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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2023, RV/5300014/2015

Einstellung mangels grob fahrlässiger Verkürzung von Eingangsabgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen des Finanzvergehens der (grob) fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben gemäß § 36 Abs. 2 iVm § 35 Abs. 2 iVm § 11 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Zollamtes Linz Wels als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer ***1*** (nunmehr: FV-***1***), zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Erkenntnis des Einzelbeamten vom aufgehoben und das nunmehr beim Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde unter der Strafnummer FV-***1*** anhängige Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136, 157, 82 Abs. 3 lit. c FinStrG eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Einzelbeamten beim Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde vom , StrNr. ***1***, zugestellt am , wurde die Beschuldigte nach durchgeführter mündlicher Verhandlung für schuldig befunden, am als verantwortliche Mitarbeiterin der ***2*** durch Nichtbeistellung von 7 Handelsrechnungen mit den Rechnungsnummern: 93192042 bis 93192044 vom und Rechnungsnummern: 93192592 bis 93192595 vom über den Rechnungswert von USD 129.972,02 an den in direkter Vertretung des Anmelders ***3***, handelnden, beim Zollamt Linz Wels eine Zollanmeldung einreichenden verantwortlichen Mitarbeiter der ***4***, nämlich Herrn ***5***, dazu beigetragen zu haben, dass der Zollanmeldung CRN ***6*** vom lediglich die Handelsrechnung vom , Rechnungsnummer: 93192593 mit einem Rechnungswert von USD 21.000,06 zugrunde gelegt worden sei, wodurch eine Verkürzung von Eingangsabgaben in Gesamthöhe von € 20.212,20 (davon Zoll: € 1.979,27 und Einfuhrumsatzsteuer: € 18.233,93) bewirkt worden sei. Sie habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben in der Tatbegehungsform der Beitragstäterschaft gemäß §§ 36 Abs. 2 iVm 35 Abs. 2 iVm 11 dritter Fall FinStrG begangen.

Gemäß § 36 Abs. 3 wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,00 verhängt und wurden gemäß § 20 FinStrG die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 5 Tagen sowie gemäß § 185 FinStrG die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 100,00 festgesetzt.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Beschuldigte habe mit Schreiben vom mit "Betreff: Berichtigung Importanmeldung" dem Zollamt Linz Wels mitgeteilt, dass bei der Zollanmeldung ***6*** vom irrtümlich nicht alle Rechnungen berücksichtigt worden seien. Diese Sendung betreffe folgende Handelsrechnungen: Rg. 93192593, 93192044, 93192595, 93192594, 93192592, 931920142, 93192043. Die zusätzlichen möge das Zollamt Linz Wels auf das Abgabenkonto von ***3***: ***9*** buchen.

Das Zollamt Linz Wels habe mit Bescheid vom den Zoll in Höhe von € 1.979,27 nachgefordert. Eine Nachforderung der Einfuhrumsatzsteuer habe wegen des § 72 ZollR-DG unterbleiben können, da der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei.

Die Beschuldigte sei seit bei der ***2*** angestellt. Von bis und [gemeint: ] bis sei sie bei zwei Speditionen als Angestellte tätig gewesen. Sie habe im e-zoll bei der ***7*** (Austria) GmbH im Zeitraum vom bis neben 3.821 Export-Abfertigungen auch 4.289 Import-Abfertigungen durchgeführt.

Finanzstrafrechtlich sei die Beschuldigte nicht vorgemerkt.

In der mündlichen Verhandlung habe sie erklärt, dass sie im Auftrag der Spedition ***3*** Verzollungen machen würden, sie bekämen nur die Dokumente, die ganzen Unterlagen zu Sendungen, die sie verzollen sollten, übermittelt. Dies sei so eine Sendung, das Mail sei aus 3 Beilagen / Anhängen bestanden, der erste Anhang sei der Frachtbrief gewesen (AWB Kopie), der zweite Anhang sei die Rechnung gewesen, mit der sie verzollt hätten, da sei nur diese eine Rechnung hinterlegt gewesen, der dritte Anhang seien Manifeste, den dritten Anhang habe sie sich sehr wohl auch angesehen, nur sei nach dem Manifest ein leeres Blatt, sprich ein weißes Blatt gewesen, sie habe nach dem weißen Blatt nicht mehr weitergesehen, sie sei der Meinung gewesen, die Beilagen seien beendet, da würde nichts mehr kommen, sie habe auch nur diese beiden ersten Anhänge an deren Zolldeklaranten weitergeleitet. Es seien aber im dritten Anhang die Rechnungen, nach dem Leerblatt, die bei dem zweiten Anhang gefehlt hätten.

