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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2022, RV/6100630/2017

Nachsicht bei von einem Nichtbescheid abgeleiteten Einkommensteuerbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch AUXILIUM Steuerberatung GmbH, Fritschgasse 1, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Aus Anlass der Beschwerde wird der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt geändert:

"Ihr Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO für Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 79.104,20 wird abgewiesen."

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom brachte die steuerliche Vertretung namens des nunmehrigen Beschwerdeführers (in der Folge kurz Bf. genannt) folgendes Nachsichtsansuchen ein:

"Namens und Auftrags unseres Mandanten ***Bf1*** ersuchen wir um Nachsicht und Löschung der fälligen Abgabenforderungen in Höhe von € 79.104,20 gem. § 236 BAO und begründen diesen Antrag wie folgt:

Mit Bescheid vom wurde mitgeteilt, dass die seinerzeit beantragte Aussetzung der Einhebung infolge Beschwerdeerledigung abgelaufen sei und damit im Wesentlichen die Einkommensteuer 1995 zuzüglich Aussetzungs- und Anspruchszinsen, insgesamt € 79.104,20 fällig ist.

Recherchen ergaben, dass es sich bei der Beschwerdeerledigung um einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes Wien vom handelt, wonach die Beschwerde der ***XY*** GmbH & Co KG gegen Bescheide des Finanzamtes für den 1. Bezirk Wien vom betreffend die Jahre 1995 bis 2000 zurückgewiesen wurde.

Dazu ist anzumerken, dass sich unser Mandant in 1992 mit einem Betrag von rund € 218.000 an dieser Gesellschaft (damals noch eine Aktiengesellschaft) beteiligt hatte, die in 1995 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde, und einen Totalverlust seiner Beteiligung erleiden musste, wie auch über 500 weitere Beteiligte.

Seit etwa 1998 fehlt unserem Mandanten jede wesentliche Information zu dieser Gesellschaft, aus dem erwähnten Beschluss des BFG ist zu entnehmen, dass in 2009 über das Vermögen der ***XY*** GmbH & Co KG ein Konkursverfahren eröffnet und diese in 2011 im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde. Dies gilt auch für die Komplementärgesellschaft ***XY*** GmbH.

Offensichtlich wurde dem BFG Ende 2016 bewusst, dass noch eine Beschwerde aus 2003 betreffend die Jahre 1995 bis 2000 unerledigt war, jedoch die Gesellschaft und deren Komplementärin schon seit über 5 Jahren nicht mehr existierten, sodass mangels organschaftlicher Vertretung keine Zustellung erfolgen konnte, weshalb über Antrag vom Bezirksgericht Purkersdorf ein Rechtsanwalt in Wien als Abwesenheitskurator bestellt wurde, an den auch offensichtlich der Beschluss des BFG zugestellt wurde. In diesem Beschluss wird darauf verwiesen, dass eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof bzw. Revision beim VerwaItungsgerichtshof innerhalb einer Frist von 6 Wochen gegen diesen Beschluss des BFG möglich sei, jedoch keine Äußerung abgegeben, wer denn eigentlich dazu legitimiert sei, wenn die Gesellschaften nicht mehr existieren. Es gibt weder eine Geschäftsführung noch eine steuerliche Vertretung, welche die Interessen der Gesellschaft und damit von deren Beteiligten wahrnehmen könnten. Ein bestellter Abwesenheitskurator, der noch dazu im gegenständlichen Verfahren keine Vorkenntnisse besaß, wird dazu auch nicht reichen.

Es ist nach der Lage des Falles unserem Mandanten (wie wahrscheinlich auch den übrigen über 500 Beteiligten) rechtlich die Möglichkeit genommen, etwas gegen die Bescheide zu unternehmen, die Zeiträume betreffen, die bis über 22 Jahre zurückliegen.

Dazu passend ist ein in der Österreichischen Steuerzeitung 08/2017, Seite 205 ff, erschienener Artikel von Univ.-Prof. Dr. Reinhold Beiser, welcher zur Problematik von Grundlagen- und abgeleiteten Bescheiden sowie von "Nichtbescheiden" kritisch Stellung nimmt und dabei ein Rechtsschutzdefizit bei solchen Verfahren feststellt.

Es ist daher die Einhebung der Abgaben von € 79.104,20 unbillig, sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht.

Unser Mandant wäre auch nicht in der Lage, diese Abgaben zu entrichten. Er steht 2 Jahre vor seiner Alterspension und verfügt über ein monatliches Einkommen von netto € 635,57 (nach Abzug der KFZ-Hinzurechnung). Seine Ehefrau bezieht eine monatliche Pension von netto € 516,00. Ein verwertbares Vermögen besitzt unser Mandant nicht. Eine Vorsorge für die Entrichtung der gegenständlichen Abgaben konnte nicht getroffen werden, da einerseits nicht die finanziellen Mittel vorhanden waren, andererseits nicht damit gerechnet werden konnte, dass sich nach 2 Dekaden plötzlich derartige Abgabenverbindlichkeiten ergeben, wogegen Herr ***Bf1*** aus formalen Gründen nichts mehr unternehmen kann.

Herr ***Bf1*** ist seit 1996 unselbständig tätig und hat davor und danach seine Steuern untadelig und pünktlich entrichtet.

Unserem Mandanten ist bekannt geworden, dass österreichweit zwischenzeitlich einige Verfahren von anderen ehemaligen Beteiligten angestrengt wurden, durch diverse Beschwerden oder Vorlageanträge und Aussetzungsanträge bzw. Nachsichtsansuchen, und die gesamte Problematik auch bereits an die Volksanwaltschaft (Volksanwältin Dr. Brinek) herangetragen wurde, welche das Bundesministerium für Finanzen zur Stellungnahme aufgefordert hat, deren Ergebnis derzeit unbekannt ist.

Wir sind der Meinung, dass dieser aufgrund der Situation für alle ehemaligen Beteiligten auch rechtlich "verfahrene" Fall nicht durch diverse verschiedene Verfahren bei verschiedenen Finanzämtern von verschiedenen ehemaligen Beteiligten und deren Rechtsberatern gelöst werden kann, sondern nur durch Nachsicht im Sinne des § 236 BAO."

*****

Mit Bescheid vom wies das ehemalige Finanzamt Salzburg-Land den Antrag auf Nachsicht ab. Die Begründung lautet:

"An der ***XY*** GmbH & Co KG (09-***111/1111***) waren im Amtsbereich des Finanzamtes Salzburg - Land mehrere als Kommanditisten beteiligte Abgabepflichtige veranlagt. Aus den Rechtsmitteln gegen die Feststellungsverfahren im Zeitraum 1995 - 2000 wurden (indirekt davon abhängige) Aussetzungen der Einhebung gem. § 212a BAO bei den Beteiligten genehmigt, darunter auch jene des Bf. Herrn ***Bf1***.

Den greifbaren Steuerakten kann entnommen werden, dass mit der Endgültigerklärung der Bescheide gem. § 188 BAO für die Zeiträume 1995 - 2000 am eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht stattzufinden hat. Diese Entscheidung wurde in der Folge angefochten und am dem BFG vorgelegt. Für die Zeiträume 1996 - 2000 wurde mit im elektronischen Akt zudem jeweils "keine Buchung, kein Bescheid" als Ausfluss dieser Entscheidung vermerkt.

Die Beschwerde gegen die oa. Bescheide betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für die Zeiträume 1995 - 2000 beim BFG war bis zum anhängig. Das Problem bestand u.a. darin, dass kein Zustellungsbevollmächtigter (mehr) vorhanden war und die Firma ***XY*** GmbH (also die Komplementärin) im Firmenbuch bereits gelöscht worden war (Insolvenz am ). Mit der Löschung im Firmenbuch war der Wegfall der organschaftlichen Vertretung verbunden, sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte GmbH mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden konnten.

Mit Beschluss vom , GZ.RV 7102115/2004 beantragte das BFG daher beim zuständigen Bezirksgericht Purkersdorf die Bestellung eines Kurators für die ***XY*** GmbH, insbesondere zur Ermöglichung der im Beschwerdeverfahren an diese vorzunehmenden Zustellungen.

Die Beschwerde gegen die Nichtfeststellungsbescheide 1995 - 2000 wurde sodann mit GZ.RV/7102115/2004 als unzulässig zurückgewiesen: Die angefochtenen Bescheide gem. § 188 BAO sind mangels "falscher Adressierung" unwirksam. Das bedeutet demnach, dass die Nichtvornahme der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gem. § 188 BAO der Fa. ***XY*** GmbH & Co KG für die Zeiträume 1995 - 2000 aufgrund dieses Zustellungsmangels nicht in Rechtskraft erwachsen konnte. Eine entsprechende Korrektur der davon abgeleiteten (und nicht gesondert angefochtenen) Einkommensteuerbescheide 1995, 1996, 1998 und 2000 ist jedoch aufgrund der neueren Judikatur des VwGH wegen Verjährung eben dieser Bescheide nicht mehr möglich. Es ist auf die diesbezügliche Grundsatzentscheidung des zu verweisen.

