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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 15.03.2022, RV/6100233/2020

Vorlageantrag ohne Beschwerdevorentscheidung als verfrüht eingebracht zurückgewiesen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache von Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Vertreter, Wien, zum Vorlageantrag vom gegen den (Sammel-)Bescheid des damaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Der Vorlageantrag vom wird - soweit es die Nachsicht betrifft - gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO i.V.m. § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom wird - soweit es die Nachsicht betrifft - als rechtsgrundlos erlassen aufgehoben.

Durch die Aufhebung dieser Beschwerdevorentscheidung scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag vom - soweit es die Nachsicht betrifft - aus dem Rechtsbestand aus.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Im Schreiben vom beantragte Herr ***Bf1*** (neben einem Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO) auch die Nachsicht und die Stundung von Abgaben.

Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom wurden die Anträge (gemäß § 294 Abs. 4 BAO sowie) auf Stundung und Nachsicht von Abgaben in einem Sammelbescheid abgewiesen.

Mit Eingabe vom führte der steuerliche Vertreter wie folgt aus:

"Ich stelle für meinen Mandanten aufgrund der abweisenden BVE (Sammelbescheid) vom in (bis ) offener Frist nachstehenden Vorlageantrag

1. Die BVE (Sammelbescheid) wird ihrem gesamten Inhalt nach (in vollem Umfang) angefochten und bestritten.

2. Wir - mein Mandant und ich - halten das gesamte bisherige Vorbringen vollinhaltlich aufrecht. Eine Ergänzung (Aktualisierung) erfolgt erst nach erfolgter Beschwerdevorlage durch das Finanzamt an das BFG. Zumal es nach dessen Spruchpraxis zweckmäßig ist, dass sich der Einschreiter auch mit dem dort erstatteten sachverhaltsbezogenen Vorbringen erkennbar beschäftigt (vgl ).

3. Demzufolge wird nachstehender Antrag gestellt: Das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung vor dem/der Einzelrichterln vollinhaltlich stattgeben."

Im Akt erliegt weiters eine Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom , mit der diese "Beschwerde" betreffend Nachsicht und Stundung als unbegründet abgewiesen wurde.

Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag vom wurde neuerlich die Vorlage der Beschwerde vom (ergänzendes Vorbringen vom ) an das BFG beantragt.

Mit ho. Beschluss vom , RV/6100234/2020 wurde der Vorlageantrag betreffend Stundung als gegenstandslos erklärt.

Vom Bundesfinanzgericht wurde erwogen:

§ 260 Abs. 1 BAO: Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 260 Abs. 2 BAO: Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 264 Abs. 4 lit. e BAO: Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden: § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung).

§ 264 Abs. 5 BAO: Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

Nach § 264 Abs. 1 BAO kann "gegen eine Beschwerdevorentscheidung" ein Vorlageantrag gestellt werden. Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (vgl. Ritz, BAO 6. A., § 264 Rz 6, unter Hinweis auf und ; ferner ; ; ).

§ 260 Abs. 2 BAO, wonach Bescheidbeschwerden auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden dürfen, ist zufolge § 264 Abs. 4 lit. e BAO ausdrücklich nicht auf Vorlageanträge anzuwenden (vgl. ; ; ; ; ).

Verfrühte Vorlageanträge sind zurückzuweisen (vgl. Ritz, Verfrühte Anträge - Anträge zur Fristwahrung, SWK 27/2015, 1254).

Zum Vorlageantrag vom ist festzuhalten, dass der Inhalt dieser Eingabe eindeutig als Vorlageantrag bezeichnet ist und auch einen entsprechenden Inhalt aufweist, die Behörde diesen daher nicht umdeuten darf (vgl. zur Auslegung von Anbringen Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 37ff zu § 13 AVG; ).

