§ 217 Abs. 7 BAO: Unkenntnis der Rechtslage durch Parteienvertreter indiziert grobes Verschulden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Christoph Oberleitner SteuerberatungsGmbH, Bicheln 1, 5733 Bramberg, wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über dessen Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafkontonummer ***Zahl1***, Amtsbeauftragter Jürgen Lugger, zu Recht erkannt:
I.) Die Beschwerde wird gem. § 161 Abs. 1 FinStrG als unbegründet abgewiesen.
II.) Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang:
Am wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers ein Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages iHv € 328,00 erlassen, da die über ihn verhängte Geldstrafe nicht bis zum entrichtet wurde. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Am entrichtete dieser die Geldstrafe samt Kosten sowie den Säumniszuschlag.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am fristgerecht Beschwerde und begründete diese damit, dass er nie eine Zahlungsaufforderung über die Geldstrafe erhalten habe und ihn somit an der Säumnis kein Verschulden träfe.
Aufgrund der Unvollständigkeit der vorgelegten Akten wurde die belangte Behörde am aufgefordert ergänzende Unterlagen beizubringen. Diese kam dem Ersuchen nach und übermittelte ua. die Verhandlungsniederschrift vom und ein Gedächtnisprotokoll betreffend eines Telefonates am mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers.
Am wurde dem Beschwerdeführer dieses Gedächtnisprotokoll zur Kenntnis gebracht. Zugleich wurde dieser aufgrund des unklaren Beschwerdebegehrens um Klärung ersucht, ob die Beschwerde auch einen Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO beinhalte, gegebenenfalls mit Darlegung der Gründe hinsichtlich des fehlenden groben Verschuldens.
In seinem Schreiben vom führte der Verteidiger des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus, dass ihm erst im Februar/März 2022 bewusst geworden sei, dass bei Rechtsmittelverzicht die Fälligkeit ein Monat später eintrete und man daher auf die Buchungsmitteilung und das schriftliche Straferkenntnis gewartet habe. Zudem habe er nicht gerechnet, dass die Zustellung des Straferkenntnisses einige Monate beanspruchen werde und habe er eine Fälligkeit vor Zustellung der Schriftstücke nicht in seine Erwägungen einbezogen. Deshalb sei eine Nachfrage beim Amt unterblieben und sei die Verzögerung daher vom diesem ausgegangen, sodass kein grobes Verschulden vorliege. Zudem stelle der Beschwerdeführer auch einen Antrag auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages.
Im Zuge weiterer Ermittlungen teilte die belangte Behörde im Wesentlichen mit, dass eine Buchungsmitteilung über die Festsetzung der Geldstrafe am sehr wohl ergangen sei. Darüber hinaus stelle die Unkenntnis einer Rechtslage durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter keinen minderen Grad des Versehens dar und wurde bei der mündlichen Verhandlung nicht über die Fälligkeit gesprochen, da das einschlägige Wissen darüber bei einem berufsmäßigen Parteienvertreter vorausgesetzt worden sei.
Nach Übermittlung dieser Stellungnahme an den Beschwerdeführer teilte dieser am zusammengefasst mit, dass es eine Buchungsmitteilung aus 2021 nicht gäbe. Vielmehr seien die Zahlungsmodalitäten erst im Februar 2022 mitgeteilt worden, da sei die Fälligkeit aber bereits abgelaufen. Insofern werde kein schweres Verschulden erblickt und stehe ohnehin außer Streit, dass die formalrechtliche Zahlungsfrist nicht eingehalten worden sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Festgestellter Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wurde am vor dem Spruchsenat Salzburg 4 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde wegen Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 lit a FinStrG für schuldig befunden und über ihn eine Geldstrafe von €°16.400,00 verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Wochen). Die Kosten des Finanzstrafverfahrens wurden mit € 500,00 festgesetzt. Der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Verteidigers und der Amtsbeauftragte erklärten nach der Verkündung des Erkenntnisses einen Rechtsmittelverzicht.
Am wurde die ergangene Entscheidung des Spruchsenates von der belangten Behörde auf ein neu errichtetes Strafkonto (***Zahl1***) gebucht, wobei für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten jeweils eine (verspätete) Fälligkeit für den ausgewiesen wurde. Über diese Verbuchung wurde noch am selben Tag eine Buchungsmitteilung ausgestellt und an den Beschwerdeführer per Post gesendet.
Der Beschwerdeführer bzw. sein Verteidiger wussten nicht, dass bei Rechtsmittelverzicht die Fälligkeit der Geldstrafe einen Monat später eintritt. Dies wurde ihnen erst im Februar 2022 bewusst.
