Verwaltungsstrafe Gebrauchsabgabe, Geschäftsführer nach Abtretungsvertrag nicht mehr operativ tätig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen Bf., A-1, vertreten durch Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH, Dr.-Karl-Lueger-Platz 5, 1010 Wien, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost D1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung LGBl. Für Wien Nr. 57/2019 in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen vom , N-1, in Anwesenheit des Beschuldigten, seines Verteidigers Rechtsanwalt P-5 für die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH, der Behördenvertreterin P-1 und der Schriftführerin P-2 zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 168,00 zu leisten.
III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.
IV. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Am erging an den Beschwerdeführer (Bf.) als ehemaligen Geschäftsführer der sich im Insolvenzverfahren befindlichen G-1 folgendes Straferkenntnis:
Er habe vor der Liegenschaft A-2, in den Zeiträumen
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1. | - |
2. | Juni 2021 |
3. | Juli 2021 |
4. | August 2021 |
den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr diene, durch eine Baustelleneinrichtung im Ausmaß von 35 m² genutzt, wobei er hiefür bis zum (Spruchpunkt 1.) bzw. D-1 (Spruchpunkte 2.-4.) weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe mit Beträgen von jeweils € 420,00 verkürzt und vier Verwaltungsübertretungen begangen.
Er habe dadurch die Rechtsvorschriften § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost D1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) in der derzeit geltenden Fassung in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung über ihn vier Strafen von je € 210,00, falls diese uneinbringlich seien, vier Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Stunden verhängt.
Ferner habe er gemäß § 64 VStG € 84,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das seien 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt, zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/ Kosten/ Barauslagen) betrage daher € 924,00.
Begründung
Gemäß § 1 Abs. 1 GAG sei für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angeben sei.
Nach § 9 Abs. 1 VStG sei für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt seien, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen sei.
Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Bf. die zur Vertretung nach außen berufene Person der Gesellschaft und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften bis D-1 strafrechtlich verantwortlich gewesen sei.
Im vorliegenden Fall gehe aus Feststellungen der Magistratsabteilung 46 hervor, dass er den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, durch die angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen habe.
In seinem Einspruch (Anmerkung: gegen die Strafverfügung) habe der Bf. im Wesentlichen eingewendet, dass er im Mai 2020 seine Geschäftsanteile an der genannten GmbH an Herrn P-3 übertragen habe und dieser seitdem - somit auch im Zeitraum April 2021 - die Geschäfte der Gesellschaft als deren faktischer Geschäftsführer alleine geführt habe, was dieser auch wiederholt ausdrücklich zugestanden habe. Herr P-3 sei somit für die genannte Baustelle faktisch verantwortlich gewesen.
Hiezu werde Folgendes festgestellt:
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von April 2021 sowie Juni 2021 bis August 2021 sei der Bf. jedenfalls als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH im Firmenbuch eingetragen und somit verantwortlicher Vertreter der abgabepflichtigen Gesellschaft gewesen. Interne Absprachen vermöchten daran nichts zu ändern.
Im § 9 Abs. 2 VStG werde bestimmt, dass die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt seien und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweise, auf Verlangen der Behörde verpflichtet seien, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliege. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens könnten aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Gemäß § 9 Abs. 4 VStG könne verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden könne, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt habe und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sei.
Eine Behördenanfrage vom nach einem allfällig bestellten verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG sei unbeantwortet geblieben. Es sei folglich davon auszugehen, dass eine derartige Bestellung nicht vorliege.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde das verantwortliche Organ von seiner Schuld durch eine bloße Aufgabenteilung innerhalb der Gesellschaft nicht entlastet ().
Dass neben dem Bf. ein weiterer Geschäftsführer bestellt gewesen sei und er ihm seine Agenden bzw. Geschäftsanteile an der Gesellschaft übertragen habe, vermöge ihn ebenfalls nicht zu entlasten.
