Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2023, RV/5100877/2021

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 323c Abs. 13 BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100877/2021-RS1
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung einerseits und der Aussetzung der Einhebung andererseits sind völlig unterschiedlich. Stundungen sind ihrem Zweck nach vorrangig als Maßnahmen zur kurzfristigen Überbrückung von wirtschaftlich angespannten Situationen gedacht, die Aussetzung der Einhebung dient dagegen dem Ziel der faktischen Effizienz von Beschwerden und ist von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers (insbesondere seiner Liquidität) unabhängig. Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 323c Abs. 13 BAO normierte „Zinsenbegünstigung“ auf die Stundungszinsen beschränkt hat und keine gleichlautende Bestimmung für die Aussetzungszinsen normiert hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden

1) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** über die Festsetzung von Aussetzungszinsen im Betrag von 98,71 € und

2) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** über die Festsetzung von Aussetzungszinsen im Betrag von 2.276,62 € zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Zu Spruchpunkt 1)

Mit Bescheid vom wurden für die Monate Jänner 2018 bis April 2018 die Dienstgeberbeiträge festgesetzt, woraus sich Nachforderungen in Höhe von insgesamt 3.077,90 € ergaben.

Gegen diesen Bescheid wurde am Beschwerde erhoben und ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Mit Bescheid vom wurde die Aussetzung der Einhebung des Gesamtbetrages in Höhe von 3.077,90 € bewilligt.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100740/2019, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof blieb ebenso erfolglos wie eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Infolge der Beschwerdeerledigung wurden mit Bescheid vom der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt und mit weiterem Bescheid vom Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 98,71 für den Zeitraum bis festgesetzt.

Gegen diesen Zinsenbescheid richtet sich die Beschwerde vom . In den Beschwerdegründen wird wörtlich ausgeführt:

"Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit in vollem Umfang bekämpft.

Rechtswidrigkeit des Inhalts wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes

Gemäß § 323c Abs 13 BAO idF BGBl I Nr. 52/2021 sind - unbeschadet aller sonstigen Vorschriften des § 212 Abs 2 BAO - ab bis keine Stundungszinsen vorzuschreiben.

Eine vergleichbare Bestimmung für Aussetzungszinsen fehlt.

3.1 Verstoß gegen Art 7 B-VG iVm Art 2 StGG iVm Art 66 Abs 1 und 2 StV St. Germain iVm Art 20, 21 GRC (Gleichheitsgrundsatz)

Der Gleichheitsgrundsatz beinhaltet mit Bezug auf Akte des Gesetzgebers das Verbot der Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung (Holoubek in Korinek et al (Hg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht14 Art 7 Abs 1 Sätze 1 und 2 B-VG Rz 110).

Nach stRsp des VfGH verbietet der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich zu behandeln, verwehrt ihm aber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen. Das bedeutet, der Gesetzgeber muss an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen, wesentlich ungleiche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen. Nur dann, wenn gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sind, entspricht das Gesetz dem Gleichheitssatz (VfSIg 4392/1963, 8475/1978, 11.641/1988, 13.477/1993, uva).

Gemäß § 212a Abs 9 BAO sind für Abgabenschuldigkeiten (i) solange aufgrund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt (lit a) oder (ii) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt (lit b) Aussetzungszinsen in Höhe von 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten.

Gemäß § 212 Abs 2 BAO sind für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt EUR 750,00 übersteigen, (i) solange auf Grund eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen, über das noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (lit a) oder (ii) soweit infolge einer gemäß § 212 Abs 1 BAO erteilten Bewilligung von Zahlungserleichterungen ein Zahlungsaufschub eintritt (lit b), Stundungszinsen in Höhe von 4,5 % Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten.

Mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020, BGBl I Nr. 96/2020 (im Folgenden auch kurz "KonStG 2020") wurden in § 323c BAO die Abs 11 bis 16 neu angefügt.

