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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.01.2023, RV/7102813/2022

Unwirksamkeit des Bescheides im Nachsichtsverfahren betreffend Bestandvertragsgebühr wegen Zustellmangel

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, betreffend Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich
1.) vom betreffend Abweisung des Nachsichtsansuchens hinsichtlich der Gebührennachforderung zu ErfNr***1*** und
2) vom betreffend Abweisung des Nachsichtsansuchens hinsichtlich der Gebührennachforderung zu ErfNr***2***,
jeweils Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensablauf

Anträge auf Nachsicht

Am brachte die ***Stb*** ***x*** GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (kurz ***Stb*** oder steuerliche Vertreterin) namens und auftrags der ***Bf1*** (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf-) beim (damaligen) Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, kurz FA) unter Bezugnahme auf ErfNr***2*** und ErfNr***1*** jeweils einen Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO hinsichtlich einer Gebührennachforderung iHv € 47.126,90 bzw. € 9.571,74 ein, die sich aus der jeweils mit Bescheid gemäß § 201 BAO vom festgesetzten Bestandvertragesgebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG ergab.

Abweisung der Nachsichtsansuchen

Am bzw am erließ das FA jeweils einen an die Bf. zu Handen der ***X*** Immobilien Management GmbH (kurz ***X***) adressierten Bescheid, mit dem das jeweilige Nachsichtsansuchen abgewiesen wurde. Die Erledigungen wurden mit der Post an die Geschäftsanschrift der ***X*** zugestellt und dort laut dem jeweiligen Rückschein am bzw am von einem/einer Arbeitnehmer/in der ***X*** übernommen.

Beschwerden

Nach mehrfachen Fristverlängerungsanträgen brachte die steuerlichen Vertreterin namens und auftrags der Bf. am sowohl gegen den Bescheid vom als auch gegen den Bescheid vom eine Beschwerde ein.

Beschwerdevorentscheidungen

Mit wiederum an die Bf. zu Handen der ***X*** adressierten und an die Geschäftsanschrift der ***X*** zugestellten Beschwerdevorentscheidungen vom wies das FA die Beschwerden als unbegründet ab. Laut Rückscheinen wurde die als BVE intendierten Erledigungen am von einem/einer Arbeitnehmer/in der ***X*** übernommen.

Vorlageanträge

Am brachte die steuerliche Vertreterin namens und auftrags der Bf. jeweils einen Vorlageantrag beim FA ein und beantragte jeweils eine Entscheidung durch den Beschwerdesenat gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO.

Vorlage der Beschwerden an das BFG

Mit Vorlageberichten vom und legte das Finanzamt die beiden Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In den Vorlageberichten gab das FA jeweils an: "Zustellvollmacht: ja". Die Vorlageberichte enthalten keine Ausführungen dazu, weshalb trotz - nach den eigenen Angaben des FA vorliegender - Zustellvollmacht, sämtliche Erledigungen in den gegenständlichen Verfahren an die Bf. zu Handen der ***X*** und nicht an die steuerliche Vertreterin zugestellt wurden.

Beweisaufnahme durch das BFG

Von der Berichterstatterin wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt mit den Vorlageberichten elektronisch vorgelegten Aktenteile und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Vorhalt des BFG

Mit Vorhalt vom teilte die Berichterstatterin den Parteien mit, wie sich die Sach- und Rechtslage für sie darstelle und räumte beiden Parteien für die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eine Frist bis zum ein. Die Zustellung des Vorhaltes erfolgte an die Bf. zu Handen der steuerlichen Vertreterin

Im Vorhalt wurde ua ausgeführt, dass aus den vorgelegten Aktenteilen nicht ersichtlich sei, weshalb die Zustellung der als Bescheid intendierten Erledigungen sowie der als BVE intendierten Erledigungen an die ***X*** an deren Geschäftsanschrift vorgenommen wurde und nicht an die steuerliche Vertreterin und dass nach der Aktenlage kein Hinweis dafür vorliege, dass diese Erledigungen im Original an die steuerliche Vertreterin weitergeleitet worden wären. Es werde daher beabsichtigt, die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss der Berichterstatterin wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Stellungnahme des Finanzamtes

Das FA gab dazu am eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"In der Grunddatenverwaltung "Finanz" wurde zum Subjekt "***Bf1***.am durch das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel die ***X*** Immobilien Management GmbH als Zustellungsbevollmächtigte (ZBV) eingetragen (vgl. dazu die Beilage Auszug aus der GDV mit historischen Daten zu ***Bf1***.).