Im Ergebnis wurden mit der Ablauf der Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO verfügt:

Allgemeines zur Nachsicht gem. § 236 BAO:

Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (z.B. ; , 2007/13/0135).

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw. aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (; , 2003/14/0098).

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt.

Zur persönlichen Unbilligkeit:

Im Antrag wird u.a. das Folgende ausgeführt:

"Unser Mandant wäre auch nicht in der Lage, diese Abgaben zu entrichten. Er steht 2 Jahre vor seiner Alterspension und verfügt über ein monatliches Einkommen von netto € 635,57 (nach Abzug der KFZ-Hinzurechnung). Seine Ehefrau bezieht eine monatliche Pension von netto € 516,00. Ein verwertbares Vermögen besitzt unser Mandant nicht. Eine Vorsorge für die Entrichtung der gegenständlichen Abgaben konnte nicht getroffen werden, da einerseits nicht die finanziellen Mittel vorhanden waren, andererseits nicht damit gerechnet werden konnte, dass sich nach 2 Dekaden plötzlich derartige Abgabenverbindlichkeiten ergeben, wogegen Herr ***Bf1*** aus formalen Gründen nichts mehr unternehmen kann. "

Bei der Gewährung einer Nachsicht aus persönlicher Unbilligkeit gem. § 236 BAO sind der Finanzverwaltung grundsätzlich enge Grenzen gesetzt. Die primär zu treffende Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist nämlich keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (, , 94/13/0047, 0049, 0050). Der Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist dann (und nur dann) gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet ( u. 97/14/0091) bzw. außergewöhnliche nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen beim Nachsichtswerber auslösen würde.

Aufgrund der Tatsache, dass der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (stRspr des VWGH, so etwa ) und er somit dessen das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast im Verfahren trägt, können die Angaben, dass der Nachsichtswerber unter dem Existenzminimum lebt, als Argument dafür herangezogen werden, dass die persönliche Unbilligkeit aus diesem Grund zu verneinen ist.

Die Unbilligkeit an sich ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Nachsichtsgewährung, es muss also die Einhebung der Abgabe prinzipiell möglich sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (z.B. ; , 2011/16/0190) dargetan, dass bei Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vorliegt. Ist die Abgabenschuld tatsächlich uneinbringlich, kann eine Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung nicht gegeben sein (siehe dazu auch ).

Für den Fall der dauernden Uneinbringlichkeit fälliger Abgabenschuldigkeiten ist nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung nicht das Rechtsinstitut der Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO, sondern jenes der Löschung (Abschreibung gemäß § 235 BAO) vorgesehen.

In der Gesamtsicht ist somit kein Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit festzustellen.

Zur sachlichen Unbilligkeit:

Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (VWGH , 93/15/0072; , 96/15/0154; , 99/16/0099; , 2003/17/0253; , 2004/16/0151). Materiell rechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 (Stoll, BAO, 2421).

Herr ***Bf1*** war mit dem Erwerb eines KG - Anteiles an der Fa. ***XY*** GmbH & Co KG jederzeit klar und bewusst, wie sich die zugewiesenen Verluste steuerlich auswirken können und ebenso, dass die Ertragszuweisung und -höhe allein von der abgabenrechtlichen Situation eben dieser KG abhängt. Dass Herr ***Bf1*** keine Vorsorge für den Fall einer Nachforderung aus dieser Beteiligung treffen konnte, ist nicht nachvollziehbar:

Die Nichtfeststellung einheitlicher und gesonderter Gewinne gem. § 188 BAO am für die Zeiträume 1995 - 2000 wurde ihm ja bekannt, da sie sich in seiner Sphäre unmittelbar steuerlich auswirkte (nur deshalb wurde die Aussetzung gem. § 212a BAO überhaupt beantragt). Herr ***Bf1*** musste sehr wohl damit rechnen, dass diese Nichtfeststellung beim UFS/BFG bestätigt werden würde. Er hätte als Kommanditist jederzeit die entsprechenden Bescheidabschriften und Begründungen für die Nichtfeststellungen einheitlicher und gesonderter Gewinne gem. § 188 BAO anfordern und die entsprechende steuerliche Beratung in Bezug auf die zu erwartende Entwicklung in Anspruch nehmen können.

Ergänzend ist noch zu sagen, dass in einem Fall, wo die Vorschreibung zufolge unzutreffender Abgabenbescheide, die mit Hilfe der zustehenden Rechtsmittel nicht bekämpft wurden, unbillig erscheint, eine Nachsicht nach § 236 BAO nicht in Frage kommt. Versäumnisse dieser Art können grundsätzlich nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt und geheilt werden, zumal dies auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinausliefe ().

Diese Rechtsprechung fand auch Eingang in die zu § 236 ergangene VO BGBl II 435/2005, zumal nach § 3 Z 3 das Entgegenstehen der Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels nur dann im Rahmen einer Nachsichtsgewährung unter dem Aspekt der sachlichen Unbilligkeit zu berücksichtigen ist, als dies in einem Fall internationaler Doppelbesteuerung zur Umsetzung des Ergebnisses eines Verständigungsverfahrens erforderlich ist.

Die einschlägige Rechtsfrage ist bereits durch höchstgerichtliche Verfahren abschließend geklärt. Die derzeitige Gesetzeslage sieht in ihrer Auslegung durch den VwGH (vgl. ) aufgrund einer bereits eingetretenen Verjährung der Einkommensteuerbescheide keine Aufhebungsmöglichkeit vor. Diese neuere Rechtsprechung führt insbesondere deshalb zu keiner sachlichen Unbilligkeit, da der VwGH keine planwidrige Lücke in den hier zur Anwendung kommenden Verjährungsbestimmungen der BAO erkennen konnte. Die Möglichkeit, abgeleitete Verfahren nach der Einstufung von Feststellungsbescheiden gem. § 188 BAO als "Nichtbescheide" erneut eröffnen zu können, wurde gem. § 304 BAO eindeutig mit 5 Jahren (analoge Frist zur Wiederaufnahme des Verfahrens) nach Ergehen des Feststellungsbescheides begrenzt.

Den verfassungsrechtlichen Bedenken von Beiser (ÖStZ 20/2013/848, 476 f und ÖStZ 8/2017, 209) ist entgegenzuhalten, dass der VfGH mit Ablehnungsbeschluss vom festgehalten hat, dass dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden könne, wenn er das Recht zur Antragstellung zur Aufhebung in Rechtskraft erwachsener Bescheide mit Hinweis auf § 304 BAO in einer der verfassungskonformen Auslegung zugänglichen Weise befristet ( Rz 16; vgl. SWK 8/2017, 473; der Ablehnungsbeschluss des VfGH ist nicht veröffentlicht). Bei Zweifeln an der Bescheidqualität des Feststellungsbescheides wäre es dem Abgabepflichtigen von Anfang an freigestanden, diese in einem Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Bescheide geltend zu machen (vgl. Rz 17).

In der Gesamtsicht ist somit kein Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit festzustellen.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden."

*****

Beschwerde:

Mit Schreiben vom erhob der Bf. - nach Fristverlängerung - Beschwerde wie folgt:

"Zunächst ist anzuführen, dass die zum Verfahrensgang der ***XY*** GmbH & Co KG angeführte Darstellung den Fakten laut nicht entspricht.

Die (wahrscheinlich im März 2003, unser Mandant hat keine Kenntnis über das Datum) in Wien für die ***XY*** GmbH & Co KG eingebrachte Berufung richtete sich nicht dagegen, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte betreffend die Jahre 1995-2000 (Nichtfeststellungsbescheide des Finanzamtes für den 1. Bezirk per ) nicht stattzufinden hat, sondern dass diese Bescheide keinen rechtlichen Bestand haben, als Nicht-Bescheide zu gelten haben und damit rechtlich nicht existieren.

Dies geht auch aus den Begründungen des Seiten 7 bis 9 hervor ("ein nicht an alle Rechtssubjekte gerichteter Bescheid bleibt wirkungslos") bzw. auf Seite 10 ("ein negativer Feststellungbescheid, der nicht gegenüber allen Beteiligten wirkt, ist zur Gänze unwirksam. Nichts anderes kann gelten, wenn die Feststellung gegenüber keinem Beteiligten wirkt... "). Und ebenfalls auf Seite 10:

"Unzulässig ist eine Bescheidbeschwerde ua. bei mangelnder Bescheidqualität, wenn also eine an sich Bescheidcharakter aufweisende Erledigung unwirksam ist. Die angefochtenen Erledigungen sind nach dem Gesagten unwirksam. Die gegen diese Erledigungen gerichtete Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen."

Es ging also nicht, wie auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides vom angeführt ist, um "falsche Adressierung" oder "Zustellungsmängel", sondern dass die Bescheide vom unwirksam und damit als "Nichtbescheide" zu qualifizieren sind, weil sie zwar richtig zugestellt wurden, aber nicht den Inhalt aufwiesen, der einen rechtsgültigen Bescheid ausmacht.