Die interne Aufgabenteilung der zur Vertretung nach außen berufenen Personen sei für die strafrechtliche Verantwortlichkeit irrelevant (). Bei mehreren zur Vertretung nach außen Berufenen sei jeder für die Einhaltung der Abgabenvorschriften strafrechtlich verantwortlich ().
Ferner habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen und begründet, dass den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren eine Mitwirkungspflicht treffe, welche es erfordere, die Verantwortung nicht darauf zu beschränken, die vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen Erhebungsergebnissen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten (Slg. 7400(A)/68).
Unterlasse er dies, so bedeute es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Beweiserhebungen durchführe. Dies gelte insbesondere dann, wenn mit einer bestimmten Behauptung - hier mit der Behauptung, dass der Bf. bereits im Mai 2020, also vor dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum, seine Geschäftsanteile an der GmbH an Herrn P-3 übertragen habe und dieser somit die Geschäfte der Gesellschaft als deren faktischer Geschäftsführer alleine geführt habe - der Beweiswert jener Tatsachen, die die Behörde ermittelt habe, verneint werde, ein schlüssiger Gegenbeweis aber nur aufgrund zusätzlicher Beweise möglich sei, die nach dem Gegenstand des Beweisverfahrens mangels Zugänglichkeit durch die Behörde nur die Partei durch das Anbot entsprechender Beweismittel zu erbringen in der Lage sei.
Der Bf. hingegen habe im Zuge des Verfahrens seine Behauptungen trotz gebotener Gelegenheit durch keinerlei Beweismittel zu erhärten versucht.
Der Sachverhalt selbst sei nicht bestritten worden.
Aufgrund der Aktenlage sei es daher als erwiesen anzusehen, dass der Bf. den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, in Anspruch genommen habe, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten. Er habe somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.
Eine Verkürzung liege in solchen Fällen bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung einer Anzeigepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet werde (vgl. ).
Gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung seien Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt werde, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis € 42.000,00 zu bestrafen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit sei eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauere so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachhole oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt werde.
Als erschwerend sei kein Umstand zu werten gewesen.
Bei der Strafbemessung sei aber auch zu berücksichtigen gewesen, dass dem Bf. der Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugutekomme.
Die Strafbemessung sei unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse erfolgt. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse hätten zu seinen Gunsten nicht angenommen werden können, da der Bf. von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt bestehe.
Die Verschuldensfrage sei aufgrund der Aktenlage zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Ausspruch über die Kosten sei in § 64 Abs. 2 VStG begründet.
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In der dagegen am eingebrachten Beschwerde legte die rechtliche Vertretung des Bf. folgende Urkunden vor:
Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen dem Bf. und P-3 über die Geschäftsanteile der G-1 vom D-2
Gesellschafterbeschluss betreffend die genannte GmbH vom D-2
Historischer Firmenbuchauszug der Gesellschaft vom
Auszug aus der Insolvenzdatei betreffend die GmbH vom
1. Beschwerdegründe
Das angefochtene Straferkenntnis sei aus nachstehenden Gründen rechtswidrig.
1.1. Unrichtige rechtliche Beurteilung
Das angefochtene Straferkenntnis sei aufgrund von unrichtiger rechtlicher Beurteilung rechtswidrig.
Im Straferkenntnis werde dem Bf. vorgeworfen, dass er aufgrund seiner Position als handelsrechtlicher Geschäftsführer der G-1 für eine Baustelleneinrichtung an der Adresse A-2, in den Monaten April - August 2021 weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG als "zur Vertretung nach außen berufene Person" verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei.
Diese Rechtsansicht der Behörde sei unrichtig.
Am D-2 sei zwischen dem Bf. und P-3 als Käufer ein Kauf- und Abtretungsvertrag betreffend den gesamten Geschäftsanteil der GmbH abgeschlossen worden.
Ebenfalls am D-2 sei Bf. (Anmerkung: gemeint wohl P-3) zum Geschäftsführer der genannten Gesellschaft bestellt worden und habe er mit diesem Tag die operative und faktische Geschäftsführung der Gesellschaft übernommen.
