TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.09.2022, RV/1300011/2020

Selbstanzeige und Sperrwirkung nach § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG iZm einem standardisierten Ergänzungsersuchen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Feldkirch 1 des Bundesfinanzgerichtes hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Josef Ungericht, den Richter Mag. Armin Treichl und die fachkundigen Laienrichter Mag. Norbert Metzler und Mag.a Patricia Kathan-Simma in Gegenwart der Schriftführerin Isabella Alexandra Längle in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RTG Dr. Rümmele Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG, Marktstraße 30, A 6850 Dornbirn, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Amtsbeauftragten vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates II beim Finanzamt Feldkirch als Organ des Finanzamtes Bregenz als Finanzstrafbehörde (nunmehr Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde) vom , Strafnummer/Geschäftszahl FV-001 106 710, in der Sitzung vom zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das beim Finanzamt Bregenz als Finanzstrafbehörde zur Strafnummer/Geschäftszahl FV-001 106 710 geführte Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) wird gemäß §§ 136, 157, 82 Abs. 3 lit. c FinStrG eingestellt.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Erkenntnis des Spruchsenates II beim Finanzamt Feldkirch als Organ des Finanzamtes Bregenz als Finanzstrafbehörde (in der Folge kurz: Spruchsenat) vom , Strafnummer/Geschäftszahl FV-001 106 710, wurde das gegen den Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) geführte Ermittlungsverfahren, wonach er im Amtsbereich des Finanzamtes Bregenz als Abgabepflichtiger (Steuernummer ***Bf1-StNr***) vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch das Unterlassen der Einreichung von Einkommensteuererklärungen 2014-2018, wiewohl er ausländische Kapitaleinkünfte erzielt hat, die in Österreich steuerpflichtig sind, für die Jahre 2014 bis 2018 eine Verkürzung an bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben in Höhe von insgesamt € 50.300,00 bewirkt habe, und zwar
hinsichtlich des Jahres 2014 Einkommensteuer in Höhe von € 711,00
hinsichtlich des Jahres 2015 Einkommensteuer in Höhe von € 24.090,00
hinsichtlich des Jahres 2016 Einkommensteuer in Höhe von € 13.891,00
hinsichtlich des Jahres 2017 Einkommensteuer in Höhe von € 3.755,00
hinsichtlich des Jahres 2018 Einkommensteuer in Höhe von € 7.853,00

gemäß § 136 FinStrG eingestellt.

Als Begründung hat der Spruchsenat angegeben:

"Der 62-jährige verheiratete Beschuldigte ist im mm 2014 von Belgien nach Österreich zugezogen. Er ist seit tt.mm.2019 Geschäftsführer der A-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Ort1, an welcher er zu xx% der Stammanteile beteiligt ist. Vor der Geschäftsführerbestellung war er ebenfalls unselbständig bei dieser Gesellschaft beschäftigt. Es wurden jeweils Lohnzettel des Beschuldigten elektronisch übermittelt, Steuererklärungen wurden jedoch für die Jahre 2014-2018 nicht eingereicht.

Im Zuge des automatischen Informationsaustausches auf Grundlage des multilateralen Amtshilfe-Übereinkommens bzw der EU-Amtshilferichtlinie erhielt die österreichische Finanzverwaltung Daten über ausländische Finanzkonten und Kapitaleinkünfte aus Belgien und Deutschland.

Aufgrund dieses automatischen Informationsaustausches erging per ein (standardisiertes) Ersuchen um Ergänzung betreffend ausländische Kapitalerträge und sonstige Einkünfte. Der Beschuldigte wurde darin aufgefordert, nähere Auskünfte über sämtliche ausländischen Konten und Depots (wie Art des ausländischen Finanzvermögens, Herkunft des Kapitals, jeweilige Konto- und Depotstände zum 31.12. der einzelnen Jahre, Höhe der erzielten steuerpflichtigen Einkünfte) zu erteilen.

Das Ergänzungsersuchen vom lautet auszugsweise wie folgt:

Ersuchen um Ergänzung
betreffend ausländische Kapitalerträge und sonstige Einkünfte

Sehr geehrte Steuerzahler/in, bitte beantworten Sie nachstehende Fragen innerhalb der
genannten Frist und legen Sie zum Nachweis der Richtigkeit Ihrer Angaben die erforderlichen
Unterlagen bei.
Übermitteln Sie nur Kopien und keine Originaldokumente! Bitte führen Sie bei allen
schriftlichen Eingaben an das Finanzamt die Steuernummer an oder verwenden Sie für das
Antwortschreiben die Rückseite dieses Schreibens.

Frist zur Beantwortung bis zum

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Finanzamt

Ergänzungspunkte:
Sie werden ersucht, sämtliche ausländischen Einkunftsarten bekanntzugeben.