Für das Zollamt Linz Wels stehe fest, dass durch das Nicht-Weiterleiten gegenständlicher im Spruch angeführten 7 Handelsrechnungen durch die Beschuldigte, die Eingangsabgaben zu niedrig festgesetzt worden seien und gleichzeitig das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben verwirklicht sei.

Auf die Frage des Verhandlungsleiters, ob sie zolltechnisch nichts mache, habe sie geantwortet, dass sie mit der Zollabwicklung nichts zu tun habe, sie sei eigentlich nur der elektronische Bote bei der Weiterleitung der Dokumente. Sie habe nicht erklären können, warum sie konkret in der Situation, als sie den 3. Anhang geöffnet habe, nach dem weißen (leeren) Blatt, nicht weiter nachgeschaut habe. Hätte sie weiter geschaut, hätte sie die fehlenden Rechnungen entdeckt. Somit habe sie subjektiv fahrlässig das Finanzvergehen der Verkürzung von Eingangsabgaben zu verantworten.

Das Schreiben der Beschuldigten vom , mit dem eine Berichtigung beantragt worden sei, stelle lediglich eine Information an das Zollamt Linz Wels dar und habe keine strafbefreiende Wirkung im Sinne des § 29 Abs. 1 FinStrG, weil sie die Darlegung des strafrechtlichen Sachverhaltes unterlassen habe.

Mit Beschwerde vom wurde die Aufhebung des o.a. Straferkenntnisses und die Einstellung des Finanzstrafverfahrens beantragt und im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Im Jänner 2015 habe die Firma ***2*** per E-Mail Dokumente (Fakturen, Kundeninformationen und Frachtbriefe) erhalten, welche die Beschuldigte als Botin an die ***4*** weitergeleitet habe. Die Urkunden hätten dazu gedient, für 7 Packstücke el. Komponenten und Broschüren 51 kg, die im Flugersatzverkehr im Terminal des Flughafens Linz - Hörsching als Nichtunionsware eingelangt seien, durch ***4***, den Zollantrag auf Überführung zum zollrechtlich freien Verkehr erstellen zu lassen.

Die eingehende E-Mail, deren Absender die direkte Stellvertreterin gewesen sei, habe aus 3 Anhängen (pdf-Files) bestanden. Bei der Identifizierung der pdf-Files habe die Beschuldigte den Anhang A als jenen der Lieferfakturen, den Anhang B als Kundendaten-Stammblatt und den Anhang C als Frachtdossier mit Luftfrachtbrief AWB und dem Zielflughafen München erkannt.

Die Beschuldigte habe deshalb die Anhänge A (Fakturen) und B (Kundendaten) als pdf-File an ***4*** weitergeleitet. Die bei ***2*** eingelangten Dokumente seien aus Umweltschutzgründen nicht ausgedruckt, sondern elektronisch archiviert worden.

***4*** habe daraufhin als Provider der direkten Stellvertreterin ***3*** Österreich Spedition GmbH am unter Einbeziehung der Rechnung Nr. 93192593 vom für 7 Packstücke el. Komponenten 50,838 kg (gerundet 51,00 kg) beim Zollamt Linz Wels, Warenort Flughafen Linz GesmbH den Antrag auf Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eingebracht.

Das Zollamt Linz Wels habe noch am die 7 Packstücke Broschüren und elektrische Schränke 51,00 kg zum freien Verkehr überlassen.

Ohne Verantwortung von der Beschuldigten abschütteln zu wollen, habe der Zollbehörde bei Kontrolle der Rechnung Nr. 93192593 klar sein müssen, dass diese Rechnung nur ein Sendungsgewicht von 7,718 kg umfasst habe und deshalb den gesamten Lieferumfang von 51,00 kg gar nicht habe abdecken können.

