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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2023, RV/7100217/2022

Geschäftsführerhaftung ohne Kenntnis der Abgabenfestsetzungen gegenüber der Primärschuldnerin und elektronisch signierte Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Philipp Arthur Igali-Igalffy, Landstraßer Hauptstraße 34 Tür 12A, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei am in Anwesenheit des Beschwerdeführer sowie von Mag. Robert Philipp Arthur Igali-Igalffy für den Beschwerdeführer und von Mag. Martin Holzapfel und Mag. Sebastian Rivo-Wastl BA für das Finanzamt zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vorhalt

Mit Schreiben vom versendete das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) folgenden Vorhalt:
"Auf dem Abgabenkonto der Firma ***Primärschuldnerin*** haften Abgabenrückstände in Höhe von € 122.486,05 aus, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden ist.

Sie werden ersucht, bekanntzugeben, ob die Gesellschaft über Mittel verfügt, die die Entrichtung oben angeführter Abgabenrückstände ermöglichen. Sollte jedoch die aushaftende Abgabenschuld nicht abgestattet werden können, werden Sie als Geschäftsführer(in) gem. § 9 BAO zur Haftung herangezogen, es sei denn Sie können beweisen, dass Sie ohne Ihr Verschulden daran gehindert waren, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Dazu werden Sie ersucht, anzugeben, ob in dem Zeitraum, in dem Sie als Geschäftsführer(in) für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich waren, andere anfallende Zahlungen (z.B. Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen Krankenkassenzahlungen, ect.) geleistet worden sind.

Zur Erbringung dieses Beweises (inklusive Nachweise wie Bankkontoauszüge, Tilgungsberechnung für die Zeiträume bis Konkurseröffnung 01/2017) wird Ihnen eine Frist von vier Wochen ab Zustellung gewährt."

Am langte folgende Vorhaltsbeantwortung ein:
"[…]
Zunächst erlaube ich mir bekannt zu geben, dass ich die rechtsfreundliche Vertretung von Herrn ***Bf1*** übernommen habe.

Ich war auch Schuldnervertreter im Konkursverfahren über das Vermögen der ***Primärschuldnerin***.Über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** wurde mittels Beschlusses des HG Wien wurde am xx.xx.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das Verfahren ist in der Zwischenzeit abgeschlossen, die Gläubiger erhielten eine Quote von 11,56 %.

***Bf1*** kam seiner Pflicht als Geschäftsführer nach und stellte einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** (Kurzform).

Grund für diesen Schritt waren die unzutreffenden Vorhalte seitens des Betriebsprüfers des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg.Nachdem mit der Abgabensicherung keine Zahlungsvereinbarung getroffen werden konnte war dieser Schritt der Insolvenzantragsstellung nötig.Die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg je vom hinsichtlich Einkommenssteuer 2013, 2014 und 2015 wurde mittels Beschwerde vom bekämpft.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit seinem Erkenntnis vom zu GZ. RV/7101297/2017 gem. § 279 BAO Folge und behob die bekämpften Bescheide ersatzlos.

Beweis Akt des Bundesfinanzgerichtes zu GZ. RV/7101297/2017

Es zeigt sich, dass aufgrund der unrichtigen Vorhalte des Betriebsprüfers des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg es zur Insolvenzeröffnung kommen musste und Schulden entstanden sind, auch beim Finanzamt, die es ohne Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte.

Im gegenständlichen Fall bestanden namhaften Forderungen der ***Primärschuldnerin*** in der Höhe von EUR 500.000,00 bis EUR 700.000,00 gegenüber ***Baufirmen*** und andere Großbaufirmen.

Wie üblich wurden aufgrund der Insolvenzeröffnung Ersatzvornahmen getätigt um Gegenforderungen wegen der Nichterfüllung der Werkverträge konstruiert.

Im Zuge des Insolvenzverfahrens kam es nur zu geringen Zahlungen der Baufirmen. ***Bf1*** der jahrelang als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** sämtliche Forderungen des Finanzamtes bezahlte, wird nun zu Unrecht vorgehalten verantwortlich für den Abgabenrückstand zu sein.

Aus der Sicht ***Bf1*** steht nicht dem Finanzamt eine Forderung gegen ihn zu, sondern ihm; da aufgrund unrichtigen Vorhaltes seitens des Betriebsprüfers- die ***Primärschuldnerin*** deren Gesellschafter er ist, in die Insolvenz gezwungen wurde.

Was die Vorlage von Zahlungsbelegen betrifft ist festzuhalten, dass sich sämtliche Buchhaltungsunterlagen nach wie vor bei Masseverwalter befinden und eine Vorlage ***Bf1*** daher nicht möglich ist.

In Anbetracht obiger Ausführungen wird beantragt das Haftungsverfahren einzustellen."

Haftungsbescheid

Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer wie folgt zur Haftung als Geschäftsführer heran:
"Herr ***Bf1***, geboren am ***Datum1***, Versicherungsnummer: ***VNR***, ***Bf1-Adr***, wird als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Primärschuldnerin***, Firmenbuchnummer: ***FN_GZ***, ***Adresse***, im Ausmaß von 122.486,05 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Begründung:

1. Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.2. Gemäß § 9 Abs 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3. Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4. Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

5. Sie waren im Zeitraum bis zur Löschung im Firmenbuch unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

7. Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer ist festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 bzw. 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Sie hingegen haben die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken, (vgl. Erk. des . ZI. 84/13/0085).

8. Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Weiters sind Sie Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun, nicht nachgekommen, daher war wie im Spruch zu entscheiden.

9. Durch das am xx.xx.2017 eröffnete Konkursverfahren ist der Abgabenrückstand beim Primärschuldner uneinbringlich geworden, und daher wurden Sie über den umseitigen Betrag zu Haftung herangezogen.

10. Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt, sah sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen."

Beschwerde

Gegen den Haftungsbescheid wurde am wie folgt Beschwerde erhoben:

"I.

In umseits näher bezeichneter Angelegenheit gibt der Beschwerdeführer bekannt, dass er Herrn ***Vertreter*** mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt hat.

Höflich wird um Kenntnisnahme und Zustellung aller relevanten Schriftstücke zu Händen des nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters ersucht.

II.

Dem Beschwerdeführer wurde der Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom zur Abgabenkontonummer ***StrNr*** nach dem zugestellt.

Innerhalb offener Frist erhebt der Beschwerdeführer gegen den vorgenannte Haftungsbescheid

BESCHWERDE.

an das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg.

Der Haftungsbescheid wird zur Gänze angefochten und dessen ersatzlose Aufhebung begehrt.

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Gegen den Haftungsbescheid des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg, zur Abgabenkontonummer ***StrNr*** ist das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde zulässig.

Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers ist jedenfalls gegeben.

2. Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Der angefochtene Haftungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem zugestellt, die heutige Beschwerde ist daher rechtzeitig eingebracht.