Gegen Nichtbescheide ist eine Berufung/Beschwerde rechtlich nicht möglich, weil ein solcher nicht existiert, weshalb diese vom BFG als unzulässig abzuweisen war.

Um den Unterschied herauszuarbeiten: Nicht die Berufung an sich wäre unzulässig gewesen, sondern wurde erst dazu, weil sich diese gegen einen Bescheid richtete, der nach 14 Jahren ex tunc nicht mehr existierte. Dies an sich ist bereits schwierig zu verstehen, aber die Folge dessen umso weniger.

Mit der Erklärung als Nichtbescheid ist aber auch keine Berufung/Beschwerde gegen die materiell rechtliche Begründung eines solchen Bescheides möglich, der als Nichtbescheid nicht existiert. Dies gilt im konkreten Fall für die Gesellschaft selbst, die ***XY*** GmbH & Co KG, aber auch für den Beteiligten ***Bf1***, denn gem. § 252 BAO ist ein Rechtsmittel nur gegen den Grundlagenbescheid zulässig, und nicht gegen den Einkommensteuerbescheid als abgeleiteten Bescheid.

Dazu gibt es unzählige Erkenntnisse des VwGH (z.B. , 2004/13/0069), wonach Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid nur im Verfahren betreffend diesen vorgebracht werden können, werden solche hingegen gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, ist eine diesbezügliche Berufung als unbegründet abzuweisen.

Wenn im konkreten Fall der Grundlagenbescheid nun nicht mehr existiert, steht der entsprechenden Änderung des davon unrichtigerweise abgeleiteten Bescheides die Rechtskraft des - und infolge Verjährung unabänderlichen - Einkommensteuerbescheides entgegen.

Der im Bescheid angeführte Hinweis, dass gem. § 304 BAO (quasi "ohnehin") eine Fristvon 5 Jahren für die Wiederaufnahme abgeleiteter Bescheide nach Ergehen des Feststellungbescheides zur Verfügung stehen, erscheint zynisch, wenn das BFG 14 Jahre für das Erkenntnis der Nichtigkeit eines Grundlagenbescheides benötigt. Dies gilt auch für den Verweis, dass Herr ***Bf1*** ja (laut Bescheid vom ) die Möglichkeit gehabt hätte, bei Zweifeln an der Bescheidqualität des Feststellungbescheides ein Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Bescheide einzubringen. Dazu stellt sich auch die Frage, weshalb einem Nichtjuristen wie Herrn ***Bf1*** Zweifel daran entstehen sollten, ob ein von der Beamtenschaft eines Finanzamtes in Wien erlassener Bescheid rechtsungültig und damit ein Nichtbescheid sei, wenn ihm außerdem versichert wird, dass die Berufung durch den Steuerberater der Gesellschaft, die ***StB*** GmbH erfolgreich sein wird. Selbst einem juristisch vorgebildeten Steuerfachmann könnte bei der Beurteilung eines diesbezüglichen Sachverhaltes das spezielle Verständnis fehlen. Es ist absolut unzumutbar für einen steuerpflichtigen Bürger, eine allfällige Rechtsungültigkeit eines Bescheides in Erwägung zu ziehen, da man nicht alle Rechtsvorschriften samt Verordnungen, Erlässe, Literatur, höchstgerichtliche Entscheidungen, Entscheidungen der Gerichte oder Verwaltungsbehörden kennen kann, dies gilt genauso für das Steuerrecht. Auch bestand zu keinem Zeitpunkt Anlass dazu, sich über die Rechtsfrage der theoretischen Nichtigkeit eines Bescheides und seiner Folgen rechtsfreundlich beraten zu lassen.

Nicht vorstellbar und damit auch nicht nachvollziehbar ist es, sich die Folgen dessen auszudenken, wenn der Argumentation der Abgabenbehörde entsprechend ein Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid eingebracht worden wäre mit der Begründung, "es bestehen Zweifel an der Qualität des Grundlagenbescheides", und dies von über 500 Kommanditisten bei verschiedensten Finanzämtern in Österreich, und dies vor 14 Jahren. Dazu hätte es wahrscheinlich bereits Ietztinstanzliche für die Kommanditisten negative Entscheidungen gegeben, lange bevor jetzt nach 14 Jahren das BFG den Grundlagenbescheid als nichtig erklärte.

Gem. Ritz, BAO § 295, Rz. 21g ist u.a. ein Grund für die Einführung des § 295 (4) BAO, dass vorsorglich gegen auf § 295 (1) gestützte Änderungsbescheide eingebrachte Berufungen (mit der Behauptung, es liegen "Nichtbescheide" vor) vermieden werden sollen.

Auch die Rechtsmittelbelehrungen bei den Bescheiden weisen nicht darauf hin, dass für den Fall des (im konkreten Fall) Zweifels an der Bescheidqualität des Grundlagenbescheides Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid geltend zu machen sind. Um es überspitzt zu formulieren, wenn der Staat sich auf die Verjährung abgeleiteter Bescheide zurückzieht, obwohl der Grundlagenbescheid nichtig ist, muss er auch dafür sorgen, dass in der Rechtsmittelbelehrung auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht wird.

Richtigerweise stellt der Bescheid fest, dass die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein kann, dies als Voraussetzung einer Ermessensentscheidung.

Wenn die bestehende Existenzgefährdung im Sinne der persönlichen Unbilligkeit sich durch eine drohende Abgabeneinhebung aufgrund der finanziellen Verhältnisse unseres Mandanten nicht ändert, wofür gem. Bescheid vom das Rechtsinstitut der Löschung gem. § 235 BAO vorgesehen sei, beantragen wir in diesem Sinne in eventu die Löschung von € 79.422,83 gem. § 235 BAO, da nach Lage des Falles und dokumentiert durch unseren Antrag vom und letztlich auch schon in Erwägung gezogen lt. Bescheid vom Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind. Sollte die Abgabenbehörde der Ansicht sein, dass eine Löschung abzulehnen ist, da die Einhebung der Abgaben doch theoretisch möglich sei, liegt diesfalls persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor und wäre damit eine Voraussetzung für Abgabennachsicht nach § 236 BAO gegeben.

Für unseren Mandanten bestand und besteht keine Existenzgefährdung, wenn die Abgaben nicht zu entrichten sein würden, weswegen um Nachsicht angesucht wurde. Erst durch Abstattung dieser Abgaben entsteht die Gefährdung der Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers und würden dadurch die außergewöhnlichen nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen ausgelöst.

Das Zitat gemäß Bescheid, dass eine Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung nicht gegeben ist, wenn die Abgabenschuld tatsächlich uneinbringlich ist, gibt die Erkenntnisse des VwGH unvollständig wieder, denn gem. VwGH (, 2007/13/0086; , 2006/15/0278) muss das Zitat lauten: "Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändert." Unser Mandant war kein Sanierungsfall und es besteht, wie bereits ausgedrückt, keine Existenzgefährdung, dazu kommt es erst durch den Ablauf der Aussetzung "infolge Beschwerdeerledigung". Zur Beurteilung der persönlichen Unbilligkeit meint der VwGH (u.a. , 2013/15/0173), dass eine solche nicht zu unterstellen ist, wenn sich an der Existenzgefährdung nichts ändert, dass aber (zur Qualifikation als persönliche Unbilligkeit) vielmehr gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben die wirtschaftliche Existenz gefährdet sein muss, letzteres ist bei unserem Mandanten der Fall, weshalb persönliche Unbilligkeit vorliegt.

Zum Thema sachliche Unbilligkeit ist auszuführen, dass der Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben muss (), um zu einer sachlichen Unbilligkeit zu führen. Der gegenständliche Geschehensablauf erscheint geradezu prädestiniert für einen anormalen Ablauf eines Steuerverfahrens im Sinne der sachlichen Unbilligkeit.

In der Reihenfolge des Geschehensablaufes sei stichwortartig angeführt:

- Beteiligung an AG mit ca. ATS 3,0 Mio. in 1991/92 als Aktionär,

- diese AG 4 Jahre später umgewandelt in KG und damit Beteiligung als Kommanditist mit ca. € 218.000 (ohne weitere Einzahlung),

- 3 Jahre später Einkommensteuergutschrift wegen Verluste in KG, beginnend mit 1995,

- 6 Jahre später Rückbelastung dieser Gutschrift, Berufung in Wien durch Gesellschaft selbst in 2003, zugleich Aussetzung dieser Einkommensteuerbelastung,

- 7 Jahre später Konkurs der Gesellschaft,

- wieder 7 Jahre später, insgesamt 14 Jahre nach Berufung Entscheidung durch BFG,

- zeitgleich Bescheid über Ablauf der Aussetzung "infolge Beschwerdeerledigung".