Die Geldstrafe, die Verfahrenskosten und der am festgesetzte Säumniszuschlag wurden am , somit nach Fälligkeit entrichtet. Die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses an den Beschwerdeführer erfolgte am .
Beweiswürdigung:
Unstrittig ist, dass beide Parteien nach Verkündung des Erkenntnisses einen Rechtsmittelverzicht abgegeben haben und die Geldstrafe erst nach Fälligkeit (am ) entrichtet wurde.
Dies und der weitere festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Akten der belangten Behörde, insbesondere aus der Verhandlungsniederschrift vom und Auszügen aus dem Strafkonto zu ***Zahl1***. Zudem wurden für die Beurteilung auch die Unterlagen des parallelen Beschwerdeverfahrens betreffend des Verbandes ***Name1*** (***Zahl2***) herangezogen, da die Parteien ihre Eingaben zumeist in einem Schriftsatz, somit für beide Beschwerdeführer, erstatteten.
Dass der Beschwerdeführer bzw. sein Verteidiger nicht wussten, dass bei Rechtsmittelverzicht die Fälligkeit der Geldstrafe einen Monat später eintritt, geht aus den glaubhaften Angaben des Verteidigers in seinen Schriftsätzen hervor.
Dass hinsichtlich der Verbuchung der Geldstrafe und der Kosten eine Buchungsmitteilung am ergangen ist, geht aus den Auszügen des Abgabeninformationssystems und den vorgelegten Recherchen der belangten Behörde, insbesondere einer fallbezogenen Anfragebeantwortung der zuständigen Abteilung im BMF, Abt. 1/10-AE hervor. Zudem ist auch laut "BMF_Intranet_Bedingungen für die Ausfertigung von Buchungsmitteilungen_Pkt. 2.2" zu entnehmen, dass bei Verbuchungen von Geldstrafen täglich, somit noch am gleichen Tag Buchungsmitteilungen automatisch per EDV ausgefertigt und mit Normalpost zugestellt werden. Ob der Beschwerdeführer die Buchungsmitteilung aber tatsächlich erhalten hat, lies sich nicht klären, spielt aber im Ergebnis keine Rolle.
Rechtliche Würdigung:
Gem. § 171 Abs. 1 FinStrG werden Geldstrafen und Wertersätze mit Ablauf eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung fällig. Tritt die Fälligkeit an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember ein, so gilt als Fälligkeitstag der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist. Gleiches gilt gem. § 185 Abs 4 FinStrG für die Kosten des Strafverfahrens.
Eine dem § 210 Abs. 1 letzter Satz BAO angelehnte Bestimmung, wonach bei mündlicher Verkündung eines Bescheides die Monatsfrist erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung im Lauf gesetzt wird, sieht das FinStrG nicht vor. Rechtskräftig ist eine Strafentscheidung, wenn gegen sie kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist und damit in der gleichen Sache nicht nochmals entschieden werden darf (Judmaier in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt Finanzstrafgesetz5 § 171 Rz 1). Daraus folgt, dass die unmittelbar nach Verkündung am zugleich rechtskräftig gewordene Geldstrafe samt pauschalen Verfahrenskosten gem. § 171 Abs. 1 FinStrG am fällig geworden ist. Dass am Strafkonto tatsächlich eine Fälligkeit mit ausgewiesen ist, kann sich das Bundesfinanzgericht nur mit finanzinternen edv- und abrechnungstechnischen Gründen erklären. Dem Beschwerdeführer ist daraus aber kein Nachteil erwachsen und kommt dies faktisch einer kostenlosen "amtswegigen Stundung" gleich (vgl. ).
Gem. § 172 Abs. 1 FinStrG obliegt die Einhebung, Sicherung und Einbringung der Geldstrafen und Wertersätze sowie der Zwangs- und Ordnungsstrafen und die Geltendmachung der Haftung den Finanzstrafbehörden, die dazu auch Amtshilfe durch Abgabenbehörden in Anspruch nehmen können. Hiebei gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß.
Daher gelangt gegenständlich auch § 217 Abs. 1 und 2 BAO zur Anwendung, wonach dann, wenn die Zahlungsansprüche der Finanzstrafbehörde nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, ein erster Säumniszuschlag von 2 % der nicht zeitgerecht entrichteten Forderungen zu entrichten ist.