3. Sachverhalt

Das FA Wien geht von einer Haftung des ehemaligen handelsrechtlichen Geschäftsführers ***Bf1*** gemäß §9 iVm. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Primärschuldnerin*** (registriert zu FN ***FN_GZ***) aus und nimmt den nunmehrigen Beschwerdeführer wegen EUR 122.486,05 in Anspruch.

4. Beschwerdepunkte

  1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens

  2. unrichtige rechtliche Beurteilung

Es ist Ausdruck des rechtsstaatlichen Verfahrens, Bescheide nachvollziehbar zu begründen. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nicht näher begründet, sondern nur auf Gesetzesstellen und Entscheidungen in anders gelagerten Fällen verwiesen.

In der Begründung müssen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammengefasst sein. Es muss in zugänglicher Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet.

Genau dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Insbesondere sind Bescheide dann zu begründen, wenn dem Standpunkt einer Partei -wie im vorliegenden Fall - nicht (vollinhaltlich) Rechnung getragen wird. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebende Erwägungen und die darauf gestützte Rechtsfrage klar und übersichtlich den Gesetzen der Logik folgend zusammenzufassen.

Ein zentrales Begründungselement ist die Anführung des Sachverhaltes, den die Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt.Denn nur, wenn die Behörde in zugänglicher Weise dargetan hat, welcher Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet, besteht die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle im Instanzenzug.

Die Behörde hat sich jedoch darin erschöpft, die Gesetzesstellen des § 80 Abs 1 BAO, § 9 Abs 1 und § 1298 wiederzugeben. Einen Sachverhalt oder eine Begründung lässt der Bescheid vermissen.Fehlt einem Bescheid wie im vorliegenden Fall jegliche Begründung und lässt sich aus ihm dementsprechend auch nicht entnehmen, von welcher Sachverhaltsannahme die Behörde ausgegangen ist, so ist der Bescheid aufzuheben.Hätte sich die Behörde mit dem tatsächlichen Sachverhalt auseinandergesetzt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass den Beschwerdeführer kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann.

Auch hat der Beschwerdeführer alle Pflichten erfüllt und Beiträge/ Steuern jeweils bei Fälligkeit, soweit vorhanden und es möglich war, entrichtet.

Hätte die Behörde den tatsächlichen Sachverhalt geprüft, die Äußerung des Beschwerdeführers vom berücksichtigt und parallel den Sachverhalt des Aktes des Bundesfinanzgerichtes zu GZ RV/7101297/2017 ordnungsgemäß geprüft, dann hätte die Behörde fest zu stellen gehabt, dass eine schuldhafte Verletzung des Beschwerdeführers nicht vorliegen kann.

Bekanntlich wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** mittels Beschlusses des HG Wien am xx.xx.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren ist in der Zwischenzeit abgeschlossen und erhielten die Gläubiger eine Quote von 11,56 %.

Der nunmehrige Beschwerdeführer kam damals seiner Pflicht als Geschäftsführer nach und stellte einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** (Kurzform).

Grund für diesen Schritt waren die unzutreffenden Vorhalte seitens des Betriebsprüfers des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg.

Nachdem mit der Abgabensicherung keine Zahlungsvereinbarung getroffen werden konnte, war der Geschäftsführer verhalten zur Insolvenzantragsstellung.Die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg je vom hinsichtlich Einkommenssteuer 2013, 2014 und 2015 wurde mittels Beschwerde vom bekämpft.Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom zu GZ. RV/7101297/2017 gemäß § 279 BAO Folge und behob die bekämpften Bescheide ersatzlos.

Beweis Akt des Bundesfinanzgerichtes zu GZ. RV/7101297/2017

Es zeigt sich, dass aufgrund der unrichtigen Vorhalte des Betriebsprüfers des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg es zur Insolvenzeröffnung kommen musste und Schulden entstanden sind, auch beim Finanzamt, die es ohne Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte.

Im gegenständlichen Fall bestanden namhaften Forderungen der ***Primärschuldnerin*** in der Höhe von EUR 500.000,00 bis EUR 700.000,00 gegenüber ***Baufirmen*** und andere Großbaufirmen.

Wie üblich wurden aufgrund der Insolvenzeröffnung Ersatzvornahmen getätigt und Gegenforderungen wegen der Nichterfüllung der Werkverträge konstruiert.Im Zuge des Insolvenzverfahrens kam es nur zu geringen Zahlungen der Baufirmen.Der Beschwerdeführer der jahrelang als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** sämtliche Forderungen des Finanzamtes bezahlte, wird nun zu Unrecht vorgehalten verantwortlich für den Abgabenrückstand zu sein.

Aus der Sicht des nunmehrigen Bundesfinanzamtes, steht nicht dem Finanzamt eine Forderung gegen ihn zu, sondern ihm, da aufgrund unrichtigen Vorhaltes seitens des Betriebsprüfers die ***Primärschuldnerin*** deren Gesellschafter er ist, in die Insolvenz gezwungen wurde.

5. Anträge

Der Beschwerdeführer stellt daher folgende Anträge:
Das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Haftungsbescheid des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg, Marxergasse 4, 1030 Wien zur Abgabenkontonummer:
***StrNr*** aufheben und jedenfalls eine mündliche Verhandlung zu der der Beschwerdeführer als auch sein rechtsfreundlicher Vertreter geladen werden möge durchführen.

III.

Antrag auf Aussetzung zur Einhebung gem § 212a BAO
[…]
"

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , direkt adressiert an den Beschwerdeführer, hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt ausgeführt:
"Herr ***Bf1*** war ab handelsrechtlicher Geschäftsführer und ist somit Haftungspflichtiger für den Abgabenrückstand der ***Primärschuldnerin***, welcher sich aus den Lohnabgaben für die Zeiträume 2013 bis 2016 zusammensetzt. Diese sind bei der GmbH als uneinbringlich anzusehen und wurden im Haftungsbescheid vom aufgelistet. Die Uneinbringlichkeit ergibt sich deshalb, da über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** am xx.xx.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die Vertreterhaftung gem. § 9 BAO setzt unter anderem die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der GmbH voraus. Mit Eintritt der Uneinbringlichkeit durch das pflichtwidrige Verhalten des Vertreters wird die Schuldhaftigkeit begründet.

Gem. § 78 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnabgaben bei der Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer einzubehalten und haftet für die korrekte Abfuhr der Lohnsteuer.

Da dies im gegenständlichen Fall unterlassen wurde, stellt dies eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH dar. Die Verletzung von durch Abgabenvorschriften begründeten Pflichten ist haftungsrelevant.Gem. § 82 EStG 1988 erstreckt sich die Haftung des Arbeitgebers auf sämtliche durch Lohnsteuerabzug zu erhebende Beträge, also sowohl auf die Lohnsteuer von laufenden Bezügen als auch auf die Lohnsteuer von sonstigen Bezügen.