Ab diesem Zeitpunkt (D-2) sei der Bf. somit nicht mehr operativ als Geschäftsführer im "Tagesgeschäft" tätig gewesen und habe er insofern auch nicht die entsprechenden Bewilligungen eingeholt, da vielmehr P-3 operativ und faktisch tätig und somit für die Vertretung nach außen gemäß § 9 Abs. 1 VStG berufen gewesen sei.
P-3 habe insoweit in einer Besprechung - in welcher auch sein Rechtsanwalt P-4 sowie der Bf. anwesend gewesen seien - verbalisiert, dass nur mehr er (P-3) die operative und faktische Geschäftsführung innehabe und der Bf. in die operative Geschäftsführung nicht mehr eingebunden sei.
Insgesamt sei der Bf. im verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt daher nicht zur "Vertretung nach außen berufen" gewesen iSd § 9 Abs. 1 VStG und sei seine Bestrafung daher zu Unrecht erfolgt.
Beweis:
Einvernahme des P-3
Einvernahme des Bf.
Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen dem Bf. und P-3 über die Geschäftsanteile der G-1 vom D-2
Gesellschafterbeschluss betreffend die genannte GmbH vom D-2
historischer Firmenbuchauszug der Gesellschaft vom
Auszug aus der Insolvenzdatei betreffend die Gesellschaft vom
weitere Beweise vorbehalten
1.2. Fehler bei der Strafzumessung
1.2.1. Nichtanwendung des § 45 VStG
Gemäß § 45 VStG müsse die Behörde ein Verwaltungsstrafverfahren von Amts wegen einstellen, wenn ein Einstellungsgrund gemäß § 45 Abs. 1 Z 1-6 VStG vorliege.
Im gegenständlichen Fall bildeten die dem Bf. zur Last gelegten Taten, wie dargestellt worden sei, keine Verwaltungsübertretungen. Das Verwaltungsstrafverfahren wäre daher gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen gewesen.
Selbst wenn man annehme, dass die Taten doch eine Verwaltungsübertretung darstellten, sei das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG einzustellen, da die Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter und die Intensität ihrer Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Bf. nur gering gewesen seien.
Voraussetzung für die Anwendung des Einstellungsgrundes gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG sei, dass dem Beschuldigten nur geringes Verschulden treffe und die Taten lediglich unbedeutende Folgen nach sich gezogen hätten.
Dies sei im gegenständlichen Fall erfüllt.
Das tatbildmäßige Verhalten des Bf. sei erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben. Er habe bei keiner der Taten vorsätzlich gehandelt, sondern lediglich fahrlässig.
Die Taten hätten auch nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen, die den Normzweck im Wesentlichen nicht konterkariert hätten, und seien dabei keinerlei Schäden eingetreten.
Die belangte Behörde hätte das Verfahren daher nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG infolge Geringfügigkeit einstellen müssen.
Allenfalls könne die belangte Behörde, anstatt die Einstellung zu verfügen, dem Beschuldigten im Fall des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheine, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Insofern der Bf. zum Tatzeitpunkt weder operativer noch faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei und über diese zwischenzeitlich auch mit D-4 das Konkursverfahren eröffnet worden sei, seien jedenfalls keine weiteren strafbaren Handlungen durch den Bf. mehr zu erwarten, weshalb - wenn überhaupt - eine Ermahnung durch die belangte Behörde geboten gewesen sei.
Sofern das Verfahren daher nicht bereits nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG einzustellen gewesen wäre, hätte die belangte Behörde daher lediglich eine Ermahnung aussprechen müssen, dies vor allem unter dem Hintergrund, dass aufgrund obenstehender Ausführungen keine spezialpräventiven Gründe gegen ein solches Vorgehen sprächen.
Beweis: wie oben
1.2.2. Verstoß gegen §§ 19ff VStG
Gemäß § 19 VStG habe sich die Höhe der Strafe an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu richten.
Außerdem seien - unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes - die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß den §§ 32-35 StGB sinngemäß anzuwenden (§ 19 Abs. 2 VStG).
