Von einem Unionsbürger abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7103648/2022-RS1 | |
RV/7103648/2022-RS2 | Nimmt ein Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch, gilt nach Art. 6 RL 2004/38/EG und nach Art. 7 RL 2004/38/EG sein Aufenthaltsrecht auch für die ihn begleitenden Familienangehörigen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 RL 2004/38/EG. |
RV/7103648/2022-RS3 | Ein mit dem Stiefelternteil in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebendes minderjähriges Stiefkind ist als Familienangehöriger des Stiefelternteils anzusehen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2*** ***3***, ***4***, ***5***, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom , mit welchem der Antrag "vom " auf Familienbeihilfe für die im Juni 2010 geborene ***6*** ***7*** (Sozialversicherungsnummer ***8***) für den Zeitraum September 2020 bis Oktober 2021 abgewiesen wurde, Ordnungsbegriff ***9***, mit Beschwerdevorentscheidung vom für den Zeitraum September 2021 bis Oktober 2021 aufgehoben, mit Vorlageantrag vom angefochten für den Zeitraum September 2020 bis August 2021, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Soweit der angefochtene Bescheid noch dem Rechtsbestand angehört, wird er ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Antrag vom
Am langte beim Finanzamt ein mit Formulars Beih 100-PDF gestellter und mit datierter Antrag der Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** ***3*** auf Familienbeihilfe ein, in dem die Bf angab: Die Antragstellerin sei serbische Staatsbürgerin, verheiratet mit ***10*** ***3***, rumänischer Staatsbürger, und wohne in ***4***, ***5***, Österreich. Sie verfüge über einen gültigen Aufenthaltstitel. Familienbeihilfe werde ohne Angabe eines Beginndatums für die im Juni 2010 geborene ***6*** ***7***, serbische Staatsbürgerin, Tochter der Antragstellerin und bei ihr wohnhaft, beantragt. ***6*** ***7*** gehe zur Schule.
Beigefügt waren:
Kopie des serbischen Reisepasses der Antragstellerin mit Grenzübertrittsvermerken , , , .
Aufenthaltskarte EU-Familienangehöriger gemäß Art. 10 RL 2004/38/EG, "Freier Zugang zum Arbeitsmarkt", ausgestellt für ***1*** ***2*** ***3*** am in Wien von der MA 35, gültig bis .
Meldebescheinigung vom , wonach die Antragstellerin seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in ***4***, ***5***, Österreich, habe.
Schulbesuchsbestätigung einer öffentlichen Mittelschule in Wien vom , wonach ***6*** ***7*** die erste Klasse im Schuljahr 2020/21 besuche.
Aufenthaltskarte EU-Familienangehöriger gemäß Art. 10 RL 2004/38/EG, "Freier Zugang zum Arbeitsmarkt", ausgestellt für ***6*** ***7*** am in Wien von der MA 35, gültig bis .
Kopie des serbischen Reisepasses der Tochter mit Grenzübertrittsvermerken , , .
Meldebescheinigung vom , wonach die Tochter seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in ***4***, ***5***, Österreich, habe.
-Meldebescheinigung vom , wonach der Ehegatte ***10*** ***3***, seit diesem Tag seinen Hauptwohnsitz in ***4***, ***5***, Österreich, habe.
Kopie des rumänischen Reisepasses des Ehegatten.
Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innnen und Schweizer Bürger/-innen gemäß Richtlinie 2004/38 (EG) iVm Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für ***10*** ***3*** als Arbeitnehmer (§ 51 Abs. 1 Z 1 NAG) vom .
Antrag vom
Am langte beim Finanzamt ein weiterer mit Formulars Beih 100-PDF gestellter Antrag der Bf ***1*** ***2*** ***3*** auf Familienbeihilfe ein. Auf Seite 1 befindet sich ein Vermerk "Ansuchen von 09/2020 - 11/2021". Die Antragstellerin sei serbische Staatsbürgerin, verheiratet mit ***10*** ***3***, rumänischer Staatsbürger, und wohne in ***4***, ***5***, Österreich. Sie verfüge über einen gültigen Aufenthaltstitel. Familienbeihilfe werde ohne Angabe eines Beginndatums an der vorgesehenen Stelle im Formular für die im Juni 2010 geborene ***6*** ***7***, serbische Staatsbürgerin, Tochter der Antragstellerin und bei ihr wohnhaft, beantragt. ***6*** ***7*** gehe zur Schule.