Herr ***Bf1*** war als handelsrechtlicher Vertreter der ***Primärschuldnerin*** dazu verpflichtet, die im Haftungsbescheid angeführten Lohnabgaben abzuführen.Die in der Beschwerde vorgebrachte Begründung, dass aufgrund einer Betriebsprüfung und der daraus resultierenden Vorschreibung der beschränkten Einkommensteuer das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, hat für den zugrundeliegenden Sachverhalt keine Bedeutung. Für eine Haftungsinanpruchnahme gem. § 9 BAO sind die Gründe, die zur Insolvenzeröffnung geführt haben, unbeachtlich. Zudem wurden weder Beweise vorgelegt noch in der Beschwerde sonstige Gründe vorgebracht, die der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden.

Daher wird die Beschwerde abgewiesen."

Die Beschwerdevorentscheidung wurde digital unterschrieben, ausgedruckt und mittels Zustellnachweis zugestellt.

Vorlageantrag

Am langte bei der belangten Behörde ein Vorlageantrag ein, der (auszugsweise) wie folgt lautet:
"Dem Beschwerdeführer wurde Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom zur Abgabenkontonummer ***StrNr*** zugestellt.

Binnen offener Frist wird hiermit der

ANTRAG

gestellt, die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Es wird zunächst auf die Ausführungen in der Beschwerde wie folgt verwiesen:[…]

Aus der Sicht des nunmehrigen Bundesfinanzamtes, steht nicht dem Finanzamt eine Forderung gegen ihn zu, sondern ihm, da aufgrund unrichtigen Vorhaltes seitens des Betriebsprüfers die ***Primärschuldnerin*** deren Gesellschafter er ist, in die Insolvenz gezwungen wurde.

Nun behauptet die belangte Behörde, dass die in der Beschwerde vorgebrachte Begründung des Beschwerdeführers, dass die Gründe die zur Insolvenzeröffnung geführt haben unbeachtlich sind und für die Behörde von keinerlei Bedeutung sind.

Von der belangten Behörde wurde konsequent außer Acht gelassen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer seine Pflichten als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen nicht schuldhaft verletzt hatte und die Abgabepflichtige erst durch die unrichtigen Vorhalte des Betriebsprüfers des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg in die Insolvenz schlitterte.

Richtig ist, dass gem § 9 BAO die Gründe die zur Insolvenzeröffnung führten unbeachtlich sind, jedoch haftet der nunmehrige Beschwerdeführer als Vertreter der Abgabepflichtigen für diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Der nunmehrige Beschwerdeführer hat seine Pflichten NIEMALS schuldhaft verletzt. Im Gegenteil hat er alle Pflichten erfüllt und Beiträge/ Steuern jeweils bei Fälligkeit soweit vorhanden und es möglich war, entrichtet.

Des weiteren behauptet die nunmehr belangte Behörde, dass zudem weder Beweise vorgelegt noch in der Beschwerde sonstige Gründe vorgebracht wurden, die der rechtzeitigen Abgabeentrichtung entgegenstanden.

Hinzuweisen erlaubt sich der Beschwerdeführer, dass die nunmehr belangte Behörde selbst Schuldnerin der Insolvenz der Abgabepflichtigen war und ihr sämtliche Berichte des Insolvenzgerichtes und des MasseverwaIters der Abgabepflichtigen vorlagen.

Wie der belangten Behörde bekannt, muss bei einem Insolvenzverfahren auch die mögliche schuldhafte Verletzung der Pflichten des handelsrechtlichen Geschäftsführers geprüft werden. Es wurde seitens des Insolvenzgerichtes, des LG Korneuburg zu GZ ***GZ*** keine schuldhafte Verletzung der Pflichten des handelsrechtlichen Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** festgestellt.

Die belangte Behörde war und ist von dem Insolvenzverfahren in Kenntnis gesetzt und hat auch beim Insolvenzverfahren ihre Bedenken nicht kundgetan bzw. war diese sogar mit dem Prüfergebnis des Insolvenzgerichtes einverstanden.

Der Beschwerdeführer stellt daher folgende Anträge:

Mittels Bescheid vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers über die Aussetzung der Einhebung vom abgewiesen.

Dies trotzdem die Beschwerdevorentscheidung vom noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

Ausdrücklich begehrt wird, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, die Parteien zu dieser Verhandlung laden und in dieser der Beschwerde Folge geben.

Gestellt werden die Anträge

Anträge

das Bundesfinanzgericht möge

a. eine mündliche Verhandlung durchführen
b. in der Sache selbst entscheiden und die angefochtene Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufheben
"

Nachreichung

Am langte beim Bundesfinanzgericht auf elektronischem Weg zur Geschäftszahl RV/7100217/2022 eine Nachreichung von Unterlagen durch die belangte Behörde ein. Die nachgereichten Unterlagen bestehen aus einer Beschwerdevorentscheidung vom , einem Vorlageantrag vom und einer Stellungnahme zur Nachreichung.

In der Beschwerdevorentscheidung wird im letzten Satz fettgedruckt darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Erledigung vom mangels Unterfertigung nicht wirksam sei. Der restliche Begründungstext - sowie der abweisende Spruch - sind mit der Erledigung vom ident.

Auch der Vorlageantrag vom ist großteils ident mit dem Vorlageantrag vom . Hinsichtlich der Höhe der Lohnabgaben findet sich folgende Ergänzung:
"Der bekämpfte Bescheid berücksichtigt auch nicht den Zugang von 11,56 % der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen, die auch die Lohnabgaben mitumfasste.

Der bekämpfte Bescheid berücksichtigt auch nicht die Zahlungen die über den Insolvenzausfallentgeltfond hinsichtlich Lohnabgaben erfolgten."

Schließlich gab die belangte Behörde noch folgende Stellungnahme ab:
"[…]
im Anschluss an die Vorlage der verfahrensgegenständlichen Beschwerde hat das Finanzamt Österreich mit Beschwerdevorentscheidung vom über die Beschwerde abgesprochen und sie als unbegründet abgewiesen.

Dieses Vorgehen war aus der Sicht der belangten Behörde notwendig, weil diese davon ausging, dass ein Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments nicht mehr als unterschrieben gelten kann.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachte der Bf am einen Vorlageantrag ein, der dem Bundesfinanzgericht hiermit im Zuge einer Nachreichung vorgelegt wird.

Das Finanzamt Österreich ergänzt hiermit sein inhaltliches Vorbringen zur verfahrensgegenständlichen Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom :

Vorbringen des Bf:
Der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend begründet, insbesondere sei nicht dargelegt, welchen Sachverhalt die Abgabenbehörde als erwiesen angenommen habe.

Tatsächlich könne dem Bf kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden. Er habe alle Pflichten erfüllt und Beiträge/Steuern jeweils zur Fälligkeit entrichtet. Unter Berücksichtigung des Verfahrens GZ RV/7101297/2017 hätte die Abgabenbehörde feststellen müssen, dass eine Pflichtverletzung nicht vorliegen könne.