Die Erschwerungs- und Milderungsgründe müssten, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmten, gegeneinander abgewogen werden. Auf das Ausmaß des Verschuldens sei dabei besonders Bedacht zu nehmen.
Die Behörde habe im gegenständlichen Fall keine Abwägungen zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen des Bf. getroffen.
Das Straferkenntnis enthalte daher, entgegen der gesetzlichen Vorgabe, keinerlei Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe. Dadurch sei es auch nicht möglich zu überprüfen, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe (Anmerkung: gemeint wohl die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe) beträchtlich überwögen, sodass eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG nicht in Betracht komme.
Die Strafzumessung sei daher rechtswidrig erfolgt.
Sollte es trotz der erhobenen Einwände bei einer Bestrafung des Bf. bleiben, seien - neben dem geringen Verschulden des Täters, nämlich nur Fahrlässigkeit - nachfolgende Milderungsgründe zu beachten:
Der Bf. habe die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen (§ 34 Abs. 1 Z 7 StGB).
Durch keine der Taten sei ein Schaden eingetreten (§ 34 Abs. 1 Z 13).
Die Strafe sei daher eingedenk dieser Milderungsgründe tat- und schuldangemessen herabzusetzen.
Beweis: wie oben
2. Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Eigentumsfreiheit (Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZPEMRK, Art. 17 GRC)
Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZPEMRK gewährleisteten den Schutz des Eigentums. Der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums umfasse dabei alle vermögenwerten Privatrechte (Grabenwarter/Frank, B-VG Art. 1 1. ZPEMRK Rz 2).
Die Verhängung einer Geldstrafe sei eine Eigentumsbeschränkung und somit ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechtes (Grabenwarter/Frank, aaO Rz 9).
Das Straferkenntnis, das in das Eigentum eingreift, verletze das Grundrecht unter anderem dann, wenn es ohne Rechtsgrundlage (daher gesetzlos) ergehe oder ein Gesetz nicht bloß fehlerhaft, sondern in qualifizierter Weise "denkunmöglich" anwende (Grabenwarter/Frank, aaO Rz 14).
Die Behörde habe das Gesetz gegenständlich qualifiziert fehlerhaft, nämlich denkunmöglich, angewendet, indem sie gegen den Bf., der weder operativer noch faktischer Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen sei, eine Strafe verhängt habe.
Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt, wäre leicht erkennbar gewesen, dass der Tatbestand nicht erfüllt und keine Strafe zu verhängen sei. Die Behörde habe dies jedoch willkürlich unterlassen und diese Bestimmung somit denkunmöglich angewendet.
Der Bf. stelle daher die Anträge, das Verwaltungsgericht Wien (Anmerkung: gemeint wohl Bundesfinanzgericht) möge
gemäß § 44 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen;
das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze ersatzlos beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG einstellen; in eventu
es aufgrund der geringen Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter und der geringen Intensität ihrer Beeinträchtigung durch die Tat sowie aufgrund des geringen Verschuldens des Bf. bei einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG bewenden lassen; in eventu
die Strafhöhe auf ein gesetzmäßiges sowie tat- und schuldangemessenes Maß herabsetzen.
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Im Vorlagebericht vom nahm der Magistrat der Stadt Wien MA 6 dazu wie folgt Stellung:
Bezugnehmend auf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit werde auf die Begründung des Straferkenntnisses vom und den Akteninhalt verwiesen.
Darüber hinaus übersehe der Bf., dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraussetze, dass die dort genannten Umstände kumulativ vorlägen. Um daher eine Einstellung des Verfahrens nach dieser Vorschrift oder eine Ermahnung iSd § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vornehmen zu können, müssten die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie das Verschulden gering sein (Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 45 Anm. 3; ).
Das zu schützende Rechtsgut sei im vorliegenden Fall der öffentliche Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene und ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen worden sei.
Die Wertigkeit eines durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes finde ihren Niederschlag auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens (vgl. ), der im gegenständlichen Fall Geldstrafen bis zu € 42.000,00 vorsehe.
