten zugrunde gelegt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Reiner Nachlass
€ 1.814.654,26
A*** Privatstiftung
€ 11.288.633,19
Vorschuss T 1
€ 6.000.000,00
Vorschuss T 2
€ 6.000.000,00
Vorempfang T 3
€ 466.126,89
Schenkung T 3
€ 3.020.000,00

Zu den einzelnen Vermögenswerten führt das Gutachten aus:

1. Reiner Nachlass

Der Wert des reinen Nachlasses beträgt nach dem vorgegebenen Sachverhalt
EUR 1,814.654,26. Der Bewertungsstichtag ist der . Wertveränderungen, die zwischen dem Todestag des Erblassers (
xx.yy.2008) und dem Schreiben () eingetreten sind, sind daher schon wertmindernd bzw. werterhöhend berücksichtigt.

Veränderungen im Nachlassvermögen, die zwischen dem Todestag des Erblassers und der wirklichen Zuteilung des Pflichtteils eingetreten sind, wirken sich auch zugunsten oder zulasten der Noterben aus.

2. A*** Privatstiftung

Das Vermögen der A*** Privatstiftung beläuft sich zum Todestag des Erblassers auf EUR 11.288.633,19. Wie in Punkt 7. des Rechtsgutachtens vom ausgeführt, ist in concreto jenes Vermögen anzurechnen, das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in der A*** Privatstiftung vorhanden war.

3. Vorschuss T 1 und T 2

Der mit jeweils rund € 6 Mio angenommene Vorschuss an T 1 und T 2 resultiert aus dem Umstand, dass ihnen der Erblasser nach dem vorgelegten Sachverhalt mit Notariatsakt vom je einen Gesellschaftsanteil an der C*** GmbH geschenkt hat, der einer Stammeinlage von ATS 24.000,- (12%) entsprach. In Punkt 3 des Vertrages wurde vereinbart, dass diese Schenkung in die seinerzeitigen Pflichtteilsansprüche einzurechnen sind (Vorschussvereinbarung).

Maßgebend wäre eine Bewertung des Unternehmens im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, allerdings im Zustand zum Schenkungszeitpunkt, wobei hier zu berücksichtigen wäre, dass das Unternehmen 1999 den Betrieb der C*** GmbH verkauft hat. Der erzielte Verkaufserlös belief sich auf rund € 50 Mio. Mangels anderer Sachverhaltsangaben und vorbehaltlich einer Bewertung der Zuwendung durch ein entsprechendes Bewertungsgutachten soll daher dieser Betrag als Wert der GmbH angesetzt werden. Der auf T 1 und T 2 entfallende Anteil von je 12 % ist daher mit je € 6 Mio zu bewerten.

Die Widmungen der Gesellschaftsanteile an die Töchterstiftungen sind pflichtteilsrechtlich nicht relevant. Nach dem nun vorgelegten Sachverhalt ebenso nicht die nachträglichen Vermögensverschiebungen zwischen T 1 und T 2 und der E*** Privatstiftung, die wirtschaftlich der dritten Tochter T 3 zuzuordnen ist.

4. Vorempfang T 3

Mit Schenkungsvertrag vom und hat der Erblasser T 3 Geschäftsanteile in der Höhe von 25% und 49,6% des Stammkapitals an der D*** GmbH geschenkt. Im Jahr 2003 hat T 3 einen weiteren Geschäftsanteil an der Gesellschaft in Höhe von 25,2% des Stammkapitals erhalten. Die restlichen 0,2 % wurden T 3 von ihrer Mutter geschenkt, so dass sie nunmehr Alleingesellschafterin ist. Die Zuwendungen sind als Vorempfang iSd § 788 ABGB zu qualifizieren, weil die Zuwendungen für die Ausübung des Berufes gemacht wurden. Der Sachwert der Gesellschaft beläuft sich im Todeszeitpunkt auf € 466.126,89.

5. Schenkungen an T 3

T 3 hat weder vom Erblasser noch von seiner Frau Anteile an der B*** Holding GmbH erhalten.Allerdings wurden der E*** Privatstiftung, die T 3 wirtschaftlich zurechenbar ist, vom Erblasser ein Gesellschaftsanteil an der B*** Holding GmbH gewidmet, der 5 % des Stammkapitals der Gesellschaft entspricht. Diese Widmung ist als Schenkung an seine Tochter T 3 zu qualifizieren.

Unter Zugrundelegung eines am Verkaufspreis der X-Gewerbe orientierten Werts der B*** Holding GmbH ist diese Schenkung mit € 2,5 Mio zu bewerten.

Der Erblasser hat T 3 am ein Sparbuch mit ATS 2.550.000, das sind EUR 185.315,73 geschenkt. Da Barempfänge bis zum Todeszeitpunkt aufzuwerten sind, ist das Sparbuch mit einem Wert von rund EUR 220.000 anzusetzen.

Überdies verzichtete der Erblasser gegenüber T 3 drei Monate vor seinem Tod auf die ihm aus der Veräußerung der Betriebsliegenschaft zustehende Leibrente, also auf einen Teil des vereinbarten Kaufpreises. Im Zeitpunkt des Verzichts beläuft sich der kapitalisierte Wert der Leibrente auf rund EUR 300.000.

Die Summe der T 3 vom Erblasser direkt oder indirekt gemachten Schenkungen beläuft sich daher auf EUR 3.020.000.

Der Nachlasspflichtteil jeder der drei Töchter beträgt EUR 302.332,38. Vorempfänge, Vorschüsse und Schenkungen sind nicht in Abzug zu bringen, wenn deren Anrechnung non niemandem verlangt wird.
Wenn eine der Töchter oder die
A*** Privatstiftung als Testamentserbin die Anrechnung der Vorschüsse und Vorempfänge verlangt, ergibt sich folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Reiner Nachlass
€ 1.814.654,26
+ Vorschuss T 1
€ 6.000.000,00
+ Vorschuss T 2
€ 6.000.000,00
+ Vorempfang T 3
€ 466.126.89
Erhöhter Nachlass
€ 14.280.781,15
Davon 1/6
2.380.130,19

Jede Tochter muss sich nun den selbst erhaltenen Vorempfang oder Vorschuss vom erhöhten Nachlasspflichtteil abziehen lassen. Somit beträgt der Nachlasspflichtteil von T 1 und T 2 EUR Null, und der Nachlasspflichtteil von T 3 EUR 1.914.003,30.