§ 323c Abs 13 BAO lautet nach dem KonStG 2020 wie folgt:

"Unbeschadet aller sonstigen Vorschriften des §212 Abs. 2 sind für den Zeitraum zwischen und keine Stundungszinsen vorzuschreiben (…)."

Durch das COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl I Nr. 3/2021 (im Folgenden auch kurz "COVID-19-StMG") wurde § 323c Abs 13 BAO wie folgt abgeändert:

"Unbeschadet aller sonstigen Vorschriften des § 212 Abs. 2 sind ab bis keine Stundungszinsen vorzuschreiben. (...)."

Mit dem 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl I Nr. 52/2021 (im Folgenden auch kurz "2. COVID-19-StMG") wurde der Zeitraum der Nichtfestsetzung von Stundungszinsen von bis verlängert.

Nach den Materialien zum KonStG 2020 war Hintergrund für die Schaffung diverser Ausnahmebestimmungen in § 323c BAO - und somit auch für die Nichtfestsetzung der Stundungszinsen für den betreffenden Zeitraum - dass der Gesetzgeber feststellte, dass die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Liquidität der Abgabepflichtigen nach wie vor gravierend sind. In vielen Bereichen der Wirtschaft erfolge erst langsam und schrittweise wieder eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit. Ein rasches Erreichen der Umsätze des Vorkrisenniveaus und damit auch einer ausreichenden Liquidität sei aber in fast allen Bereichen der Wirtschaft nicht zu erwarten (ErlRV 287 BlgNR XXVII. GP, 10).

Nach Ansicht des Gesetzgebers sei ein geregelter Übergang zwischen der Stundung und der vollständigen Entrichtung der ausstehenden Steuerschuld betriebswirtschaftlich sinnvoll. Insbesondere würden längerfristige Stundungen den Abgabepflichtigen nach deren Auslaufen unter Umständen vor erneute Liquiditätsprobleme stellen und würde weiters eine längerfristige Stundung eines größeren Abgabenbetrages auch das Risiko erhöhen, dass die Abgabenschuld nach deren Auslaufen nicht in voller Höhe entrichtet werden kann. Analog zur Regelung der begünstigten Form der Ratenzahlung in § 323c Abs 12 BAO anstelle der bloßen Verlängerung der Stundung, wollte der Gesetzgeber in § 323c Abs 13 BAO auch einen Übergang in Bezug auf die zu entrichtenden Stundungszinsen treffen und legte daher fest, dass ab bis (vorerst) keine Stundungszinsen festzusetzen sind (ErlRV 287 BlgNR XXVII. GP, 11).

Für Aussetzungszinsen wurde keine vergleichbare Regelung geschaffen. Das bedeutet, dass für den Zeitraum der Aussetzung der Einhebung trotz der negativen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie Aussetzungszinsen seitens des Abgabepflichtigen zu entrichten sind.

Diese Differenzierung erscheint nicht sachgerecht.

§ 212a Abs 5 BAO legt fest, dass [die] "Wirkung einer Aussetzung der Einhebung(...) in einem Zahlungsaufschub [besteht]". Gleichsam bestimmt § 212 Abs 2 BAO, dass das Wesen der Stundung darin besteht, dass der Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben wird.

Aussetzungszinsen stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruchgenommenen - und jederzeit durch Entrichtung gemäß § 212a Abs 8 BAO beendbaren - Zahlungsaufschub dar (Ritz, BAO6 § 212a Rz 32 mit Verweis auf ; so auch bereits ).

Stundungszinsen bilden den wirtschaftlichen Ausgleich für den Zinsverlust, den der Abgabengläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Abgabenleistung nicht bereits am Tag der Fälligkeit erhält (VwGH 11.03.1192, 90/13/0239, 0240; ; Ritz, BA06§ 212 Rz22).

Stundungszinsenpflicht besteht gemäß § 230 Abs 3 BAO auch für AbgabenschuIdigkeiten, solange auf Grund eines offenen Zahlungserleichterungsansuchens Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen. Stundungszinsenpflicht besteht weiters für dieDauer des infolge der Bewilligung von Zahlungserleichterungen bestehendenZahlungsaufschubes, außer soweit und solange die betroffenen Abgaben noch nicht fällig sind bzw. für sie eine gesetzliche Zahlungsfrist besteht (Ritz, BAO6 § 212 Rz 23f mwN).