Auch seiner Pflicht zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Bf nachgekommen. Dieser Schritt sei nur aufgrund unrichtiger Vorhalte durch die Betriebsprüfung notwendig geworden. Aufgrund der Insolvenz verlor die Primärschuldnerin ihre Aufträge, was mit dem Verlust beträchtlicher Forderungen einherging.

Eine Vorlage von Zahlungsbelegen sei nicht möglich, da sich sämtliche Unterlagen weiterhin beim Masseverwalter befänden.

Es sei außerdem darauf hinzuweisen, dass die belangte Abgabenbehörde selbst Schuldnerin der Insolvenz der Primärschuldnerin gewesen sei und ihr sämtliche Berichte des Insolvenzgerichts und des Masseverwalters vorgelegen seien. Im Insolvenzverfahren sei kein Verschulden des Bf festgestellt worden.

Ergänzung der bisherigen Stellungnahme der belangten Abgabenbehörde:
Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in § 80 Abs 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (, 0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

Der Beschwerdeführer ist für Abgaben zur Gänze zur Haftung heranzuziehen, wenn er weder die Quote errechnet noch dargestellt hat, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Behörde ist nicht gehalten, im Wege der Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn dazu kein konkretes Vorbringen erstattet wird ().

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, verdrängt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen. Die belangte Abgabenbehörde verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung. Zusätzlich wird noch ausgeführt, dass der Bf weiterhin keinen Nachweis erbracht hat, dass ihm die Entrichtung der Abgaben nicht möglich gewesen sei. Aus diesem Grund durfte die belangte Abgabenbehörde im Einklang mit der oa Rspr von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht wiederum die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 9 Rz 24 mit Judikaturverweisen). Wenn der Bf vorbringt, er könne keine Zahlungsbelege vorlegen, weil sich diese beim Masseverwalter befänden, so ist ihm entgegenzuhalten, dass es dem Vertreter obliegt, eine entsprechende Beweisvorsorge - etwa durch die Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken oder Kopien - zu treffen (vgl ; , 2010/13/0042, 0044; , 2009/16/0181; , 2011/16/0187; , 2013/16/0200; , Ra 2020/13/0027). Hinsichtlich der Ausführungen des Bf, das Insolvenzgericht habe kein Verschulden festgestellt, wird ausgeführt, dass es für die Haftung nach § 9 BAO unbeachtlich ist, ob den Geschäftsführer ein Verschulden an der Zahlungsunfähigkeit trifft (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 9 Rz 10). Das für die Haftung maßgebliche Verschulden kann somit auch außerhalb des vom Insolvenzgericht zu prüfenden Bereichs liegen. Aus der Tatsache, dass das Insolvenzgericht kein Verschulden feststellte, kann daher nicht abgeleitet werden, dass ein haftungsrelevantes Verschulden nicht vorliegt. Von Amts wegen ist festzuhalten, dass der Fälligkeitstermin der vom angefochtenen Bescheid umfassten Abgaben Lohnsteuer 2016, Dienstgeberbeitrag 2016 sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016 erst am und somit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag. Für die Entrichtung dieser Abgaben war der Bf daher nicht mehr zuständig. Hinsichtlich dieser Abgaben wird der Beschwerde stattzugeben sein.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen beantragt das Finanzamt Österreich der Beschwerde teilweise stattzugeben und die Lohnsteuer 2016, den Dienstgeberbeitrag 2016 sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016 aus dem Haftungsbescheid auszunehmen."

Beschluss vom

Das Bundesfinanzgericht wandte sich wie folgt an beide Verfahrensparteien:
"I. Auf Grund der derzeit vorliegenden Unterlagen geht das Bundesfinanzgericht - derzeit - von folgendem Sachverhalt aus:

Die Primärschuldnerin, die ***Primärschuldnerin***, wurde im Februar 2012 ins Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer FN ***FN_GZ*** eingetragen. Bis zur Löschung im Firmenbuch am war der Beschwerdeführer Alleingeschäftsführer der Primärschuldnerin.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom xx.xx.2017 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und in der Folge mit Beschluss desselben Gerichtes vom die Schließung des Unternehmens angeordnet. Zunächst hat die belangte Behörde Abgabenforderungen in Höhe von € 859.066,81 angemeldet. Im Mai 2019 hat das Bundesfinanzgericht zur GZ. RV/7101297/2017 einer Beschwerde der Primärschuldnerin hinsichtlich Abzugsteuern (§ 99 EStG) Folge gegeben. Daraufhin schränkte die belangte Behörde die angemeldeten Forderungen auf 145.485,06 € ein. Im April 2020 wurde eine Konkursquote in Höhe von € 17.572,94 vom Masseverwalter an die belangte Behörde überwiesen. Dies entspricht einer Quote von 12,07886 % der letztlich angemeldeten Forderungen.

Im September 2020 zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 122.486,05 für lohnabhängige Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu Dienstgeberbeiträgen) heran.

>> Beide Verfahrensparteien haben die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.

II. Bescheiderlassung an die Primärschudnerin am :

Vor Erlassung des Haftungsbescheides wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom davon in Kenntnis gesetzt, dass die belangte Behörde beabsichtigte, ihn als Haftungspflichtigen in Anspruch zu nehmen, sofern keine Nachweise erbracht werden, dass der Beschwerdeführer ohne Verschulden die fälligen Abgaben nicht entrichten konnte.

Im Haftungsbescheid vom sind die haftungsgegenständlichen Abgaben aufgelistet.

Bereits am erließ die belangte Behörde in Folge einer Prüfung lohnabhängiger Abgaben folgende Bescheide an den Masseverwalter im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin:
-) Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2013 (Nachforderung: € 21.904,66)
-) Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2014 (Nachforderung: € 526,43)
-) Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2016 (Nachforderung: € 13.892,14)
-) Bescheid über den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2013 (Nachforderung: € 1.947,11)
-) Bescheid über den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 (Nachforderung: € 46,77)
-) Bescheid über den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016 (Nachforderung: € 1.234,88)
-) Haftungsbescheid Lohnsteuer 2016 (€ 21.035,31 [haftungsgegenständlich: € 10.241,17])

Es ist für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich, ob bzw. wann und wie dem Beschwerdeführer der Inhalt dieser Bescheide anlässlich der Haftungsinanspruchnahme zur Kenntnis gebracht wurden. Weder im Haftungsvorhalt noch im Haftungsbescheid findet sich ein diesbezüglicher Hinweis.

>> Die belangte Behörde wird ersucht, mitzuteilen, ob bzw. wann und wie dem Beschwerdeführer Kenntnis von den Bescheiden vom verschafft wurde.

>> Der Beschwerdeführer wird um Bekanntgabe ersucht, wann bzw. wie er Kenntnis von den Bescheiden vom erhalten hat.