Nach Überlassung zum freien Verkehr habe ***4*** die Zollanmeldung und die zollamtliche Mitteilung CRN ***6*** an die ***2*** übermittelt, diese wiederum habe die Dokumente in ihrer Botenfunktion elektronisch an die ***3*** Österreich Spedition GmbH weitergeleitet.

Im Zuge einer Überprüfung der Zollanmeldung sei am der Überlassung folgenden Arbeitstag erkannt worden, dass die zollamtliche Abgabenfestsetzung falsch sei. Die Frage, warum diese falsch gewesen sei, sei rasch geklärt gewesen. Im Datenfeld 22 der Zollanmeldung sei nur der Rechnungswert zur Rechnung Nr. 93192593 eingetragen gewesen. Beim Vergleich mit den Wertangaben im Luftfrachtbrief sei eine erhebliche Wertdifferenz zur Zollanmeldung festgestellt worden.

Auch sei erkannt worden, dass die Rechnung Nr. 93192593 lediglich ein Sendungsgewicht von 7,718 kg umfasst habe. Die fehlenden Rechnungsdokumente hätten folgende Gewichtsangaben ausgewiesen:

Rechnung Nr. 93192043 14,07 kg

Rechnung Nr. 93192044 0,91 kg

Rechnung Nr. 93192595 1,36 kg

Rechnung Nr. 93192594 9,08 kg

Rechnung Nr. 93192592 9,53 kg

Rechnung Nr. 93192042 8,17 kg

Für die Beschuldigte sei klar gewesen, sofort den Kontakt zum Zollservice-Provider ***4*** und zum Zollamt Linz Wels herzustellen. Ihr sei klar gewesen, unverzüglich die nachträgliche buchmäßige Erfassung unerhoben gebliebener Eingangsabgaben zu erwirken.

Als zuständige Sachbearbeiterin habe sie, obwohl die ***2*** weder Anmelderin, noch Providerin noch sonst zollrechtliche Verfahrensbeteiligte gewesen sei sofort, also am der Überlassung zum freien Verkehr folgenden Tag an das Zollamt Linz Wels eine Sachverhaltsdarstellung mit folgendem Inhalt gerichtet:

"Hörsching,

Betreff: Berichtigung Importanmeldung

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir bitten hiermit um Berichtigung der Zollanmeldung ***6*** vom , da irrtümlich nicht alle Rg. bei der Anmeldung berücksichtigt wurden.

Die Sendung betrifft folgende Handelsrechnungen:

Rg. 93192593

Rg. 93192044, 93192595, 93192594, 93192592, 93192042, 93192043

Die zusätzlichen Abgaben buchen Sie bitte auf das Abgabenkto v. ***3***: ***9***"

Wenn der Beschuldigten vorgehalten werde, dass sie als Angestellte bei zwei Speditionen beschäftigt gewesen sei und bei der ***7*** (Austria) GmbH unter der Representative Identification Number (RIN) "***8***" im Zeitraum vom bis neben 3.821 Export-Abfertigungen auch 4.289 Import Abfertigungen durchgeführt habe, so beweise das lediglich, dass sie sich mit Datenerfassung in e-Zoll habe beschäftigen müssen, ihr seien aber während ihrer beruflichen Tätigkeit Aus- und Weiterbildungen im Bereich Zoll-, hier im Bereich Finanzstrafrecht versagt geblieben.

Diese Feststellung könne natürlich der Zollbehörde nicht zur Last gelegt werden, andererseits könne der Beschuldigten nicht zur Last gelegt werden, dass die Unternehmen nicht ausbilden würden.

Einzige Möglichkeit, die die Beschuldigte auf Grund dieses unbefriedigenden Umstands wahrnehmen habe können, sei ein Wechsel des Dienstgebers gewesen, der ja schlussendlich auch 2014 erfolgt sei, oder der Weg in die Arbeitslosigkeit.

Wie in diesen global tätigen Logistikunternehmen üblich, würden Mitarbeiter in Unwissenheit des Risiko- und Gefahrenpotentials zu Tätigkeiten herangezogen, deren rechtliche Hintergründe und Auswirkungen sie gar nicht kennen würden, so auch die Beschuldigte.