Auf Verlangen eines Noterben sind überdies die vom Erblasser gemachten Schenkungen anzurechnen, wobei der Schenkungspflichtteil getrennt zu ermitteln ist.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Anrechnungspflichtige Schenkungen
A*** Privatstiftung
€ 11.288.633,19
Schenkungen an T 3
€ 3.020.000,00
€ 14.308.633,19
Schenkungspflichtteil je Tochter (1/6)
€ 2.384,772,20

Nach der neueren und überwiegenden Literatur, die jedoch nicht auf einer gefestigten Rechtsprechung basiert, müssen sich die Töchter die erhaltenen Vorschüsse, soweit sie noch nicht vom Nachlasspflichtteil abgezogen wurden, vom Schenkungspflichtteil abziehen lassen. T 3 muss sich die selbst erhaltene Schenkung jedenfalls abziehen lassen.

Im Ergebnis haben daher die drei Töchter keinen Anspruch auf einen Schenkungspflichtteil.

Zur Frage, ob die A*** Privatstiftung zur Berechnung der Pflichtteilsansprüche die Anrechnung von Vorempfängen und Vorschüssen verlangen solle, vertritt das Gutachten die Ansicht, dass die Privatstiftung die Anrechnung dann verlangen solle, wenn auch die Töchter die Schenkungsanrechnung verlangen.

B/7. Gutachten Univ.Prof. DDr. ***Gutachter 3*** über die Bewertung von Unternehmensanteilen vom

In der Folge beauftragten die drei Töchter des verstorbenen Stifters einen beeideten Wirtschaftsprüfer mit der Feststellung des Wertes der vom Stifter an seine Töchter geleisteten Schenkungen von Unternehmensanteilen zum Zwecke der Ermittlung allfälliger Pflichtteilsansprüche.

Hinsichtlich der C*** GmbH kam der Gutachter zum Schluss, dass die Wertsteigerung dieses Unternehmens maßgeblich auf den Leistungen der beiden Schwestern T 1 und T 2 beruht. Diese Wertsteigerung hat daher bei der Ermittlung des anrechnungspflichtigen Pflichtteils aus dem Betrieb außer Ansatz zu bleiben. Der Wert der Schenkung an die beiden Töchter beträgt zum Todeszeitpunkt des Stifters EUR 157.400.

Die in der B*** Holding GmbH verbliebenen und vermieteten Grundstücke, soweit sie in der Schenkung des Stifters aus dem Jahr 1982 enthalten waren, sind mit ihrem Wert am Todestag des Stifters relevant für die Anrechnungspflicht. Der Gutachter ermittelte den Pflichtteil aus der Vermietung der Grundstücke mit EUR 302.100. Der Gesamtpflichtteil aus der Schenkung des Jahres 1982 beträgt somit EUR 459.500, und gebührt je zur Hälfte (EUR 229.750) T 1 und T 2.

Der Stifter widmete im Jahr 2000 der E*** Privatstiftung, die T 3 zurechenbar ist, einen 5%igen Anteil an der B*** Holding GmbH. Dieser Anteil fällt in den Pflichtteil und wird mit EUR 3.281.000 bewertet. Der Unterschied in der Bewertung der B*** Holding GmbH für T 3 einerseits und für die beiden anderen Schwestern andererseits liegt darin, dass für T 3 das gesamte Unternehmen inklusive der hohen Finanzbestände aus dem Verkauf der X-Gewerbe und den nicht vermieteten Grundstücken bewertet werden musste, während für die beiden anderen Schwestern nur die Einkünfte aus den vor dem vorhandenen Grundstücken relevant waren.

Der Wert der Schenkung der Anteile an der D*** GmbH an T 3 wird mit Null festgestellt.

Zusammenfassend kam der Gutachter zu folgendem Ergebnis:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
T 1
Wert der Schenkung eines Anteiles von 24% an der C*** GmbH
229.800
T 2
Wert der Schenkung eines Anteiles von 24% an der C*** GmbH
229.800
T 3
Wert der Widmung von 5% der B*** Holding GmbH
Wert der Schenkung der Anteile an der D*** GmbH

3.281.000


Null

B/8. Mit Schreiben vom hat Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1*** über Ersuchen des Vorstandes der Bf. zur Berechnung der Pflichtteilsansprüche der drei Töchter nochmals Stellung genommen. In dieser Stellungnahme übernimmt die Gutachterin die im Gutachten ***Gutachter 3*** vorgenommenen Bewertungen der Unternehmensanteile und kommt zu folgenden Pflichtteilsansprüchen:

Der Pflichtteilsanspruch jeder Tochter, berechnet vom reinen Nachlass, beträgt EUR 302.442,38. (Anmerkung: Diese Zahl beruht auf dem laut Ergänzungsgutachten Univ.Prof. Dr. ***Gutachterin 1*** angenommenen Reinnachlass. Dieser stellte sich später als höher dar, siehe Pkt. B./10)
Wenn eine der Töchter oder die A*** Privatstiftung als Testamentserbin die Anrechnung von Vorempfängen und Vorschüssen verlangt, so beträgt der erhöhte Nachlass EUR 2.274.254,26. Davon 1/6 sind EUR 379.042,38. Da sich aber jede Tochter den selbst erhaltenen Vorempfang oder Vorschuss vom erhöhten Nachlasspflichtteil abziehen lassen muss, beträgt der Nachlasspflichtteil für T 1 und T 2 EUR 149.242,38 und für T 3 EUR 379.042,38.

Der Schenkungspflichtteil beträgt pro Tochter EUR 2.541.938,87. T 3 muss sich die selbst erhaltene Schenkung anrechnen lassen und erhält daher keinen Schenkungspflichtteil mehr, während die anderen Töchter Anspruch auf den vollen Schenkungspflichtteil haben.

Der Schenkungspflichtteil ist primär aus dem Nachlass zu decken, soweit dieser nicht ausreicht, besteht ein Anspruch gegen den "zuletzt Beschenkten", also die A*** Privatstiftung. Im Ergebnis würde der Nachlass zur Gänze durch die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgezehrt, die A*** Privatstiftung würde zusätzlich mit EUR 3.946.750,62 für die Schenkungspflichtteilsansprüche haften.

B/9. Mit Schreiben vom forderte der Rechtsvertreter der Töchter des Stifters die Bf. auf, bis zum deren Pflichtteilsansprüche auszuzahlen. Am stellten die Verlassenschaft und die Bf. an das Verlassenschaftsgericht den Antrag auf gerichtlichen Erlag von EUR 1,8 Mio. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die Bf. die pflichtteilsberechtigten Töchter aufforderte, die vom verstorbenen Stifter erhaltenen Schenkungen und Vorempfänge bekannt zu geben. Die Bf. hat darüber selbst Nachforschungen gestellt. Die Bf. ist unstrittig nicht bloß für den Nachlasspflichtteil, sondern auch für den Schenkungspflichtteil passiv legitimiert. Nach Überzeugung der Bf. besteht jedenfalls ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von EUR 1,8 Mio, daher soll zur Vermeidung von eventuellen Verzugsfolgen dieser Betrag gerichtlich erlegt werden.