Seinem Wesen nach stellt der Säumniszuschlag eine "Sanktion" für die Nichtentrichtung (spätestens) zum Fälligkeitstag dar. Den Grundsätzen des § 4 Abs 1 BAO entsprechend entsteht der Säumniszuschlag - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - unmittelbar kraft Gesetzes (abstrakter Abgabenanspruch). Er ist die objektive Rechtsfolge für die verspätete Entrichtung einer Abgabe (hier: Geldstrafe) (Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO Stoll Kommentar Digital First, § 17 Rz 4)
Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind für die Festsetzung eines Säumniszuschlages grundsätzlich nicht beachtlich (vgl. ). Dementsprechend setzt die Festsetzung von Säumniszuschlägen auch kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus (vgl. ) und ist es auch ohne Bedeutung, ob dem Bestraften eine Zahlungsaufforderung oder eine Buchungsmitteilung zur Kenntnis gelangt ist oder nicht (vgl. ).
Da die Geldstrafe iHv € 16.400,00 nicht am tatsächlichen Fälligkeitstag () und auch nicht am von der Finanzstrafbehörde zugunsten des Beschwerdeführers bestimmten späteren Fälligkeitstag () entrichtet worden ist, waren die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung des streitgegenständlichen Säumniszuschlages gegeben, zumal auch keine Ausnahmetatbestände iSd § 217 Abs. 4 bis 6 BAO vorliegen.
Gem. § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Nachdem Beschwerdeerledigungen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen haben, können Anträge nach § 217 Abs 7 BAO auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (; ) und ist diesfalls in der Beschwerde erledigenden Entscheidung zu berücksichtigen. (Ritz/Koran, BAO7, § 217 Rz 65 mwN)
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es dabei nach der Rspr. des VwGH nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes (). Ist aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu erschließen, dass ihn seiner Ansicht nach aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe, ist im Beschwerdeverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO zu prüfen ( mwN).
Die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ; ).
Spätestens in den ergänzenden Vorbringen des Beschwerdeführers ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass dieser auch um Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gem. § 217 Abs. 7 BAO ersucht hat.
Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Eine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht ().
Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (). Wesentliches Merkmal der auffallenden Sorglosigkeit ist die Voraussehbarkeit des Schadens. Ob grobes Verschulden anzunehmen ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers zu beurteilen. An rechtskundige Parteienvertreter ist hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen ().
Ein grobes Verschulden ist daher nur dann gegeben, wenn eine auffallende und ungewöhnliche Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt, die den Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich voraussehbar erscheinen lässt. War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Antragswerber zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann wird dies als auffallend sorglos zu beurteilen sein (vgl. etwa ). Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (; -0008).
Nach ständiger Rspr. des VwGH stellt die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter keinen minderen Grad des Versehens dar (vgl. ; ; mwN). Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Allerdings sind Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden; dies gilt insbesondere bei selbstständiger Erwerbstätigkeit und bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind (vgl. neuerlich mwN). Eine auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätte vermieden werden können durch Einholung von Informationen bei der Behörde (). Umgekehrt könnte bei Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum in Ausnahmefällen kein grobes Verschulden vorliegen, wenn etwa der Irrtum von der Behörde veranlasst worden sei und dieser Irrtum die Partei in der Folge gehindert habe, bestimmte Fristen einzuhalten (). Rechtsunkenntnis sowie Rechtsirrtum sind daher im Allgemeinen vorwerfbar, wenn Rechtskenntnis bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit hätte erreicht werden können.
Streitgegenständlich wird in der Beschwerde bzw. den nachfolgenden Schriftsätzen hinsichtlich des fehlenden groben Verschuldens im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Verteidiger erst nach Fälligkeit bewusst geworden sei, dass diese bei Rechtsmittelfrist ein Monat später eintrete und man daher auf die Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten gewartet und auch nicht in Erwägung gezogen habe, dass diese erst nach Fälligkeit zugehen können.