Nicht zuletzt sei die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat bei einem Verkürzungsbetrag an Gebrauchsabgabe von € 1.680,00 nicht als unwesentlich zu bezeichnen.
Es lägen daher die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für eine Ermahnung nicht vor.
Zur Strafbemessung werde ebenfalls auf die Begründung im Straferkenntnis verwiesen und darüber hinaus festgehalten, dass bis dato keine Schadensgutmachung durch Bezahlung der verkürzten Gebrauchsabgabe erfolgt sei.
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In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:
Verteidiger: "Der Magistrat Wien hat Bescheid gewusst, dass Herr P-3 nur kollektiv vertretungsbefugt ist. Zum Beweis wird ein Schreiben vom vorgelegt.
Damit ist für mich klar, dass der Magistrat ein Mitverschulden zu verantworten hat, da die Bewilligung des Gebrauches der Baustelle nicht hätte erteilt werden dürfen. Dadurch wurden die Baustelleneinrichtungen nicht von der Baustelle entfernt."
Amtsbeauftragte: "Die MA 46 benötigt lediglich eine Ansprechperson und prüft nicht, ob diese für die Gesellschaft vertretungsbefugt ist."
Verteidiger: "Es erscheint unbillig, meinem Mandanten die Strafe aufzubürden, obwohl er den Antrag auf Gebrauchsbewilligung nicht gestellt und auch nicht die Baustelleneinrichtung aufgestellt hat."
Amtsbeauftragte: "Bei großen Unternehmen weiß der Vorstand auch nicht, welche Baustellen eingerichtet werden, ist aber dennoch für die Bewilligung des Gebrauches des öffentlichen Grundes und Entrichtung der Gebrauchsabgabe verantwortlich."
Verteidiger: "Wieso wurde Herr P-3 strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen?"
Amtsbeauftragte: "Bereits dem Straferkenntnis ist zu entnehmen, dass auch er dafür herangezogen wird."
Verteidiger: "Der Bf. war nicht mehr operativ in der Geschäftsführung tätig, sondern nur mehr zur Absicherung seiner Gewinnansprüche. Die operative und faktische Geschäftsführung hatte alleine P-3. Zum Beweis lege ich ein Aufforderungsschreiben an Herrn P-3 vom auf Zahlung des Strafbetrages sowie der Rückstände an Gebrauchsabgaben im Zusammenhang mit den Baustelleneinrichtungen 06-08/2021 vor."
Amtsbeauftrage: "Auch die Vorschreibung der Gebrauchsabgaben wird im Haftungswege gegenüber dem Bf. geltend gemacht."
Verteidiger: "Es geht darum zu zeigen, dass wir die Vorschreibungen an den faktischen Geschäftsführer weitergeleitet haben."
Bf.: "Es trifft zu, dass ich bis D-1 selbstständiger Geschäftsführer war und bis dato alleiniger Gesellschafter bin, P-3 hingegen bis D-1 nur gemeinsam mit mir vertretungsbefugt war und nach wie vor nicht Eigentümer des Unternehmens ist. Der Grund findet sich bereits im Abtretungsvertrag, wonach dies in der Absicherung meines Gewinnanspruches und der in Raten zu entrichtenden Kaufpreiszahlungen begründet war."
Verteidiger: "Ich verweiseauf Punkt 2.4. des Abtretungsvertrages. Da meinen Mandanten kein Verschulden trifft, ersuche ich, von einer Bestrafung abzusehen."
Amtsbeauftragte: "Ich verweise auf das Straferkenntnis sowie die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 VStG."