B/10. Am errichtete der Gerichtskommissär das Hauptinventar und bezifferte darin den Wert des reinen Nachlasses mit EUR 1.904.057,01. Nach der Aktenlage sind darin Schulden in Höhe von EUR 482.681,81 enthalten, welche von der Bf. bestritten wurden. Laut einem Vergleich wurden schließlich EUR 125.000 bezahlt. Der Wert der in den Fahrnissen mit EUR 88.940 bewerteten Waffen stellte sich bei einem Verkauf noch während des Verlassenschaftsverfahrens mit EUR 152.500 dar. Der berichtigte reine Nachlass betrug daher EUR 2.283.297,97.

Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde der Nachlass zur Gänze der Bf. eingeantwortet.

B/11. Am schloss der Vorstand der Privatstiftung mit den Töchtern ein Pflichtteilsübereinkommen mit folgendem Inhalt:
"In Ansehung der den Pflichtteilsberechtigten gegenüber der A*** Privatstiftung zustehenden Pflichtteilsansprüche (Nachlasspflichtteil und Schenkungspflichtteil) vereinbaren die Vertragsteile wie folgt:
Zur Abfindung der den Pflichtteilsberechtigten gegenüber der
A*** Privatstiftung zustehenden Pflichtteilsansprüche bezahlt die A*** Privatstiftung an die Pflichtteilsberechtigten einen Pauschalbetrag von EUR 6 Mio, zuzüglich pauschalierter Zinsen ab Todestag (xx.yy.2008) EUR 600.000, zuzüglich pauschalierten Kostenbeitrag der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche pauschal EUR 100.000, Gesamtbetrag sohin EUR 6,7 Mio.

Mit der Bezahlung des Betrages von EUR 6,7 Mio sind sämtliche Pflichtteilsansprüche der Pflichtteilsberechtigten aus der Verlassenschaft nach
N.N. endgültig und gänzlich abgefunden."

Die Höhe des vereinbarten Pauschalbetrages zur Abdeckung der Pflichtteilsansprüche der Töchter wurde wie folgt ermittelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Reiner Nachlass
2.283.297,97
Zzgl. Vorschüsse T 1 und T 2 2x229.800
459.600,00
Erhöhter Nachlass
2.742.897,97
Davon 1/6tel
457.149,67

Abzüglich der Vorschüsse der beiden Töchter wurde der Nachlasspflichtteil mit gesamt EUR 911.849 angesetzt. Der Schenkungspflichtteil wurde mit 2x EUR 2.541.938,87, also mit EUR 5.083.877,73 errechnet, gesamt daher EUR 5.995.726,75. Diese Summe wurde auf den vereinbarten Pauschalbetrag von EUR 6 Mio aufgerundet.

Noch im März 2011 floss das Geld auf ein Treuhandkonto des gemeinsamen Rechtsvertreters der Töchter. Die Aufteilung des Pauschalbetrages auf die Töchter erfolgte laut Auskunft der steuerlichen Vertretung der Bf. folgendermaßen:
T 1 EUR 3.071.237
T 2 EUR 3.071.237
T 3 EUR 557.528

B/12. Im Mai 2011 bzw. im Februar 2012 traten die beiden vom Stifter als Beiräte bestimmten Enkelinnen von dieser Funktion zurück. Anlässlich des Rücktritts wurden die Töchter T 3 und T 2 als Beiratsmitglieder namhaft gemacht. In der Folge begehrten diese beiden Töchter, die drei Vorstandsmitglieder aus wichtigem Grund abzuberufen und stellten einen entsprechenden Antrag an das zuständige Landesgericht. Mit Beschluss des Landesgerichts vom wurden zwei der drei Vorstandsmitglieder abberufen, der Antrag auf Abberufung des dritten Vorstandsmitgliedes wurde abgewiesen.

Bereits im Jahr 2010 gab es vor dem Landesgericht ein Verfahren betreffend die Auszahlungen von Vorstandsvergütungen für eines der Vorstandsmitglieder, wobei das Landesgericht den Stundenlohn mit Beschluss vom festlegte.

B/13. In seiner Stellungnahme vom sprach sich das Finanzamt gegen die in den vorgelegten Gutachten vertretene Rechtsauffassung aus. Nur ein ausdrückliches Widerrufsrecht könne als Verhinderung des endgültigen Vermögensopfers anerkannt werden. Der Gesetzgeber habe in § 785 ABGB mit der expliziten Zweijahresfrist eine schematische Einordnung gewählt, die eine eindeutige Beantwortung der Frage erlaube, welche Schenkungen anzurechnen sind. Dem § 785 Abs 3 ABGB liege also ein abstrakter Umgehungsverdacht zugrunde. Nach der Konzeption dieser Bestimmung komme es gerade nicht auf die Beurteilung des Einzelfalls, sondern auf eine typisierende Betrachtung an.

Entscheidend sei die rechtliche Ausgestaltung der Stifterposition. Der These des "widerrufsgleichen Änderungsrechts" stehe entgegen, dass das PSG eine klare Trennung zwischen einem Änderungsvorbehalt und dem Widerrufsvorbehalt vornimmt (siehe § 34 Abs 3 PSG). Auch der OGH judiziere, dass widerrufsgleiche Änderungen der Stiftung unzulässig seien, wenn sie nur auf § 33 PSG gestützt würden" (OGH 1 Ob 214/09s). Ebenso ziele die jüngste höchstgerichtliche Rechtsprechung darauf ab, dass bloße Änderungsrechte keine widerrufsgleiche Wirkung haben können (). Zusammenfassend könne daher nur der Vorbehalt des Widerrufsrechts mit Letztbegünstigung des Stifters den Beginn des Fristenlaufs verhindern.

Die im Gutachten der Universitätsprofessorinnen Dr. ***Gutachterin 1***/Dr. ***Gutachterin 2*** vertretene Rechtsansicht stehe daher nicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen bzw. mit den jüngsten höchstgerichtlichen Entscheidungen.

Das Finanzamt widersprach auch der im Gutachten vertretenen Ansicht, dass die Schenkung des 5% Anteiles an der B*** Holding GmbH an die E***Privatstiftung als Schenkung an die Tochter T 3 anzusehen sei. Auch die Tochter habe in dieser Stiftung lediglich Änderungsrechte. Dass die Schenkung an eine fremde Stiftung als Schenkung an die Tochter anzusehen sei, widerspreche der Entscheidung des .

Die Schenkung des Sparbuches an T 3 sei zu berücksichtigen, der Verzicht des Erblassers auf die Leibrente sei allerdings nicht dokumentiert und daher nicht anzuerkennen.