Grundlage dafür waren die Informationen aus dem Aktenvermerk des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom (siehe Beilage Aktenvermerk des Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom ) und der TZ. 9 ("Bescheidzustellungen") aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom (siehe Beilage Niederschrift über die Schlussbesprechung des FAGVG vom ). Daraus ergab sich für die belangte Behörde, dass die entsprechenden Zustellvollmachten erteilt wurden.

Die ***Stb*** ***x*** GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft hat sich am als steuerlicher Vertreter der ***Bf1*** selbst in der Grunddatenverwaltung "Finanz" eingetragen. Es wird darauf verwiesen, dass durch die ***Stb*** ***x*** GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in der Grunddatenverwaltung "Finanz" keine Eintragung als Zustellungsbevollmächtigte (ZBV) erfolgt ist.

Eine Partei kann mehrere Zustellungsbevollmächtigte haben. In diesem Fall gilt die Zustellung gemäß § 9 Abs 4 zweiter Satz ZustG als bewirkt, sobald sie an einen der Zustellungsbevollmächtigten vorgenommen worden ist."

Keine Stellungnahme der Bf.

Von der Bf. bzw deren steuerlichen Vertreterin langte bis dato keine Stellungnahme beim BFG ein.

II. Sachverhalt samt Beweiswürdigung

Aus den mit der Stellungnahme vom FA vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die ***X*** Immobilien Management GmbH führte ua. für folgende von der Bf. als Bestandgeberin abgeschlossene Bestandverträge eine Selbstberechnung der Bestandvertragsgebühr durch:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bestandnehmer
Datum des Vertrag
ErfNr.
***A***
***2***
***B***
***1***

Im Zeitraum bis fand bei der ***X*** eine Außenprüfung statt, bei der ua die beiden oben genannten Bestandverträge auf die Einhaltung der gebührenrechtlichen Bestimmungen untersucht wurden.

Im Zuge der Außenprüfung gab die ***X*** dem FA bekannt, dass sie von allen Bestandgebern eine Vollmacht erhalten hat (siehe dazu den Aktenvermerk vom .

An der Schlussbesprechung vom nahm ua ein Mitarbeiter der ***Stb*** als "steuerlicher Vertreter der ***C*** Gruppe" teil und hat die darüber aufgenommene Niederschrift in der Tz 9 folgenden Inhalt:

"Die Zustellung der Bescheide erfolgt an ***X*** Immobilien Management GmbH. Die entsprechenden Zustellvollmachten wurden erteilt.Nach § 33 TP 5 Abs. 5 GebG liegt die Berechnung und Entrichtung der Gebühr in der Verantwortung des Bestandgebers. Erweist sich eine Selbstberechnung als nicht richtig, ergeht daher auch der Bescheid gemäß § 201 BAO primär an den Bestangeber."

Am wurde vom FA bei der StNr. ***BF1StNr1*** der Bf. beim (damaligen) FA GVG die ***X*** in der Grunddatenverwaltung als Zustellbevollmächtigte der Bf. angemerkt.

Mit Bescheiden gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO jeweils vom setzte das FA für die beiden Bestandverträge gegenüber der Bf. unter deren StNr. ***BF1StNr1*** beim (damaligen) FA GVG
zu ErfNr***1*** eine Gebühr in Höhe von EUR 26.129,60 (unter Berücksichtigung des selbstberechneten Betrages iHv € 16.557,86 ergab dies eine Nachforderung iHv € 9.571,74) sowie

zu ErfNr***2*** eine Gebühr in Höhe von € 78.362,60 (unter Berücksichtigung des selbstberechneten Betrages iHv € 31.235,70 ergab dies eine Nachforderung iHv € 47.126,90).

Beide Bescheide wurden an die Bf. zu Handen der ***X*** adressiert. Gegen die Gebührenbescheide wurden keine Rechtsmittel erhoben und erwuchsen die Gebührenfestsetzungen in Rechtskraft.

Am hat sich die ***Stb*** als steuerliche Vertreterin der Bf. in der Grunddatenverwaltung "Finanz" bei der StNr. ***BF1StNr1*** eingetragen. In der Grunddatenverwaltung ist dabei von der ***Stb*** keine Eintragung als Zustellbevollmächtigte erfolgt.

Im Zeitpunkt der Erlassung der hier gegenständlichen Bescheide im Nachsichtsverfahren am und am war die ***X*** in der Grunddatenverwaltung der Finanz bei der StNr. ***BF1StNr1*** nach wie vor als Zustellbevollmächtigte der Bf. angemerkt. Deshalb wurden die Bescheide und auch die Beschwerdevorentscheidungen im Nachsichtsverfahren an die Bf. zu Handen der ***X*** zugestellt. Es liegt kein Hinweis dafür vor, dass die Bescheide im Original von der ***X*** an die ***Stb*** weitergeleitet wurden.