Beigefügt waren:
Schulbesuchsbestätigung einer öffentlichen Mittelschule in Wien vom , wonach ***6*** ***7*** die erste Klasse im Schuljahr 2020/21 besuche.
Dem Antrag war ein Schreiben vom beigelegt, wonach sie nochmal einen Antrag auf Familienbeihilfe für ihre Tochter schicke, da diese mit September 2020 in die Hauptschule gekommen sei. Sie habe von November 2021 bis Mai 2022 die Familienbeihilfe bereits ausbezahlt erhalten. Ihr sei telefonisch gesagt worden, sie solle nochmal einen Antrag schicken mit dieser Erklärung und Schulbestätigung. "Dass heisst ich habe Anspruch auf Familienbeihilfe seit 09/2020 laut ihren Kollegen und meinem Anwalt!"
Bescheid
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag "vom " auf Familienbeihilfe für die im Juni 2010 geborene ***6*** ***7*** für den Zeitraum September 2020 bis Oktober 2021 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt:
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Der Bescheid wurde laut Zustellnachweis am zugestellt.
Beschwerde
Mit am eingelangtem Schreiben beantragte die Bf "Bescheidaufhebung des Abweisungsbescheides vom laut § 299 BAO", was vom Finanzamt als (rechtzeitige) Beschwerde gemäß § 243 BAO gewertet wurde und führte aus:
Ich beziehe mich auf den Abweisungsbescheid und beantrage eine Bescheidaufhebung, da meine Tochter und ich seit 2020 in Österreich leben.
Habe bereits am für die Aufenthaltskarte beantragt als Angehörige EU-Bürger, siehe Beilagen es at jedoch länger gedauert bis es bearbeitet wurde.
Meine Tochter hat auch hier die Schule besucht und wir haben erst am ab 9/21 die Karten bekommen, siehe Beilagen da es da fertig war.
Ich bitte um nochmalige Bearbeitung da wir das Recht haben, nur das das Magistrat auch durch die Pandemie länger gebraucht hat.
Beigefügt waren:
ein Foto des Abweisungsbescheids,
eine Einreichbestätigung des Amts der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Einwanderung und Staatsbürgerschaft, EWR vom , wonach ***1*** ***2*** ***3*** am einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angeh. eines EWR- oder Schweizer Bürgers) gestellt habe,
eine weitere Bestätigung vom , wonach am auch ein diesbezüglicher Antrag für ***6*** ***7*** gestellt worden sei,
eine Einreichbestätigung vom an ***6*** ***7***, wonach bestätigt wird, dass diese am einen diebezüglichen Antrag gestellt habe,
die Bestätigung der Entrichtung einer Gebühr von € 97,50 vom ,
eine Schulnachricht einer Mittelschule in Wien für das Schuljahr 2020/21, wonach ***6*** ***7*** im Wintersemester dieses Schuljahres die Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 SchOG besucht habe und gemäß § 18 Abs. 14 SchUG nicht beurteilt worden sei,
eine Schulbesuchsbestätigung vom , wonach ***6*** ***7*** die Mittelschule als außerordentliche Schülerin iS §§ 3, 4 SchUG vom bis besucht habe und trotz Besuches der Deutschförderklasse bzw. des Deutschförderkurses gemäß § 25 Abs. 5c bzw. 5d SchUG zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei.
Aufenthaltskarte EU-Familienangehöriger gemäß Art. 10 RL 2004/38/EG, "Freier Zugang zum Arbeitsmarkt", ausgestellt für ***6*** ***7*** am in Wien von der MA 35, gültig bis .
Aufenthaltskarte EU-Familienangehöriger gemäß Art. 10 RL 2004/38/EG, "Freier Zugang zum Arbeitsmarkt", ausgestellt für ***1*** ***2*** ***3*** am in Wien von der MA 35, gültig bis .