Im Zuge des automatischen Informationsaustausches erhält die österreichische Finanzverwaltung auf Grundlage des multilateralen Amtshilfe-Übereinkommens- bzw. der EU-Amtshilfe Richtlinien die Daten zu Finanzkonten von Personen mit Österreich-Bezug.
Dem Finanzamt liegen derzeit Meldungen vor, in denen sie als Kontoinhaber/in (Zeichnungsberechtige/r) von meldepflichtigen Konten aufscheinen. In den bisherigen Steuererklärungen (falls solche vorliegen) finden sich die gemeldeten Beträge nicht oder nur teilweise wieder. Für die Beurteilung einer allfälligen abgabenrechtlichen Relevanz der gemeldeten Informationen sind zusätzliche Erhebungen notwendig. Bitte übermitteln Sie daher folgende Informationen und weisen Sie Ihre Angaben durch geeignete Unterlagen für den Überprüfungszeitraum nach:

• Namen der kontenführenden bzw. depotführenden Finanzinstitute (z.B. Banken, Versicherungen etc.)
• Art der Konten bzw. Depots (z.B. Festgeld-, Verrechnungskonto, Wertpapierdepot etc.)
• Konten- bzw. Depotnummern

- Werden Konten bzw. Depots gemeinsam mit einer bzw. mehreren weiteren Personen gehalten, sind
• die genauen Daten dieser Personen (vollständiger Name, Geburtsdatum, Adresse),
• die Stellung dieser Personen (Kontoinhaber, Verfügungsberechtigter etc.) im Verhältnis zum Finanzinstitut,
• die Beziehung dieser Person zu Ihnen (z.B. Ehepartner, Art der Verwandtschaft, verschwägert, befreundet, Geschäftspartner etc.) und
• die Aufteilung des Vermögens
bekannt zu geben.

- Informationen über
• die Art des ausländischen Finanzvermögens (z.B. Bankguthaben, Anleihen, Aktien, Anteile an Investment- und Immobilienfonds, Versicherungsprodukte, derivative Finanzinstrumente etc.)
• die Herkunft des Kapitals (z.B. in- oder ausländisches Erwerbseinkommen, ausländische Pensionen, Erbschaft oder Schenkung, Liegenschaftsverkauf etc.)
• die jeweiligen Konto- bzw. Depotstände zum 31.12. der einzelnen Prüfungsjahre

• die Anschaffungszeitpunkte und Anschaffungskosten der Finanzprodukte

- Die Höhe der von Ihnen im Überprüfungszeitraum erzielten steuerpflichtigen Einkünfte inkl. allfällig einbehaltener Quellensteuer, die auf Ihren ausländischen Konten oder Depots "verbucht" wurden (z.B. gutgeschriebene Zinsen, ausgezahlte Dividenden, Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalvermögen etc.).

- Falls Ihre ausländischen Kapitaleinkünfte bereits in den eingereichten Abgabenerklärungen für die angeführten Zeiträume enthalten sind, wird um eine entsprechende nachvollziehbare Aufgliederung/Darstellung ersucht.

Zum Nachweis der von Ihnen bekanntzugebenden Informationen sind insbesondere folgende Unterlagen notwendig:
- Kontoauszüge
- Wertpapierdepotauszüge
- Erträgnisaufstellungen
- Vermögensverzeichnisse
- Übersichten über die getätigten Wertpapiertransaktionen inkl. der angefallenen Gebühren und allfälligen Quellensteuern
- bei ausländischen Versicherungen die Versicherungspolizze und die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen
- sonstige Dokumentationen über die vertraglichen Grundlagen (z.B. privat platzierte Forderungswertpapiere, Privatdarlehen etc.)

Bei Unterlagen, die nicht in deutscher oder englischer Sprache verfasst sind, ersuchen wir Sie um eine entsprechende Übersetzung bzw. Erläuterungen (z.B. bei Bankabrechnungen).

Mit Eingabe vom (in den Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen am ) erstattete der Beschuldigte über seine steuerliche Vertreterin (RTG Rümmele Treuhand GmbH) Selbstanzeige.

Der Beschuldigte, belgischer Staatsbürger, habe mit tt.mm.2014 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt und unterliege daher im relevanten Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Er habe bereits vor seinem Zuzug nach Österreich Kapitalvermögen über je ein Wertpapierdepot bei einem belgischen und deutschen Bankinstitut veranlagt. Mit der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich sei auch das Besteuerungsrecht an den damit verbundenen Kapitalerträgen an Österreich gefallen. Das Kapitalvermögen sei bei der A. in Brüssel und der B. in Frankfurt am Main veranlagt worden. Die laufenden Dividenden, Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträge aus Fonds sowie die Zinsen aus Bankeinlagen stellten steuerpflichtige Kapitalerträge dar und seien mit dem besonderen Steuersatz von 25% (ab 2016: 27,5%) zu versteuern. Quellensteuern seien in Höhe des im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen zulässigen Ausmaß anzurechnen. Bisher seien für den gegenständlichen Zeitraum keine Einkommensteuererklärungen abgegeben und dadurch Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt worden. Die Steuernachzahlung für die Jahre 2014-2018 betrage € 54.599,39. Die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG sei auf Basis der Kontobewegungen, der Bankauszüge und Depotbelege der A. und der B. erfolgt. Die Details der Berechnungen seien den Beilagen zu entnehmen.

Nach einer stichprobenartigen Überprüfung erfolgten mit Einkommensteuerbescheiden vom die Vorschreibung der bislang verkürzten Abgaben in einer Höhe von insgesamt € 50.300,00. Diese unstrittige Abgabennachforderung wurde vom Beschuldigten am entrichtet.

Dem Beschuldigten war nicht bekannt, ob die Finanzbehörden zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat und wenn ja, in welchem Umfang entdeckt hatten.