Das Wesen sowohl der Stundungszinsen als auch der Aussetzungszinsen besteht demnach in einem Zahlungsaufschub. Sinn und Zweck des jeweils gewährten Zahlungaufschubs liegt in der Erhaltung der Liquidität des betreffenden Abgabepflichtigen.

Die historische und teleologische Interpretation des § 323c Abs 13 BAO legt nahe, dass sowohl der Wille des Gesetzgebers als auch der Sinn und der Zweckder Regelung, wonach Stundungszinsen in Zeiten der Corona-Pandemie nicht festgesetzt werden, ebenso in der Erhaltung der Liquidität der Abgabepflichtigen liegt. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Liquidität der Abgabepflichtigen sollen durch diese Maßnahmen ausgeglichen werden.

Die Nichtfestsetzung von Stundungszinsen stellt grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Erhaltung der Liquidität der Abgabepflichtigen als legitimes Ziel dar. Der Gesetzgeber überschreitet jedoch die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Schranken, wenn die vorgesehenen zur Zielerreichung an sich geeignetenMittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (VfSIg 8457/1978).

Dass für Aussetzungszinsen keine § 323c Abs 13 BAO vergleichbare Regelungseitens des Gesetzgebers getroffen wurde, führt zu einer sachlich nichtbegründbaren Differenzierung, verfolgen doch beide Instrumente dasselbe Ziel, nämlich einen Zahlungsaufschub zur Erhaltung der Liquidität des Abgabepflichtigen. Dabei handelt es sich zudem um genau jene Motive, die den Gesetzgeber bei der Regelung des § 323c Abs 13 BAO geleitet haben.

Festzuhalten ist weiters, dass die (Weiter)Festsetzung von Aussetzungszinsen inZeiten von COVID-19 nicht als aus gleichheitsrechtlicher Sicht hinzunehmender Härtefall zu qualifizieren ist. Härtefälle sind nach stRsp des VfGH in der Regel Folgen einer (zulässigen) Durchschnittsbetrachtung und haben ihre Ursache darin, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, alle Fallgestaltungen und daher auch nicht jene, die dann als Härtefall empfunden werden, vorherzusehen und bei seinen Regelungen im Voraus zu bedenken (VfSIg 19.763/2013 mwN; VfSIg 20.092/2016, 20.138/2017). Maw liegen aus gleichheitsrechtlicher Sicht hinzunehmende Härtefälle dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber bei der Erlassung der Regelung mit einer derartigen Fallkonstellation rechnen musste.

Aussetzungszinsen stellen für den Gesetzgeber keine nicht vorhersehbare Fallgestaltung dar. Der Gesetzgeber musste bei der Erlassung der gegenständlichen Ausnahmebestimmungen in § 323c Abs 11 bis 13 BAO zum Thema Stundungszinsen damit rechnen, dass in Zeiten der COVID-19 Pandemie seitens der Abgabepflichtigen nicht nur Stundungen nach § 212 BAO, sondern auch Aussetzung der Einhebungen nach § 212a BAO beantragt werden. Bei der Festsetzung von Aussetzungszinsen handelt es sich nicht um atypische Konstellationen, die nur ausnahmsweise auftreten. Ein aufgrund einer Durchschnittsbetrachtung zulässiger Härtefall liegt damit nicht vor.

Das angestrebte rechtspolitische Ziel der Erhaltung der Liquidität der Abgabepflichtigen in Zeiten der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber folglich nicht mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln zu erreichen versucht. Die Differenzierung zwischen Stundungszinsen, die für die Dauer von bis nicht festgesetzt wurden, und Aussetzungszinsen, für die keine vergleichbare Regelung getroffen wurde, ist sachlich nicht begründbar. Es liegt daher eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor.