Auszug aus dem Heiratsregister, wonach ***1*** ***2*** ***3*** mit ***10*** ***3*** seit dem November 2019 verheiratet ist.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise (für den Zeitraum September 2021 bis Oktober 2021) statt:
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Sie und Ihr Kind ***6*** haben unbestrittenermaßen von September 2020 bis August 2021 keinen Aufenthaltstitel nach dieser neuen gesetzlichen Bestimmung.
Damit besteht der Ausschlussgrund des § 3 FLAG 1967 und hat der Beihilfenwerber keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Ausführungen zum ständigen Aufenthalt des Kindes in Österreich und zum Bestehen des Mittelpunktes der Lebensinteressen in Österreich müssen nicht näher geprüft werden, da es sich dabei um Anspruchsvoraussetzungen handelt, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen auf Grund des Bestehens des Ausschlussgrundes nach § 3 FLAG 1967 nicht relevant ist.
Der Aufenthaltstitel (NAG) wurde von bis erteilt.
Da die Abgabenbehörde ihre Entscheidungen lediglich im Sinne der Gesetze treffen kann, ist die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2020 bis August 2021 zu Recht erfolgt.
Der Beschwerde wurde für den Zeitraum September 2021 bis Oktober 2021 stattgegeben.
Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
Die Beschwerdevorentscheidung wurde laut Zustellnachweis am zugestellt.
Vorlageantrag
Mit am eingelangtem Schreiben stellte die Bf ***1*** ***2*** ***3*** ersichtlich Vorlageantrag hinsichtlich des abweisenden Teils der Beschwerdevorentscheidung:
Ich beziehe mich auf Bescheid vom und reiche Beschwerde ein, da ich seit 9/21 in Österreich lebe mit meiner Tochter und auch rechtzeitig alles eingereicht habe, leider hat das MA35 1 Jahr für die Bearbeitung gebraucht wegen der Anmeldebescheinigung. Ich sehe nicht ein das ich wegen der MA 35 weil die 1 Jahr gebraucht haben jetzt keine Familienbeihilfe bekomme.
Ich habe das Recht darauf und bitte um nochmalige Bearbeitung von 9/20 bis 8/21
Ein Formular Beih 100-PDF war beigefügt, in dem die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ***6*** ***7*** für den Zeitraum 09-08/21 beantragt wird, Grund "lebt in AT".
Vorlage
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:
Bezughabende Normen
Sachverhalt und Anträge
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am einen Antrag auf Familienbeihilfe. Nach einem Vorhalteverfahren und amtsinternen Erhebungen zum Vorliegen eines Aufenthaltstitels wurde ihr die Familienbeihilfe für den Zeitraum 11/2021-11/2022 zugesprochen. Im Mai 2022 langte ein erneuter Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum 09/2020-11/2021 beim Finanzamt ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid abgewiesen, da weder die Bf. noch das Kind in diesem Zeitraum über einen gültigen Aufenthaltstitel iSd FLAG verfügten.
Gegen diesen Bescheid wurde ein Aufhebungsantrag eingebracht, der als Beschwerde umqualifiziert wurde, und begründend ausgeführt, dass die Aufenthaltskarten bereits am beantragt worden waren, diese jedoch erst im September 2021 ausgestellt wurden. Die Bf. treffe keine Schuld an der langen Verfahrensdauer.
Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewiesen, dass sowohl die Bf. als auch das Kind im beantragten Zeitraum keinen gültigen Aufenthaltstitel hatten. Dies geht aus dem Fremdenregisterauszug hervor.
Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag.
Beweismittel:
laut Aktenkonvolut
Stellungnahme:
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Gemäß § 20 NAG beginnt die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels nach § 8 NAG bei Erstaus-stellung mit dem Ausstellungsdatum. Eine rückwirkende erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels ist nicht vorgesehen. Die bloße Antrag-stellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iS § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel iS § 8 NAG liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt der Kinder in Österreich gegeben (vgl 2006/18/0089; , 2008/18/0094; , 2009/18/0061; , 2010/16/0175; RV/7104253/2015).
Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach § 3 Abs 1 und Abs 2 FLAG darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs 1) und das anspruchsvermittelnde Kind (Abs 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 (oder eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 9) NAG besteht.
Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf FB, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt (vgl RV/1133-W/07).