Verteidiger: "Aus dem vorgelegten Schreiben vom geht auch hervor, dass Herr P-3 um Verlegung des Standortes bei der MA63 angesucht, aber meinem Mandanten davon keine Kenntnis verschafft hat, obwohl dieses Erfordernis bereits im Abtretungsvertrag festgehalten wurde."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Objektive Tatseite:
Gemäß § 1 Abs. 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 (GAG) ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Tarifpost D1 GAG in der im Tatzeitraum geltenden Fassung LGBl. Nr. 57/2019 normiert die folgenden Tarife:
D. Monatsabgaben je begonnenen Abgabenmonat
1. für die Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten, Baucontainern, Lademulden oder von sonstigen Gegenständen sowie für die Aufstellung von Baugeräten, Baucontainern, Gerüsten oder Bauhütten je begonnenen m² der bewilligten Fläche und je begonnenen Monat beträgt die Abgabenhöhe im 1. Bezirk für die ersten sechs Monate einer Bewilligung 8 Euro und ab dem siebenten Monat bis zum zwölften Monat 14 Euro; in allen übrigen Bezirken beträgt die Abgabenhöhe für die ersten sechs Monate einer Bewilligung 6 Euro und ab dem siebenten Monat bis zum zwölften Monat 10 Euro. Wird vom Bewilligungswerber für einen Zeitraum nach Ablauf einer Bewilligung eine weitere Bewilligung für denselben Zweck am selben Standort oder von Teilflächen desselbigen - insbesondere wenn dies aus technischen Gründen erforderlich ist - beantragt oder erfolgt der Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis, beträgt die Abgabenhöhe je begonnenen m² der bewilligten Fläche und je weiteren begonnenen Monat im 1. Bezirk 20 Euro und in allen übrigen Bezirken 12 Euro. Die Lagerung von Baucontainern und Lademulden bis zu 24 Stunden ist nicht genehmigungspflichtig und abgabenfrei.
Der objektive Tatbestand ergibt sich aus der Abgabenfestsetzung der Behörde vom , wonach sich im Zeitraum vom bis eine Baustelleneinrichtung im Ausmaß von 35 m² vor der Liegenschaft A-2, ohne Gebrauchserlaubnis befand, wobei der Bf. aufgrund der für den Zeitraum bis bestehenden Gebrauchsbewilligung sowie der Beendigung seiner Geschäftsführung am D-5 folgerichtig auch nur die Zeiträume bis und Juni bis August 2021 strafrechtlich herangezogen wurde.
Gegen die Abgabennachbemessung und die Höhe der festgesetzten Abgaben wurde kein Einwand vorgebracht.
Der Behauptung des Bf., dass keinerlei Schäden eingetreten seien, ist zu entgegnen, dass der Schaden bei Abgabenverkürzungen in der verspäteten oder nicht erfolgten Entrichtung der Abgaben, im gegenständlichen Fall der Gebrauchsabgaben, liegt.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ().
Subjektive Tatseite:
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind gemäß § 9 Abs. 2 VStG berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Dem Einwand des Bf., nicht gemäß § 9 Abs. 1 VStG als zur Vertretung nach außen berufene Person verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich zu sein, da er am D-2 mit P-3, der ab diesem Zeitpunkt operativer und faktischer Geschäftsführer gewesen sei, einen Kauf- und Abtretungsvertrag betreffend die Geschäftsanteile der G-1 abgeschlossen habe, ist entgegenzuhalten, dass laut Firmenbuch der Bf. im Zeitraum D-3 bis D-5 und P-3 im Zeitraum D-2 bis D-4 handelsrechtliche Geschäftsführer der genannten Gesellschaft waren und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei mehreren zur Vertretung nach außen Berufenen einer juristischen Person jeder aus diesem Personenkreis, soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die juristische Person strafrechtlich verantwortlich ist ().
Auch aus dem Vorbringen des Bf., dass die Vertragsparteien übereingekommen seien, dass nur mehr P-3 die operative und faktische Geschäftsführung innehabe und der Bf. insoweit in den Betrieb nicht mehr eingebunden gewesen sei, lässt sich nichts gewinnen, weil eine interne Aufteilung der Zuständigkeiten im Unternehmen die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der (Mit)Geschäftsführer nicht berührt ().