Im Nachsichtsverfahren wurde nie eine schriftliche Vollmachtsurkunde über eine Vollmachtserteilung seitens der Bf. am die ***X*** vorgelegt. Im Nachsichtsverfahren wurden auch keine Erklärungen gegenüber dem FA über das Vorliegen einer Vollmacht der ***X*** abgegeben (weder von der Bf., noch von der ***X*** noch von der ***Stb*** als steuerliche Vertreterin der Bf.)

Im Nachsichtsverfahren ist stets nur die ***Stb*** als Vertreterin der Bf. aufgetreten (siehe dazu die Ausführungen beim Verfahrensablauf). Es wird daher bei der rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass die Bf. für das Nachsichtsverfahren nur die ***Stb***, nicht aber die ***X*** bevollmächtigt hat und für dieses Verfahren nur die ***Stb*** über eine Zustellvollmacht der Bf. verfügt.

III. Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 83 Abs 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich gemäß Abs 2 nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 83 Abs 2 von Amts wegen zu veranlassen.

Ausnahmen vom Grundsatz, wonach sich der Vertreter durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hat, bestehen für bestimmte Berufsgruppen wie zB Rechtsanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder.

§ 77 Abs. 11 WTBG lautet:

"Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis."

Ausreichend ist auf einer Eingabe etwa der Vermerk "Vollmacht erteilt" oder "Vollmacht ausgewiesen". Die Worte "Namens und auftrags meiner Mandantschaft" genügen (Ritz, BAO6, § 83 Tz 10 mit Hinweis auf ).

Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl. Ritz, BAO6, § 9 ZustG Tz 19).

Eine allgemeine Vollmacht umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Zustellungsbevollmächtigung (Ritz, a.a.O., § 9 ZustellG, Tz 20 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Dies gilt auch dann, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (Ritz, a.a.O., § 9 ZustellG, Tz 21 mit Hinweis auf ).

Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen durch Zustellung.

Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 ZustG, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Hat eine Partei mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung gemäß § 9 Abs. 4 2. Satz ZustG als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.

§ 103 BAO bestimmt Folgendes:

"(1) Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorladungen (§ 91) dem Vorgeladenen zuzustellen. Im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen können aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.

(2) Eine Zustellungsbevollmächtigung ist Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber unwirksam, wenn sie

a) ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen, oder

b) ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird.

(3) Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorabinformationen betreffend die Entrichtung von Abgaben im Wege der Einziehung (§ 211 Abs. 1 Z 2) dem Vollmachtgeber zuzustellen."

Wie sich aus § 103 Abs. 1 BAO ergibt, dient die direkte Zustellung an den Vollmachtgeber der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, wobei nach Kommentarmeinung zur BAO "Ritz" die Entrichtung von Abgaben im Vordergrund steht, welche idR eben nicht durch einen Zustellungsbevollmächtigten Vertreter erfolgt. Demgemäß können allenfalls aber nur Erstbescheide welche ihren Ursprung im Abschnitt 6 BAO haben im Sinne des § 103 BAO unmittelbar an die Partei zugestellt werden. Auf im Rechtsmittelverfahren ergehende Erledigungen - auch wenn diese Materien betreffen welche dem 6. Abschnittes zuzuordnen sind - ist § 103 Abs. 1 BAO nicht anwendbar. Zudem finden sich die Bestimmungen für die Erhebung einer Beschwerde bzw. für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht im 6. Abschnitt der BAO (vgl. ).

Die von der ***Stb*** für die Bf. am eingebrachten Schriftsätze betreffen zweifellos die gegenständlichen Nachsichtsverfahren, wurde doch damit das jeweilige Nachsichtsverfahren eingeleitete. Den Schriftsätzen ist keine Einschränkung auf nur bestimmte Erledigungen zu entnehmen und lag daher eine wirksame Zustellungsbevollmächtigung der einschreitenden steuerlichen Vertreterin vor.

Die Nachsicht von fälligen Abgabenschuldigkeiten ist in § 236 Abs. 1 BAO und damit im 6. Abschnitt der BAO mit der Überschrift "Einhebung der Abgaben" geregelt. Es handelt sich bei der hier gegenständlichen Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen somit um eine in einem Einhebungsverfahren ergehende Erledigung. Auch in einem Einhebungsverfahren ist allerdings bei Vorliegen einer Zustellbevollmächtigung die unmittelbare Zustellung eines Bescheides an den Vollmachtgeber nur dann zulässig, wenn dies zweckmäßig im Sinne des § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist, somit insbesondere der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dient. Dabei obliegt es dem Finanzamt, derartige Zweckmäßigkeitsgründe aufzuzeigen (vgl. GZ. RV/1261-L/09; ).