Zur Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass dem Beschuldigten zum Zeitpunkt der Selbstanzeige nicht bekannt war, ob die Finanzbehörden die Tat zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits entdeckt hatten, stützt sich auf die Überlegung, dass aus diesem standardisierten, allgemein gehaltenen Ergänzungsersuchen generell nicht ableitbar ist, ob die Finanzbehörde nun eine Tat entdeckt hat oder nicht. Aus diesem Schreiben ergibt sich lediglich ein weiterer Informationsbedarf des Finanzamtes. Dem Ersuchen ist nicht einmal klar zu entnehmen, ob und inwieweit das Finanzamt die bisherigen Steuererklärungen bereits geprüft hat oder nicht. Die Formulierung "falls solche vorliegen'' lässt mehrere Interpretationen zu. Sie kann so verstanden werden, dass nur teilweise Steuererklärungen vorliegen oder aber dass noch nicht einmal geprüft wurde, ob (und wenn ja, für welche Zeiträume) überhaupt Steuererklärungen eingebracht wurden. Auch die weitere Formulierung "...die gemeldeten Beträge finden sich nicht oder nur teilweise wieder..." ist äußerst vage gehalten und lässt daher im Dunkeln, ob hier bereits ein konkretes Prüfverfahren eingeleitet wurde oder ob nicht schlicht ein computergeneriertes Schreiben versandt wurde. Ein - in steuerlichen Angelegenheiten nicht bewanderter - Adressat wie der Beschuldigte kann aus diesem Ergänzungsersuchen lediglich ableiten, dass irgendein Aktenvorgang im Gange ist - nicht mehr und nicht weniger.

Schließlich indiziert der Passus "für die Beurteilung einer allfälligen abgabenrechtlichen Relevanz", dass derzeit nicht einmal die abgabenrechtliche Relevanz feststeht - umso weniger kann bereits ein finanzstrafrechtliches Vergehen wahrgenommen worden sein, was ebenfalls dagegen spricht, dass der Beschuldigte nach Lektüre dieses Schreibens um die (behauptete) Tatentdeckung wusste.

Finanzstrafrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Nach § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung bewirkt mit der Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden, oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten.

Wer sich eines Finanzvergehens schuldig macht, wird insoweit straffrei, als er seine Verfehlung darlegt (Selbstanzeige). Die Darlegung hat, wenn die Handhabung der verletzten Abgaben­ oder Monopolvorschriften den Zollämtern obliegt, gegenüber einem Zollamt, sonst gegenüber einem Finanzamt zu erfolgen (§ 29 Abs. 1 FinStrG).

War mit der Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalles bedeutsamen Umstände offen gelegt werden, und binnen einer Frist von einem Monat die sich daraus ergebenden Beträge, die vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Die Monatsfrist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201 und 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Abgaben- oder Haftungsbescheides zu laufen und kann durch Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) auf höchstens zwei Jahre verlängert werden (§ 29 Abs. 2 FinStrG idF BGBl I 2012/112).

Straffreiheit tritt nach § 29 Abs. 3 FinStrG nicht ein,

a) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3) gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren,

b) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teilentdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder

c) wenn bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung erstattet wird, oder

d) wenn bereits einmal hinsichtlich desselben Abgabenanspruches, ausgenommen Vorauszahlungen, eine Selbstanzeige erstattet worden ist.

Relevant ist, ob zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits gemäß § 29 Abs. 3 lit b FinStrG hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale bereits Ganz oder zum Teil entdeckt worden war und dies dem Anzeiger bekannt war.

Im Zentrum der diesbezüglichen Überlegungen steht das Ergänzungsersuchen vom und ob daraus abzuleiten ist, dass die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits Ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war. Vorauszuschicken ist, dass es sich bei diesem Ergänzungsersuchen um ein standardisiertes Formular handelt. Der einzige individualisierte Passus ist das Ersuchen, sämtliche ausländische Einkunftsarten bekanntzugeben. Auf Seite 2 heißt es weiter, "dass in den bisherigen Steuererklärungen (falls solche vorliegen) sich die gemeldeten Beträge nicht oder nur teilweise wiederfinden''.

Eine Tat ist nach herrschender Ansicht und ständiger Rechtsprechung dann entdeckt, wenn bei der vorläufigen Tatbeurteilung der Nachweis der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist. Solange insoweit noch andere Deutungsmöglichkeiten offen stehen, ist die Tat auch nicht teilweise entdeckt (Leitner/Brandl/Kert, [Herausgeber], Handbuch Finanzstrafrecht, 4. Auflage, Rz 713).

Auch wenn bloß ein "begründeter Verdacht vorliegen sollte", kann die Tat hinsichtlich der objektiven Tatbestandselemente dennoch nicht schon entdeckt sein. Der Tatverdacht muss so weit verdichtet sein, dass durch die vorläufige Beurteilung der Nachweis der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist (aaO Rz 714). Die Bezugnahme des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG auf eine teilweise Tatentdeckungspflicht spricht dafür, dass der Tatbegriff bei der Abgabenhinterziehung im Sinne einer stufenlosen Deliktsqualifikation zu verstehen ist. Nur bei Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses könnte zum Beispiel eine teilweise Tatentdeckung angenommen werden, wenn der Finanzstrafbehörde zur Kenntnis gelangt ist, dass der Abgabenpflichtige in einem bestimmten Jahr erhebliche Schwarzumsätze getätigt und Einkommensteuer und Umsatzsteuer hinterzogen hat, aber sie noch keine genaue Vorstellung vom Ausmaß der Verkürzung hat (aaO Rz 717).