Das Finanzamt beantragt daher, die Beschwerde abzuweisen.
Akteninhalt
Im elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt ist enthalten:
Am legte die Bf ***1*** ***2*** ***3*** dem Finanzamt die Seite 1 eines Arbeiter-Dienstvertrags betreffend ihres Ehegatten ***10*** ***3*** (Beginn ), die Geburtsurkunde für ihre Tochter ***6*** ***7*** (Eltern: ***1*** ***2*** ***3***, Vater ***11*** ***7***) und eine Bestätigung der Vormerkung zur Arbeitssuche des AMS für die Bf ab vor und gab an, dass sie etliche erfolglose Bewerbungen hinter sich habe und Deutschkurse besuchen werde.
Abfrage aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister betreffend ***6*** ***7***. Eine Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers) sei am (bis ) auf Grund eines Antrags vom ausgestellt worden. Der Erstantrag sei am gestellt worden.
Abfrage aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister betreffend ***1*** ***2*** ***3***. Eine Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers) sei am (bis ) auf Grund eines Antrags vom ausgestellt worden. Der Erstantrag sei am gestellt worden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf ***1*** ***2*** ***3*** ist serbische Staatsbürgerin und seit November 2019 mit ***10*** ***3***, rumänischer Staatsbürger, verheiratet. Ihre im Juni 2010 geborene Tochter ***6*** ***7*** ist serbische Staatsbürgerin. ***10*** ***3*** ist der Stiefvater von ***6*** ***7***. Die Familie wohnt in Österreich in ***4***, ***5***. Laut Meldebestätigungen ***10*** ***3*** seit , ***1*** ***2*** ***3*** seit und ***6*** ***7*** seit . Am 8.9.202 beantragte ***1*** ***2*** ***3*** für sich und ihre Tochter ***6*** ***7*** die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers), die dann am , mehr als ein Jahr nach Antragstellung, ausgestellt wurde. ***6*** ***7*** geht seit dem Schuljahr 2020/2021 in Österreich in die Schule. ***10*** ***3*** ist in Österreich nichtselbständig beschäftigt, und zwar während des ganzen Jahres 2019, im zweiten Halbjahr 2020 sowie von März bis Juli 2021 und von November bis Dezember 2021, dazwischen Arbeitslosengeldbezug, die Bf ***1*** ***2*** ***3*** ist arbeitssuchend.
Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig. Die Beschäftigungsdaten des Ehegatten der Bf ergeben sich aus dem Abgabeninformationssystem.
Rechtsgrundlagen
Europarecht
Art 8 EMRK lautet:
Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Art 14 EMRK lautet:
Artikel 14 - Verbot der Benachteiligung
Der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist.
Unionsrecht
Art 20 AEUV lautet:
Artikel 20
(ex-Artikel 17 EGV)
(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt diese aber nicht.
(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem
a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;
b) in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats;
c) im Hoheitsgebiet eines Drittlands, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, Recht auf Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates;
d) das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, sowie das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten.
Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.
Art 21 AEUV lautet:
Artikel 21
(ex-Artikel 19 EGV)
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Erscheint zur Erreichung dieses Ziels ein Tätigwerden der Union erforderlich und sehen die Verträge hierfür keine Befugnisse vor, so können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 erleichtert wird.
(3) Zu den gleichen wie den in Absatz 1 genannten Zwecken kann der Rat, sofern die Verträge hierfür keine Befugnisse vorsehen, gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen, die die soziale Sicherheit oder den sozialen Schutz betreffen. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.
Art. 45 AEUV lautet:
Artikel 45
(ex-Artikel 39 EGV)
(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3) Sie gibt - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht,
a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;
c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt.
(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.
Art 7 GRC lautet:
Artikel 7
Achtung des Privat- und Familienlebens
Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.
Art 20, 21 GRC lauten:
Artikel 20
Gleichheit vor dem Gesetz
Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel 21
Nichtdiskriminierung
(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.
(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Art 24 GRC lautet:
Artikel 24
Rechte des Kindes
(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.
(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
(3) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
Art 33 GRC lautet:
Artikel 33
Familien- und Berufsleben
(1) Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet.