Was sie im praktischen Umgang mit Versandtätigkeiten im grenzüberschreitenden Güterverkehr durch intuitive Wahrnehmung für sich aufgenommen und deshalb auch vorbildlich reagiert habe, sei gewesen:

"Der Abgabenbetrag wäre falsch und ist unverzüglich nachzuerheben". Dem zuständigen Zollamt sei unverzüglich die Verfehlung mitzuteilen.

Deshalb habe die Beschuldigte auch am das Schreiben an das Zollamt Linz Wels verfasst, um dort wahrheitsgemäß offen zu legen, hier sei ein Fehler passiert, bitte die zusätzlichen Abgaben auf das Abgabenkonto von ***3*** - ***9*** - zu buchen.

Die Beschuldigte habe nicht gewusst, dass sie ihr Schreiben als Selbstanzeige ausweisen und explizit eine Täternennung vornehmen müsse. Auch habe sie nicht gewusst, dass nachträgliche buchmäßige Erfassungen des Artikels 220 Abs. 1 der VO (EWG) 2913/92 nicht mehr zu Lasten eines Zahlungsaufschubs gem. Art. 226 b der VO (EWG) 2913/92, sondern auf ein sogenanntes Einmalkonto mit einer gesondert vorgesehenen Zahlungsfrist von 10 Tagen gebucht würden.

Die Ausführungen des Zollamts Linz Wels als Finanzstrafbehörde, wonach das Schreiben vom keine strafbefreiende Wirkung in Sinne des § 29 Abs. 1 FinStrG habe, weil die Beschuldigte die Darlegung des strafrechtlichen Sachverhaltes unterlassen habe, müsse bei einer "steuerehrlichen, redlichen Staatsbürgerin", die die Beschuldigte sei, Kopfschütteln und blankes Entsetzen auslösen. Welchen Sinn habe die Information sonst haben sollen, als die "Steuerehrlichkeit" unmittelbar nach Erkennen eines Fehlers herzustellen?

Mit der "Information" vom (also am Folgetag der Überlassung zum freien Verkehr) sei in einer nicht juristischen Form die Tat offengelegt worden. Die Beschuldigte habe als Anzeigerin, für die aus ihrer Sicht die Selbstanzeige gelten müsste (§ 29 (5) FinStrG: Die Selbstanzeige wirkt nur für den Anzeiger und für die Personen, für die sie erstattet wird), alle ihr zuzurechnenden Maßnahmen gesetzt, um diesen Irrtum unverzüglich zu heilen.

Ihre Botentätigkeit führe, obwohl die ***2***, zu keiner Zeit Beteiligte im Zollverfahren gewesen sei, zu einer Beitragstäterschaft im Sinne des § 11 FinStrG und stelle laut Meinung des Zollamtes Linz Wels gemäß §§ 36 Abs. 2 i.V.m. 35 Abs. 2 eine fahrlässige Verkürzung von Eingangsabgaben dar.

Die Beschuldigte habe in ihrer Eigenverantwortung und ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls von Eingangsabgaben bedeutsamen Umstände offengelegt und auch dazu beigetragen, dass die Entrichtung des Verkürzungsbetrages innerhalb der vorgegebenen Frist erfolgt sei.

Sie habe sich davon überzeugt, dass die im Bescheid des Zollamtes Linz Wels, Zahl: ***11*** nachträglich buchmäßig erfassten Einfuhrabgaben in Höhe von € 1.979,27 unter Hinweis auf das Abgabenkonto Nr. ***10*** sofort und deshalb fristgerecht überwiesen worden seien.

Die zwar nicht als Selbstanzeige titulierte, aber als solche beim Zollamt Linz Wels eingegangene "Berichtigung Importanmeldung", die die Beschuldigte als Botin und vermeintliche Beitragstäterin verfasst und unterfertigt habe, sei auf Grund der ihr zurechenbaren Kenntnisse das geeignete Mittel, den Fehler zu sühnen und den Verkürzungsbetrag zu entrichten.

