Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2023, RV/6100330/2022

Kein Anspruch auf Familienbonus Plus bei Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") vom wurde die Einkommensteuer des Beschwerdeführers mit -302,00 Euro (Gutschrift) festgesetzt, wobei unter anderem ein Familienbonus Plus im Betrag von 250,08 Euro (für 6 Monate) berücksichtigt wurde.

Mit am über das FinanzOnline Portal eingebrachter Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer die Berücksichtigung des Familienbonus Plus für 12 Monate beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Familienbonus Plus für ein Kind über 18 Jahren nicht automatisch 500,16 Euro pro Jahr betrage, sondern 41,68 Euro für jeden Monat, in welchem man Familienbeihilfe für ein Kind bezogen hat. Da der Beschwerdeführer nur 6 Monate (Jänner bis Juni 2021) die Familienbeihilfe für seine Tochter bezogen habe (ab Juli 2021 habe die Tochter die Familienbeihilfe selber bezogen und gelte diese daher in diesen Monaten steuerlich nicht mehr als Kind des Beschwerdeführers), sei der Familienbonus Plus im Erstbescheid zurecht nur in der Höhe von 250,08 Euro berücksichtigt worden.

Mit am über das FinanzOnline Portal eingebrachtem Anbringen, das in verständiger Würdigung als Vorlageantrag zu werten war, brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass seine Tochter entmündigt sei und einen Sachwalter habe. Sie verfüge über kein eigenes Bankkonto und habe die Familienbeihilfe daher gar nicht selber beziehen können. Die Familienbeihilfe sei im Dezember 2021 auf das Oder-Konto des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau überwiesen worden und seien er und seine Ehefrau dadurch Bezieher der Familienbeihilfe für das ganze Jahr 2021. Folglich müsse auch der ganze Familienbonus Plus (500,16 Euro) zustehen.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und beantragte die belangte Behörde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Begründend wurde dazu im Vorlagebericht wie folgt ausgeführt: Mit Juni 2021 sei die Familienbeihilfe für das Kind ***Tochter Bf1*** an den Beschwerdeführer eingestellt worden. Am habe ***Tochter Bf1*** selbst (bzw die Erwachsenenvertreterin von ***Tochter Bf1*** in deren Vertretung) einen Antrag auf (erhöhte) Familienbeihilfe gestellt. Diesem Antrag sei entsprochen worden, weshalb ab Juli 2021 ***Tochter Bf1*** einen eigenen Anspruch auf die Familienbeihilfe habe. Auf welches Konto die Familienbeihilfe überwiesen wird, sei für die Beurteilung, ob der Familienbonus Plus zusteht, nicht maßgeblich.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog bis einschließlich Juni 2021 Familienbeihilfe für seine am ***tt.mm.***1977 geborene Tochter ***Tochter Bf1***.

Die Tochter des Beschwerdeführers ist seit ***tt.mm.***2018 mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet an der Adresse ***Adr2***, wobei Unterkunftgeber die ***Hilfsorgansiation1*** ist (siehe die entsprechenden unter der ZMR-Zahl ***1*** abrufbaren Meldedaten).

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer der Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe mitgeteilt (Anspruchsende: Juni 2021), da der Beschwerdeführer keinen Kostenbeitrag zur Unterbringung seiner Tochter leistet.

Am wurde daraufhin von der Erwachsenenvertreterin der Tochter des Beschwerdeführers für diese ein Eigenantrag auf (erhöhte) Familienbeihilfe eingebracht. Diesem Antrag wurde von der belangten Behörde entsprochen und erging mit Schreiben der belangten Behörde vom an die Tochter des Beschwerdeführers eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ab Juli 2021.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den aktenkundigen Unterlagen und wurden diese - abgesehen von der Feststellung betreffend den gemeldeten Hauptwohnsitz der Tochter des Beschwerdeführers, die im Beschwerdeverfahren erstmals vom erkennenden Verwaltungsgericht auf der Grundlage der polizeilichen Meldedaten getroffen wurde - bereits von der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung bzw des Vorlageberichts getroffen. Diesen bereits von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wurde vom Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 33 Abs 3a EStG 1988 steht "für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ... auf Antrag ein Familienbonus Plus" zu. Die folgenden Ziffern dieses Absatzes regeln die Einzelheiten dieses Anspruchs.