(2) Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können, hat jeder Mensch das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Elternurlaub nach der Geburt oder Adoption eines Kindes.
Art. 1 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 1
Gegenstand
Diese Richtlinie regelt
a) die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;
b) das Recht auf Daueraufenthalt der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;
c) die Beschränkungen der in den Buchstaben a) und b) genannten Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.
Art. 2 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1. "Unionsbürger" jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;
2. "Familienangehöriger"
a) den Ehegatten;
b) den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungenerfüllt sind;
c) die Verwandten in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners imSinne von Buchstabe b), die das 21. Lebensjahr nochnicht vollendet haben oder denen von diesen Unterhaltgewährt wird;
d) die Verwandten in gerader aufsteigender Linie desUnionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b), denen von diesen Unterhalt gewährt wird;
3. "Aufnahmemitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in den sich derUnionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeitoder Aufenthalt auszuüben.
Art. 6 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 6
Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten
(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.
(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültigen Reisepasses, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.
Art. 7 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 7
Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder
b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und
- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder
d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a), b) oder c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.
(2) Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a), b)oder c) erfüllt.
(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt dieErwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seineErwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nichtmehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:
a) Er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;
b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilligerArbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigungdem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;
c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilligerArbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahrbefristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der erstenzwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeitdem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fallbleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestenssechs Monaten aufrechterhalten;
d) er beginnt eine Berufsausbildung; die Aufrechterhaltung derErwerbstätigeneigenschaft setzt voraus, dass zwischen dieserAusbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit einZusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hatzuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(4) Abweichend von Absatz 1 Buchstabe d) und Absatz 2haben nur der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner imSinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b) und Kinder, denenUnterhalt gewährt wird, das Recht auf Aufenthalt als Familienangehörige eines Unionsbürgers, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe c) erfüllt. Artikel 3 Absatz 2 findet Anwendung auf die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners, denen Unterhalt gewährt wird.
Art. 9 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 9
Verwaltungsformalitäten für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, eine Aufenthaltskarte aus, wenn ein Aufenthalt von über drei Monaten geplant ist.
(2) Die Frist für die Einreichung des Antrags auf Ausstellung der Aufenthaltskarte muss mindestens drei Monate ab dem Zeitpunkt der Einreise betragen.
(3) Die Nichterfüllung der Pflicht zur Beantragung einer Aufenthaltskarte kann mit verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Sanktionen geahndet werden.
Art. 10 RL 2004/38/EG lautet:
Artikel 10
Ausstellung der Aufenthaltskarte
(1) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine "Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers" ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.
(2) Für die Ausstellung der Aufenthaltskarte verlangen die Mitgliedstaaten die Vorlage folgender Dokumente:
a) gültiger Reisepass;
b) Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung oder einer eingetragenen Partnerschaft;
c) Anmeldebescheinigung des Unionsbürgers, den sie begleiten oder dem sie nachziehen, oder, wenn kein Anmeldesystem besteht, ein anderer Nachweis über den Aufenthalt des betreffenden Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat;
d) in den Fällen des Artikels 2 Nummer 2 Buchstaben c) und d) der urkundliche Nachweis, dass die dort genannten Voraussetzungen vorliegen;
e) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a) ein durch die zuständige Behörde des Ursprungs- oder Herkunftslands ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass die Betroffenen vom Unionsbürger Unterhalt beziehen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder der Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Gründe, die die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;
f) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe b) der Nachweis über das Bestehen einer dauerhaften Beziehung mit dem Unionsbürger.
Art. 1 VO 883/2004 lautet:
Artikel 1
Definitionen
Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;
b) "selbstständige Erwerbstätigkeit" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;
c) "Versicherter" in Bezug auf die von Titel III Kapitel 1 und 3 erfassten Zweige der sozialen Sicherheit jede Person, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen dieser Verordnung die für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel II zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt;
d) "Beamter" jede Person, die in dem Mitgliedstaat, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört, als Beamter oder diesem gleichgestellte Person gilt;
e) "Sondersystem für Beamte" jedes System der sozialen Sicherheit, das sich von dem allgemeinen System der sozialen Sicherheit, das auf die Arbeitnehmer des betreffenden Mitgliedstaats anwendbar ist, unterscheidet und das für alle oder bestimmte Gruppen von Beamten unmittelbar gilt;
f) "Grenzgänger" eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt;
g) "Flüchtling" eine Person im Sinne des Artikels 1 des am in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge;
h) "Staatenloser" eine Person im Sinne des Artikels 1 des am in New York unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen;
i) "Familienangehöriger":
1.