Die Tatentdeckung sperrt nur, wenn sie dem Selbstanzeiger im Zeitpunkt der Darlegung der Verfehlung auch bekannt war. Dies trifft nur zu, wenn der Anzeiger im genannten Zeitraum sicher weiß, dass eine entdeckungslegitimierte Behörde die Tat entdeckt hat. Bei Erinnerungen/Kontrollmitteilungen/Bedenkenvorhalten ist je nach Inhalt zu unterscheiden, ob Tatentdeckung und Kenntnis des Anzeigers davon eingetreten ist. Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Entdeckung der Tat bereits vorgehalten ist. Dies muss insbesondere dann bejaht werden, wenn eine Bezugnahme auf die amtlichen Unterlagen und der Abgleich mit den Besteuerungsunterlagen erfolgt. Fraglich erscheint, wie konkret diese Bezugnahme auf diese zu erfolgen haben. Zu Recht wird in der Literatur verlangt, dass eine Konkretisierung im Hinblick auf Herkunft, Höhe und Zeitpunkt der Beträge laut Kontrollmitteilung erforderlich ist (aaO 718 f).

Für die Entdeckung der Tat reicht ein bloßer Anfangsverdacht noch nicht aus. Eine Tatverwirklichung muss durch vorläufige Beurteilung wahrscheinlich und nicht bloß möglich sein. Solange ein objektiv erfassbares und verträglich wahrgenommenes Geschehen nicht zum Schluss auf ein nach dem Finanzstrafgesetz verübtes Vergehen nötigt, ist die Tat noch nicht einmal teilweise entdeckt. Tatentdeckung setzt keine Gewissheit, sondern bloß einen substanziierten Verdacht voraus. Der Verdacht muss sich soweit verdichtet haben, dass bei vorläufiger Tatbeurteilung der Nachweis der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist. Ein bloßer Hinweis auf eine Straftat genügt nicht zur Tatentdeckung. Bestehen noch andere Deutungsmöglichkeiten für das fassbare Geschehen, liegt noch keine Tatentdeckung vor. Die Tat muss individualisierbar sein, eine abgrenzbare Gruppe von Einzeldelikten ist für eine Tatentdeckung nicht ausreichend. Eine Kontrollmitteilung an sich löst noch keine Tatentdeckung aus, denn um eine solche auszulösen, bedarf es eines Abgleichs mit den Steuerakten. Nachdem der Abgabenpflichtige üblicherweise keine Kenntnis vom Vorliegen einer Kontrollmitteilung hat, muss seitens der Finanzstrafbehörde zusätzlich ein Schritt mit Außenwirkung - wie beispielsweise ein Bedenkenvorhalt - gesetzt werden.

Sperrwirkung tritt nur ein, wenn die Tatentdeckung seitens der Behörde dem Anzeiger bekannt ist. Nicht erforderlich ist, dass der Anzeiger von der Behörde von der Tatentdeckung informiert wird. Es ist ohne Bedeutung, welche Weisung und von wem er von der Tatentdeckung erfährt. Die Information kann auch von einem anderen Tatbeteiligten stammen. Darüber hinaus kann der Anzeiger auch durch Dritte oder aus den Medien Kenntnis erlangen. Die Beweislast für die Kenntniserlangung liegt bei der Finanzstrafbehörde bzw. beim Gericht. Anders als bei der Setzung einer Verfolgungshandlung schließt hier die Kenntnisnahme der Tatentdeckung durch einen Tatbeteiligten oder Hehler die Selbstanzeige durch andere Beteiligte, die davon noch keine Kenntnis haben, nicht aus. Der Begriff "bekannt sein" bedeutet "Wissen" im Sinne des § 8 Abs 1 FinStrG. Es reicht nicht aus, dass der Täter vermutet, dass die Behörde bereits Kenntnis von der Tat hat. Ein "bekannt sein" bzw. "Wissen müssen" reicht somit nicht aus. (Lang/Hölzl in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 29 - Stand , Rdb.at, Rz 146f).

Eine Tat ist des Weiteren nur dann "entdeckt", wenn sie ein Organwalter der Behörde wahrgenommen hat. Die automatisierte Zusendung von Erinnerungen als Ergebnis einer EDV-mäßigen Überwachung der Entrichtung selbst zu berechnender Abgaben ist keine Tatentdeckung und steht einer strafbefreienden Selbstanzeige nicht entgegen.

Das gegenständliche Ersuchen um Ergänzung vom ist ein standardisiertes Schreiben, in dem vom Beschuldigten ergänzende Angaben zu ausländischen Kapitalerträgen und sonstigen Einkünften verlangt wurden. Es steht nicht einmal fest, ob und inwiefern überhaupt ein Abgleich mit den Einkommensteuererklärungen stattgefunden hat. Dem Schreiben zufolge ist nicht einmal die abgabenrechtliche Relevanz geklärt, sodass von einem substanziierten Verdacht des Vorliegens eines finanzstrafrechtlichen Vergehens bereits per se nicht ausgegangen werden kann. Die von der Lehre und Rechtsprechung geforderte Verdichtung des Tatverdachtes im Sinne der vorstehenden Ausführungen lässt sich diesem Schreiben ebenso wenig entnehmen wie die verlangte Konkretisierung im Hinblick auf Herkunft, Höhe und Zeitpunkt der Beträge.