Zudem bedürfe es nach herrschender Ansicht (vgl. R/H/K, FinStrG § 29 Rz 28b; Leitner / Toifl / Brandl Finanzstrafrecht Rz 383; Schrottmeyer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG Rz 202 m.w.N, sowie ) der formellen Bezeichnung als Selbstanzeige nicht.

Eine wirksame Selbstanzeige erfordere hinsichtlich der Darlegung der Verfehlung bzw. der Offenlegung der bedeutsamen Umstände, dass die Behörde auf Grund der wahrheitsgemäßen Angaben des Anzeigenden und der vorgelegten Unterlagen in der Lage sein müsse, die Abgaben ohne langwierige eigene Ermittlungen zum Sachverhalt so festzusetzen, als wären die erforderlichen Unterlagen von vornherein ordnungsgemäß abgegeben bzw. den abgabenrechtlichen Vorschriften entsprochen worden (vgl. Leitner / Toifl / Brandl Finanzstraffecht Rz 409; Doralt / Ruppe Steuerrecht II, RZ 1430 m.w.N.).

Eine abgabenrechtliche oder finanzstrafrechtliche Würdigung des Sachverhalts sei nicht notwendig (vgl. u.a. Schrottmeyer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG RZ 262).

Den Ausführungen der Finanzstrafbehörde, das Schreiben der Beschuldigte sei keine Darlegung des strafrechtlichen Sachverhaltes (gemeint sei wohl die Darlegung der Verfehlung), die zudem inhaltlich nicht weiter ausgeführt worden sei, könne nicht gefolgt werden.

Der Abgabenbehörde sei mit Schreiben vom mitgeteilt worden, dass sechs Handelsrechnungen im Zollantrag unberücksichtigt geblieben seien. Die Anzeige sei von der Abgabenbehörde zur Kenntnis genommen worden, die Nacherhebung gemäß Artikel 220 Abs. 1 Zollkodex mit Bescheid vom erfolgt.

Außer Streit stehe, dass der Abgabenbetrag fristgerecht entrichtet worden sei und gegen die Beschuldigte zum Zeitpunkt der Selbstanzeige keine Verfolgungshandlungen gesetzt gewesen seien.

Das vorgeworfene Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben gemäß §§ 36 Abs. 2 iVm 35 Abs. 3 FinStrG sei nicht strafbar, da es beim Versuch geblieben sei und ein fahrlässiger Versuch gemäß § 13 Abs. 1 FinStrG nicht strafbar sei.

Gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG sei eine Abgabenverkürzung bewirkt, wenn eine entstandene Eingangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung nicht oder zu niedrig festgesetzt würde.

Gemäß § 36 Abs. 2 FinStrG mache sich der fahrlässigen Verkürzung der Eingangsabgaben schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 bezeichnete Tat fahrlässig begehe.

Nach ständiger Judikatur des OGH (u.a. 13 Os 38/11d, 15 Os 32/06d) seien zu veranlagende Abgaben erst mit Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids zu niedrig festgesetzt. Demnach befinde man sich innerhalb der Rechtsmittelfrist noch im Stadium des Versuchs.

Die im gegenständlichen Fall entstandene Zollschuld gemäß Art. 201 ZK sei dem Anmelder bzw. dessen Vertreter gemäß Art. 221 ZK per zugestellt und mitgeteilt worden. Diese Mitteilung gelte gemäß § 74 Abs. 1 ZollR-DG als Abgabenbescheid.

Laut Rechtsbehelfsbelehrung sei gegen einen Abgabenbescheid innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung bei der Abgabenbehörde, die den Abgabenbescheid erlasse, das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig.

Der streitgegenständliche Bescheid habe somit erst nach Verstreichen der Rechtsbehelfsfrist in Rechtskraft erwachsen können.

Die Beschuldigte habe den Bescheid aber schon am der Überlassung der Waren zum freien Verkehr folgenden Werktag, also am bekämpft. Es sei somit nie zu einer Vollendung eines Deliktes gekommen, weshalb allein aus diesem Umstand heraus das vorgeworfene Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung denkunmöglich sei und ausscheide.