i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;
ii) in Bezug auf Sachleistungen nach Titel III Kapitel 1 über Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft jede Person, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt wird oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;
2. unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen;
3. wird nach den gemäß Nummern 1 und 2 anzuwendenden Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird;
j) "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;
k) "Aufenthalt" den vorübergehenden Aufenthalt;
l) "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit.
Dieser Begriff umfasst keine tarifvertraglichen Vereinbarungen, mit Ausnahme derjenigen, durch die eine Versicherungsverpflichtung, die sich aus den in Unterabsatz 1 genannten Gesetzen oder Verordnungen ergibt, erfüllt wird oder die durch eine behördliche Entscheidung für allgemein verbindlich erklärt oder in ihrem Geltungsbereich erweitert wurden, sofern der betreffende Mitgliedstaat in einer einschlägigen Erklärung den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates der Europäischen Union davon unterrichtet. Diese Erklärung wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht;
m) "zuständige Behörde" in jedem Mitgliedstaat den Minister, die Minister oder eine entsprechende andere Behörde, die im gesamten Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates oder einem Teil davon für die Systeme der sozialen Sicherheit zuständig sind;
n) "Verwaltungskommission" die in Artikel 71 genannte Kommission;
na) "Europäische Arbeitsbehörde" die in Artikel 74a genannte, mit der Verordnung (EU) 2019/1149 des Europäischen Parlaments und des Rates gegründete Einrichtung;
o) "Durchführungsverordnung" die in Artikel 89 genannte Verordnung;
p) "Träger" in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung oder Behörde, der die Anwendung aller Rechtsvorschriften oder eines Teils hiervon obliegt;
q) "zuständiger Träger":
i) den Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist,
oder
ii) den Träger, gegenüber dem die betreffende Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie selbst oder ihr Familienangehöriger bzw. ihre Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat wohnen würden, in dem dieser Träger seinen Sitz hat,
oder
iii) den von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger,
oder
iv) bei einem System, das die Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Leistungen betrifft, den Arbeitgeber oder den betreffenden Versicherer oder, falls es einen solchen nicht gibt, die von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichnete Einrichtung oder Behörde;
r) "Träger des Wohnorts" und "Träger des Aufenthaltsorts" den Träger, der nach den Rechtsvorschriften, die für diesen Träger gelten, für die Gewährung der Leistungen an dem Ort zuständig ist, an dem die betreffende Person wohnt oder sich aufhält, oder, wenn es einen solchen Träger nicht gibt, den von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger;
s) "zuständiger Mitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat;
t) "Versicherungszeiten" die Beitragszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind;
u) "Beschäftigungszeiten" oder "Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit" die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind, als solche bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Beschäftigungszeiten oder den Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichwertig anerkannt sind;
v) "Wohnzeiten" die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als solche bestimmt oder anerkannt sind;
va) "Sachleistungen"
i) für Titel III Kapitel 1 (Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft) Sachleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehen sind und die den Zweck verfolgen, die ärztliche Behandlung und die diese Behandlung ergänzenden Produkte und Dienstleistungen zu erbringen bzw. zur Verfügung zu stellen oder direkt zu bezahlen oder die diesbezüglichen Kosten zu erstatten. Dazu gehören auch Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit;
ii) für Titel III Kapitel 2 (Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten) alle Sachleistungen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäß der Definition nach Ziffer i, die nach den Arbeitsunfall- und Berufskrankheitenregelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.