Im Übrigen ist auf die Feststellung, dass der Beschuldigte keine Kenntnis von der zumindest "teilweisen" Entdeckung der Tat hatte, zu verweisen. Daher mangelt es - unabhängig von der Frage, ob von einer (zumindest teilweisen) Entdeckung der Tat durch die Behörde auszugehen ist - am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG, sodass keine Sperrwirkung eintritt, sondern die Selbstanzeige vom Straffreiheit entfaltet.

Daher war das Verfahren gemäß § 136 FinStrG einzustellen."

2. Dagegen hat der Amtsbeauftragte mit Schreiben vom (Anm. des Senats: richtig wohl ) eine Beschwerde eingebracht und als Begründung angeführt:

"Der Sachverhalt wurde im angefochtenen Erkenntnis richtig festgestellt. Nur dem letzten Satz (Seite 6, 3. Absatz: dem Beschuldigten sei nicht bekannt gewesen, ob die Finanzbehörden zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat und wenn ja in welchem Umfang entdeckt hätten) wird entgegengetreten.

Der Beschuldigte ist Anfang 2014 von Belgien nach Österreich zugezogen. Er ist sohin seit diesem Zeitpunkt in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Insbesondere die ausländischen Kapitaleinkünfte unterliegen seither dem österreichischen Steuerregime.

Der Beschuldigte reichte für die Jahre 2014 bis 2018 keine Einkommensteuererklärungen ein. Aktenkundig waren nur die elektronisch übermittelten Lohnzettel.

Der Beschuldigte unterhielt im inkriminierten Zeitraum Wertpapierdepots bei der B. in Frankfurt/Main und der A. in Brüssel. Für diese Bankverbindungen ergingen für die Jahre 2015-2018 Mitteilungen über einen automatischen Informationsaustausch auf der Grundlage des multilateralen Amtshilfe-Übereinkommens bzw der EU-Amtshilferichtlinie (siehe Ausdrucke AS 197ff).

Aufgrund einer elektronischen Listenbearbeitung ("DAC-2-Liste") wurde der Fall "Bf1" im November 2019 einer Überprüfung unterzogen. Nachdem festgestellt wurde, dass der Beschuldigte bislang keine Einkommensteuererklärungen eingereicht und daher keine ausländischen Kapitaleinkünfte erklärt hat, jedoch relevante (über der Besteuerungsschwelle liegende) Einkünfte seitens der A-GmbH erzielte, wurde am ein standardisiertes (elektronisch generiertes) Ersuchen um Ergänzung veranlasst (AS 55).

Wenn im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt wird, dass "dem Ersuchen nicht einmal klar zu entnehmen ist, ob und inwieweit das Finanzamt die bisherigen Steuererklärungen bereits geprüft hat oder nicht", "..lässt daher im Dunkeln, ob hier bereits ein konkretes Prüfverfahren eingeleitet wurde oder ob nicht schlicht ein computergesteuertes Schreiben versandt wurde" (Seite 6 vierter Absatz) und "es nicht einmal feststeht, ob und inwiefern überhaupt ein Abgleich mit den Einkommensteuererklärungen stattgefunden hat" (Seite 10 letzter Absatz), sind diese Feststellungen verfehlt und nicht nachvollziehbar.

Der Arbeitsablauf in Sachen DAC-2-Meldungen ist dergestalt, dass die auf einer elektronischen Liste aufscheinenden Namen über elektronisch eingegangene Kontrollmitteilungen von ausländische Konten und ausländische Kapitaleinkünfte im Finanzamtssystem aufgerufen werden, um zu überprüfen, ob die ausländischen Kapitaleinkünfte erklärt werden. Es ergehen keine "computergenerierte Schreiben" ähnlich bei der Umsatzsteuer, wenn keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht oder keine Umsatzsteuervorauszahlungen trotz aufrechtem U-Signal binnen einer gewissen Frist nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt entrichtet werden. DAC-2-Meldungen werden jeweils einzelfallbezogen einer Prüfung unterzogen! Es wurde im vorliegenden Fall daher sehr wohl ein Abgleich mit dem Abgabenakt gemacht, wobei im gegenständlichen Fall des Beschuldigten festgestellt werden musste, dass bislang überhaupt keine Einkommensteuererklärungen 2014-2018 eingereicht wurden.

Derartige Zweifel wurden bereits seitens der Verteidigung releviert, welcher in der Folge der Arbeitsvorgang erläutert wurde (AS 290). Es wurde auch angeboten, dass die Sachbearbeiterin als Zeugin geladen werden kann, wenn weiterhin Zweifel an einem Abgleich der Kontrollmitteilung mit dem Steuerakt bestehen sollten. Auf eine solche Zeugenladung hat die Verteidigung dann mit Email vom verzichtet.

Wenn der Spruchsenat aus nicht nachvollziehbaren Gründen (zumindest dem beamteten Beisitzer muss der Arbeitsablauf bekannt sein) Zweifel an einer Vornahme eines "Abgleichs" hatte (und daher eine Tatentdeckung aus diesem Grund verneint), hätte er die Sachbearbeiterin als Zeugin hören müssen.