III. Beantragte Reduktion des Haftungsbetrages durch die belangte Behörde

In der Stellungnahme vom beantragt die belangte Behörde, der Beschwerde teilweise Folge zu geben und die Lohnsteuer 2016, den Dienstgeberbeitrag 2016 sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016 aus dem Haftungsbescheid auszunehmen, weil der Fälligkeitstermin dieser Abgaben erst am und somit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege.

Im Vorlageantrag vom führt der Beschwerdeführer aus, dass in den von der belangten Behörde im Zuge des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin angemeldeten Forderungen auch solche Abgabenforderungen enthalten waren, die nun haftungsgegenständlich sind. Nach Ansicht des Beschwerdeführers wurde die Quotenzahlung bei der Haftungsinanspruchnahme nicht berücksichtigt.

>> Die belangte Behörde wird um Bekanntgabe ersucht, ob und falls ja wie die Berücksichtigung der Quotenzahlung aus dem Konkursverfahren erfolgte."

Mit Schreiben vom gab das Finanzamt Österreich folgendes bekannt:
"Zu Punkt I:
Gegen die zur Kenntnis gebrachte Darstellung des Sachverhalts bestehen keine Einwände.

Zu Punkt II:
Eine interne Überprüfung brachte zu Tage, dass die Grundlagenbescheide dem Haftungsbescheid offenbar nicht beigelegt wurden. Aus der Aktenlage ist auch nicht ersichtlich, dass dem Bf auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden wäre, dass die betroffenen Abgaben bereits bescheidmäßig festgesetzt wurden.

Die Grundlagenbescheide können bei Bedarf nachgereicht werden.

Zu Punkt III:
Die Quotenzahlung wurde zur Gänze mit der Lohnsteuer 11/16 verbucht. In den Haftungsbescheid wurde lediglich der verbliebene Restbetrag aufgenommen.
"

Der Beschwerdeführer hat die an ihn gestellten Fragen durch seinen Vertreter wie folgt beantwortet:
"Unter Bezugnahme auf den wird auftragsgemäß die Frage wann bzw. wie der Beschwerdeführer Kenntnis von den Bescheiden von , wie folgt beantwortet:
Nachdem das Finanzamt Herrn
***Bf1*** völlig im unklaren ließ und ihm die Bescheide nicht zustellte, sondern ausschließlich dem Insolvenzverwalter habe ich innerhalb offenstehender Rechtsmittelfrist den Insolvenzverwalter gebeten, mir die diesbezüglichen Bescheide zukommen zu lassen. Nach Erhalt der Bescheide durch den Insolvenzverwalter habe ich dann die Beschwerde vom verfasst und eingebracht."

Mündliche Verhandlung

Der Vertreter des Beschwerdeführers ergänzte sein schriftliches Vorbringen dahingehend, dass die Festsetzungsbescheide für das Jahr 2013 jedenfalls falsch seien, weil die Steuerbefreiung aus dem NeuFöG nicht berücksichtigt wurde. Schließlich wurden die Nachforderungsbescheide dem Masseverwalter zugestellt, wovon der Beschwerdeführer keine Kenntnis hatte. Dazu erwiderte die belangte Behörde, dass die Grundlagenbescheide im Haftungsverfahren als richtig anzusehen seien, der Umstand, dass die Grundlagenbescheide dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht wurden, jedoch vom Gericht zu würdigen wäre.

Zur elektronischen Signatur auf der Beschwerdevorentscheidung führte der Vertreter der belangten Behörde aus, dass auch eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne der eIDAS-VO aus Daten bestehe, wobei dies für einen Ausdruck einer Abbildung einer elektronischen Signatur nicht gelten könne. Der Vertreter des Beschwerdeführers ergänzte, dass beide Dokumente, als Beschwerdevorentscheidung bezeichnet sind, denselben Inhalt haben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Primärschuldnerin, die ***Primärschuldnerin***, wurde im Februar 2012 ins Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer FN ***FN_GZ*** eingetragen. Bis zur Löschung im Firmenbuch am war der Beschwerdeführer Alleingeschäftsführer der Primärschuldnerin.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom xx.xx.2017 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und in der Folge mit Beschluss desselben Gerichtes vom die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Zunächst hat die belangte Behörde Abgabenforderungen in Höhe von € 859.066,81 angemeldet. Im Mai 2019 hat das Bundesfinanzgericht zur GZ. RV/7101297/2017 einer Beschwerde der Primärschuldnerin hinsichtlich Abzugsteuern (§ 99 EStG) Folge gegeben. Daraufhin schränkte die belangte Behörde die angemeldeten Forderungen auf 145.485,06 € ein. Im April 2020 wurde eine Konkursquote in Höhe von € 17.572,94 vom Masseverwalter an die belangte Behörde überwiesen. Dies entspricht einer Quote von 12,07886 % der letztlich angemeldeten Forderungen. Die Quotenzahlung wurde zur Gänze mit der Lohnsteuer 11/16 verbucht.

Im September 2020 zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 122.486,05 für lohnabhängige Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu Dienstgeberbeiträgen) heran. Die Grundlagenbescheide der haftungsgegenständlichen Abgaben waren dem Haftungsbescheid weder beigelegt noch wurde der Inhalt dieser Bescheide dem Beschwerdeführer durch die belangte Behörde auf andere Weise zur Kenntnis gebracht. Die Grundlagenbescheide sind an den Masseverwalter der Primärschuldnerin gerichtet und zugestellt worden.

Die Erledigung vom , die mit Beschwerdevorentscheidung überschrieben ist, wurde mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellt. Am Ende des Dokuments findet sich die elektronische Signatur eines Organwalters, welcher der belangten Behörde zugeordnet ist. Nach Anbringen der elektronischen Signatur wurde das Dokument ausgedruckt und nachweislich dem Beschwerdeführer zugestellt. Eine Amtssignatur ist auf dem Dokument nicht angebracht. Das Dokument wurde auch nicht eigenhändig unterschrieben.

Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erließ die belangte Behörde am eine weitere - inhaltsgleiche - Beschwerdevorentscheidung, die gemeinsam mit dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag als Nachreichung an das Bundesfinanzgericht übermittelt wurde.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Erledigung vom gründen sich auf eine Einsichtnahme in dieses Dokument, das von der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorlage beigelegt wurde. Darüber hinaus ist bereits aus dem Schriftbild und der gesamten Aufmachung der Erledigung vom ersichtlich, dass sie unter Einsatz eines Textverarbeitungsprogrammes erstellt wurde. Die elektronische Signatur sieht wie folgt aus:

Im Schreiben vom erläutert die belangte Behörde, dass es sich bei der Erledigung vom um einen Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokumentes handelt. Gegenteiliges wurde auch von keiner Verfahrenspartei behauptet.
Sowohl der Haftungsvorhalt vom als auch der Haftungsbescheid vom wurden von jenem Organwalter (eigenhändig) unterschrieben, von dem auch die elektronische Signatur auf der Beschwerdevorentscheidung vom stammt. Auch im Vorlagebericht vom , der mit einer Amtssignatur versehen ist, ist dieser Organwalter als "Bearbeiter" genannt. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Feststellungen unstrittig. Aus dem Aufdruck des BMF-Logos ist zu schließen, dass diese Signatur unter Verwendung eines Dienstausweises, wie ihn die Mitarbeiter des Bundesministeriums für Finanzen und seiner nachgeordneten Dienststellen haben, verwendet wurde.