3.2 Verstoß gegen Art 5 StGG iVm Art 1 1. ZPEMRK iVm Art 17 GRC
(Eigentumsgarantie)

Gemäß Art 5 StGG ist das Eigentum unverletzlich.

Gegenstand des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes ist nach der Judikatur des VfGH auch das Vermögen, in das durch die Auferlegung von Abgaben eingegriffen wird (VfSIg 12.967/1992; VfSIg 13.733/1994).

Eigentumseingriffe sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie gesetzlichvorgesehen sind, einem öffentlichen Interesse dienen, dieses öffentliche Interesse mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgen und außerdem nicht den Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung berühren (VfSIg 13.659/1993, 13.963; VfSIg 13.964/1994; VfSIg 17.604/2005). MaW müssen Eigentumsbeschränkungen, die zu Eingriffen in das Eigentum ermächtigen, einem bestimmten öffentlichen Interesse dienen und verhältnismäßig sein.

Vor dem Hintergrund der Einführung des § 323c Abs 13 BAO mit dem KonStG 2020 erscheint die - in Corona-Zeiten unverändert beibehaltene - Regelung des § 212a Abs 9 BAO nicht verhältnismäßig.

Sowohl das Wesen der Stundungszinsen als auch jenes der Aussetzungszinsen besteht in einem Zahlungsaufschub zur Erhaltung der Liquidität des Abgabepflichtigen. Dabei handelt es sich zudem um genau jene Motive, die den Gesetzgeber bei der Regelung des § 323c Abs 13 BAO geleitet haben.

Sowohl im Falle der Stundung als auch im Falle der Aussetzung der Einhebung besteht für die Abgabepflichtigen die Möglichkeit den gestundeten bzw. ausgesetzten Abgabebetrag jederzeit (vorzeitig) zu tilgen.

Die Beschwerdeführerin hätte zudem im konkreten Fall im Zuge der Bescheidbeschwerde die Möglichkeit gehabt, anstelle der Aussetzung der Einhebung eine Stundung zu beantragen, wodurch sie von der Regelung des § 323c Abs 13 BAO profitiert hätte und für den Zeitraum von bis keine Stundungszinsen festgesetzt worden wären. Von der Beschwerdeführerin wurde jedoch die Möglichkeit der Aussetzung der Einhebung gewählt, wofür seitens des Gesetzgebers keine (Sonder-)Bestimmung zu § 212a Abs 9 BAO im Zuge der COVID-19 Pandemie getroffen wurde.

Der Umstand, dass für Aussetzungszinsen keine § 323c Abs 13 BAO vergleichbare Regelung geschaffen wurde, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum der Beschwerdeführerin dar und ist daher verfassungswidrig."

Die Beschwerdeführerin beantragte, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass die Aussetzungszinsen mit 0,00 € festgesetzt werden, in eventu der Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Abgabenbehörde zurückverwiesen wird.

Schließlich regte die Beschwerdeführerin an, das Bundesfinanzgericht möge an den Verfassungsgerichtshof "gemäß Art 135 Abs 4 B-VG iVm § 89 Abs 2 B-VG und Art 140 Abs 1 B-VG einen Antrag auf Aufhebung von § 323c Abs 13 BAO wegen Verfassungswidrigkeit aufgrund der Einschränkung auf Stundungszinsen richten".

Da in der Beschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit des § 323c Abs. 13 BAO behauptet wurde, legte das Finanzamt die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 3 BAO) dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.

Zu Spruchpunkt 2)

Mit Bescheiden vom wurden für die Jahre 2013 bis 2017 die Dienstgeberbeiträge festgesetzt. Daraus ergaben sich Nachforderungen samt Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 54.766,18 €.

Gegen diese Bescheide wurde am Beschwerde erhoben und die Aussetzung der Einhebung der Nachforderungen beantragt.

Mit Bescheid des Finanzamtes Linz vom wurde die Aussetzung der Einhebung der nachgeforderten Dienstgeberbeiträge samt Säumniszuschlägen antragsgemäß bewilligt.