Kurze Zeit nach diesem Vorhalt vom erstattete der Beschuldigte mit dem am eingegangenen Schriftsatz Selbstanzeige, wonach er für die Jahre 2014-2018 ausländische Kapitaleinkünfte lukriert, bislang aber nicht erklärt habe. Für die Jahre 2014-2018 ergab sich anhand der nunmehr eingereichten Abgabenerklärungen eine Abgabennachforderung an Einkommensteuer für die Jahre 2014-2018 in Höhe von insgesamt € 50.300,00, welche auch zeitgerecht entrichtet wurde.

Strittig ist, ob diese Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung hatte oder der Sperrgrund des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG eine solche strafbefreiende Wirkung verhindert.

Gemäß § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG tritt Straffreiheit nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war.

Entdeckt ist die Tat, wenn der das Tatbild erfüllende Sachverhalt als solcher der Behörde, wenn auch nicht im vollen Umfang, bekannt ist. Das Gesetz verlangt bloß die Entdeckung der Tat, nicht aber die Entdeckung des Täters oder des Finanzvergehens. Unter Tat ist daher nur der für den objektiven Tatbestand eines Finanzvergehens maßgebliche Sachverhalt zu verstehen. Für eine Tatentdeckung genügt nicht ein bloßer Anfangsverdacht. Es muss vielmehr bei vorläufiger Beurteilung eine Tatverwirklichung wahrscheinlich und nicht bloß möglich sein. Durch den bloßen Eingang einer Kontrollmitteilung ist die Tat noch nicht entdeckt. Dies ist erst dann der Fall, wenn die abgabenrechtliche Auswertung ergibt, dass zB steuerpflichtige Einkünfte nicht oder nicht vollständig erklärt worden sind.

Laut OGH ist unter "Tat" die Tat im materiellen Sinn als kleinstes, nicht mehr teilbares Element eines Sachverhaltes zu verstehen. Tat im Sinne des § 33 Abs. 1 FinStrG ist die Einreichung einer unrichtigen Erklärung bzw Nichteinreichung einer Erklärung bei Nichtkenntnis der Abgabebehörde vom Abgabenanspruch. Die Tat erfasst daher nur diejenigen Lebenssachverhalte, auf die sich das "Erkennen" bezieht.

Aufgrund der im Rahmen des internationalen Informationsaustausches übermittelten Unterlagen wurde der Abgabenbehörde bekannt, dass der Beschuldigte Auslandskonten in erheblichem Umfang (ca 1,2 Mio EUR) unterhielt und erhebliche Kapitaleinkünfte erzielte. Nachdem aus der Einsicht in den elektronischen Akt erkannt wurde, dass der Beschuldige bislang keine Einkommensteuererklärungen 2014-2018 eingereicht hat, aber Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit lukrierte, war die "Tat" sohin entdeckt. Das genaue Ausmaß der Verkürzung musste noch nicht bekannt sein, genügt doch auch eine teilweise Tatentdeckung.

Weiters muss diese (gänzliche oder teilweise) Tatentdeckung dem Anzeiger bekannt sein. Ergeht im Ermittlungsverfahren ein Bedenkenvorhalt (Ersuchen um Ergänzung) unter Bezugnahme auf die vorhandenen Unterlagen (Kontrollmitteilungen), ist damit die Entdeckung der Tat bekannt gegeben. Eine strafbefreiende Selbstanzeige wird damit ausgeschlossen (Reger, FinStrG5, § 29, Rz 19).

Das gegenständlich strittige Ersuchen um Ergänzung vom ist ein standardisierter Vorhalt und sollte mehrere Fallkonstellationen abdecken (keine Erklärungen/unvollständige und daher unrichtige Erklärungen; keine oder nur teilweise Erklärung von Kapitaleinkünften). Aus dem Inhalt des Ergänzungsersuchens geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass dem Finanzamt aufgrund des internationalen Informationsaustausches Daten zu den vom Beschuldigten unterhaltenen ausländischen Konten vorliegen. Nachdem der Beschuldigte auch wusste, dass er bislang keine Steuererklärungen eingereicht und keine ausländischen Kapitaleinkünfte erklärt hat, war ihm bekannt, dass die Tat sohin seitens der Abgabenbehörden entdeckt war.

Dass dem Anzeiger konkret die Herkunft, Höhe und Zeitraum der Beträge laut Informationsaustausch sowie der Hinweis auf unrichtige oder unvollständige Abgabenerklärungen [Anmerkung: der Beschuldigte hatte überhaupt keine Erklärungen eingereicht] vorgehalten werden müssten (Lochmann in SWK 28/2018; Leitner/Brandl/Kert, FinStrG4, Rz 719), ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten.

Der Selbstanzeige vom (eingegangen ) hatte daher keine strafbefreiende Wirkung, wobei nicht verhehlt werden soll, dass der Beschuldigte eine solche Selbstanzeige schon längere Zeit, also schon vor dem Vorhalt vom , vorbereitet hat, und die Kapitaleinkünfte von sich aus erklären wollte. Dieser Umstand kann aber nur im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt werden.

Es wird daher beantragt, dass das Bundesfinanzgericht das auf Einstellung lautende Erkenntnis vom , FV-001 106 710, aufheben und über den Beschuldigten einen Schuldspruch im Sinne der Stellungnahme des Amtsbeauftragen verhängen sowie eine schuld-, tat- und tätergerechte Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe und Pauschalkosten des Finanzstrafverfahrens aussprechen möge."