Die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Kapitalertragsteuer sei neu zu berechnen, weil das Finanzamt - ausgehend vom neu berechneten Nachlass des Erblassers iHv EUR 2.283.297,97 - nach näherer Darstellung der Berechnung einen Pflichtteilsanspruch von EUR 801.848,99 anerkenne. Der für Zinsen und Rechtskosten bezahlte Betrag von EUR 700.000 sei zu aliquotieren und die Kapitalertragsteuer neu mit EUR 1.939.730,68 festzusetzen.

Die Töchter des Erblassers seien als Begünstigte genannt und hätten auf diese Begünstigtenstellung nie verzichtet. Es sei daher davon auszugehen, dass die Töchter ihre Pflichtteilsansprüche gegenüber der Privatstiftung nur hinsichtlich des "Privatvermögens" des Verstorbenen geltend machten und die darüber hinaus getätigten Zahlungen als freiwillige Zuwendungen getätigt worden seien.

B/14. Die Bf. erstattete zu dieser Stellungnahme des Finanzamtes mit Schriftsatz vom eine Gegenäußerung. Darin betonte die Bf., dass entgegen den Ausführungen des Finanzamtes die Frage, ob ein bestehendes Änderungsrecht der Annahme eines Vermögensopfers entgegensteht, bis heute oberstgerichtlich nicht ausjudiziert sei. In der vom Finanzamt zitierten Entscheidung zu 2 Ob 98/17a habe der OGH diese Frage ausdrücklich offengelassen.

Die herrschende Lehre gehe weiterhin davon aus, dass ein umfassender Änderungsvorbehalt den Eintritt des Vermögensopfers hindere. Die Bf. verwies dazu auf Oberhumer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht2, Kap. 15, Rz 15.8, auf Zollner/Krebs in PSR 3/2020 und auf Zollner in PSR 2021/32. Weiters erwähnte sie die Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 2015, in denen auch darauf hingewiesen werde, dass das Vermögensopfer nicht eingetreten ist, solange sich der Stifter umfassende Änderungen vorbehalten hat (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 34).

Arnold bespreche in der kürzlich erschienenen 4. Auflage seines Kommentars zum PSG die Entscheidung des und relativiere die Aussage des OGH, dass "bloße Änderungsrechte dem Eintritt des Vermögensopfers nicht mehr entgegenstehen".

In der Frage der "widerrufsgleichen Änderungen" stimme die Bf. dem Finanzamt insofern zu, als diese nach Lehre und Rechtsprechung jedenfalls unzulässig erscheinen. Allerdings bedeute das Verbot widerrufsgleicher Änderungen deshalb nicht, dass es dem Stifter grundsätzlich verboten wäre, das Vermögen der Stiftung durch eine Änderung an ihn auszukehren. Deshalb gehe der überwiegende Teil der Lehre und nunmehr auch der Gesetzgeber im Rahmen der Änderungen im ErbRÄG davon aus, dass bei einem umfassenden Änderungsvorbehalt in einer Privatstiftung das Vermögensopfer noch nicht erbracht ist.

Bei den Töchtern des Stifters handle es sich nach der Stiftungsurkunde lediglich um potentiell Begünstigte. Die Privatstiftung habe keinen subjektiven Bereicherungswillen gegenüber den Töchtern gehabt. Dem Vorstand der Privatstiftung sei vor Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens von den pflichtteilsberechtigten Töchtern eine Pflichtteilsklage angedroht worden, was nicht notwendig gewesen wäre, hätte der Vorstand die Ansprüche der Töchter freiwillig ausbezahlt. Zur Beurteilung der Rechtslage und des Prozessrisikos habe der Vorstand der Privatstiftung Gutachten in Auftrag gegeben. Auf Basis dieser Gutachten sei für den Vorstand klar gewesen, dass ein enormes Risiko bestanden habe, bei gerichtlicher Geltendmachung der Ansprüche durch die Pflichtteilsberechtigten insgesamt wesentlich höhere Zahlungen leisten zu müssen. Eine Klage wäre innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist einzubringen gewesen, weshalb die Töchter den Vorstand vor die Alternative stellten, entweder ein Pflichtteilsübereinkommen abzuschließen oder mit einer Klage konfrontiert zu werden. Es habe keinen Willen des Vorstands gegeben, die Töchter zu bereichern bzw. ihnen Vermögen zukommen zu lassen, das ihnen nicht gesetzlich zugestanden wäre.

Im Übrigen sei das Finanzamt selbst nicht von kapitalsteuerpflichtigen Zuwendungen ausgegangen, als es für die Töchter T 2 und T 3 am rechtskräftige Erbschaftsteuerbescheide ausstellte. Die Erbschaftssteuern wurden auch bezahlt. Die nunmehrige Vorschreibung von Kapitalertragsteuer für die gleichen Beträge würde eine unzulässige Doppelbesteuerung bedeuten.

Über den Verzicht des Erblassers gegenüber seiner Tochter T 3 auf die Leibrente legte die Bf. einen notariellen Nachtrag zum Kaufvertrag vom vor.

B/15. Zusammenfassend geht das Bundesfinanzgericht von folgendem Sachverhalt aus, der - soweit nicht getrennt angeführt - zwischen den Parteien unstrittig ist:

Die Bf. wurde von ihrem Stifter im Dezember 2000 errichtet. Laut Stiftungsurkunde ist ein Widerruf der Stiftung nicht zulässig. Die Stiftungsurkunde kann durch den Stifter ergänzt und/oder geändert werden. Erstbegünstigter war der Stifter selbst. Nach dem Ableben des Stifters besteht der Kreis der Begünstigten aus den Nachkommen des Stifters, wobei auch seine Töchter als Begünstigte genannt sind. Nach dem Stifterwillen sollte aber mit den Zuwendungen bei der Enkelgeneration begonnen werden. Nachkommen, die eine Verkürzung ihrer Pflichtteilsansprüche auf Grund der vom Stifter vorgenommenen Vermögenswidmung im Sinne des § 785 ABGB geltend machen, sind ausdrücklich aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen.

Der im Monat 2008 verstorbene Stifter der Bf. hinterließ drei pflichtteilsberechtigte Töchter, von seiner Ehefrau war er geschieden. In seinem Testament bestimmte er die Bf. zur Universalerbin.

Mit Schreiben vom bzw. vom machten die Töchter des Stifters gegenüber dem Gerichtskommissär und der Bf. ihre Pflichtteilsansprüche außergerichtlich geltend und verlangten die Anrechnung der Vermögenswerte, die der Stifter der Bf. gewidmet hat.