Von der Erstbeteiligung als Aktionär bis zur "Beschwerdeerledigung" sind rund 26 Jahre vergangen, davon 14 Jahre der unerledigten Berufung/Beschwerde, und dazu noch als finanzielle Belastung der Totalverlust dieser Beteiligung infolge des Konkurses der Gesellschaft.

Dieses Steuerverfahren kann man wohl nicht als normal und entsprechend einem gewöhnlichen - wie für jeden Steuerpflichtigen zutreffenden - Ablauf bezeichnen. Dieser Ablauf ist auch nicht "ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen", entstanden durch "materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten", denn es handelt sich nicht um materiellrechtliche Ungerechtigkeiten. Im Gegenteil handelt es sich um eine rein formelle Problematik, die der Gesetzgeber in dieser Form und Auswirkung nicht gewollt haben kann und hat, da hier ein Rechtsmittelverfahren bis zum BFG betreffend einen Grundlagenbescheid keine Auswirkung auf den davon abgeleiteten Bescheid hat, wobei hier eine überlange Dauer des Rechtsmittelverfahrens mit einem für den Steuerpflichtigen positiven Ergebnis (die Basis für einen Grundlagenbescheid mit Wirkung auf den abgeleiteten Bescheid ist nicht mehr existent) zusammentrifft mit dem negativen Ergebnis der Verjährung des abgeleiteten Bescheides, welcher damit unrichtig wird.

Dieses aufgrund der überlangen Verfahrensdauer entstandenen Auseinanderklaffen von Grundlagen- und abgeleiteten Bescheid kann nicht vom Gesetzgeber gewollt sein, beruht aber auf Gesetzen, deren Anwendung zu einer nicht gewollten Härte führt, und die Einhebung der entsprechenden Abgaben deswegen unbiIlig erscheinen lässt.

Die in unserem Antrag dargestellte finanzielle Situation diente nicht nur, um eine persönliche Unbilligkeit zu untermauern, sondern auch um darzulegen, dass eine Vorsorge nicht getroffen werden konnte. Dies umso mehr, als unser Mandant seinerzeit die Aktien-Beteiligung in 1991 an der ***XY*** AG, die in 1995 in die ***XY*** GmbH & Co KG umgewandelt wurde, über eine Bank teilweise fremdfinanziert hatte, diese Fremdfinanzierung zurückgeführt werden musste, sodass keine liquiden Mittel verblieben.

Dass unser Mandant seit Rückführung der Fremdfinanzierung keine Vorsorge für den Fall einer Steuernachforderung treffen konnte, ist sehr wohl nachvollziehbar, denn dazu hätte sein Gehalt nicht ausgereicht.

Wie bereits ausgeführt, wird bestritten, dass unser Mandant damit rechnen musste, dass die Nichtfeststellung beim UFS/BFG bestätigt werden würde, weiters dass er selbst die abgeleiteten Bescheide mit Hilfe ihm zustehender Rechtsmittel hätte bekämpfen können.

Dies erscheint als von der Abgabenbehörde konstruierte theoretische Möglichkeit, die im konkreten Fall - wie auch bereits aus weiteren Gründen angeführt - "nach Lage des Falles" nicht zutrifft.

Seit etwa 1998 fehlt unserem Mandanten nach Geschäftsführerwechseln bei der Gesellschaft selbst jede wesentliche Information über/von diese(r) Gesellschaft, darüber hinaus wurden ab 2001/02 von der ***XY*** GmbH & Co KG jene Gesellschafter von jeder Information ausgeschlossen, welche nicht einen bestimmten Betrag als Nachschuss an die Gesellschaft einzahlten, um gegen ehemalige Funktionsträger rechtlich vorzugehen, was unser Mandant ablehnte. Als Wirkung dieser Verweigerung des Nachschusses wurde unser Mandant als Gesellschafter ausgeschlossen. Dass es zu einem Steuerverfahren bei der Gesellschaft kam, konnte sich unser Mandant durch den geänderten abgeleiteten Bescheid vorstellen und wurde davon indirekt durch einen anderen Beteiligten in Kenntnis gesetzt, welcher tatsächlich einen Nachschussbetrag an die Gesellschaft geleistet hatte. Von diesem erfuhr unser Mandant auch, dass in Wien Berufung eingelegt wurde, aber nicht aus welchem Grund, davon hatte auch dieser keine Kenntnis. Als Folge des Ausschlusses aus der Gesellschaft hatte unser Mandant auch keinen Anspruch auf irgendwelche Informationen und hätte einen solchen Wunsch ohne kostenintensive Gerichtsverfahren nicht mehr durchsetzen können. Aufgrund dieser Fakten war es unserem Mandanten nicht möglich, die Ursache für den geänderten Grundlagenbescheid in Erfahrung zu bringen, umso weniger Zweifel an der Qualität des Grundlagenbescheides, den er nicht einmal kannte, aufkommen zu lassen.

Mit dem im Nachsichtsansuchen angeführten Verweis auf den in der Österreichischen Steuerzeitung 08/2017 erschienenen Artikel von Univ.-Prof. Dr. Reinhold Beiser wird nicht die Verfassungswidrigkeit der betroffenen Regelungen behauptet, sondern auf die Problematik von Grundlagen- und abgeleiteten Bescheiden sowie von "Nichtbescheiden" hingewiesen, die im konkreten Fall auch unseren Mandanten trifft.

Die im bekämpften Bescheid zitierte VO BGBI ll 435/2005 schränkt die sachliche Unbilligkeit nicht "nur" auf den in § 3 Z.3 Fall ein, sondern zählt daneben noch die Fälle Z. 1 und 2 auf, aber "insbesondere" und nicht "nur", was semantisch einen Unterschied ausmacht. Keiner der "insbesondere"-Fälle trifft zu, also auch nicht die Z. 3.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Einhebung der Abgaben von € 79.422,83 (einschl. zuletzt vorgeschriebener Stundungszinsen) nach der Lage des Falles unbillig ist, sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht, obwohl eigentlich nur ein Element als Voraussetzung erforderlich ist, und dies damit der Abgabenbehörde die Ermessensentscheidung ermöglicht.

Für diese ist auch das Verhalten des Steuerpflichtigen von Bedeutung. Dazu ist anzuführen: Herr ***Bf1*** ist seit 1996 unselbständig tätig und hat davor und danach seine Steuern untadelig und pünktlich entrichtet.

Eventualantrag:

Sollte das Rechtsinstitut der Abgabennachsicht gem. § 236 BAO weiterhin als nicht zutreffend qualifiziert werden, wird in eventu die Löschung der fälligen Abgaben von € 79.422,83 gem. § 235 BAO beantragt, als Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen betreffend die Uneinbringlichkeit fälliger Abgaben, auf die auch bereits im bekämpften Bescheid eingegangen wurde, verwiesen."

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Beschwerdevorentscheidung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet:

"Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Die Behörde hat im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen (). Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt daher beim Nachsichtswerber (). Ihn trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht, dabei ist es seine Sache, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen ist stets die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde bzw. im Falle eines Beschwerdeverfahrens im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses durch das Verwaltungsgericht maßgeblich.

Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (, , 94/13/0047, 0049, 0050). Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (), wobei sich dieses an den Ermessenskriterien des § 20 BAO (Zweckmäßigkeit und Billigkeit) zu orientieren hat.

Die Unbilligkeit an sich ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Nachsichtsgewährung, es muss also die Einhebung der Abgabe prinzipiell möglich sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (z.B. VWGH , 2001/15/0033; , 2011/16/0190) dargetan, dass bei Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vorliegt. Ist die Abgabenschuld tatsächlich uneinbringlich, kann eine Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung nicht gegeben sein (siehe dazu auch ).

Nachsichtsanträge gem. § 236 BAO können generell nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt wäre. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher keine Einwände nachgeholt werden, die im Abgabenfestsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären ( 2003/ 13/0072).

Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, StF: BGBl. II 2005/435 kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet. Die ocit. Verordnung zählt demonstrativ Beispiele zum unbestimmten Rechtsbegriff der Unbilligkeit der Einhebung auf. Eine "sachliche" Unbilligkeit ist hingegen anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt, somit der Gesetzgeber für deren Hintanhaltung selbst hätte versorgen müssen.

Nach § 2 der Verordnung liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere vor, wenn die Einhebung

1.die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa, wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme. Eine Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles ist (hingegen) nicht anzunehmen, wenn sich an der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben würden oder nicht ().

Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse, wirtschaftliche Notlagen (), die die Existenz des Abgabepflichtigen zu gefährden drohen, können persönliche Unbilligkeiten der Einhebung indizieren. Die Frage, ob die Existenz der Person des Abgabepflichtigen gefährdet ist, ist nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden (nachsichtsverfangenen) Abgaben () zu beurteilen.

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation kann eine persönliche Unbilligkeit dann erblickt werden, wenn die Einhebung der strittigen Abgaben die Existenz gefährdet. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (, , 95/15/0053, , 94/16/0125). Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().

Nach § 3 der Verordnung liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht.

Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 beispielsweise aufgezählten Fälle - anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigen Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().

Im gegebenen Fall ist der Nachsichtsantrag gem. § 236 BAO auf persönliche und sachliche Unbilligkeit zu prüfen, auf beide wurde auch im Rechtsmittel referenziert.

Für das Finanzamt Salzburg - Land ist im Zuge der persönlichen Unbilligkeit zu prüfen, ob gerade die Einhebung der Abgabenverbindlichkeiten iHv. € 79.104,20 den Beschwerdeführer zu einer Vermögensverschleuderung zwingen würde. An verwertbarem Vermögen schlagen dabei die 25 % Beteiligung an der Fa. ***Bet1*** und die 25 % Beteiligung an der Fa. ***Bet2*** zu Buche. Die Beurteilung ihrer Verwertbarkeit kann jedoch dahingestellt bleiben, besteht doch kein Zweifel daran, dass bereits mit dem laufenden Gehalt als Geschäftsführer der Fa. ***Bet1*** eine (zumindest ratenweise) Entrichtung der oa. Abgaben möglich ist. Entgegen dem vorgelegten, einzelnen Gehaltsnachweis von Mai 2017 mit einem Auszahlungsbetrag von rd. € 635,00 ist vielmehr auf bisherige - sich schlüssig entwickelnde - steuerpflichtigen Jahreseinkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit zu verweisen:

Jahr 2013: € 41.577,38

Jahr 2014: € 40.682,89

Jahr 2015: € 41.845,08

Jahr 2016: € 45.806,10

Auch eine Abfrage im elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger ergab eine seit unveränderte - auch für den Zeitraum 2017 aufrechte - Bemessungsgrundlage iHv. € 55.080,--. An der so festgestellten fehlenden Mittellosigkeit ändert auch die Behauptung nichts, dass die Existenzgefährdung erst durch Abstattung der in Rede stehenden Abgaben bzw. durch Ablauf der Aussetzung gem. § 212a BAO infolge Beschwerdeerledigung, entstünde.

Zum Vorliegen einer sachlichen "Unbilligkeit ist festzuhalten, dass die Behauptung, wonach das Auseinanderklaffen von Grundlagen- und abgeleitetem Bescheid vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann, nicht nachvollziehbar ist:

Die Grundlagenbescheide für die ***XY*** GmbH & Co KG der Zeiträume 1995, 1996, 1998 und 2000 haben im gegebenen Fall deshalb keine Auswirkung, weil die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide von Herrn ***Bf1*** der Verjährung unterliegen, einer Bestimmung, welche nach Ablauf langer Zeit die Rechtsbeständigkeit von Bescheiden garantieren sollte. Gegen die Verjährung abgeleiteter Bescheide besteht gem. § 209a Abs. 2 BAO insofern Rechtsschutz, als dieser bestimmt, dass Abänderungen des gültig ergangenen Grundlagenbescheides stets auf die abgeleiteten Bescheide durchwirken.

Die Bestimmungen des § 209a Abs. 4 BAO stellt zudem sicher, dass auch lang andauernde Verletzungen der Entscheidungspflicht über Abgabenerklärungen für den Abgabepflichtigen nicht zum Verlust des Rechtsanspruches auf Erledigung mit Bescheid führen. Dies betrifft beispielsweise Feststellungserklärungen, wenn sich erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung abgeleiteter Abgaben (z.B. Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) etwa im Beschwerdeverfahren herausstellt, dass an Stelle eines Feststellungsbescheides gem. § 188 BAO ein Nichtbescheid erlassen wurde. Von dieser Bestimmung ist also jener Fall abgeleiteter Bescheide umfasst, welche zum Zeitpunkt der Erklärung eines Feststellungsbescheides zum Nichtbescheid noch keiner Erledigung zugeführt wurden und aufgrund der Verjährungsbestimmungen auch nicht mehr erledigt werden könnten.

Einen bereits rechtskräftigen Bescheid durch einen vollständig neuen Bescheid zu ersetzen wird durch § 209a Abs. 4 BAO hingegen nicht legitimiert, eine Durchbrechung der Rechtskraft sehen die Bestimmungen gem. § 209a BAO allgemein nicht vor.

Für die Antragstellung nach § 295 Abs 4 BAO ergibt sich durch Verweis auf § 304 BAO eine zeitliche Begrenzung. Die für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgebende Frist ist u.a. vom Eintritt der Verjährung abhängig, wobei im gegebenen Zusammenhang nur die Frist der Festsetzungsverjährung für die auf die Ausfertigung iSd § 295 Abs. 4 gestützten Änderungsbescheide in Betracht kommt. Da die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (also auch den Grundlagenbescheiden gem. § 188 BAO) keiner Verjährung unterliegt, besteht für den Fall, dass von einem Änderungsbescheid gem. § 295 Abs. 4 eine Feststellung gemeinschaftlicher Einkünfte betroffen ist, keine zeitliche Begrenzung für eine Antragstellung nach der letztgenannten Bestimmung. Eine Antragstellung führt allerdings zu keinen steuerlichen Auswirkungen mehr, wenn bezüglich der von einer etwaigen Aufhebung eines solchen Feststellungsbescheides abgeleiteten Abgaben bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die aufgezeigten Bestimmungen weisen aus, dass es im legistischen Umgang mit abgeleiteten Bescheiden sehr wohl profunde Überlegungen gab. Insbesondere wurde gerade keine Generalregelung getroffen (auch und besonders in Kenntnis der Problematik der häufig wesentlich späteren Beurteilung von Grundlagenbescheiden als "Nichtbescheiden"), welche bei fehlender Bescheidqualität des Grundlagenbescheides stets die Abänderung abgeleiteter Bescheide entgegen den Verjährungsbestimmungen ermöglichen würde. Der im § 295 Abs. 4 BAO festgelegte Rechtsschutz für 5 Jahre ab Erlassung des Grundlagenbescheides erschien dem Gesetzgeber ausreichend; wird ein entsprechender Antrag binnen dieser Frist eingebracht, ist der abgeleitete Bescheid, im Einklang Einstufung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid, aufzuheben. Es kann dem Gesetzgeber nur schwerlich zugesonnen werden, dass er das diesbezüglich mögliche Ergebnis ("Auseinanderklaffen") nicht erkannt haben soll.

Es darf apponiert werden, dass die Frage, ob Herr ***Bf1*** die ursprüngliche Beteiligung fremdfinanzierte und aufgrund der entsprechenden Kredittilgung keine Mittel zur Vorsorge der Steuernachforderung ansparen konnte, bei der Beurteilung der sachlichen Unbilligkeit keine Bedeutung hat. Dies gilt in gleicher Weise für die Frage für seinen jeweiligen Informationsstand im Abgaben- und Rechtsmittelverfahren, zumal dieser jederzeit (auch) über das zuständige Finanzamt in Erfahrung gebracht werden hätte können. Herrn ***Bf1*** war die Möglichkeit und die Höhe einer abgabenrechtlichen Nachforderung für die Zeiträume 1995, 1996, 1998 und 2000 seit dem Jahr 2003 bekannt (so kam es zur Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO). Mit der entsprechenden Nachforderung hätte er in gleicher Weise zu rechnen gehabt, wenn das Rechtsmittel negativ entschieden worden wäre.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

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Vorlageantrag

Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. durch seine steuerliche Vertretung die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und begründete den Antrag wie folgt:

"Alle in unserer Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Nachsicht vom angeführten Gründe bleiben vollinhaltlich aufrecht.

Ergänzend nehmen wir zu einzelnen Punkten der erwähnten Beschwerdevorentscheidung Stellung:

Auf Seite 8 der Beschwerdevorentscheidung werden die steuerpflichtigen Bemessungsgrundlagen 2013 bis 2016 angeführt. Dabei wird aber übersehen, dass diese die Hinzurechnung des Sachbezuges für einen PKW enthalten, dieser betrug z.B. in 2016 12x € 960, demnach insgesamt € 11.520,00, dieser Betrag erhöhte die abzuführende Lohnsteuer und verminderte durch deren Abzug bei der Gehaltsverrechnung den monatlichen Nettobezug, welche einen monatlichen Auszahlungsbetrag von € 1.854,55 ergab.

Dass die Bemessungsgrundlage seit 2015 unverändert und damit in 2017 aufrecht sei, möge für 2016 stimmen, jedoch nicht für 2017, da der Sozialversicherungsträger die einzelnen Daten zu den Dienstnehmern für 2017 erst im 1. Quartal 2018 erhält, also während des Jahres 2017 nicht den Wissensstand hat, den er erst in 2018 erhält. Damit kann die Abgabenbehörde auch nicht eine "fehlende Mittellosigkeit" festgestellt haben, wenn die Daten, auf die sich diese Feststellung beziehen, unrichtig sind.