3. Die eingebrachte Beschwerde vom wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde vom ).

4. Die Sitzung des erkennenden Senates des Bundesfinanzgerichtes fand ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung am statt.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der am tt.mm.jjjj in Ort2 geborene Bf. ist belgischer Staatsbürger. Der Bf. ist im mm 2014 von Belgien nach Österreich zugezogen (per damaliger Wohnadresse ***Bf1-Adr2***) und war bei der Firma A-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Ort1 unselbständig bei dieser Gesellschaft beschäftigt. Es wurden jeweils Lohnzettel des Bf. elektronisch übermittelt, Steuererklärungen wurden jedoch vom Bf. für die Jahre 2014 bis 2018 nicht eingereicht.

Im Zuge des automatischen Informationsaustausches auf Grundlage des multilateralen Amtshilfe-Übereinkommens bzw. der EU-Amtshilferichtlinie erhielt die österreichische Finanzverwaltung Daten über ausländische Finanzkonten und Kapitaleinkünfte des Bf. aus Belgien und Deutschland. In der Folge hat das Finanzamt ein Ergänzungsersuchen per an den Bf. gerichtet, mit dem der Bf. ersucht wurde, die Höhe der ausländischen Kapitalerträge bekanntzugeben und diese mittels entsprechender Unterlagen (z.B. Kontoauszüge etc.) nachzuweisen (im Detail wird auf dieses Ergänzungsersuchen per verwiesen; siehe auch o.a. Pkt. I.1. zum Verfahrensgang, wo dieses Ergänzungsersuchen per als Begründungsteil im angefochtenen Erkenntnis des Spruchsenats auszugweise (in Kursiv) angeführt ist).

Mit Eingabe vom (in den Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen am ) erstattete der Bf. über seine steuerliche Vertretung für die Jahre 2014 bis 2018 Selbstanzeige (Offenlegung von belgischen und deutschen Kapitalerträgen). Das Finanzamt setzte mit den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 bis 2018 vom die bislang verkürzten Abgaben in einer Höhe von insgesamt € 50.300,00 fest. Diese unstrittige Abgabennachforderung wurde vom Beschuldigten am zeitgerecht entrichtet.

Festgestellt wird, dass dem Bf. nicht bekannt war, dass zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt war.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt zu den persönlichen Verhältnissen des Bf. ebenso wie der festgestellte Sachverhalt betreffend den einkommensteuerrechtlichen Verfahrensablauf (keine Abgabe von Einkommensteuererklärungen für 2014 bis 2018, Ermittlungen des Finanzamtes, erstattete Selbstanzeige, Höhe und Entrichtung der Einkommensteuer) ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage und weiters aus der ergänzenden Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichts in die Datenbank der Finanzverwaltung und ist auch unstrittig.

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren insbesondere, ob dem Bf. bekannt war, dass zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt war.

Die dazu vom erkennenden Beschwerdesenat getroffene Feststellung, dass dem Bf. nicht bekannt war, dass zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt war, ergibt sich aus dem Ergänzungsersuchen vom , mit dem der Bf. ersucht wurde, die Höhe der ausländischen Kapitalerträge bekanntzugeben. Bereits der Spruchsenat gelangte zur Feststellung, dass dem Bf. nicht bekannt war, ob die Finanzbehörden zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat und wenn ja, in welchem Umfang entdeckt hatten. Der Spruchsenat stützt dieses Ergebnis auf die Überlegung, aus dem standardisierten, allgemein gehaltenen Ergänzungsersuchen vom sei generell nicht ableitbar, ob die Finanzbehörde nun eine Tat entdeckt hat oder nicht. Dem Ergänzungsersuchen vom sei nicht einmal klar zu entnehmen, ob und inwieweit das Finanzamt die bisherigen Steuererklärungen bereits geprüft hat oder nicht. Die Formulierung "falls solche vorliegen'' könne so verstanden werden, dass nur teilweise Steuererklärungen vorliegen oder aber dass noch nicht einmal geprüft wurde, ob (und wenn ja, für welche Zeiträume) überhaupt Steuererklärungen eingebracht wurden. Auch die weitere Formulierung "...die gemeldeten Beträge finden sich nicht oder nur teilweise wieder..." sei äußerst vage gehalten und lasse daher im Dunkeln, ob hier bereits ein konkretes Prüfverfahren eingeleitet wurde oder ob nicht schlicht ein computergeneriertes Schreiben versandt wurde (siehe o.a. Pkt. I.1.).

Diese vom Spruchsenat angebrachten Erwägungen bzw. die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind denklogisch und schlüssig und ergibt sich auch für den erkennenden Senat des Bundesfinanzgerichts aus dem Ergänzungsersuchen vom nichts Anderes.

In der Beschwerde wurde dazu vom Amtsbeauftragten vorgebracht (siehe o.a. Pkt. I.2.), das gegenständlich strittige Ersuchen um Ergänzung vom sei "ein standardisierter Vorhalt und sollte mehrere Fallkonstellationen abdecken (keine Erklärungen/unvollständige und daher unrichtige Erklärungen; keine oder nur teilweise Erklärung von Kapitaleinkünften). Aus dem Inhalt des Ergänzungsersuchens geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass dem Finanzamt aufgrund des internationalen Informationsaustausches Daten zu den vom Beschuldigten unterhaltenen ausländischen Konten vorliegen. Nachdem der Beschuldigte auch wusste, dass er bislang keine Steuererklärungen eingereicht und keine ausländischen Kapitaleinkünfte erklärt hat, war ihm bekannt, dass die Tat sohin seitens der Abgabenbehörden entdeckt war."