Auch der Rücktritt vom Versuch sei ein Strafaufhebungsgrund. Der Täter sei wegen des Versuchs nicht zu bestrafen, wenn er die Ausführung aufgebe, verhindere oder wenn er den Erfolg abwende (vgl. § 14 Abs. 1 erster Satz, Doralt/Ruppe Steuerrecht I Rz 1423; Leitner/Toil/Brandl Finanzstrafrecht Rz 250 ff).

Wenn sich das Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde dennoch sperre, dieses "Informationsschreiben" - für die Beschuldigte ein Akt der Offenlegung aller Umstände - als Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung im Sinne des § 29 Abs. 1 FinStrG oder als Antrag auf nachträgliche Prüfung der Zollanmeldung gem. Artikel 78 ZK zu werten und zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses "Informationsschreiben" gemäß § 29 Abs. 5 FinStrG für die Beschuldigte als Anzeigerin gelte, müsse auf § 9 FinStrG, wonach dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet werde, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlaufen sei, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht habe erkennen lassen, verwiesen werden, den die Finanzstrafbehörde in keiner Phase berücksichtigt habe.

Nach § 25 Abs. 1 FinStrG habe die Finanzstrafbehörde von der Durchführung eines Finanzstrafverfahrens und von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Täters geringfügig sei und die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen habe. Sie habe jedoch dem Täter mit Bescheid eine Verwarnung zu erteilen, wenn dies geboten sei, um ihn von weiteren Finanzvergehen abzuhalten.

Zusätzlich werde auf das Steuerrefomgesetz 2015/2016 und den Willen des Gesetzgebers verwiesen. In Artikel 9 "Änderung des Finanzstrafgesetzes" sei folgende Normierung vorgesehen:

"§ 36 FinStrG Verzollungsumgehung; grob fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben

§ 36. (1) Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.

(2) Der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 und 3 bezeichneten Taten grob fahrlässig begeht.

(3) Die Verzollungsumgehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des auf die Ware entfallenden Abgabenbetrages, die grob fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des Verkürzungsbetrages geahndet. § 35 Abs. 4 zweiter Satz und § 35 Abs. 5 sind anzuwenden."

Obwohl in der mündlichen Verhandlung auf den Willen des Gesetzgebers hingewiesen worden sei, seien diese deutlichen Hinweise im Straferkenntnis rechtlich nicht gewürdigt worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Aus dem Akt ergibt sich - unstrittig - folgender Ablauf:

Am stellte ein Mitarbeiter von ***12*** fest, dass in einer E-Mail des Spediteurs ***3*** USA über die Versendung der HAWB "SBOS0030316" eine Rechnung in der Beilage zur HAWB fehlte. Nach Erhalt der fehlenden Rechnung leitete er diese inkl. des gesamten HAWB mit allen Beilagen per Mail an ***3*** Österreich weiter, die wiederum die Unterlagen an die Beschuldigte mittels eines E-Mails mit 3 Anhängen übermittelte. Die Beschuldigte sichtete die Anhänge, war aber beim dritten Anhang der Meinung, dass die Beilage mit einer Leerseite nach dem Frachtdossier beendet sei und übersah dabei, dass der Anhang auch sechs Rechnungen umfasste. In der Annahme, es handle sich bei den ersten beiden Anhängen um die Fakturen für die 7 Packstücke und die Kundendaten und beim 3. Anhang um das Frachtdossier, leitete die Beschuldigte nur die ersten beiden Anhänge als File an ***4*** zwecks Durchführung der Zollanmeldung weiter. Am teilte die Beschuldigte der Fa. ***12*** mit, dass die Ware verzollt und in Zustellung sei. Später am übermittelte ***3*** die Transport-ZFrachtrechnung und die Zolldokumente per Mail an ***12***, woraufhin ein Mitarbeiter von ***12*** feststellte, dass nur die ursprünglich fehlende und nachgereichte Rechnung 93192593 zur Verzollung eingereicht worden war, nicht aber die restlichen 6 Rechnungen. Darüber informierte er ***3***, die wiederum die Beschuldigte informierte. Am reichte die Beschuldigte eine Berichtigung beim zuständigen Zollamt Linz Wels ein. Daraufhin wurde mit Bescheid vom die buchmäßige Erfassung zu ***6*** vom vom Zollamt berichtigt.