Der Wert des reinen Nachlasses des Stifters betrug EUR 2.283.297,97 und wurde im Dezember 2010 zur Gänze der Bf. eingeantwortet. Mit Anwaltsschreiben vom verlangten die Töchter von der Bf. die Auszahlung ihrer Pflichtteilsansprüche bis zum , woraufhin die Bf. einen Betrag von EUR 1,8 Mio bei Gericht hinterlegte.

Zur Klärung der Rechtslage betreffend die Pflichtteilsansprüche der Töchter gab der Vorstand der Bf. die oben dargestellten Rechtsgutachten in Auftrag. Der darin festgestellte Sachverhalt mit sämtlichen innerfamiliären Vermögenstransaktionen (insbesondere Schenkungen, Vorschüsse und Vorempfänge) ist unstrittig.

Zu Bewertungsfragen beauftragten die Töchter des Stifters ein weiteres Gutachten (siehe Pkt. B/7). Die darin ermittelten Werte wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht von beiden Parteien außer Streit gestellt und als der Höhe nach unstrittig akzeptiert. Sie flossen in ein ergänzendes Rechtsgutachten ein.

Basierend auf diesen genannten Rechts- und Bewertungsgutachten schloss die Bf. mit den Töchtern im März 2011 ein Pflichtteilsübereinkommen, in dem sich die Bf. zur Zahlung eines Betrages von EUR 6 Mio bereit erklärte, mit dem sämtliche Pflichtteilsansprüche der Töchter abgegolten sein sollten. Die Bf. stellte dabei folgende Berechnung an:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
reiner Nachlass
2.283.297,97
zzgl. Vorschüsse T 1 und T 2 2x229.800
459.600,00
erhöhter Nachlass
2.742.897,97
davon 1/6tel
457.149,67
3/6
1.371.449,00
Abzüglich Vorschüsse T 1 und T 2
- 459.600,00
Nachlasspflichtteil
911.849,00
Schenkungspflichtteil 2x2.541.938,87
5.083.877,74
Pflichtteilsansprüche gesamt
5.995.726,75
Auszahlung gerundet
6.000.000,00

Die aufgelaufenen Zinsen wurden mit 10% errechnet (4% für jedes Jahr ab Todeszeitpunkt, somit 2,5 Jahre), die Rechtskosten wurden pauschal mit EUR 100.000 festgelegt.

Noch im März 2011 überwies die Bf. insgesamt EUR 6,7 Mio auf ein Anderkonto des von den Töchtern bevollmächtigten Rechtsanwaltes. Der Zufluss an die Töchter wurde nicht näher belegt, aber die jeweiligen Beträge bekanntgegeben, nämlich
T 1 EUR 3.071.237
T 2 EUR 3.071.237
T 3 EUR 557.528
und vom Finanzamt in dieser Höhe dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern erließ gegenüber den Töchtern T 3 und T 2 am Erbschaftssteuerbescheide und führte darin aus, dass diese beiden Töchter ihre Pflichtteilsansprüche mit Schreiben vom gegenüber dem Gerichtskommissär geltend machten und daher die Steuerschuld an diesem Tag und somit vor dem entstanden sei. Bei der im Pflichtteilsübereinkommen getroffenen Zahlungsvereinbarung handle es sich um einen Erwerb von Todes wegen nach § 2 Abs 1 Z 1 ErbStG.

Die Tochter T 1 machte ihren Pflichtteilsanspruch am geltend. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Erbschaftssteuer mehr, diese war mit abgeschafft worden.

Der Klagswert für die hier strittigen Ansprüche lag in Summe bei etwa EUR 6.700.000. Die damit verbundenen Prozesskostenrisiken wären entsprechend hoch gewesen. Dabei ist, worauf die erste Zeugin zu Recht hinwies, nicht nur die Höhe der Pauschalgebühr (etwa EUR 130.000), sondern vor allem die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Bf. im Falle des Durchdringens der Töchter auch nur mit der Hälfte ihrer Forderungen kostenersatzpflichtig geworden wäre. Zwar wäre die Einbringungsgebühr von den Klägerinnen zu erlegen gewesen, aber, anders als vom Finanzamt offenbar angenommen, hätte die unterlegene Beklagte diese Kosten wirtschaftlich tragen müssen. Dazu wären noch Anwaltskosten (die eigenen sowie jene der obsiegenden Partei) zu begleichen gewesen.

C. Beweiswürdigung, Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:

Der vom Bundesfinanzgericht als erwiesen angenommene Sachverhalt ist in den vom Finanzamt vorgelegten Akten sowie dem Akt des BFG abgebildet und wurde von den Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Ebenso wurde die den gegenständlichen Zahlungen zugrundeliegende Berechnung der Höhe nach ausdrücklich außer Streit gestellt.

Strittig ist, ob die mittels eines Pflichtteilsübereinkommens vereinbarten Geldleistungen der beschwerdeführenden Privatstiftung an die pflichtteilsberechtigten Töchter eine Zuwendung im Sinne des § 27 Abs 1 Z 7 EStG 1988 darstellen.

C/1. Zuwendungen einer Privatstiftung sind unentgeltliche Vermögensübertragungen an Begünstigte oder Letztbegünstigte. Sie können in offener oder in verdeckter Form erfolgen und als Geld- bzw. Sachleistungen oder als Nutzungszuwendungen gewährt werden (vgl. Doralt, EStG16 () § 27 Tz 278). Sie setzen eine objektiveBereicherung des Empfängers der Zuwendung und einen subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung, der durch ihre Organe gebildet wird, voraus (vgl. Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungs-Steuerrecht2 II/520, Fraberger/Haslinger, ZfS 2008).

Demgegenüber sind Zahlungen, die in Abgeltung von gerichtlich durchsetzbaren Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen und damit zur Tilgung gesetzlicher Ansprüche erfolgen, nicht von einem subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung getragen. Insoweit stellen derartige Zahlungen an die Pflichtteilsberechtigten auch keine der Kapitalertragsteuer unterliegende Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 dar ().

Zu prüfen ist daher, ob und in welcher Höhe den drei Töchtern des verstorbenen Stifters gesetzliche Pflichtteilsansprüche gegenüber der beschwerdeführenden Privatstiftung zustanden.

C/2. Fest steht, dass der verstorbene Stifter die Bf. testamentarisch zu seiner Universalerbin bestimmte und dass die drei Töchter des Stifters auf den Pflichtteil beschränkt wurden. Die drei Töchter hatten daher gegenüber der Bf. als Erbin unstrittig Pflichtteilsansprüche aus dem Nachlass des Stifters. Zwar hatte das Finanzamt dies im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt, es stellte aber im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht die Nachlasspflichtteilsansprüche der Töchter sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach außer Streit.