§ 250 BAO normiert genau den Inhalt, den eine Bescheidbeschwerde zu enthalten hat:
• die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet (§ 250 Abs. 1 lit. a BAO);
• die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (§ 250 Abs. 1 lit. b
BAO);
• die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO);
• eine Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO).

Der Vorlageantrag vom enthält jedoch explizit die von einem Vorlageantrag zu erwartenden Angaben.

Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels (hier: des Vorlageantrages als "Beschwerde") allein vermag dessen Unzulässigkeit nicht zu begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist vielmehr ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. die VwGH Erkenntnisse vom , Zl. 88/11/0152; vom , Zl. 98/11/0019; vom , Zl. 2002/17/0279, und den Zl. 92/17/0034). Eine Umdeutung der unrichtig bezeichneten Eingabe in das vom Gesetz vorgesehene Rechtsmittel käme nur dann nicht in Betracht, wenn sich aus der Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag unmissverständlich das Begehren der Partei nach einer Entscheidung über das (unzulässige) Rechtsmittel - insbesondere durch eine im Instanzenzug unzuständige Behörde - ergäbe (vgl. auch dazu den hg. Beschluss vom , Zl. 92/17/0034; sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/11/0019, und vom , Zl. 2002/17/0279).

Ein Umdeuten eines klar bezeichneten und formulierten Antrages kommt nicht in Betracht (vgl. , Rn. 8; ).

Im Sinne dieser Judikatur kommt eine Umdeutung des Vorlageantrages (falsa demonstratio non nocet) in eine Beschwerde nicht in Betracht, da der Wille und der Inhalt dieser Eingabe eindeutig und ohne Zweifel als Vorlageantrag gedacht und auch so eingebracht wurde.

Stehen einem Abgabepflichtigen mehrere verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Bescheiden und zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts zur Verfügung, wäre davon auszugehen, dass dieser nicht eine Maßnahme wählt, die wegen Fristversäumnis schon von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, sondern einen Antrag stellen möchte, der einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist. Ein Vergreifen in der Bezeichnung des Rechtsmittels (z.B. Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung im Strafverfahren) schadet demnach nicht [vgl. Nimmervoll in Nimmervoll (Hrsg), Das Strafverfahren2 (2017) Form der Anmeldung von Rechtsmitteln Rz 16]. Diesfalls würde jedenfalls das Prinzip falsa demonstratio non nocet gelten. Im vorliegenden Fall wurde jedoch ein Vorlageantrag eingebracht, der zur Bekämpfung eines Bescheides "noch nicht" zulässig war.

Gerade von einem so renommierten steuerlichen Vertreter wie in diesem Fall, der in vielen Fällen in akribischer Weise immer wieder die Fehler der Abgabenbehörde (zugegeben vielfach auch zu Recht) aufgreift, kann erwartet werden, dass er, wenn er mit steuerlicher Spezialvollmacht für die Einbringung eines Rechtsmittels beauftragt wurde, sich mit dem Fall genau auseinandersetzt und in der Folge das mögliche Rechtsmittel so bezeichnet, das er im Schriftsatz einbringen will und wozu er beauftragt wurde: im gegenständlichen Fall war dies ein - weil zu früh eingebracht - noch nicht zulässiger Vorlageantrag (statt einer Beschwerde).

Mangels Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, gegen die sich dieser Vorlageantrag vom richten hätte können, war dieser Vorlageantrag gemäß § 260 Abs. 1 BAO i. V. m. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Da somit keine Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Sammelbescheid - darunter die Entscheidung über Nachsicht und Stundung - eingebracht wurde, war auch die Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom insoweit als rechtsgrundlos erlassen aufzuheben.

Durch die Aufhebung dieser Beschwerdevorentscheidung scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Eine inhaltliche Befassung mit dem Nachsichts- oder Stundungsbegehren war daher obsolet.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Unter Hinweis auf die oben zitierte Literatur und höchstgerichtliche Judikatur liegt eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, für die eine ordentliche Revision zuzulassen wäre.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100233.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at