Die Beschwerdevorentscheidung vom unterscheidet sich von der Erledigung vom (abgesehen vom Datum) lediglich darin, dass der Adressat der Erledigung (der Beschwerdeführer) als Geschäftsführer der Primärschuldnerin näher bezeichnet wurde und dass im allerletzten Satz vor der Rechtsmittelbelehrung auf die Erledigung vom Bezug genommen wird. Auch der Vertreter des Beschwerdeführers stellte in der mündlichen Verhandlung fest, dass inhaltlich in beiden Dokumenten dasselbe steht.

Am Abgabenkonto der Primärschuldnerin ist ersichtlich, dass am unter der Abgabenart "L 11/16" ein Betrag in Höhe von € 62.599,50 gemeldet und verbucht wurde. Ebenfalls aus dem Abgabenkonto ist ersichtlich, dass am ein Betrag in Höhe von € 17.572,94 gutgeschrieben wurde. Absender dieser Gutschrift war der Masseverwalter der Primärschuldnerin; bei der Überweisung handelt es sich um die auf die Finanzverwaltung entfallende Quotenzahlung aus dem Konkursverfahren der ***Primärschuldnerin***, was auch aus dem Belegtext zur Überweisung ersichtlich ist. Vergleicht man nun die am Haftungsbescheid angeführte haftungsgegenständliche Lohnsteuer für November 2016 in Höhe von € 45.026,56 mit der am Abgabenkonto verbuchten Lohnsteuer November 2016 in Höhe von € 62.599,50, so ist - wie das Finanzamt auch bekanntgegeben hatte - ersichtlich, dass die gesamte Quotenzahlung mit der Lohnsteuer 11/2016 verrechnet wurde.

Die Feststellung, dass die Abgabenfestsetzungs- bzw. Haftungsbescheide, die gegenüber der Primärschuldner für jene Abgaben ergangen sind, für die der Beschwerdeführer nun mit dem beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid zur Haftung herangezogen wurde, dem Beschwerdeführer weder im Zuge der Haftungsinanspruchnahme mitgeschickt noch ihm auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurden, gründet sich einerseits aus dem Text des Haftungsbescheides, zumal jeglicher Hinweis auf diese Bescheide fehlt und vor allem auf die Angaben der belangten Behörde im Schreiben vom , die auch mit den Angaben des Beschwerdeführers übereinstimmen.

Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin stützen sich auf das Edikt des Insolvenzgerichts und sind darüber hinaus unstrittig.

Rechtslage

§ 96 BAO lautet:

§ 96. (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

(2) Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, wozu jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen.

§ 103 Abs 1 BAO lautet:

§ 103. (1) Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorladungen (§ 91) dem Vorgeladenen zuzustellen. Im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen können aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.

§ 248 BAO lautet:

§ 248. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

§ 19 E-Government-Gesetz lautet:

Amtssignatur

§ 19. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.

(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihm erzeugten Dokumente verwendet werden.

(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.

§ 20 E-Government-Gesetz lautet:

Beweiskraft von Ausdrucken

§ 20. Ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 292 der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895), wenn das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde. Die Amtssignatur muss durch Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten in die elektronische Form prüfbar oder das Dokument muss durch andere Vorkehrungen der Behörde verifizierbar sein. Das Dokument hat einen Hinweis auf die Fundstelle im Internet, wo das Verfahren der Rückführung des Ausdrucks in das elektronische Dokument und die anwendbaren Prüfmechanismen enthalten sind, oder einen Hinweis auf das Verfahren der Verifizierung zu enthalten.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Dienstausweise (BGBl. II Nr. 11/2006 idgF) lautet (auszugsweise)

Anwendungsbereich

§ 1. Diese Verordnung ist auf alle Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen und seiner nachgeordneten Dienststellen anzuwenden.

Dienstausweis

[…]
§ 3. […]

(2) Auf dem Dienstausweis erhalten alle Ressortbediensteten ein qualifiziertes Signaturzertifikat mit Schlüsselpaar zur Erstellung sicherer elektronischer Signaturen gemäß Art. 3 Z 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. Nr. L 257 vom S. 73, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 155 vom S. 44, und zusätzlich ein vom Signaturzertifikat unabhängiges einfaches Zertifikat mit Geheimhaltungsschlüsselpaar. Auf dem Dienstausweis wird bei der Ausgabe auch die Personenbindung gemäß § 4 E-Government-Gesetz, BGBl. I Nr. 10/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 50/2016, eingetragen. Der Dienstausweis ist daher auch zur Identifikation bei der Anmeldung am PC und bei IT-Verfahren zu verwenden.

§ 4. Aktiven Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen und seiner nachgeordneten Dienststellen ist zum Nachweis Ihrer dienstlichen Verwendung nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Dienstausweis (Anlage 1) auszustellen, sofern dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.

Artikel 3 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (e-IDAS Verordnung) lautet auszugsweise:

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
[…]
10. "Elektronische Signatur" sind Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet.

11. "Fortgeschrittene elektronische Signatur" ist eine elektronische Signatur, die die Anforderungen des Artikels 26 erfüllt.

12. "Qualifizierte elektronische Signatur" ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht.

Artikel 25 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (e-IDAS Verordnung) lautet:

Rechtswirkung elektronischer Signaturen

(1) Einer elektronischen Signatur darf die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegt oder weil sie die Anforderungen an qualifizierte elektronische Signaturen nicht erfüllt.

(2) Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift. (3) Eine qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem in einem Mitgliedstaat ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruht, wird in allen anderen Mitgliedstaaten als qualifizierte elektronische Signatur anerkannt.

Rechtliche Beurteilung

Angefochtene Erledigung

Ein Bescheid ist ein individueller, hoheitlicher, im Außenverhältnis ergehender und normativer (rechtsgestaltender oder rechtsfeststellender) Verwaltungsakt. Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder schriftliche Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen.