Der erkennende Senat schließt sich der übereinstimmenden Auffassung beider Parteien an, dass diese Zahlungen in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung der Privatstiftung als Alleinerbin nach dem Stifter gegenüber den pflichtteilsberechtigten Töchtern geleistet wurden und daher nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen.

C/3. Darüber hinaus machten die Töchter gegenüber der Bf. Pflichtteilsergänzungsansprüche (Schenkungspflichtteile) geltend, wobei die Höhe der gesetzlichen Ansprüche zu klären war.

Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlass mit dem Wert hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 maßgebend ist.

Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden (§ 951 Abs. 1 ABGB).

Daraus ist abzuleiten, dass das Klagebegehren in diesem Fall nicht auf die Herausgabe des Geschenks, sondern auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution in die geschenkte Sache zu lauten hat (vgl. Schubert in Rummel 3, § 951 Rz 3 sowie Welser in Rummel 3, § 785 Rz 27 mit vielen weiteren Nachweisen).
Es handelt sich also um eine Geldforderung. Der Anspruch verjährt in drei Jahren nach dem Todestag des Schenkers (§ 1487 ABGB).

C/4. Im vorliegenden Fall tätigte der verstorbene Stifter diverse Schenkungen an seine pflichtteilsberechtigten Töchter, die - soweit sie hier beachtlich sind - im Gutachten vom dargestellt und zivilrechtlich beurteilt wurden, nämlich, ob es sich jeweils um Schenkungen, Vorschüsse oder Vorempfänge handelt. Diese Unterscheidung ist relevant für die jeweilige Anrechnung auf den Nachlass- oder den Schenkungspflichtteil.

Diese Schenkungen stehen der Art und der Höhe nach ebenso außer Streit, wie deren im Gutachten dargestellte Relevanz für die Pflichtteilsansprüche der Töchter.

C/5. Strittig sind jedoch die Zuwendungen des Stifters an die Privatstiftung in Höhe von EUR 11.288.633,19 sowie eine Zuwendung des Stifters in Höhe von EUR 3.281.000 an die E*** Privatstiftung, welche seiner Tochter T 3 zuzurechnen ist.

Das Stiftungsvermögen einer Privatstiftung gehört im Fall des Ablebens des Stifters nicht mehr zu dessen Sachen oder Rechten und ist daher auch nicht in dessen Inventar aufzunehmen (vgl. ). Das Stiftungsvermögen steht auch für den Fall im zivilrechtlichen Eigentum der Privatstiftung, dass sich der Stifter eine Änderung der Stiftungserklärung nach § 33 PSG oder einen Widerruf der Privatstiftung nach § 34 PSG vorbehalten hat (vgl. Arnold, PSG3, Einleitung Tz 23).

Gemäß § 785 Abs 3 ABGB bleiben Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen unberücksichtigt, wenn sie früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden. Innerhalb dieser Zeit trifft der Rückforderungsanspruch jeden nicht pflichtteilsberechtigten Dritten. Aus der Organisation einer Privatstiftung, in die der Erblasser sein wesentliches Vermögen eingebracht hatte, kann sich eine Umgehung der unbefristeten Anrechnung von Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten ergeben ( v). Weder Rechtsprechung noch Lehre und Literatur vertraten jemals, das gestiftete Vermögen sei überhaupt nicht auf die Stiftung übergegangen. Zur Diskussion steht nur, ob die Zweijahresfrist anwendbar sein kann. Rückschlüsse darauf, dass eine Vermögensübertragung ex tunc wegfallen könnten, lassen sich daraus schon deshalb nicht ableiten, weil der Pflichtteilsgeschädigte niemals die Herausgabe der Sache verlangen, sondern nur einen Geldanspruch geltend machen kann ().

Das bedeutet, dass Vermögenswidmungen an eine Privatstiftung nur dann in die Pflichtteilsbemessung einbezogen werden können, wenn sie innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Tod des Stifters gemacht wurden. Die Zwei-Jahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB beginnt nach herrschender Lehre nicht bereits mit der Dotierung des Vermögens zu laufen - diese war unzweifelhaft außerhalb der Zwei-Jahresfrist - sondern der Fristenlauf beginnt erst dann, wenn der Stifter ein Vermögensopfer erbracht hat (Arnold, PSG, Einleitung Rz 23b).

C/6. Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung ist das von § 785 ABGB geforderte Vermögensopfer so lange nicht gegeben, als der Stifter die Möglichkeit hat, die Stiftung zu widerrufen. Einem Widerrufsvorbehalt hält ein Teil der Zivilrechtslehre den umfassenden Änderungsvorbehalt gleich (Zorn in RdW 2016/218, 284 mit zahlreichen Verweisen).

Hat sich der Stifter - wie im vorliegenden Fall - bloß eine Änderung der Stiftungserklärung vorbehalten, kann er sich den Widerruf der Privatstiftung nicht nachträglich einräumen. Dennoch ist laut Arnold davon auszugehen, dass auch bei allumfassendem Vorbehalt der Änderung der Stiftungserklärung die Frist des § 785 Abs 3 ABGB nicht zu laufen beginnt. Der Stifter könnte durch entsprechende Änderung der Stiftungserklärung eine Vermögensauskehr anordnen, die ihm eine wertungsidente Vermögensrückführungsmöglichkeit eröffnet. Ebenso könnte er sich selbst zum Letztbegünstigten einsetzen (Arnold, PSG3, Einleitung Rz 23b).

Dieser Rechtauffassung haben sich auch die beiden Gutachterinnen in ihrem Gutachten vom angeschlossen, nachdem sie den Stand der Lehre umfassend darstellten und auch darauf hinwiesen, dass diese Frage höchstgerichtlich nicht abschließend geklärt ist. Der überwiegende Teil der Lehre schloss sich jedenfalls der von Arnold vertretenen Ansicht an. Tatsächlich existiert bis heute keine eindeutige höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage.

Das Finanzamt geht davon aus, dass die Zwei-Jahresfrist schon vor dem Todestag zu laufen begann, brachte aber gegen das Gutachten selbst keine substantiierten Einwendungen vor.

Der erkennende Senat vertritt die Auffassung, dass das von zwei anerkannten Expertinnen in den Bereichen Erbrecht und Stiftungsrecht verfasste, sehr ausführliche Rechtsgutachten vom (vgl. Punkt B/5) bzw. das Ergänzungsgutachten einer dieser beiden Professorinnen vom (vgl. Punkt B/6) den damaligen Stand der Lehre und Rechtsprechung umfassend darstellte und schlüssig sowie klar erklärte, warum sich die Gutachterinnen der in der Lehre mehrheitlich vertretenen Ansicht anschlossen. Vom Finanzamt wurden keinerlei Argumente vorgebracht, die Anlass geben könnten, die dargestellte Rechtsmeinung als unvertretbare Auffassung abzutun. Vielmehr machte das Gutachten dem Stiftungsvorstand der Bf. die rechtliche Position der Töchter und damit das für die Bf. drohende Prozessrisiko samt immensen Kosten sehr deutlich, zumal sich die juristisch gebildeten Vorstandsmitglieder der Problematik von vornherein bewusst waren und das Gutachten auch fachlich beurteilen konnten. Der erkennende Senat sieht keinen Grund, diese Gutachten in Zweifel zu ziehen.

