Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2022, RV/7500081/2022

Gebrauchsabgabegesetz; verspäteter Einspruch gegen die Strafverfügung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B3 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung, über die Beschwerde des ***Bf1*** vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: ***MA6***, mit dem der Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom mit derselben Geschäftszahl gemäß § 49 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 Abgabenstrafen vom , Zahl: ***MA6*** wurde ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer = Bf.) für schuldig befunden, er habe vor der Liegenschaft in ***Wien***

1. im Jahr 2020 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen sockelfreien Ladenvorbau (Portal) im Ausmaß von 49,17 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2020 bis zum mit dem Betrag von € 334,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

2. im Jahr 2021 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen sockelfreien Ladenvorbau (Portal) im Ausmaß von 49,17 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2021 bis zum mit dem Betrag von € 334,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

3. im Jahr 2020 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen sockelfreien Ladenvorbau (Portal) im Ausmaß von 7,59 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2020 bis zum mit dem Betrag von € 61,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

4. im Jahr 2021 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen sockelfreien Ladenvorbau (Portal) im Ausmaß von 7,59 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2021 bis zum mit dem Betrag von € 61,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

5. im Jahr 2020 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen Portalkopf im Ausmaß von 9,50 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2020 bis zum mit dem Betrag von € 74,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

6. im Jahr 2021 den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch einen Portalkopf im Ausmaß von 9,50 m2 genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet hat. Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2021 bis zum mit dem Betrag von € 74,10 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

Gemäß § 16 Abs. 1 GAG wurden über den Bf. 6 Geldstrafen (im Uneinbringungsfall 6 Ersatzfreiheitsstrafen=EFS) in Höhe von ad 1. € 170,00 (13 Stunden EFS), ad 2. € 170,00 (13 Stunden EFS), ad 3. € 40,00 (12 Stunden EFS), ad 4. € 40,00 (12 Stunden EFS), ad 5. € 40,00 (12 Stunden EFS) und ad 6. € 40,00 (12 Stunden EFS) verhängt.

Mit E-Mail vom erhob der Bf. Einspruch gegen diese Strafverfügung und führte dabei aus, es sei ihm keine Strafverfügung vom bekannt und auch nie an ihn zugestellt worden. Grund und Veranlassung seien ihm nicht bekannt und würden auch aus der Mahnung nicht hervorgehen, so dass er diese Mahnung als gegenstandslos betrachte.

Die belangte Behörde wies den Einspruch gegen die Strafverfügung gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet eingebracht zurück und begründete den Zurückweisungsbescheid vom , Zahl: ***MA6*** wie folgt:

"Gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/82, in der derzeit geltenden Fassung, ist eine hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Die gegenständliche Strafverfügung wurde mit Wirkung der Zustellung am beim Postamt 1124 Wien hinterlegt und am erstmals zur Abholung bereitgehalten.

Der Einspruch wurde jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am per E-Mail, somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzten zweiwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht.

Nachdem ein Zustellmangel im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz trotz gebotener Gelegenheit hinsichtlich der am erfolgten Zustellung der angefochtenen Strafverfügung nicht geltend gemacht wurde und nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist darstellt, blieb es der Behörde - durch die verspätete Einbringung des Einspruchs - rechtlich verwehrt, eine Sachentscheidung zu treffen.

Da die Strafverfügung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beeinsprucht wurde, ist sie in Rechtskraft erwachsen und unabänderlich. Eine Entscheidung in der Sache selbst bzw. über die Strafhöhe ist daher nicht mehr möglich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. aus:

"Hiermit erlaube ich mir höflichst innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist Beschwerde gegen den o.a. Zurückweisungsbescheid einzubringen.
Nach wie vor ist mir vollkommen unklar worum es sich bei der Strafverfügung handelt! Es kann nicht sein, dass ich eine Strafverfügung ohne Grund und Anlass bekomme!
Daher ersuche ich, da mir keinerlei Verfehlung bewusst ist, die mir unbekannte mir zugrunde liegende Strafverfügung aufzuheben und meiner Beschwerde hiermit stattzugeben."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung."

§ 17 Zustellgesetz normiert:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte."

Nach der Aktenlage konnte die angefochtene Strafverfügung an der Abgabestelle ***Bf1-Adr*** mittels RSb-Brief nicht zugestellt werden, sodass das Dokument am beim Postamt 1124 hinterlegt wurde. Eine Verständigung betreffend die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt und als Beginn der Abholfrist der festgelegt. Damit begann die gesetzlich normierte und nicht erstreckbare zweiwöchige Einspruchsfrist am zu laufen und endete am Dienstag den .

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. , mwN).

Mit Verspätungsvorhalt vom wurde der Bf. im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz aufgefordert, ob dieser allenfalls zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Strafverfügung nicht nur vorübergehend von der Abgabestelle abwesend und insbesondere durch eine Reise, einen Urlaub oder einen Krankenhausaufenthalt gehindert war, von der Zustellung Kenntnis zu nehmen. Da ein diesbezüglicher Zustellmangel nicht geltend gemacht wurde, konnte die Behörde daher von einer rechtswirksamen Zustellung der Strafverfügung ausgehen.

Der mit E-Mail am eingebrachte Einspruch gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung wurde von der belangten Behörde somit zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

Da sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Zurückweisung eines Einspruches wegen Verspätung ausschließlich auf die Frage beschränkt, ob der Einspruch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 VStG eingebracht wurde und die Rechtzeitigkeit des Einspruchs aufgrund der vorliegenden Unterlagen eindeutig verneint werden musste, war es dem Bundesfinanzgericht verwehrt auf inhaltliche Aspekte des dem Zurückweisungsbescheid zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens einzugehen.

§ 44 VwGVG normiert:
"(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat."

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da eine solche nicht beantragt wurde und sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500081.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at