Rechtslage:

§ 35 Abs. 2 FinStrG lautet:

Der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt. Die Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn eine entstandene Eingangs- oder Ausgangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung nicht oder zu niedrig festgesetzt wird und in den Fällen des § 33 Abs. 3 lit. b bis f.

Die Verzollungsumgehung und fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben waren in § 36 FinStrG idF BGBl. I 104/2010 wie folgt normiert:

(1) Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat fahrlässig begeht.

(2) Der fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 und 3 bezeichneten Taten fahrlässig begeht.

(3) Die Verzollungsumgehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des auf die Ware entfallenden Abgabenbetrages, die fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des Verkürzungsbetrages geahndet. § 35 Abs. 4 zweiter Satz und § 35 Abs. 5 sind anzuwenden.

Mit dem StRefG 2015/2016 wurde § 36 FinStrG dahingehend geändert, dass nur mehr grob fahrlässige Tatbegehung strafbar ist. § 36 FinStrG lautet in der mit in Kraft getretenen Fassung (BGBl. I 118/2015):

Verzollungsumgehung; grob fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben.

(1) Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.

(2) Der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 und 3 bezeichneten Taten grob fahrlässig begeht.

(3) Die Verzollungsumgehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des auf die Ware entfallenden Abgabenbetrages, die grob fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des Verkürzungsbetrages geahndet. § 35 Abs. 4 zweiter Satz und § 35 Abs. 5 sind anzuwenden.

Gemäß § 8 Abs. 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Grob fahrlässig handelt gemäß § 8 Abs. 3 FinStrG, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

Gemäß § 4 Abs. 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz oder der Finanzstrafbehörde geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

§ 160 Abs. 1 FinStrG lautet:

Über Beschwerden ist nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach € 161 Abs. 4 vorzugehen.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

In der Beschwerde wurde unter Berufung auf ausgeführt, dass sich das Delikt zum Zeitpunkt der Einbringung der Berichtigung aufgrund der noch offenen Rechtsmittelfrist noch im Versuchsstadium befunden hätte.

Mit FVwGG 2012 (BGBl. I 14/2013) wurde § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG 1. Halbsatz mit Wirkung ab dahingehend geändert, dass eine Abgabenverkürzung "mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden" bewirkt wird. Die Materialien (2007 BlgNR 24. GP 23) erläutern diese Novelle wie folgt:

"Die nunmehr ständige Judikatur des OGH (zuletzt ) interpretiert § 33 Abs. 3 lit. a dahingehend, dass eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben nicht bereits mit Bekanntgabe, sondern erst mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem die Abgabe zu niedrig festgesetzt worden ist, bewirkt worden sei. Diese Auffassung wird nicht nur von der Judikatur des VwGH nicht vertreten, sondern widerspricht auch dem weitaus überwiegenden Teil der Lehre. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll diesbezüglich Klarheit geschaffen werden."

Auch im Bereich von § 35 Abs. 2 FinStrG und § 36 Abs. 2 FinStrG ist, wenn durch eine wahrheitswidrige Angabe in der Zollanmeldung die Zollschuld zu niedrig festgesetzt wird, die Verkürzung mit der Zustellung des Bescheides (§ 59 ZollR-DG), mit dem diese zu niedrig bemessene Abgabenschuld mitgeteilt ("festgesetzt") wird (unabhängig von einer noch offenen Rechtsmittelfrist), bewirkt und damit das Finanzdelikt der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 2 FinStrG bzw. das Finanzvergehen der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach § 36 Abs. 2 FinStrG in diesem Zeitpunkt vollendet.

Unstrittig ist, dass der aufgrund einer infolge nicht erfolgter Weiterleitung von sechs Rechnungen unrichtigen Zollanmeldung ergangene und eine zu niedrige Zollschuld festsetzende Bescheid dem Anmelder bzw. dessen Vertreter gemäß Art. 221 ZK per zugestellt wurde. Durch die Zustellung des Bescheides am wurde somit die Abgabenverkürzung (objektiv) bewirkt und liegt damit - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - kein im Bereich der Fahrlässigkeit strafloser Versuch vor.

Zu prüfen bleibt daher, ob auch die subjektive Tatseite erfüllt wurde.