Vom Finanzamt wurde auch die zahlenmäßige Ermittlung der hier strittigen Ansprüche der drei Erbinnen sogar noch in der mündlichen Verhandlung über Nachfrage ausdrücklich außer Streit gestellt. Das inkludiert auch die geringfügige Aufrundung auf einen Anspruch von EUR 6.000.000 (vor Zinsen und Kosten), die angesichts des Gesamtbetrages als vernachlässigbar zu beurteilen ist.

Erst etwa drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung brachte das Finanzamt für Großbetriebe allerdings per Mail vor, die Höhe des Pflichtteilsanspruchs sei nicht nachvollziehbar und sei von ***Gutachterin 1*** ursprünglich anders berechnet worden. Erst nach der Berechnung von ***Gutachter 3*** sei von ***Gutachterin 1*** eine neue Berechnung durchgeführt worden. Das Finanzamt betonte selbst, dies sei (von ihm) weder im Rahmen der Betriebsprüfung noch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens thematisiert worden. Jetzt - 15 Jahre nach den Zahlungen - wäre es nach Überzeugung des Finanzamtes wohl auch sehr schwer zu ermitteln und zu berechnen. Daher sei die Höhe sowohl von den Stiftungsvorständen als auch vom damals zuständigen Finanzamt akzeptiert worden.

Unklar bleibt, was das Finanzamt mit diesem ergänzenden Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung bezwecken wollte.

Die Höhe des Pflichtteilsanspruches wurde von zwei anerkannten Erbrechts- und Stiftungsexpertinnen in mängelfreien Gutachten ermittelt. Was die Zahlen betrifft bauten sie dabei auf ein weiteres, mängelfreies Gutachten eines auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung anerkannten Experten auf, das vom Bundesfinanzgericht auf seine Schlüssigkeit hin untersucht worden war und dessen Inhalt und Ergebnis vom Finanzamt niemals - auch nicht in seiner Ergänzung vom - angezweifelt wurde. Es erschließt sich dem Verwaltungsgericht nicht, warum die Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht nachvollziehbar sein soll. Dies umso mehr, als es sich offensichtlich nicht in der Lage sieht, konkrete Mängel des Zahlenwerkes aufzuzeigen.

Liegt - wie hier - ein vollständiges und schlüssiges Sachverständigengutachten vor, kann das Finanzamt diesem grundsätzlich nur mit einer Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten (vgl. etwa ). Dazu reicht die unsubstantiierte Behauptung nicht, die Berechnung sei nicht nachvollziebar. Zwar kann das Bundesfinanzgericht von sich aus selbst ein Gutachten in Auftrag geben, das setzt aber begründete Zweifel an der Expertise oder Glaubwürdigkeit des Privatgutachters voraus (vgl. dazu Leitner in AVR 2022, 231). Dafür gibt es hier keinerlei Anhaltspunkte. Damit konnte das Bundesfinanzgericht hier unbedenklich von der Richtigkeit der gutachterlich durchgeführten Berechnung ausgehen. Auch die minimale Abweichung hinsichtlich des Wertes des reinen Nachlasses (siehe Punkt B/10) basiert auf dem Hauptinventar des Gerichtskommissärs und wurde vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen.

C/7. Wenngleich eine Legaldefinition des Zuwendungsbegriffs fehlt, können Zuwendungen als unentgeltliche Vermögensübertragungen umschrieben werden. Allerdings ist nicht jede unentgeltliche Überführung von Vermögen durch eine Privatstiftung an Dritte eine Zuwendung. Wie von der Bf. richtig eingewendet, bedürfen Zuwendungen nämlich eines - zumindest konkludenten - Beschlusses des Stiftungsvorstands und müssen nach herrschender Ansicht auf eine von den Organen der Privatstiftung gewollte Bereicherung des Empfängers der Zuwendung abzielen.

Eine Zuwendung iSd § 27 Abs 5 Z 7 EStG liegt nur insoweit vor, als der konkrete Anspruch des Zuwendungsempfängers auf unentgeltliche Übertragung des Vermögenswerts durch eine grundsätzlich autonome Entscheidung des Stiftungsvorstandes eingeräumt wird. Da sich der Pflichtteilsanspruch aus anderem Grund, nämlich ex lege ergibt, liegt eine solche Zuwendung bei Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen im Rahmen von gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen nicht vor (Wiedermann, RWZ 2015, 40).

Die Bf. betonte in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG wiederholt, dass sie nicht in (subjektiver) Bereicherungsabsicht gehandelt habe, sondern die Zahlungen an die Töchter ausschließlich in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung leistete.

Die dazu vom erkennenden Senat unter Wahrheitspflicht als Zeugen befragten ehemaligen drei Stiftungsvorstandsmitglieder bestätigten diese Ausführungen vollumfänglich. So hat die damalige Vorstandsvorsitzende in ihrer ausführlichen Befragung dem Senat einen sehr offenen, kooperativen und vertrauenswürdigen, kurz einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Gleiches gilt für die beiden anderen Zeugen, die in der Frage der Bereicherungsabsicht des Stiftungsvorstandes völlig übereinstimmende Aussagen machten. Alle drei befragten Zeugen schilderten das Verhältnis der Töchter zum Stiftungsvorstand als distanziert, ablehnend und sogar feindselig. Sie ließen keinen Zweifel daran offen, dass der Stiftungsvorstand die Töchter keinesfalls bereichern wollte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Bf. vor Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens einen Geldbetrag gerichtlich hinterlegen ließ, um Verzugsfolgen zu vermeiden. Weiters bestätigt der gerichtliche Antrag der Töchter auf Abberufung des gesamten Stiftungsvorstandes das belastete Verhältnis zwischen dem Vorstand und den Töchtern.

Der Stiftungsvorstand hat nach Überzeugung des erkennenden Senats die Rechtslage mit der gebotenen Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters geprüft, entsprechend gewürdigt und dabei den nachvollziehbaren Schluss gezogen, dass sich die beschwerdeführende Privatstiftung ihrer zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber den drei Töchtern nicht würde entziehen können. Er bediente sich dabei der Gutachten mehrerer ausgewiesener Expert:innen und vermittelte den unmissverständlichen Eindruck, dass es sein ganzes Bestreben war, unberechtigte Ansprüche gegen die Bf. abzuwehren, dabei aber kein Prozessrisiko einzugehen, das er nicht rechtfertigen könnte.