Was zum "Einhebungsverfahren" gehört, ergibt sich aus dem 6. Abschnitt der BAO, somit aus den §§ 210 bis 242a BAO. Bei der Geltendmachung von Haftungen gemäß § 224 BAO handelt es sich um Erledigungen im Einhebungsverfahren iSd § 103 Abs 1 BAO (§ 224 BAO findet sich im 6. Abschnitt der Bundesabgabenordnung, der von der Einhebung der Abgaben handelt). Daher können auch Zustellungen im Haftungsverfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen trotz aufrechter Zustellvollmacht wirksam an den Vollmachtgeber persönlich erfolgen (vgl. etwa ; , 99/14/0029; , 93/14/0174). Die Erstellung der Beschwerdevorentscheidung vom (und Zustellung unmittelbar an den Beschwerdeführer in der darauffolgenden Woche) fiel in den zeitlichen Geltungsbereich des "Ost-Lockdown" (vgl 4. COVID-19-SchuMaV BGBl II Nr 58/2021 idF BGBl II Nr 162/2021) und war somit zweckmäßig.

Gemäß § 262 BAO ist über Bescheidbeschwerden mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid zu entscheiden. Die für alle schriftlichen Ausfertigungen einer Abgabenbehörde in § 96 BAO normierten Voraussetzungen (Bezeichnung der Behörde, Datum, Unterschrift/Beglaubigung) gelten auch für schriftliche Bescheide. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. § 96 Abs 2 BAO stellt klar, dass zu solchen Ausfertigungen jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen. Aus § 20 E-Government-Gesetz ergibt sich schließlich, dass ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde hat, wenn das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde.

Das Merkmal einer eigenhändigen Unterschrift stellt nur nach Maßgabe des § 96 BAO neben der Bezeichnung der Behörde und dem Spruch ein unverzichtbares Merkmal eines Bescheides dar (vgl ). Hingegen bedürfen Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Im Erkenntnis vom , 2012/17/0197 hat der Verwaltungsgerichtshof mit Verweisen auf ältere Rechtsprechung festgehalten, dass bei einem Bescheid, der eine Registernummer des Datenverarbeitungsregisters mit der näheren Kennzeichnung "DVR" aufweist, erkennbar ist, dass die gegenständliche Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde und ihr daher auch ohne Unterschrift oder Beglaubigung Bescheidcharakter zukommt. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine automationsunterstützte Datenverarbeitung bereits bei Erstellung von Bescheiden unter Zuhilfenahme eines bloßen Textverarbeitungssystems vor (vgl ; ).
Mit dem Steuerreformgesetz 2020 (BGBl. I Nr. 103/2019) wurde § 96 BAO novelliert. Dazu ist in den Erläuterungen folgendes (auszugsweise) festgehalten:
"[…]
In Abs. 2 werden die bisherigen Sonderregelungen für automationsunterstützt erstellte Ausfertigungen übernommen und um eine Klarstellung für mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehene Ausfertigungen erweitert. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sind bereits unter Zuhilfenahme eines bloßen Textverarbeitungssystems hergestellte Schriftstücke als mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt anzusehen (z.B. ; , 2012/17/0197).
[…]
Liegen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigungen in Form von Ausdrucken vor, gelten diese (wie schon bisher) nach der Grundregel des § 96 als vom Behördenleiter genehmigt. Abweichend von dieser Grundregel wird für Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten sowie für Kopien solcher Ausdrucke - im Gleichklang mit § 280 Abs. 1 lit. f BAO, […] - eine Sonderregelung geschaffen: Diese Ausfertigungen brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen, weil sie einerseits (weitere) Ausfertigungen einer bereits genehmigten elektronischen Erledigung darstellen und ihnen andererseits eine erhöhte Beweiskraft nach Maßgabe des § 20 E-Government-Gesetz zukommt. Für automationsunterstützt erstellte Ausfertigungen, die vor Inkrafttreten dieser Sonderregelung erstellt wurden, ist selbstverständlich die Genehmigungsfiktion aufgrund der bisher bestehenden Regelung des § 96 anzuwenden.
"
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nun, dass sich der Gesetzgeber der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen und gegenteilige Literaturmeinungen (vgl zB Denk, AVR 2020, 51) nicht aufgegriffen hat.

Die Beschwerdevorentscheidung vom weist keine "DVR"-Nummer auf. Auf Grund der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679) vom bestehen keine DVR-Meldepflichten mehr (vgl Stellungnahme der Datenschutzbehörde 15/SN-331/ME XXV. GP zum Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 BGBl I Nr. 120/2017). Gemäß § 70 Abs 10 Datenschutzgesetz (DSG) trat die Datenverarbeitungsregister-Verordnung 2012 - DVRV 2012, BGBl. II Nr. 257/2012, mit Ablauf des außer Kraft. Insofern war das Anbringen einer "DVR"-Nummer im Jahr 2021 durch die belangte Behörde weder geboten noch möglich. Folglich muss auf Grund anderer Merkmale beurteilt werden, ob eine Ausfertigung, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde, vorliegt.

Allerdings weist das Dokument eine qualifizierte elektronische Signatur eines Organwalters der belangten Behörde auf. In der Verordnung des BMF betreffend Dienstausweise ist festgehalten, dass grundsätzlich jeder Mitarbeiter einen Dienstausweis erhalten soll, der sich zur Erstellung sicherer elektronischer Signaturen eignet (§ 3 Abs 2 BGBl. II Nr. 11/2006 idgF). Eine solche elektronische Signatur kann nur dann auf einem Dokument angebracht werden, wenn "Daten" vorliegen, zumal Artikel 3 Z 10 e-IDAS-VO vorsieht, dass es sich bei elektronischen Signaturen um "Daten in elektronischer Form" handelt, die anderen elektronischen Daten beigefügt werden (siehe auch Bauer in AVR 2021, 92). Art 25 e-IDAS-VO sieht zwar vor, dass eine qualifizierte elektronische Signatur die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift aufweist. Diese Vorschrift wird sich jedoch nur auf das Vorliegen der elektronischen Daten, die durch Validierungsdienste (vgl Art 32 ff e-IDAS-VO) überprüft werden können, beziehen. Insofern muss das Dokument dem Empfänger auch in der Form von Daten - also elektronisch - zugehen. Dies erfolgte jedoch nicht und ist auch im Anwendungsbereich der BAO (außer für Landes- und Gemeindeabgaben, für die der 3. Abschnitt des ZustG auch anwendbar sein kann - siehe § 98a BAO) nicht vorgesehen.

Bei einem Ausdruck eines Dokuments (Daten), das elektronisch signiert wurde, liegen keine Daten mehr vor, die überprüfbar wären. Eine dem § 20 E-Government-Gesetz entsprechende Bestimmung, wonach auch ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument dieselbe Rechtswirkung aufweist, wenn das elektronische Dokument mit einer (qualifizierten elektronischen) Signatur versehen wurde, existiert nicht.
Allerdings ist aus dem (erfolgreichen) Abringen einer qualifizierten elektronischen Signatur zu schließen, dass die Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sein musste.

