Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2023, RV/7500027/2023

Bestrittene Zustellung ohne Zustellnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara Straka in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/226701015717/2022, mit dem der Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom mit derselben Geschäftszahl gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufgehoben.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl: MA67/226701015717/2022, wurde Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 für schuldig erkannt und über ihn nach § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Der mit E-Mail am eingebrachte Einspruch gegen diese Strafverfügung wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen.

Der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom , Zahl: MA67/226701015717/2022, wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die gegenständliche Strafverfügung wurde am dem Zustellprozess übergeben und damit beginnt die 3-tägige Zustellfrist analog zu § 26 Abs. 2 Zustellgesetz. Daraus ergibt sich, dass der von Ihnen am mittels E-Mail eingebrachte Einspruch als verspätet anzusehen ist.

Wurde gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

In der Stellungnahme zum Vorhalt der Verspätung gaben Sie an, dass Sie erst am nach Österreich zurückgekehrt waren und legten Unterlagen über den Auslandsaufenthalt (Rechnungen, Bestätigung eines Campingplatzes in italienischer Sprache) vor.

Diese Unterlagen bestätigen eine Ortsabwesenheit von bis , nicht aber für den Zeitraum des oben beschriebenen Zustellvorganges.

Es war daher von einer ordnungsgemäßen Zustellung auszugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruchs rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In der Beschwerde vom betonte der Beschwerdeführer im Wesentlichen neuerlich, bereits sowohl im Einspruch als auch in der Rechtfertigung angegeben zu haben, zum Zeitpunkt der Zustellung ortsabwesend gewesen zu sein und erst nach der Rückkehr aus Italien am von der Zustellung erfahren zu haben, sodass die Einspruchsfrist erst am geendet habe und der Einspruch daher fristgerecht eingebracht worden sei. Zum Beweis dafür wurde nicht nur auf die bereits vorgelegten Abrechnungsbelege diverser Campingplätze verwiesen, sondern auch eine Bestätigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beigefügt, aus der hervorgeht, gemeinsam mit dem Beschwerdeführer am Montag, den , zeitig in der Früh, mit dem Wohnmobil vom Wohnort des Beschwerdeführers nach Italien auf Urlaub gefahren und am Donnerstag, den , spät am Abend an den Wohnort des Beschwerdeführers zurückgekehrt zu sein.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 49 VStG (in Verbindung mit § 38 VwGVG) normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

§ 26 Zustellgesetz normiert:

"(1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Nach geltendem Recht ist wesentlich, dass Zweifel am Zustellvorgang oder seinem Zeitpunkt bestehen. Weiterhin hat aber nicht etwa der Empfänger eines - ohne Zustellnachweis versendeten - Dokuments nachzuweisen (oder auch nur glaubhaft zu machen), dass es zu (allgemeinen) Zustellproblemen gekommen sei; auch hat er nicht nachzuweisen (oder glaubhaft zu machen), dass er die Sendung nicht erhalten habe. Es hat vielmehr die Behörde die wirksame Zustellung nachzuweisen. Die Behauptung reicht also weiterhin solange aus, als ihr nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Dies gilt auch für den Zeitpunkt einer unstrittig erfolgten Zustellung ohne Zustellnachweis. Zutreffend betont der VwGH, dass etwa die "Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit", die die Behörde zur Zustellung ohne Zustellnachweis veranlasst haben mögen, sodass bisweilen "grundsätzlich mit Normalpost" zugestellt wird, nichts an der Beweislast der Behörde ändern (vgl. Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 26 ZustG, Rz 12 und 12/1).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 Zustellgesetz hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. , mwN).

Aktenkundig ist, dass die Strafverfügung vom , MA67/22670115717/2022, ohne Zustellnachweis versendet und am dagegen Einspruch erhoben wurde.

Ebenso steht fest, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Verspätung seines Einspruchs vorgehalten und ihn aufgefordert hat, eine allfällige Abwesenheit von der Abgabestelle geltend zu machen.

Während der Beschwerdeführer versucht hat, die Abwesenheit von seiner Abgabestelle zwischen dem und dem durch Abrechnungen verschiedener Campingplätze glaubhaft zu machen, und darüber hinaus in der Beschwerde eine entsprechende schriftliche Aussage seiner Lebensgefährtin präsentierte, hat die belangte Behörde von sich aus keine weiteren Schritte zur Feststellung des tatsächlichen Zustellzeitpunktes gesetzt.

Somit kann die aus § 26 Abs. 2 Zustellgesetz resultierende und widerlegbare, gesetzliche Vermutung, dass das behördliche Dokument am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan, somit am , zugestellt wurde, nicht aufrechterhalten werden.

Ebenso wenig kann der tatsächliche Zustellzeitpunkt an Hand der Aktenlage exakt ermittelt werden.

In Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung hat aber im Fall der Zustellung ohne Zustellnachweis die belangte Behörde und nicht der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen, sodass dem in der Beschwerde geltend gemachten Tag der Rückkehr an die Abgabestelle, dem , mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht wirksam entgegengetreten werden kann.

Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, dem , und endete am .

Der am eingebrachte Einspruch gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung ist somit als fristgerecht anzusehen und durfte von der belangten Behörde nicht als verspätet zurückgewiesen werden.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der beschwerdegegenständliche Zurückweisungsbescheid vom , Zahl: MA67/226701015717/2022, aufzuheben.

§ 44 VwGVG normiert:

"(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist."

Es war keine mündliche Verhandlung durchzuführen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Kostenentscheidung

Da das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis kein Straferkenntnis bestätigt hat, war gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Art. 133 Abs. 4 B-VG normiert:

"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:

1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;

2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"

Die Revision ist unzulässig, da das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sondern dessen Judikaturlinie folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 26 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500027.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at