w) "Renten" nicht nur Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit Titel III nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen;
x) "Vorruhestandsleistungen" alle anderen Geldleistungen als Leistungen bei Arbeitslosigkeit und vorgezogene Leistungen wegen Alters, die ab einem bestimmten Lebensalter Arbeitnehmern, die ihre berufliche Tätigkeit eingeschränkt oder beendet haben oder ihr vorübergehend nicht mehr nachgehen, bis zu dem Lebensalter gewährt werden, in dem sie Anspruch auf Altersrente oder auf vorzeitiges Altersruhegeld geltend machen können, und deren Bezug nicht davon abhängig ist, dass sie der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates zur Verfügung stehen; eine "vorgezogene Leistung wegen Alters" ist eine Leistung, die vor dem Erreichen des Lebensalters, ab dem üblicherweise Anspruch auf Rente entsteht, gewährt und nach Erreichen dieses Lebensalters weiterhin gewährt oder durch eine andere Leistung bei Alter abgelöst wird;
y) "Sterbegeld" jede einmalige Zahlung im Todesfall, mit Ausnahme der unter Buchstabe w) genannten Kapitalabfindungen;
z) "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.
Art. 2 VO 883/2004 lautet:
Artikel 2
Persönlicher Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
(2) Diese Verordnung gilt auch für Hinterbliebene von Personen, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Personen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge in einem Mitgliedstaat wohnen.
Art. 3 VO 883/2004 lautet:
Artikel 3
Sachlicher Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:
a) Leistungen bei Krankheit;
b) Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;
c) Leistungen bei Invalidität;
d) Leistungen bei Alter;
e) Leistungen an Hinterbliebene;
f) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;
g) Sterbegeld;
h) Leistungen bei Arbeitslosigkeit;
i) Vorruhestandsleistungen;
j) Familienleistungen.
(2) Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.
(3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.
(4) Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verpflichtungen von Reedern werden jedoch durch Titel III nicht berührt.
(5) Diese Verordnung gilt nicht für
a) soziale und medizinische Fürsorge oder
b) Leistungen, bei denen ein Mitgliedstaat die Haftung für Personenschäden übernimmt und Entschädigung leistet, beispielsweise für Opfer von Krieg und militärischen Aktionen oder der sich daraus ergebenden Folgen, Opfer von Straftaten, Attentaten oder Terrorakten, Opfer von Schäden, die von Bediensteten eines Mitgliedstaats in Ausübung ihrer Pflichten verursacht wurden, oder für Personen, die aus politischen oder religiösen Gründen oder aufgrund ihrer Abstammung Nachteile erlitten haben.
Art. 4 VO 883/2004 lautet:
Artikel 4
Gleichbehandlung
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Art. 11 VO 883/2004 lautet:
Artikel 11
Allgemeine Regelung
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.
(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;
c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.
(4) Für die Zwecke dieses Titels gilt eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit, die gewöhnlich an Bord eines unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiffes auf See ausgeübt wird, als in diesem Mitgliedstaat ausgeübt. Eine Person, die einer Beschäftigung an Bord eines unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiffes nachgeht und ihr Entgelt für diese Tätigkeit von einem Unternehmen oder einer Person mit Sitz oder Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat erhält, unterliegt jedoch den Rechtsvorschriften des letzteren Mitgliedstaats, sofern sie in diesem Staat wohnt. Das Unternehmen oder die Person, das bzw. die das Entgelt zahlt, gilt für die Zwecke dieser Rechtsvorschriften als Arbeitgeber.
(5) Eine Tätigkeit, die ein Flug- oder Kabinenbesatzungsmitglied in Form von Leistungen im Zusammenhang mit Fluggästen oder Luftfracht ausübt, gilt als in dem Mitgliedstaat ausgeübte Tätigkeit, in dem sich die "Heimatbasis" im Sinne von Anhang III der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 befindet.
§ 2 FLAG 1967 lautet:
§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a)für minderjährige Kinder,
b)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,
c)für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
d)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,
e)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird,
(Anm.: lit. f aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
g)für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,
h)für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,
i)für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
j)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa)bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,
k)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
l)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am
aa)Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
bb)Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
cc)Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
dd)Europäischen Solidaritätskorps nach der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person
a)deren Nachkommen,
b)deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c)deren Stiefkinder,
d)deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).
(3a) Kinder im Sinne dieses Abschnittes sind auch Kinder, die aufgrund einer akut gefährdenden Lebenssituation kurzfristig von Krisenpflegepersonen betreut werden (Krisenpflegekinder). Krisenpflegepersonen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen, die im Auftrag des zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers ausgebildet und von diesem mit der vorübergehenden Pflege und Erziehung eines Kindes für die Dauer der Gefährdungsabklärung betraut wurden.