Dazu übermitteln wir anbei 2 Gehaltszettel und 2 Beitragsnachweisungen an die Gebietskrankenkasse (unser Mandant ist der einzige Dienstnehmer) jeweils vom Oktober und November 2017, wonach die Bemessungsgrundlage für die Gebietskrankenkasse monatlich € 2.050,00 für den laufenden Bezug beträgt und nach Abzug der KFZ- Hinzurechnung ein monatlicher Auszahlungsbetrag von € 635,37 bzw. einschließlich Sonderzahlungen von € 1.508,12 verbleibt.

Die Nachforderung betreffend die Jahre 1995 bis 2000 war unserem Mandanten seit 2003 bekannt, jedoch war ihm und weiteren über 500 Beteiligten nicht vorhersehbar, dass sich 14 Jahre später herausstellt, dass die Grundlage für diese Nachforderungen nichtig ist, da damit gerechnet wurde, dass die Entscheidung über das Rechtsmittel gegen die Grundlagenbescheide positiv endet. Der in der Berufungsvorentscheidung erwähnte Hinweis, von unserem Mandanten hätte jederzeit der Stand des Abgaben- und Rechtsmittelverfahrens beim zuständigen Finanzamt (Bundesfinanzgericht?) in Erfahrung gebracht werden können, geht ins Leere, denn eine solche Nachfrage hätte ergeben, dass noch nichts entschieden, sicherlich jedoch nicht, dass Nichtigkeit der Grundlagenbescheide gegeben sei.

Die von Univ.-Prof. Dr. Reinhold Beiser monierte Rechtsschutzlücke (gemäß bereits zitierten Artikel in der Österreichischen Steuerzeitung 08/2017) bestätigt nach unserer Ansicht die sachliche Unbilligkeit nach der Lage des Falles."

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Mit Vorlagebericht vom legte das ehemalige Finanzamt Salzburg-Land dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zur Entscheidung vor.

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Mit GZ. RV/6100630/2017 wurde die Entscheidung über die Beschwerde bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ. Ra 2018/13/0098 anhängigen Verfahrens (Revision gegen das Erkenntnis des ) gemäß § 271 BAO ausgesetzt. Der Ausgang des genannten Verfahrens sei von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache, weil es sich um einen gleichgelagerten Fall betreffend Nachsicht von abgeleiteten Einkommensteuerbeschwerden im Zusammenhang mit der Nichtfeststellung von Einkünften handle.

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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/13/0098, wurde die Revision gegen das Erkenntnis des , zurückgewiesen.

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Da seit dem Ansuchen um Nachsicht nunmehr eine längere Zeit verstrichen ist, wurde der Bf. mit Schreiben des aufgefordert, seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb von drei Wochen bekanntzugeben und bei Vorhandensein von lohnsteuerpflichtigen Einkünften die aktuellen Lohnabrechnungen vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom wurde durch die steuerliche Vertretung das ausgefüllte Formular betreffend Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. übermittelt.

Die Pensionseinkünfte gemeinsam mit der Gattin betrügen netto monatlich € 3.008,05. Seit beziehe er als Selbständiger Provisionseinkünfte . Abzüglich der Kosten verbleibe ein Gewinn in Höhe von € 5-7.000,00. Der Bf. sei nicht unterhaltspflichtig, die monatlichen Betriebskosten betrügen ca € 800,00.

Weitere Angaben des Bf.:

Ab sei der Bf. als Versicherungsvermittler ohne "back Office" selbständig tätig. Diese zeitweise Tätigkeit führe zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, welche neben den Pensionseinkünften der KeSt unterlägen, aber zeitnah beendet würden, da sich für den Bf. zwei Problemfelder ergeben hätten: Einerseits seien damit aufgrund gesetzlicher Weiterbildungserfordernisse (Seminare) mit Kosten verbunden, denen nicht ausreichend Einnahmen gegenüberstünden, sodass sich diese Einkunftsart nicht rechne, andererseits habe der Bf. zunehmend gesundheitliche Probleme verbunden mit mehrtägigen Krankenhaus- und Reha- Aufenthalten, die eine dauerhafte selbständige Tätigkeit mit Kundenkontakten seit 2021 verhindern würden (2 Knieoperationen, Schulter OP, Krebs-OP/Karzinom).

Zu den Verbindlichkeiten: Im Rahmen einer Umschuldung sei bei der ***Bank1*** im Jahr 2019 ein Darlehen aufgenommen worden, welches mit dem Bf. nur am Rande zu tun gehabt habe, mit seiner Frau ***F.*** und seinem Sohn ***S*** als Darlehensnehmer. Die Bank habe darauf bestanden, dass auch der Bf. als Darlehensnehmer aufscheine. Das monatliche Tilgungserfordernis betrage € 2.450,00.

Beigelegt wurden Ablichtungen der Verständigung über die Leistungshöhe der Pensionsversicherungsanstalt zum : Der Bf. bezieht demzufolge netto € 2.423,31, seine Gattin € 585,04.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am erließ die belangte Behörde geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995, 1996, 1998 und 2000, die Nachforderungen in Höhe von € 48.142,12, € 2.057,22, € 3.393,82 und € 1.548,51 und Anspruchszinsen in Höhe von € 103,78 nach sich zogen. Ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheide 1995, 1996, 1998 und 2000 wurde nicht erhoben.

In der Folge wurden Anträge auf Aussetzung der Einhebung bewilligt, woraus Aussetzungszinsen in der Höhe von € 13.230,52, € 1.615,35 und € 9.115,29 entstanden.

Am hat der Bf. einen Nachsichtsantrag gestellt, der die Einkommensteuernachforderungen, die Anspruchszinsen und die Aussetzungszinsen umfasst. Strittig ist, ob die Abweisung dieses Antrages zu Recht erfolgte.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich grundsätzlich aus den vorgelegten Aktenteilen und sind unstrittig.

Die Feststellung, dass gegen den Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995, 1996, 1998 und 2000 vom kein Rechtsmittel erhoben wurde, ergibt sich unter anderem aus den Ausführungen in der Beschwerde vom ; darin wird erläutert, dass Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid nur im Verfahren gegen diesen, nicht jedoch gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht werden könnten.

Rechtsgrundlagen:

§ 236 BAO lautet:

§ 236. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.

§§ 1 - 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO (BGBl. II Nr. 435/2005 idF BGBl. II Nr. 236/2019) lauten:

§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 236 Abs. 1 und 2 BAO können fällige, aber auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, wonach die "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" wäre (). Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (; sowie Stoll, BAO, 583).

Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Bei Prüfung eines Nachsichtsansuchens sind alle Umstände des Einzelfalles, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung (Rechtsmittelentscheidung), zu berücksichtigen, um zur Erkenntnis zu gelangen, ob Unbilligkeit vorliegt (; ).

Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. , mwN). Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen ().

Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine solche Unbilligkeit nicht gelegen ().

Die sachliche Unbilligkeit muss in der Vorschreibung jener Abgaben gelegen sein, deren Nachsicht begehrt wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn es durch das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände im Einzelfall zu einer Abgabenbelastung kommt, die zwar dem materiellen Recht entspricht, vom Gesetzgeber aber offensichtlich weder beabsichtigt, noch bewusst in Kauf genommen wurde ().

Die Einziehung ist nur dann nach der Lage des Falles unbillig, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (). Kann der Umstand auch bei allen anderen Abgabenpflichtigen in der gleichen Lage eintreten und hätte der Gesetzgeber ihn daher voraussehen können, kann daraus keine Unbilligkeit abgeleitet werden ().

Mit trat § 295 Abs. 4 BAO mit folgendem Wortlaut in Geltung:

"Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder einesBescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 159/2019-13, G 226/2019-11, G 248/2019-8 der Bundeskanzlerin zugestellt am , zu Recht erkannt, dass der Satz "Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen." in Abs. 4 idF BGBl. I Nr. 76/2011 verfassungswidrig war (vgl. BGBl. I Nr. 2/2020).

Mit trat § 295 Abs. 4 BAO in folgender Fassung in Geltung:

"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalteines Feststellungsbescheides (§ 188) odereines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."

Durch eine Nachsicht können nur solche Auswirkungen der Abgabenvorschriften gemildert werden, die der Gesetzgeber nicht selbst vorhergesehen hat (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 87/17/0146, und vom , Zl. 93/17/0007).

Ein Grund für die Einführung des Antragsrechtes war, dass hiedurch vorsorglich gegen auf § 295 Abs. 1 gestützte Änderungsbescheide eingebrachte Rechtsmittel (mit der Behauptung, es liegen Nichtbescheide vor) vermieden werden sollen (vgl. ErlRV 1212 BlgNR 24. GP, 31).

Gerade im Hinblick auf § 295 Abs. 4 BAO kann nicht behauptet werden, dass der Gesetzgeber die Problematik im Zusammenhang mit Einkünfte-Feststellungsbescheiden, bei denen sich später herausstellt, dass sie keine rechtlichen Wirkungen haben, nicht bedacht (vorhergesehen) habe.

Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht von einer vorteilhaften gesetzlichen Bestimmung profitieren kann, die erst nach Verwirklichung des ihn betreffenden Sachverhalts eingeführt wurde, führt entgegen der Zulässigkeitsbegründung der Revision in der Regel nicht dazu, dass eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt. Es würden vielmehr die Inkrafttretensbestimmungen gesetzlicher Regelungen umgangen werden, wenn eine Rechtslage über den Umweg der Nachsicht bereits für Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten wirksam werden würde.

Nachdem der Gesetzgeber für Anträge gemäß § 295 Abs. 4 BAO (beide Fassungen) eine Frist festgelegt hat, war diesem auch bewusst, dass das Gesetz in jenen Fällen, in denen die Frist nicht erfüllt wird, nicht zur Anwendung kommt.

Der VwGH führt im Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, aus:

"18 Der Revisionswerber hat gegen die Einkommensteuerbescheide aber keine Rechtsmittel erhoben und damit für den Fall einer späteren Zurückweisung der Rechtsmittel gegen die als Grundlagenbescheide herangezogenen Erledigungen das Erfordernis einer Rechtskraftdurchbrechung entstehen lassen, wobei Wiederaufnahmen nach Eintritt der Verjährung nur mehr unter den in § 304 BAO normierten Bedingungen (nach damaliger Rechtslage: Antragstellung binnen fünf Jahren nach Rechtskraft) möglich sein konnten. Dass der Gesetzgeber in § 295 Abs. 4 BAO in der Folge ein für den Fall des Vorliegens einer Zurückweisung vereinfachtes, aber ebenfalls an die Bedingungen des § 304 BAO geknüpftes Verfahren zur Aufhebung von einem Nichtbescheid abgeleiteter Bescheide einführte, bedeutete in Bezug auf die für Wiederaufnahmen geltende zeitliche Begrenzung der Geltendmachung der fehlenden Bescheidqualität des Grundlagenbescheides keine Änderung. Die Beibehaltung dieser Begrenzung beschränkte nur die Wirksamkeit der Gesetzesänderung in Bezug auf den zweiten mit ihr verfolgten Zweck - Vermeidung vorsichtshalber erhobener Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Bescheide - auf den Entfall des nach damaliger Rechtslage bestehenden Risikos, mit einem Wiederaufnahmsantrag wegen groben Verschuldens infolge von Anfang an ausreichender Erkennbarkeit des Fehlens der Bescheidqualität nicht durchzudringen (vgl. auch insoweit die schon zitierten Erläuterungen, a.a.O., 30, die diesen Aspekt der aufwändigen Wiederaufnahmsverfahren hervorheben). Eine Planwidrigkeit ist in der Beibehaltung der zeitlichen Begrenzung daher nicht zu erkennen."

Sieht das Gesetz für eine bestimmte Gruppe von Fällen Begünstigungen vor, so stellt die Nichtanwendung des Gesetzes auf andere, vom Gesetz nicht umschriebene Fälle keine unbillige Härte dar ( Zl. 0273/70).

Durch eine Nachsicht können nur solche Auswirkungen der Abgabenvorschriften gemildert werden, die der Gesetzgeber nicht selbst vorhergesehen hat (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 87/17/0146, und vom , Zl. 93/17/0007).

Die Anwendung des Gesetzes genereller Normen bei der Abgabenfestsetzung bewirkt oftmals gewisse Härten, die aber vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen werden. Solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härten vermögen für sich allein keine Unbilligkeit nach § 236 BAO zu begründen.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Die in Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG enthaltene Regelung, dass die aufgehobenen Vorschriften auf die vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden und nur die Anlassfälle davon ausgenommen sind, führt notwendigerweise dazu, dass die Anlassfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebenso wenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. Zl. 89/13/0266, , Zl. 91/13/0170, und vom , Zl. 97/17/0400).

Im Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, betreffend Zurückweisung von Anträgen gemäß § 295 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1998 und 1999 führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Dem Revisionswerber wäre es von Anfang an freigestanden, die abgeleiteten Bescheide mangels Bescheidqualität der ihm bekannten Erledigungen, auf die sie sich gründeten, mit Berufung zu bekämpfen. Ein solches Vorgehen - im vorliegenden Fall im Jahr 2007, also noch vor Einführung des § 295 Abs. 4 BAO - war bei möglichen Zweifeln an der Bescheidqualität, wie sie hier auf Grund der Adressierung der Erledigungen nur jeweils an die Gesellschaft und an den Revisionswerber als einen von mehreren Kommanditisten nahe lagen, auch üblich, was - neben dem schon erwähnten Ziel einer Vermeidung aufwändiger Wiederaufnahmsverfahren - unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung der Verwaltung zur Einführung der neuen Antragsmöglichkeit beitrug (vgl. den diesbezüglichen, vom Revisionswerber nur auszugsweise zitierten Teil der Erläuterungen, a. a.O., 31)."

Der Bf. hat nicht vorsorglich ein Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995, 1996, 1998 und 2000 eingebracht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, dient eine Nachsicht nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Berufungen, nachzuholen ().

Zwar wurde das hier gegenständliche Nachsichtsverfahren bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ. Ra 2018/13/0098 anhängigen Verfahrens (Revision gegen das Erkenntnis des ) gemäß § 271 BAO ausgesetzt, jedoch wurde die Revision mit Beschluss vom , zurückgewiesen. Die maßgeblichen Ausführungen lauten:

"4Der Revisionswerber stellte am einen Antrag, näher bezeichnete Beträge betreffend die Einkommensteuer 2005 und 2006 sowie Anspruchszinsen gemäß § 236 BAO nachzusehen. Mit späteren Eingaben ergänzte er diesen Antrag um Nachsicht betreffend Aussetzungszinsen sowie um Stundungszinsen.

5 Das Finanzamt wies die Anträge ab und erließ nach Erhebung einer Beschwerde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Nach Stellung eines Vorlageantrages wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren wurde vorgebracht, dass mit unter anderem als Feststellungsbescheide intendierte Erledigungen über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 und 2006 der PL OEG ergangen seien. In der Folge habe das Finanzamt mit gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheiden vom die Einkommensteuer des Revisionswerbers für die Jahre 2005 und 2006 neu festgesetzt. Die rechtzeitig erhobene Berufung gegen die Erledigungen über die Feststellung von Einkünften sei vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen worden, es handle sich dabei um Nichtbescheide. Der am gestellte Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wurde wegen Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zurückgewiesen. Es liege eine sachliche Unbilligkeit vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Dass der Abgabepflichtige allein die Folgen der Fehler mehrerer im Verfahren beteiligten Behörden tragen solle, begründe eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es aus, dass eine Unbilligkeit nicht vorliege, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen sei. Eine solche Unbilligkeit müsse stets eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein. Unter Unbilligkeiten im Sinne des § 236 BAO könnten nur solche Härten, unzumutbare Eingriffe, unverständliche Ergebnisse und subjektiv oder objektiv unerträgliche behördliche Maßnahmen zu verstehen sein, die im Bereich der Einhebung liegen und nicht auch solche, die im Abgabenrecht selbst und damit in der Stufe der Anwendung des materiellen Rechts und damit in der Abgabenfestsetzung ihren Grund haben. Solchen Mängeln sei in dem Bereich zu begegnen, in dem sie entstanden seien, nämlich im Festsetzungsverfahren und in den gegen die Festsetzung möglichen Rechtszügen. Der Revisionswerber habe nicht vorsorglich ein Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide und Anspruchszinsenbescheide 2005 und 2006 eingebracht, sodass von einer ausnahmsweise unverschuldeten Unmöglichkeit einer Rechtsverfolgung keine Rede sein könne. Es sei zwar einzuräumen, dass die Unabänderbarkeit der Einkommensteuerbescheide und Anspruchszinsenbescheide infolge Eintritts der Verjährung eine gewisse Härte darstelle, diese Härte sei aber vom Gesetzgeber offenbar gewollt, es sei im vorliegenden Fall kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Eine Nachsicht würde unzulässigerweise das geltende Gesetz umgehen. Eine solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härte vermöge für sich keine Unbilligkeit nach § 236 BAO zu begründen.

(…)

9 Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. Ra 2018/15/0014, mwN). Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen ( 2004/16/0077).

10 Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass im Revisionsfall ein solcher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellter Einzelfall vorliegt und die angefochtene Entscheidung somit von dieser Rechtsprechung abweicht. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht von einer vorteilhaften gesetzlichen Bestimmung profitieren kann, die erst nach Verwirklichung des ihn betreffenden Sachverhalts eingeführt wurde, führt entgegen der Zulässigkeitsbegründung der Revision in der Regel nicht dazu, dass eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt. Es würden vielmehr die Inkrafttretensbestimmungen gesetzlicher Regelungen umgangen werden, wenn eine Rechtslage über den Umweg der Nachsicht bereits für Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten wirksam werden würde.