Darüber hinaus war festzustellen, dass der Bf. im gesamten Zeitraum D-3 bis D-5 selbstständiger handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH war, hingegen P-3 seine Geschäftsführungsbefugnis im Zeitraum D-2 bis D-5 lediglich gemeinsam mit dem Bf. ausüben durfte und erst ab D-5 bis zur Insolvenzeröffnung vom D-4, daher außerhalb des Tatzeitraumes, selbstständiger Geschäftsführer war.
Das seitens des Bf. vorgebrachte Argument des Mitverschuldens der Abgabenbehörde, weil ohne die wegen der mangelnden Befugnis des nicht selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführers P-3 zur Antragstellung zu Unrecht erteilte Gebrauchsbewilligung die Baustelleneinrichtung samt Baugerüst nicht aufgestellt bzw. entfernt worden sei, vermag ihn nicht zu exkulpieren, da der Bf. selbst einbekannte, damit einverstanden gewesen zu sein, dass sein Vertragspartner trotz der im Firmenbuch eingetragenen gemeinsamen Geschäftsführung bereits ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung vom D-2 alleine die operative und faktische Geschäftsführung innegehabt habe.
Daher musste der Bf. aber auch damit rechnen, dass gemäß dem Betriebszweck seitens des P-3 Bauaufträge durchgeführt und dazu auch öffentliche Flächen in Anspruch genommen werden, weshalb er zur Kontrolle der erfolgten Beantragung der Gebrauchsbewilligung und Entrichtung der Gebrauchsabgaben verpflichtet gewesen wäre.
Um in diesem Fall strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, wäre es am Bf. gelegen gewesen, P-3 (oder andere Personen) gemäß § 9 Abs. 2 VStG als verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.
Aus den genannten Gründen ergibt sich, dass der Bf. daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG im Tatzeitraum zur Einhaltung der abgabenrechtlichen Bestimmungen verpflichtet war.
Hinsichtlich der für eine Strafbarkeit geforderten subjektiven Tatseite genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG Fahrlässigkeit, also eine Sorgfaltspflichtverletzung in der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Belange.
Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit hat der VwGH festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden kann, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl. ).
Der Bf. hat die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt, indem er die gebotene Sorgfalt verletzt hat, für die Baustelleneinrichtung und das Gerüst auch für den Tatzeitraum eine Bewilligung zu erlangen und die monatlich fälligen Abgaben zu entrichten. Bei Beachtung der gebotenen und dem Bf. zumutbaren Sorgfalt wäre eine rechtzeitige Antragstellung auf Gebrauchserlaubnis, die für Vorzeiträume durchaus erfolgt ist, jedenfalls möglich und auch zumutbar gewesen.
Die angezeigten Übertretungen waren daher als erwiesen anzusehen. Die durch den Bf. vertretene Gesellschaft hat den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, in Anspruch genommen, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten.
Durch das zumindest fahrlässige Verhalten des Bf. hat die Behörde die Abgabe nicht bei deren Fälligkeit erhalten, sondern musste nach Aufdeckung der Verwaltungsübertretungen mit amtswegiger Festsetzung vorgehen.
Strafbemessung:
Gemäß § 16 Abs. 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 in der Fassung LGBl. 57/2019 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 1 VStG von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Ein Erschwerungsgrund ist es gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 StGB insbesondere, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist.
Ein Milderungsgrund ist es gemäß § 34 Abs. 1 StGB insbesondere, wenn der Täter
(…)
7. die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen hat;
(…)
13. trotz Vollendung der Tat keinen Schaden herbeigeführt hat oder es beim Versuch geblieben ist;
14. sich der Zufügung eines größeren Schadens, obwohl ihm dazu die Gelegenheit offenstand, freiwillig enthalten hat oder wenn der Schaden vom Täter oder von einem Dritten für ihn gutgemacht worden ist;
(…)
17. ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;
18. die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat;
(…).
(2) Ein Milderungsgrund ist es auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat.
Für die Strafbemessung war zunächst das Ausmaß des jeweiligen Verkürzungsbetrages maßgebend, wobei eine Verkürzung bereits dann vorliegt, wenn die geschuldete Abgabe nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entrichtet wird; es ist nicht gefordert, dass eine Abgabe auf Dauer entzogen werden sollte (vgl. ).