Dem Stiftungsvorstand war dabei offensichtlich bewusst, dass eine Bereicherung der Töchter den für sie verbindlichen Stifterwillen unterlaufen würde. Zwar waren die Töchter als Begünstigte grundsätzlich genannt, der Stifter wollte aber mit den Zuwendungen bei der Enkelgeneration beginnen und die Töchter nur im Ausnahmefall, dass deren Lebensstandard deutlich abzusinken droht, unterstützen. Dazu kommt, dass der Stifter Nachkommen, die eine Verkürzung ihrer Pflichtteilsansprüche im Sinne des § 785 ABGB geltend machen, aus dem Begünstigtenkreis ausschloss. Die damalige Vorstandsvorsitzende wies zu Recht darauf hin, dass der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hätte, wenn er den Töchtern Zuwendungen gemacht hätte.

Das Finanzamt erhob in der mündlichen Verhandlung gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen keinerlei Einwendungen. Der erkennende Senat selbst sieht keinen Grund an den Aussagen zu zweifeln und nimmt deshalb als erwiesen an, dass der Stiftungsvorstand keinen subjektiven Bereicherungswillen hatte.

C/8. Das (damals zuständige) Finanzamt für Gebühren erließ gegenüber den Töchtern T 2 und T 3 rechtskräftige Erbschaftssteuerbescheide, weil es bei den im Pflichtteilsübereinkommen vom getroffenen Zahlungsvereinbarungen von einem Erwerb von Todes wegen ausging. Die Steuerschuld dieser beiden Töchter entstand mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches noch vor dem . Die dritte Tochter machte ihre Pflichtteilsansprüche erst nach dem geltend.

Das Bundesfinanzgericht wies in seinem Erkenntnis vom darauf hin, dass ein und derselbe Sachverhalt nur entweder als entgeltlicher Vorgang dem EStG 1988 oder als unentgeltlicher Vorgang dem ErbStG (bzw. Schenkungsmeldegesetz) unterliegt. Ein erbschaftsteuerpflichtiger Vorgang unterliegt somit nicht (zusätzlich) einer KESt-Pflicht (; zustimmend Wiedermann, RWZ 2015, 40).

Die Beurteilung der gegenständlichen Zahlungen als unentgeltlicher Vorgang steht somit im Einklang mit den rechtskräftigen Erbschaftsteuerbescheiden.

C/9. Zusammenfassung

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sind Zahlungen einer Privatstiftung, die in ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Auszahlung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen wurzeln, keine Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs 1 Z 7 EStG und unterliegen daher nicht der Kapitalertragsteuer ().

Die vorgelegten Gutachten stellten die Rechtslage umfassend dar und kamen auf Basis der damals existierenden Judikatur und Literatur zur nachvollziehbaren Ansicht, dass sich die Bf. den Zahlungen nicht entziehen können wird. Die Gutachten betonen zwar, dass dies nicht auf einer abschließenden höchstgerichtlichen Judikatur basiert, begründeten ihre Ansicht aber umfassend, nachvollziehbar und aus der damaligen Sicht nach Einschätzung des Bundesfinanzgerichtes fehlerfrei. Der erkennende Senat sieht keinen Grund für den Stiftungsvorstand, weitere Gutachten in Auftrag zu geben, wie das vom Finanzamt angedacht wurde. Weder zeigte das Finanzamt konkrete Fehler der Gutachten auf, noch war aus damaliger Sicht aufgrund der ausgewiesenen Expertise der Autor:innen mit einem anderen Ergebnis zu rechnen. Auch ein zweites Gutachten hätte - mangels Judikatur - keine absolute Sicherheit bringen können. Geblieben wäre jedenfalls das hohe Prozesskostenrisiko.

Den Vorstandsmitgliedern kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich auf Basis dieser Gutachten gezwungen sahen, die rein zivilrechtlichen Rechtsansprüche der Töchter anzuerkennen. Diese basierten nicht auf stiftungsrechtlichen Grundlagen, sondern ausschließlich auf § 951 ABGB, bestanden ohne Zweifel mit aus Sicht der Bf. größter Wahrscheinlichkeit und waren völlig unabhängig von ihrer Stellung gegenüber der Privatstiftung. Sie wären auch von jedem fremden Geschenknehmer zu befriedigen gewesen. Damit vermag das Bundesfinanzgericht keinen Grund für eine Sorgfaltswidrigkeit der Stiftungsvorstandsmitglieder zu erkennen. Ihre Entscheidung erfolgte nach bestem Wissen und unter pflichtgemäßer Abwägung von Chancen und Risken.

Auch wenn dies weder im Streitjahr noch heute abschließend höchstgerichtlich geklärt ist, gibt die Rechtslage keinerlei Hinweise darauf, dass die Töchter mehr erhielten, als ihnen gesetzlich zustand. Der erkennende Senat kommt deshalb zum Schluss, dass mit größter Wahrscheinlichkeit schon eine objektive Bereicherung der Töchter zu verneinen ist.

In freier Beweiswürdigung gelangte der Senat darüber hinaus aber zur Überzeugung, dass die Zahlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von einem subjektiven Bereicherungswillen der Bf. getragen waren. Auf einen solchen Bereicherungswillen deutet nichts hin (siehe oben).

Eine Qualifikation dieser Zahlungen als Zuwendung ist damit ausgeschlossen. Die Inanspruchnahme der Bf. zur Haftung für eine auf diese Zahlungen an die Töchter entfallende Kapitalertragsteuer erfolgte deshalb zu Unrecht, und der Bescheid war ersatzlos aufzuheben.

Das Bundesfinanzgericht erlaubt sich den Hinweis, dass § 270 BAO idF bis zum BGBl. I Nr. 108/2022 für bis zum einlangende Beschwerdevorlagen vorsah, dass auf neue im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebrachte Tatsachen, Beweise und Anträge Bedacht zu nehmen ist. Solche vermag das Bundesfinanzgericht allerdings in den zwei etwa drei Wochen nach Schluss der Verhandlung einlangenden Mails vom nicht zu erkennen, enthalten sie doch nur die Darstellung der Ansicht der Behörde ohne einen entsprechenden konkreten, substantiierten Antrag oder neue Tatsachen und Beweise.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der das Erkenntnis folgt. Darüber hinaus hing die
Entscheidung im Wesentlichen von Fragen der Beweiswürdigung ab, der im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
OGH, 1 Ob 214/09s











ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100231.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at