Nachdem das Beschwerdeverfahren aufgrund des beim Bundesfinanzgericht anhängig gewesenen, unter Punkt 1 dargestellten Verfahrens gemäß § 271 BAO ausgesetzt worden war, wurde dieses Verfahren nach Ergehen des Erkenntnisses vom fortgesetzt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom (die mit Eingabe vom noch ergänzt worden war) als unbegründet abgewiesen.

Infolge dieser Beschwerdevorentscheidung wurde mit Bescheid vom der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt und wurden mit weiterem Bescheid vom Aussetzungszinsen in Höhe von 2.276,22 € festgesetzt.

Gegen diesen Zinsenbescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der wortgleich ausgeführt wurde wie in der oben unter Punkt 1 erwähnten Beschwerde vom selben Tag betreffend den Zinsenbescheid vom .

Da auch in dieser Beschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit des § 323c Abs. 13 BAO behauptet wurde, legte das Finanzamt die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 3 BAO) dem Bundesfinanzgericht mit weiterem Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Eingaben, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten und ist unstrittig. Von der Beschwerdeführerin wurde im gegenständlichen Verfahren allein die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 323c Abs. 13 BAO behauptet.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 212a BAO normiert auszugsweise (soweit für den Beschwerdefall von Relevanz):

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder

b) Erkenntnisses (§ 279) oder

c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

(6) Wurde eine Abgabenschuldigkeit durch die Verwendung von sonstigen Gutschriften (§ 213 Abs. 1) oder Guthaben (§ 215 Abs. 4) gänzlich oder teilweise getilgt, so sind, falls dies beantragt wurde, die getilgten Beträge in die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung einzubeziehen, wenn die Tilgung

a) vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeit oder

b) vor Ablauf einer sonst für ihre Entrichtung gemäß § 210 Abs. 2 zustehenden Frist oder

c) bei später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzten Abgaben vor Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides oder

d) nach Einbringen des Antrages auf Aussetzung oder

e) innerhalb eines Monats vor Ablauf der Frist des Abs. 7

erfolgte.

(7) Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5 oder 5a) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 zu. Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

(8) Zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, dürfen Zahlungen, sonstige Gutschriften (§ 213 Abs. 1) sowie Guthaben (§ 215 Abs. 4) nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden. Hiebei ist § 214 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden, wenn bei Bekanntgabe des Verwendungszweckes auf den Umstand der Aussetzung der Einhebung der zu entrichtenden oder zu tilgenden Abgabenschuldigkeit ausdrücklich hingewiesen wurde.

(9) Für Abgabenschuldigkeiten sind

a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder

b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,

Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

Im gegenständlichen Fall wurde den Aussetzungsanträgen der Beschwerdeführerin stattgegeben und die Aussetzung der Einhebung der strittigen Abgaben bewilligt. Nach Erledigung der Beschwerden wurde der Ablauf der Aussetzung verfügt und waren nach der Bestimmung des § 212a Abs. 9 BAO die nunmehr angefochtenen Aussetzungszinsen vorzuschreiben.

Die Pflicht zur Vorschreibung der Zinsen aufgrund der bestehenden Rechtslage wird ebenso wenig bestritten wie die Richtigkeit der Festsetzung derselben.

Da sich die angefochtenen Zinsenbescheide als rechtmäßig erweisen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die in der Beschwerde geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt das Bundesfinanzgericht aus folgenden Erwägungen nicht, weshalb von der angeregten Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den VfGH Abstand genommen wurde:

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis , G99 bis G102/93, betont, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung einerseits und der Aussetzung der Einhebung andererseits völlig unterschiedlich sind und in Punkt V.3. dieser Entscheidung auszugsweise erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluß unter Hinweis auf die dort zitierten Literaturmeinungen auf die grundlegenden Unterschiede zwischen den Instituten der Stundung (§ 212 BAO) und der Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) hingewiesen. Die Bundesregierung hat dem nicht widersprochen, sondern im wesentlichen ausgeführt, "daß beide Instrumente rechtlich und wirtschaftlich betrachtet einen Zahlungsaufschub für den Abgabenpflichtigen darstellen", weshalb die Gleichbehandlung der beiden Instrumente in Bezug auf die Höhe der Zinsen geboten ist … Sie geht also im Ergebnis davon aus, daß es sich zwar um verschiedene Rechtseinrichtungen handelt, diese aber in ihren Auswirkungen im wesentlichen gleich sind. Dies trifft jedoch nicht zu. Es genügt in diesem Zusammenhang, auf die Ausführungen des Prüfungsbeschlusses hinzuweisen, die nicht widerlegt wurden.Im Gegensatz zur Bundesregierung bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner Auffassung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung einerseits und der Aussetzung andererseits völlig unterschiedlich sind. Das Instrument der Stundung ist für den Fall konzipiert, daß der Abgabepflichtige keinen Einwand gegen den Inhalt bzw. die Richtigkeit des Abgabenbescheides hat. Ein Antrag auf Stundung wird in der Regel gestellt, weil dem Abgabenpflichtigen im Zeitpunkt des Stundungsantrages und während der Dauer der beantragten Stundung entweder überhaupt die Möglichkeit zu bezahlen fehlt oder er die Zahlung in Raten - verteilt auf einen längeren oder kürzeren Zeitraum - anstrebt. Der Aussetzung hingegen liegt ein Streit zwischen dem Abgabenpflichtigen und der Behörde über die Rechtsrichtigkeit des Abgabenbescheides zugrunde. Der Abgabenpflichtige bekämpft den Bescheid der ersten Instanz und strebt die Aussetzung der Zahlungsverpflichtung für die Gesamtdauer des Berufungsverfahrens - ohne Rücksicht auf dessen Dauer, die der Abgabenpflichtige nicht beeinflussen kann - an.

Mit dem in den verfahrensgegenständlichen Beschwerden erhobenen Einwand, sowohl die Stundung als auch die Aussetzung der Einhebung bestünden in einem Zahlungsaufschub, kann daher die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 323c Abs. 13 BAO nicht begründet werden.

Es trifft auch nicht zu, dass Sinn und Zweck des sowohl durch eine Stundung als auch durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschubes in der Erhaltung der Liquidität des Abgabepflichtigen lägen. Stundungen sind ihrem Zweck nach vorrangig als Maßnahmen zur kurzfristigen Überbrückung von wirtschaftlich angespannten Situationen gedacht (Ritz, BAO7, § 323c Tz 16), die Aussetzung der Einhebung dient dagegen dem Ziel der faktischen Effizienz von Beschwerden (Ritz, BAO7, § 212a Tz 1 mit Hinweis auf ) und ist von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers (insbesondere seiner Liquidität) unabhängig. So waren auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, die laut vorliegenden Körperschaftsteuerbescheiden in den Jahren 2019 bis 2021 Einkünfte in Höhe von 526.144,84 € (2019), 467.982,96 € (2020) und 664.591,93 € (2021) erzielt hat, für die Aussetzung der Einhebung ohne Bedeutung. Die genannten Einkünfte lassen auch nicht erkennen, dass ein Verzicht auf die Festsetzung der Zinsen zur Erhaltung der Liquidität der Beschwerdeführerin geboten gewesen wäre.

Angesichts der Unterschiede zwischen einer Stundung und einer Aussetzung der Einhebung bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 323c Abs. 13 BAO normierte "Zinsenbegünstigung" auf die Stundungszinsen beschränkt hat und keine gleichlautende Bestimmung für die Aussetzungszinsen normiert hat.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage lag gegenständlich nicht vor; es wurde nicht bestritten, dass die verfahrensgegenständlichen Aussetzungszinsen aufgrund der bestehenden Rechtslage vorzuschreiben waren. Die Zulässigkeit der Revision kann nicht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer generellen Norm begründet werden ().

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 323c Abs. 13 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100877.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at