Zu diesem Beschwerdevorbringen ist zunächst anzumerken, dass über die Organisationsstrukturen und detaillierten Arbeitsabläufe der Finanzämter grundsätzlich wohl nur Bedienstete innerhalb der Finanzverwaltung Kenntnis haben. Wenn in diesem Zusammenhang in der Beschwerde weitergehend aus dem Umstand, aus dem Inhalt des Ergänzungsersuchens gehe zweifelsfrei hervor, dass dem Finanzamt Daten zu den vom Bf. unterhaltenen ausländischen Konten vorliegen, und aus dem weiteren Umstand, dass der Bf. auch wusste, dass er bislang keine Steuererklärungen eingereicht und keine ausländischen Kapitaleinkünfte erklärt hat, abgeleitet wird, dass dem Bf. bekannt war, dass die Tat sohin seitens der Abgabenbehörden entdeckt war, kann dieser Schlussfolgerung nicht zugestimmt werden. Bloß aus dem Wissen des Bf. über seine nicht deklarierten ausländischen Kapitaleinkünfte im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung des an den Bf. ergangenen Ergänzungsersuchens vom ergibt sich vielmehr die Feststellung, dass dem Bf. nicht bekannt sein konnte und somit dem Bf. tatsächlich auch nicht bekannt war, dass die Tat seitens der Abgabenbehörden entdeckt war. Abgesehen von den bereits vom Spruchsenat in seinem angefochtenen Erkenntnis vom angebrachten schlüssigen Erwägungen zum Ergänzungsersuchen vom ist seitens des Bundesfinanzgericht auch darauf hinzuweisen, dass in diesem Ergänzungsersuchen vom nicht angeführt ist, für welche Jahre dem Finanzamt Daten zu den vom Bf. unterhaltenen ausländischen Konten vorliegen. Auch wenn der Bf. nahezu sicher für den Fall einer Nichtbeantwortung des Ergänzungsersuchens vom mit einer Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2014 bis 2018 rechnen musste, wurde dem Bf. seitens des Finanzamtes nicht in der erforderlichen Deutlichkeit bekanntgegeben, dass die Tat seitens der Abgabenbehörden (bereits) entdeckt gewesen wäre.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war vom Senat des Bundesfinanzgerichts somit festzustellen, dass dem Bf. nicht bekannt war, dass zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt war.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

§ 29 FinStrG über die Selbstanzeige lautet (auszugsweise):

"§ 29 (1) Wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, wird insoweit straffrei, als er seine Verfehlung darlegt (Selbstanzeige). Die Darlegung hat, wenn die Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften dem Zollamt Österreich obliegt, gegenüber diesem, sonst gegenüber einem Finanzamt oder dem Amt für Betrugsbekämpfung zu erfolgen. Sie ist bei Betretung auf frischer Tat ausgeschlossen.

(2) War mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt werden, und binnen einer Frist von einem Monat die sich daraus ergebenden Beträge, die vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Die Monatsfrist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201 und 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Abgaben- oder Haftungsbescheides zu laufen und kann durch Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) auf höchstens zwei Jahre verlängert werden. Lebt die Schuld nach Entrichtung ganz oder teilweise wieder auf, so bewirkt dies unbeschadet der Bestimmungen des § 31 insoweit auch das Wiederaufleben der Strafbarkeit.

(3) Straffreiheit tritt nicht ein,

a) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3) gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren,

b) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung der Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war, oder

c) wenn bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anläßlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung erstattet wird, oder

d) bereits einmal hinsichtlich desselben Abgabenanspruches, ausgenommen Vorauszahlungen, eine Selbstanzeige erstattet worden ist.

(4) bis (7) …"

Gemäß § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG tritt Straffreiheit einer Selbstanzeige tritt nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung der Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war.

Aus § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG sowie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass nur dann, wenn beide der in § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG angeführten Voraussetzungen vorliegen, die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nach § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG ausgeschlossen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG ausgesprochen, dass § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG kumulativ zur Entdeckung das Tatbestandsmerkmal erfordert, dem Anzeiger müsse dies bekannt gewesen sein (vgl. , uHa Tanzer, Die "Entdeckung der Tat" als Ausschlußgrund für eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG, ÖStZ 1993, 302ff.).

Im vorliegen Beschwerdefall wurde festgestellt, dass dem Bf. nicht bekannt war, dass zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt war. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG nicht vorliegen und somit entgegen den Beschwerdeausführungen § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG nicht anzuwenden ist. Auf dieser Grundlage konnte seitens des Bundesfinanzgerichts auch eine weitergehende Auseinandersetzung zur Frage, ob zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt gewesen war, unterbleiben.

Im vorliegenden Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. § 160 FinStrG) und hat der Senat des Bundesfinanzgerichts auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Da dem in der Beschwerde erhobenen Einwand nicht zu folgen war bzw. § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG der Straffreiheit der vom Bf. erstatteten Selbstanzeige nicht entgegensteht, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen; die Beurteilung der steuerbefreiten Wirkung der Selbstanzeige ist eine Tatfrage, die nach der o.a. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung zu beurteilen war. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Anzeiger
Selbstanzeige
Ergänzungsersuchen
Sperrwirkung
ausländische Kapitalerträge
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1300011.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at