Bei einer Beschwerdevorentscheidung kommt noch hinzu, dass es sich hierbei um eine Erledigung im Rechtsmittelverfahren und nicht (mehr) um eine Erledigung im Einhebungsverfahren handelt (vgl. dazu abermals ) und ist deshalb die BVE jedenfalls der steuerlichen Vertreterin zuzustellen ().

Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden. Auch wenn nach der Vollmachtsurkunde die Vollmacht etwa alle Verfahren vor Abgabenbehörden des Bundes umfasst, ist sie dennoch von der Abgabenbehörde nur in dem Verfahren, in dem darauf hingewiesen wird, zu beachten (vgl. ua. mwN).

Die gesetzliche Bevollmächtigung von Notaren und Rechtsanwälten betrifft gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG nur die Vornahme der Selbstberechnung an sich, umfasst aber nicht eine Vertretungsmacht im Verfahren betreffend die Erlassung eines Grunderwerbsteuerbescheides (vgl. ).

Eine Selbstberechnung der Bestandvertragsgebühr wie sie hier durch die ***X*** für die Bf. als Bevollmächtigte nach der Bestimmung des § 33 TP 5 Abs. 5 Z. 4 GebG vorgenommen wurde, begründet per se ebenfalls kein Vollmachtsverhältnis. Eine Erklärung über das Vorliegen einer Vollmacht der ***X*** wurde gegenüber dem FA nur für das Verfahren betreffend die Festsetzung der Bestandvertragsgebühr gemäß § 201 BAO abgegeben, nicht aber im Nachsichtsverfahren.

Im Nachsichtsverfahren ist im Gegensatz zum Festsetzungsverfahren stets nur die ***Stb*** als Vertreterin der Bf. mit dem ausdrücklichen Hinweis namens und auftrags der Bf. zu handeln tätig geworden. Es wird daher davon ausgegangen, dass im Nachsichtsverfahren nur die ***Stb*** über eine Zustellvollmacht der Bf. verfügte, nicht aber die ***X***.

Der Zustellbevollmächtigte ist auf der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, ZustG § 9 Tz 23).

Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist (vgl. ).

Eine Sanierung ist nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz möglich, wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt.

Ein tatsächliches Zukommen setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung einer Ablichtung etwa per Fax oder E-Mail (vgl. Ritz, BAO6, ZustG § 7 Tz 7, und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittelgegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa ; sowie im Ergebnis bereits ). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. unter Hinweis auf ).

Es liegt kein Hinweis dafür vor, dass die an die Bf. zu Handen der ***X*** adressierten und dieser mittels Post übermittelten Erledigungen (Bescheide vom bzw und BVEs vom ) der ***Stb*** im Original weitergeleitet worden wären. Die Bf. erstattete trotz entsprechendem Vorhalt kein dahingehendes Vorbringen im bisherigen Verfahren.

Nach § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist, oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Eine Bescheidbeschwerde ist vor allem unzulässig bei mangelnder Bescheidqualität.

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (siehe dazu Ritz, BAO6, § 260, Tz 8 unter Hinweis auf ; , 93/17/0318, ).

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich klar, dass das Verwaltungsgericht die Bescheidbeschwerde bzw den Vorlageantrag zuerst auf ihre Zulässigkeit zu prüfen hat, widrigenfalls das Rechtsmittel mit Beschluss zurückzuweisen ist (vgl. dazu )

Gemäß § 274 Abs. 3 Z. 1 BAO kann ungeachtet eines Antrages iSd § 274 Abs. 1 Z. 1 BAO von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260).

Seit der Novellierung der Bestimmung § 272 Abs. 4 BAO durch das Abgabenänderungsgesetz 2016, BGBl. I 117/2016 mit obliegt die Erlassung von Zurückweisungen (§260) "zunächst" dem Berichterstatter. Aus dem Wort "zunächst" ergibt sich, dass der Senat die Zuständigkeit für die im letzten Satz des § 274 Abs 4 genannten Beschlüsse nicht dadurch verliert, dass der Berichterstatter solche Beschlüsse nicht erlässt (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7, § 272, Tz 8a).

Es liegt somit seit im Ermessen, ob der gesamte Senat über das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes abspricht oder ob bei Unzulässigkeit der Beschwerde ein Zurückweisungsbeschluss vom Berichterstatter erlassen wird.

Da keine Heilung des Zustellmangels erfolgt ist und die Bescheide vom und vom nicht wirksam wurden, werden aus Gründen der Verwaltungsökonomie, die Beschwerden ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss der Berichterstatterin wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu verneinen, weil sich die die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ergibt bzw. die zu lösenden Rechtsfragen bereits durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere ) geklärt sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 103 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 TP 5 Abs. 5 Z 4 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102813.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at