Dass die dem Bf. zur Last gelegten Taten entgegen seiner Rechtsansicht Verwaltungsübertretungen darstellen, wurde bereits ausführlich dargelegt. Eine von ihm monierte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG kommt daher nicht in Betracht.
Aber auch aus dem Einwand, dass das Verwaltungsstrafverfahren ansonsten nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG einzustellen oder eine Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vorzunehmen sei, lässt sich nichts gewinnen, weil erstens die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, zweitens die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und drittens das Verschulden des Beschuldigten gering sein müssen ().
Die Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten vorliegenden Rechtsgutes des öffentlichen Gemeindegrundes, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient und ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen wurde, findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens (vgl. ). Da dieser im gegenständlichen Fall gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der Fassung LGBl. 57/2019 Geldstrafen bis zu € 42.000,00 vorsieht, kann die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes keinesfalls als gering angesehen werden.
Da die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG normierten Umstände kumulativ vorliegen müssen (), erübrigt sich ein Eingehen sowohl auf die Intensität der Beeinträchtigung des Rechtsgutes durch die Tat als auch das Ausmaß des Verschuldens des Bf.
Dem Einwand des Bf., dass wegen des über das Vermögen der Gesellschaft anhängigen Konkursverfahrens, wodurch keine weiteren strafbaren Handlungen durch den Bf. mehr zu erwarten seien, mit Ermahnung vorzugehen gewesen sei, ist zu entgegnen, dass diese nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG nur dann in Betracht kommen kann, wenn dies geboten erscheint, um einen Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Mangels spezialpräventiver Gründe - sowie der bereits dargelegten Voraussetzungen für eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG - kann eine Ermahnung daher nicht ausgesprochen werden (; ).
Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist: Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat dabei zunächst die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu bewerten. In der Folge sind bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen ().
Hinsichtlich der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes wird auf die Ausführungen zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG verwiesen. Auch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat ist durch die Verkürzungsbeträge von jeweils € 420,00 zwar nicht als hoch, aber auch nicht gerade als gering zu bezeichnen.
Ausgehend von einer fahrlässigen Handlungsweise des Beschuldigten kommt dem Bf. bei der Strafbemessung kein Milderungsgrund, insbesondere kein Geständnis, keine Unbescholtenheit sowie keine Schadensgutmachung, zugute.
Dass die Taten nur aus Unbesonnenheit begangen worden wären, konnte seitens des Bf. nicht glaubhaft gemacht werden und ergab sich dafür aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt, zumal von ihm für vorangegangene Zeiträume und dieselbe Baustelle Gebrauchsbewilligungen beantragt wurden. Auch der Einwand des Bf., dass die Taten keinen Schaden herbeigeführt hätten, wurde bereits widerlegt.
Als erschwerend war ebenfalls kein Umstand zu werten.
Die Strafbemessung erfolgte unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse konnten zu Gunsten des Bf. nicht angenommen werden, da er von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt besteht.
Die ausgesprochenen Strafen entsprechen angesichts des bis € 42.000,00 reichenden Strafrahmens pro Delikt der Spruchpraxis der Verwaltungsbehörde und sind im Hinblick auf vier begangene Taten schuld- und tatangemessen.
Die Ersatzfreiheitsstrafe entspricht ebenfalls dem festgestellten Verschulden des Bf. in der Vernachlässigung abgabenrechtlicher Verpflichtungen der durch ihn vertretenen Gesellschaft.
Kostenentscheidung
In jedem Straferkenntnis ist gemäß § 64 Abs. 1 VStG auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Dieser Beitrag ist gemäß § 64 Abs. 2 VStG für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 EURO zu bemessen.
Die Kostenbestimmung für das verwaltungsbehördliche Verfahren ergibt sich aus § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes.
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.
Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 168,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.
Zahlungsaufforderung
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 9 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 5 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500453.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at