Voraussetzung für die Zurechnung einer Erledigung an eine monokratisch organisierte Behörde ist die Genehmigung der Erledigung entweder durch den Leiter der Behörde selbst, oder durch einen zumindest abstrakt approbationsbefugten Organwalter (). Sofern nicht verbindliche Vorschriften Gegenteiliges normieren, darf der Behördenleiter die Besorgung der Aufgaben der Behörde auf die ihr zugeordneten Organwalter durch einen inneren Akt übertragen, wenn nur seine Verantwortung für die richtige Erfüllung dieser Aufgaben gewahrt bleibt (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 993, mwN; ). Besitzt ein Organwalter Approbationsbefugnis für eine Behörde für einen bestimmten Bereich, so ist im Falle einer Überschreitung dieser Befugnis ein entsprechend gefertigtes Schriftstück jedenfalls der Behörde zuzurechnen, der der approbationsbefugte Organwalter zuzuzählen ist, gleichgültig, für welchen Kompetenzbereich die Approbationsbefugnis ursprünglich erteilt wurde (; ; ; ). Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht vor. Der Organwalter, der die elektronische Signatur an der Erledigung vom angebracht hat, war der belangten Behörde zugeordnet.

Es liegt somit eine behördliche Erledigung vor, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde, keine rechtswirksame Unterschrift aufweist, aber gem § 96 Abs 2 BAO als vom Leiter der Abgabenbehörde genehmigt gilt und durch Zustellung auch rechtlich in Existenz getreten ist. Gegen diese Erledigung wurde auch fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht.
Mit dem Vorlagebericht vom wurde dem Bundesfinanzgericht somit eine Beschwerde samt Beschwerdevorentscheidung auf Grund eines Vorlageantrages zur Entscheidung vorgelegt. Der Entscheidungspflicht des BFG unterliegt die von der Abgabenbehörde dem BFG vorgelegte Bescheidbeschwerde ().

Aus § 262 Abs 1 BAO ergibt sich, dass eine Beschwerdevorentscheidung ein Bescheid ist, der als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnen ist (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 263 Tz 2; ). Gemäß § 263 Abs 3 BAO wirkt eine Beschwerdevorentscheidung wie ein Beschluss (§ 278 BAO) bzw ein Erkenntnis (§ 279 BAO) über die Beschwerde. Eine meritorische Beschwerdevorentscheidung tritt an die Stelle des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides und ersetzt diesen zur Gänze (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, § 263 Anm 9; Ritz/Koran, BAO7, § 263 Tz 11; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 263 Anm 3).

Mit dem Einbringen eines rechtzeitigen Vorlageantrages gilt die Beschwerde wieder als unerledigt; die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird jedoch durch den Vorlageantrag nicht berührt. Nach stRsp des VwGH derogiert dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen (; ), wobei bei Identität der Sache der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren tritt. Die Beschwerdevorentscheidung vom und vom stehen jedoch in keinem Widerspruch.

Zweck des § 300 BAO ist nach den Erläuterungen (Hinweis 2007 BlgNR 24. GP, 21) die Vermeidung der gleichzeitigen Zuständigkeit einer Abgabenbehörde und eines Verwaltungsgerichtes. Nach dem Wortlaut des § 300 Abs 1 BAO können Bescheide und Beschwerdevorentscheidungen weder abgeändert noch aufgehoben werden. Nach der Rechtsprechung dürfen (und können) insbesondere Abgabenbehörden nunmehr nach Beschwerdevorlage keine (weitere) Beschwerdevorentscheidung erlassen (). Eine solche Auslegung, die auch die nicht nur die Abänderung und Aufhebung, sondern auch Erlassung von Erledigungen beinhaltet, entspricht dem Zweck der Bestimmung; ausgenommen sind lediglich entgegen der Bestimmung des § 261 Abs 1 BAO unterlassene Beschwerdevorentscheidungen.

Da die (zweite) Beschwerdevorentscheidung vom erst nach Beschwerdevorlage, die bereits am erfolgte, erlassen wurde, führt dies zur Nichtigkeit dieser Erledigung. Insofern ist auch ein Vorlageantrag nicht zulässig, weil ein Vorlageantrag unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraussetzt. Der Vorlageantrag zur "zweiten Beschwerdevorentscheidung" vom ist allenfalls als Ergänzung zur Beschwerde bzw. zum Vorlageantrag vom zu sehen.

Haftung:

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Beschwerde erheben; dies gilt auch für einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid (vgl Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 82 Anm 22), der an den Arbeitgeber ergangen ist (). Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (; ). Diese Beschwerden müssen nicht in gesonderten Schriftsätzen eingebracht werden ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH muss diesbezüglich sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom Bescheid über den Abgabenanspruch, so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (; ).

Werden dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Abgabenanspruches unvollständig zur Kenntnis gebracht, ist dadurch eine Behinderung seiner Verteidigungsrechte auch im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid zu sehen ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2005/13/0145, ausgesprochen, dass dann, wenn der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Berufung (Beschwerde) gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (). In diesem Sinn erging auch die Judikatur des Bundesfinanzgerichtes , oder ; . Der Verwaltungsgerichtshof vertritt den Standpunkt, dass eine Bekanntmachung von Abgabenbescheiden (bzw. Haftungsbescheiden im Zusammenhang mit Lohnsteuer) bzw. dessen Inhalt dem Haftungspflichtigen anlässlich des Haftungsbescheides auch dann zu machen ist, wenn dieser zB als gemäß § 9 BAO haftender Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt wurden und er daher sogar nachweislich davon Kenntnis hatte (siehe ; Ritz/Koran7, BAO § 248 Rz 9; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 248 Anm 12; Ryda/Langheinrich, FJ 2015, 214).

Sachverhaltsmäßig ist erwiesen, dass dem Beschwerdeführer keine Kenntnis von Abgabenfestsetzungs- bzw Haftungsbescheiden, die an den Masseverwalter der Primärschuldnerin gerichtet sind, anlässlich der Inanspruchnahme zur Haftung verschafft wurde. Eine Sanierung dieses Mangels tritt auch dadurch nicht ein, dass es dem Beschwerdeführer (bzw. seinem Vertreter) gelang, sich von solchen Erledigungen initiativ Kenntnis zu verschaffen.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides kein Grund für eine Revisionszulassung vor. Rechtsprechung zur Frage, ob der Ausdruck eines automationsunterstützt erstellen Dokumentes, das vor dem Ausdrucken mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, jedoch keine Amtssignatur aufweist, ist nicht ersichtlich. Die Revision war daher aus diesem Grund zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 96 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VO 910/2014, ABl. Nr. L 257 vom S. 73
Art. 3 VO 910/2014, ABl. Nr. L 257 vom S. 73
§ 19 E-GovG, E-Government-Gesetz, BGBl. I Nr. 10/2004
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 E-GovG, E-Government-Gesetz, BGBl. I Nr. 10/2004
§ 103 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Dienstausweise, BGBl. II Nr. 11/2006
Art. 25 VO 910/2014, ABl. Nr. L 257 vom S. 73
Verweise

VwGH, 91/13/0204
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100217.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at