11 Insoweit die Revision in diesem Zusammenhang die Einführung der §§ 188 Abs. 5 und 295 Abs. 4 BAO als "begünstigende Rechtsvorschriften" anspricht, ist darauf zu verweisen, dass ein Fall des § 188 Abs. 5 BAO hier nicht vorlag. In Bezug auf § 295 Abs. 4 BAO ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber ohnedies einen solchen Antrag gestellt hat. Dass dieser nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat, lag an den vom Gesetzgeber vorgesehenen - vom Verfassungsgerichtshof mittlerweile als verfassungswidrig aufgehobenen ( G 159/2019 u.a.) - Einschränkungen.

12 Der Revisionswerber hat die Zurückweisung seines Antrages auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO allerdings nicht bekämpft. Eine allfällige Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides ist mit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid zu bekämpfen; das gilt auch für eine potentielle Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt daher weder ein Rechtsmittelverfahren noch ein Beschwerdeverfahren oder ein Revisionsverfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (vgl. 91/14/0079 bis 0081, mwN).

13 Der Umstand, dass die seinerzeitige Zurückweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhte, führt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. grundlegend 2305/61, und aus der ständigen Rechtsprechung etwa , 2006/16/0007, mwN)."

Daraus folgt, dass der VwGH von der zitierten Rechtsprechung nicht abgewichen ist, somit bei einem nahezu gleichgelagerten Sachverhalt keine sachliche Unbilligkeit erkannt hat.

Es ist dem Bf. zwar einzuräumen, dass die Unabänderbarkeit der Einkommensteuerbescheide (infolge Nichtanwendbarkeit des § 295 Abs. 4 BAO) eine gewisse Härte darstellt, diese Härte ist aber vom Gesetzgeber offenbar gewollt, es ist im vorliegenden Fall kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Eine Nachsicht würde unzulässiger Weise das geltende Gesetz umgehen. Eine solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härte vermag für sich keine (sachliche) Unbilligkeit zu begründen.

Nachsicht für Anspruchszinsen:

Der Zweck der Anspruchszinsenregelung besteht darin, mögliche Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben, auszugleichen. Entscheidend ist dabei die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen, nicht, ob tatsächlich Zinsen in Höhe der festgesetzten Anspruchszinsen lukriert werden konnten. Nach § 205 Abs. 1 BAO sind jeweils Differenzbeträge zu verzinsen, insbesondere jene, die sich aus einer Gegenüberstellung einer neuerlichen Abgabenfestsetzung mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben. Bei Abänderungen von Abgabenfestsetzungen ergibt sich der zinsenrelevante Differenzbetrag also aus der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe abzüglich der bisher vorgeschriebenen Abgabe (). Die Vorschreibung der Anspruchszinsen stellt daher eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die jeden vom betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen gleichermaßen trifft. Eine sachliche Unbilligkeit ist darin nicht zu erblicken.

Nachsicht für Aussetzungszinsen:

Eine beantragte Aussetzung der Einhebung führt grundsätzlich zu Aussetzungszinsen. Die Einhebung von Aussetzungszinsen ist im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst wurden, nicht sachlich unbillig, zumal den Aussetzungszinsen der Aspekt des Zinsengewinnes durch den Zahlungsaufschub beim Abgabepflichtigen gegenübersteht (; ). Sollen Aussetzungszinsen vermeiden oder gering gehalten werden, kann entweder von einer Antragstellung gemäß § 212a Abs. 1 BAO Abstand genommen werden oder es kann - wenn ein Antrag auf Aussetzung bereits bewilligt wurde - der dadurch bewirkten Zahlungsaufschub jederzeit durch die in § 212a Abs. 8 BAO vorgesehene Tilgung beendet werden (vgl. ). Insofern liegt auch hinsichtlich der Aussetzungszinsen keine Unbilligkeit vor.

Die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten könnte jedoch persönlich bedingt sein:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Nachsicht nach § 236 BAO ausgesprochen, dass eine persönliche Unbilligkeit einer Abgabenbelastung in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen besteht. Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet (). Diese Existenzgefährdung müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein. Eine Verminderung der Liquidität reicht jedoch für die Annahme einer Existenzgefährdung nicht aus ().

Mit Eingabe vom hat der Bf. seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt. Er ist Pensionist, und bezieht monatlich netto € 2.423,31 (Nachweis: Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt vom über die Leistungshöhe zum ).

Weiters ist der Bf. seit als Versicherungsvermittler tätig, der jährliche Gewinn (Provisionseinkünfte) beträgt jährlich € 5.000,00-7.000,00.

Es bestehen keine Unterhaltspflichten.

Als Verbindlichkeiten wurden die monatlichen Lebensunterhaltskosten in Höhe von € 800,00 angegeben, sowie ein Kredit bei der ***Bank1*** zu dem der Bf. ausführte:

Im Rahmen einer Umschuldung bei der ***Bank1*** im Jahr 2019 ein Darlehen aufgenommen, welches mit mir nur am Rande zu tun hatte, mit meiner Frau (..) und meinem Sohn (..) als Darlehensnehmer: die Bank bestand darauf, dass auch ich als Darlehensnehmer aufscheine. Das monatliche Tilgungserfordernis beträgt € 2.450,00."

Gemäß dem allgemeinen Einkommensbericht für das Jahr 2020 der Statistik Austria belief sich das mittlere Nettojahreseinkommen auf € 22.958,00.

In Anbetracht des über dem Durchschnitt liegenden Einkommens des Bf. und dem Umstand, dass ihm nach Abzug der Lebensunterhaltekosten zumindest € 1.600,00/Monat verbleiben, erscheint dem Bundesfinanzgericht die Reduktion des Abgabenrückstandes mittels monatlicher Ratenzahlung möglich und zumutbar.

Dass die Tilgungszeit mehrere Jahre betragen würde, vermag keine Unbilligkeit zu begründen.

In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des zu verweisen, in dem ausgeführt wird: "Dass die Tilgungszeit, nach den Berechnungen in der Beschwerde, in diesem Fall rd. 23 Jahre betragen würde, vermag noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen."

Können Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht (vgl. ; ).

Zum Darlehen wird bemerkt, dass dieses nach der Einbringung des Nachsichtsansuchens aufgenommen wurde. Der Bf. hat dargetan, dass Darlehensnehmer seine Gattin und sein Sohn seien. Er scheine nur auf Wunsch des Kreditgebers als Darlehensnehmer auf. Der Bf. hat zwar dargetan, dass die monatliche Tilgungsrate € 2.450,00 beträgt, nicht jedoch, ob er tatsächlich an der Tilgung der Raten bzw. in welcher Höhe beteiligt ist.

Scheint der Bf. nur formell als Darlehensnehmer auf und erfolgt die Rückzahlung tatsächlich durch die anderen Darlehensnehmer, wird der Bf. (zumindest derzeit) durch den Kredit nicht belastet.

Leistet der Bf. Kreditrückzahlungen, wäre eine Nachsicht jenen Abgabepflichtigen gegenüber unbillig, die ihre Abgabenschuldigkeiten nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten zu entrichten beabsichtigen und hiefür sogar einen Kredit aufnehmen. Hat der Bf. - wie im vorliegenden Fall - trotz Kenntnis der Verpflichtung der Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten nach Einbringung des Nachsichtsansuchens einen Kredit, wenn auch nur anteilig, aufgenommen, dessen Mittel offenbar nicht dem Bf. sondern den weiteren Kreditnehmern zufließen sollen (der Bf. hat dargetan, dass der Kredit mit ihm nur am Rande zu tun habe, da er auf Wunsch der Bank als zusätzlicher Kreditnehmer aufscheine), und leistet in der Folge anteilige Kreditrückzahlungen, lässt dies in Wahrheit eher auf die mangelnde Bereitschaft des Bf., seine abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, als auf eine tatsächliche persönliche Unbilligkeit schließen. Eine Existenzgefährdung durch die Einhebung der nachsichtsverfangenen Abgaben ist damit keineswegs zweifelsfrei dargetan, denn eine solche müsste gerade durch diese Abgaben verursacht sein, sodass sie mit einer Nachsicht (dieser Abgaben) abgewendet werden könnte ().

Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kreditgläubiger befriedigt werden, jedoch der Abgabengläubiger auf seine Forderung verzichten soll. Eine derartige Ungleichbehandlung verschiedener Gläubiger ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Käme die Nachsicht nur anderen Gläubigern zugute, so ist die persönliche Unbilligkeit der Einhebung zu verneinen (vgl. dazu - mit weiteren Nachweisen - das Erkenntnis vom , Ra 2015/13/0044).

Der Gesundheitszustand des Bf. kann nur insoweit mit der Einbringung von Abgaben in Zusammenhang gebracht werden, als ihm durch diesen Umstand die Entrichtung von Steuerschulden erschwert wird ().

Einen solchen Sachverhalt hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Da im vorliegenden Fall sowohl das Vorliegen einer sachlichen als auch persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen war, diese Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles jedoch tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, blieb für eine Ermessensentscheidung () kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100630.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at