Die Unterscheidung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit hat seit dem besondere Bedeutung u.a. für das Delikt der Verzollungsumgehung bzw. der (grob) fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§ 36), da diese nur mehr bei grober Fahrlässigkeit strafbar ist. Hier bildet die Definition nach § 8 Abs. 3 FinStrG den Maßstab zur Unterscheidung von straflosem und strafbarem Verhalten (Strafbarkeitsschwelle). Dies gilt aufgrund des Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 2 FinStrG auch dann, wenn die günstigere Bestimmung (erst) im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht oder die Finanzstrafbehörde anzuwenden ist (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall ist es für die Beschuldigte in der Gesamtschau günstiger, sich nach der Rechtslage nach dem verantworten zu müssen, bei welcher eine "einfache" Fahrlässigkeit nicht mehr strafbar ist, sondern es dafür einer festzustellenden groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 8 Abs. 3 FinStrG bedarf.

§ 8 Abs. 3 FinStrG setzt ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidriges Handeln voraus. "Ungewöhnlich" und "auffallend" ist die Sorglosigkeit, wenn das Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommt sowie nach den Umständen die Vermutung des bösen Vorsatzes naheliegt (vgl. ).

Nach den Erläuterungen zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015, welches die gleiche Definition der groben Fahrlässigkeit in § 6 Abs. 3 StGB einführte, sind jene Fälle als grob fahrlässig einzustufen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen (Erläut 689/ME 25. GP 6). Dies deckt sich auch mit einer Definition durch den Obersten Gerichtshof (), welcher in diesem Zusammenhang außerdem ausführt, dass grob fahrlässig handelt, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad, aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer Acht lässt, und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste (vgl. Twardosz in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 8 (Stand , rdb.at) Rz 125).

Schweres Verschulden liegt nicht vor, wenn bloß das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit überschritten wird; das Verhalten des Täters muss vielmehr eine das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit beträchtlich übersteigende Sorglosigkeit erkennen lassen (). Von leichter Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. UFS Linz , RV/0165-L/09).

Die Beschuldigte erhielt am ein E-Mail mit drei Anhängen von ***3***. Sie öffnete alle drei Anhänge, sichtete den dritten Anhang (mit der Bezeichnung "***13***, Inc. US (EWR) - Boston - Original 3 - (for Shipper) - HAWB No BOS0030316.pdf") jedoch nur unvollständig, weil sie der Meinung war, dass die Beilage nach der Leerseite, welche sich zwischen dem Frachtdossier und den Rechnungen befand, beendet sei. In der - wohl auch durch die Bezeichnung des Anhangs (HAWB = House Airway Bill / Haus-Luftfrachtbrief) bestärkte - Annahme, dass dieser Anhang keine für die Zollabwicklung relevanten Unterlagen enthalte, leitete sie nur die beiden anderen Anhänge (mit Rechnung und Kundendaten) an den Zolldeklaranten ***4*** weiter.

Wäre nicht ursprünglich eine Rechnung von ***3*** USA übersehen worden und diese daher nicht in einem gesonderten Anhang übermittelt worden, hätte die Beschuldigte die anderen Rechnungen nicht übersehen und wäre auch der Fehler der unvollständigen Weiterleitung der Daten bei der Beschuldigten nicht passiert. Der Fehler wurde durch ehestmögliche Mitteilung an das zuständige Zollamt berichtigt. Nach den Umständen ist die Vermutung des "bösen Vorsatzes" daher keinesfalls naheliegend.

Abgesehen vom gegenständlichen Finanzstrafverfahren liegen und lagen keine finanzstrafrechtlichen Vormerkungen gegen die Beschuldigte vor. Die einmalige Fehlleistung deutet daher nicht auf besondere Nachlässigkeit oder einen besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen hin.

Eine das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit beträchtlich übersteigende Sorglosigkeit liegt nicht vor. Derartige Fehler können auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen. Es liegt daher keine grobe Fahrlässigkeit vor, weshalb das Finanzstrafverfahren einzustellen ist.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG abgesehen werden, da sich die Einstellung des Finanzstrafverfahrens schon aufgrund der Aktenlage ergab.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden bzw. ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5300014.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at