Wie bereits oben ausgeführt stellt die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter keinen minderen Grad des Versehens dar (vgl. ; ; mwN). Dies muss umso mehr im gegenständlichen Fall gelten, wenn keine neue Rechtslage vorliegt, sondern die einschlägigen Normen (insb. § 154 und § 171 Abs 1 FinStrG) schon seit vielen Jahren unverändert im Rechtsbestand sind. Dazu kommt noch, dass der Verteidiger als solcherart befugter Vertreter in Finanzstrafsachen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in Anwesenheit des Beschwerdeführers den Rechtsmittelverzicht selbst abgegeben hat ohne sich offensichtlich mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen und Folgen hinsichtlich der Fälligkeit der Geldstrafe näher auseinanderzusetzen. Dieses Verhalten indiziert geradezu ein grobes Verschulden und lässt den Eintritt der Säumnis der Zahlungsfrist als durchaus wahrscheinlich und vorhersehbar erscheinen. Darüber hinaus handelt es sich um keine komplexe Rechtsfrage und kann von einem Verteidiger erwartet werden, dass er sich mit den wesentlichsten Verfahrensaspekten eines Finanzstrafverfahrens vor Abgabe von Prozesserklärungen auseinandersetzt. Dem Verteidiger wäre es selbst noch nach Verkündung der Strafentscheidung und vor Eintritt der Fälligkeit möglich und zumutbar gewesen, Erkundigungen hinsichtlich der Frage der Fälligkeit der Geldstrafe oder der Zahlungsmodalitäten einzuholen, bspw. durch einen Anruf bei der belangten Behörde. Diese Rechtsunkenntnis (dieser Rechtsirrtum) des Beschwerdeführers war keinesfalls von der belangten Behörde veranlasst, sondern beruht ausschließlich auf das eigene Verhalten des Beschwerdeführers bzw. seines Verteidigers und hätte durch Anwendung der gehörigen und zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt abgewendet werden können.
Hätte sich daher der Verteidiger rechtzeitig Kenntnis von der Rechtslage verschafft, wäre es nicht zum Eintritt der Säumnis der Zahlungsfrist gekommen. Selbst des Falles, dass dem Beschwerdeführer - wie eingewendet - keine Buchungsmitteilung zugegangen ist, hätte ein sorgfältiger und gewissenhafter Schuldner bei Kenntnis der Rechtslage innerhalb der Fälligkeit entsprechende Informationen hinsichtlich der Kontodaten eingeholt. So wäre es zumutbar gewesen, durch einen Anruf bei der belangten Behörde die Bankdaten zu erfragen oder das Bankkonto des Amtes für Betrugsbekämpfung durch Abfrage auf der Homepage des BMF festzustellen und die Geldstrafe zur Einzahlung zu bringen. Aufgrund der eingestandenen Unkenntnis der Rechtslage, ist es aber ohnerhin irrelevant, ob dem Beschwerdeführer die am versendete Buchungsmitteilung tatsächlich zugegangen ist oder nicht. Zudem kommt einer Buchungsmitteilung keine Bescheidqualität zu (vgl. ), sodass daraus auch keine Rechte oder Pflichten begründet, abändert oder aufgehoben werden können. Vielmehr handelt es sich bei einer Buchungsmitteilung lediglich um eine Information seitens der (Finanzstraf)behörde.
Durch die selbstverschuldete Unkenntnis der Rechtslage war eine Versäumung der Zahlungsfrist durch den Beschwerdeführer durchaus möglich und vorhersehbar und hätte sein Verteidiger diese durch ein ihm zumutbares Verhalten, nämlich durch rechtzeitige Kenntnisverschaffung von der Rechtslage oder durch Einholung rechtzeitiger Erkundigungen bei der belangten Behörde, abwenden können, zumal an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (). Es liegt daher ein auffallend sorgloses Verhalten vor ().
Aus diesen Gründen ist dem Beschwerdeführer grobes Verschulden an der Nichtentrichtung der Geldstrafe bis zur Fälligkeit vorzuwerfen, sodass die Beschwerde bzw. der Antrag auf Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gem. § 217 Abs. 7 BAO abzuweisen war, ohne dass es aufgrund der klaren Rechts- und Verfahrenslage der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte (§ 160 Abs. 2 FinStrG).
Angemerkt wird, dass die Zahlungsaufforderung in der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses, welche dem Beschwerdeführer am zugegangen ist, unrichtig und irreführend ist. Zum einen wurden die Geldstrafe und die Verfahrenskosten durch den Beschwerdeführer schon längst entrichtet (), zum anderen werden laut Homepage des BMF schon seit 2021 keine Erlagscheine mehr an die Abgabenschuldner zugesendet. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass es sich um eine frühere, standardisierte Textierung handelt, welche versehentlich in das Erkenntnis aufgenommen wurde. Da diese Zahlungsaufforderung aber nach Eintritt der Fälligkeit der Geldstrafe und nach Erlassung des bekämpften Bescheides über den Säumniszuschlag ergangen ist, war dieser Sachverhalt für die gegenständliche Entscheidung, insbesondere für die Verschuldensfrage, nicht relevant.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Säumniszuschlages folgt die Entscheidung der höchstgerichtlichen Judikatur. Das Vorliegen eines groben Verschuldens war eine Frage der Beweiswürdigung. Somit wurden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung berührt, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 171 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 217 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6300003.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at