Der Familienbonus Plus trägt nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage "dem Umstand Rechnung, dass erwerbstätige Steuerpflichtige, die Kinder haben, weniger leistungsfähig sind als Kinderlose mit gleichem Einkommen. Dabei stellt der Familienbonus Plus weder einen Beitrag des Staates zum Unterhalt der Kinder dar, noch deckt er die Kinderlasten ab, die von den Eltern weiterhin zur Gänze übernommen werden. Der Steuerabzug bewirkt aber, dass sie diese Lasten zukünftig aus ihrem unversteuerten Einkommen leisten können und nicht eine darauf lastende Steuer dazu verdienen müssen. Der Beitrag des Staates zum Unterhalt bzw. zu den Lebenshaltungskosten der Kinder erfolgt über die Familienbeihilfe und Sachleistungen" (ErläutRV 190 BlgNR XXVI. GP 1).

Der Familienbonus Plus steht nach § 33 Abs 3a EStG 1988 für Kinder zu, für die Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird. Der Bezug des Familienbonus Plus wird damit an die Familienbeihilfe geknüpft. Folglich unterliegt auch der Familienbonus Plus einer monatsweisen Betrachtung und steht der Familienbonus Plus daher für jene Monate im Jahr zu, in denen die Familienbeihilfe gewährt wurde (Mayr/Gensluckner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 34/2).

Aus § 33 Abs 3a Z 3 EStG 1988 geht dabei hervor, welche Personen einen Anspruch auf Berücksichtigung des Familienbonus Plus haben können (Anspruchsberechtigte). Demnach ist der Familienbonus Plus in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

"a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu."

Anspruch auf Familienbeihilfe hat nach § 2 FLAG 1967 idR nicht das Kind selbst, sondern der haushaltsführende, ersatzweise der überwiegend Unterhalt leistende (Groß-, Wahl-, Stief- oder Pflege-)Elternteil. Allerdings besteht nach § 6 FLAG 1967 ein subsidiärer Eigenanspruch von Vollwaisen und sogenannten Sozialwaisen (Kinder, denen nicht überwiegend Unterhalt geleistet wird, die sich aber nicht auf Kosten der öffentlichen Hand in Heimerziehung befinden; vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG² § 6 Rz 1 f). Gemäß § 6 Abs 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Zudem haben auch erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Tochter des Beschwerdeführers seit Juli 2021 gemäß § 6 Abs 5 FLAG 1967 einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe. Steht der Anspruch auf Familienbeihilfe dem Kind selbst zu, haben die Eltern nach der ständigen Rechtsprechung des BFG keinen Anspruch auf den Familienbonus Plus, weil ihnen für ihr Kind keine Familienbeihilfe gewährt wird (vgl ; , RV/6100284/2020; , RV/7100534/2021; vgl auch Mayr/Gensluckner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 34/2; Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 § 33 Rz 35). Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Regelungen des § 33 Abs 3a Z 3 EStG 1988, aus denen hervorgeht, dass Anspruch auf den Familienbonus Plus ausschließlich der Familienbeihilfenberechtigte, der (Ehe-)Partner des Familienbeihilfenberechtigten oder der Steuerpflichtige, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, haben können.

Der Beschwerdeführer ist keiner dieser Kategorien von Anspruchsberechtigten zuordenbar; insbesondere kann er aufgrund des Eigenanspruches seiner Tochter gem § 6 Abs 5 FLAG 1967 nicht als "Familienbeihilfenberechtigter" qualifiziert werden, da insoweit ausschließlich maßgebend ist, wer infolge der Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen iSd FLAG 1967 einen gesetzlichen Anspruch auf Familienbeihilfe hat (vgl Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 § 33 Rz 35). Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, kommt es in diesem Zusammenhang auf die Auszahlungsmodalitäten der Familienbeihilfe nicht an. So wechselt etwa auch in Fällen, in denen bei volljährigen Kindern die Familienbeihilfe gem § 14 FLAG 1967 direkt an das Kind ausgezahlt wird nicht die Person des Familienbeihilfenberechtigten und bleibt dieser (typischerweise ein Elternteil) für den Familienbonus Plus antragsberechtigt (vgl Mayr/Gensluckner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 34/2; Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 § 33 Rz 35).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die vom erkennenden Verwaltungsgericht anzuwendenden Normen klar und eindeutig sind (vgl , mwN). Es ist daher gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100330.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at