(4) Die Kosten des Unterhalts umfassen bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.
(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a)sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b)das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c)sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
(6) Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind (§ 8 Abs. 2) oder, wenn es sich um ein erheblich behindertes Kind handelt, der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 2 und 4) entspricht.
(7) Unterhaltsleistungen auf Grund eines Ausgedinges gelten als auf Kosten des Unterhaltsleistenden erbracht, wenn der Unterhaltsleistende mit dem Empfänger der Unterhaltsleistungen verwandt oder verschwägert ist; solche Unterhaltsleistungen zählen für den Anspruch auf Familienbeihilfe auch nicht als eigene Einkünfte des Kindes.
(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
a)für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,
b)für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise,
c)für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung beginnen oder fortsetzen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung der Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist,
d)für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung des Studiums infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist.
§ 3 FLAG 1967 lautet:
§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.
(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.
(6) Personen, denen aufgrund der Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (Vertriebenen-VO), BGBl. II Nr. 92/2022, gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen ein solches vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt.
(7) Personen, denen aufgrund der Vertriebenen-VO gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben zumindest für die Zeit des bewaffneten Konflikts in der Ukraine den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach § 2 Abs. 8 im Bundesgebiet.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.
(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.
(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
§ 11 FLAG 1967 lautet:
§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Finanzamt Österreich automationsunterstützt ausgezahlt.
(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.
(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.
§ 12 FLAG 1967 lautet:
§ 12. (1) Das Finanzamt Österreich hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.
(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.
§ 13 FLAG 1967 lautet:
§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.
§ 2 NAG lautet:
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1.Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;
2.Reisedokument: ein Reisepass, Passersatz oder ein sonstiges durch Bundesgesetz, Verordnung oder auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen für Reisen anerkanntes Dokument; ausländische Reisedokumente genießen den strafrechtlichen Schutz inländischer öffentlicher Urkunden nach §§ 224, 224a, 227 Abs. 1 und 231 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974;
3.ein Reisedokument gültig: wenn es von einem hiezu berechtigten Völkerrechtssubjekt ausgestellt wurde, die Identität des Inhabers zweifelsfrei wiedergibt, zeitlich gültig ist und sein Geltungsbereich die Republik Österreich umfasst; außer bei Konventionsreisepässen und Reisedokumenten, die für Staatenlose oder für Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgestellt werden, muss auch die Staatsangehörigkeit des Inhabers zweifelsfrei wiedergegeben werden; die Anbringung von Zusatzblättern im Reisedokument muss bescheinigt sein;
4.EWR-Bürger: ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;
5.Mitgliedstaat: jeder Staat, der Vertragspartei des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung BGBl. III Nr. 85/1999, geändert durch BGBl. III Nr. 4/2003 und BGBl. III Nr. 54/2004, ist;
6.Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;
7.eine bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit: eine solche, die innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate ausgeübt wird, wenn ein Wohnsitz im Drittstaat aufrecht erhalten wird, der weiterhin den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet, und es sich um keinen Fall der Pflichtversicherung des § 2 im Sinne des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, handelt;
8.eine bloß vorübergehende unselbständige Erwerbstätigkeit: eine solche, bei der eine Berechtigung oder sonstige Bestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, mit einer sechs Monate nicht übersteigenden Gültigkeit vorhanden ist oder innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate eine unselbständige Erwerbstätigkeit auf Grund einer Ausnahme nach § 1 Abs. 2 bis 4 AuslBG ausgeübt wird;
9.Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;
10.Zusammenführender: ein Drittstaatsangehöriger, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinne dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird;
11.Verlängerungsantrag: der Antrag auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (§ 24) nach diesem Bundesgesetz;
12.Zweckänderungsantrag: der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit anderem Zweckumfang während der Geltung eines Aufenthaltstitels (§ 26);
13.Erstantrag: der Antrag, der nicht Verlängerungs- oder Zweckänderungsantrag (Z 11 und 12) ist;
14.unionsrechtliches Aufenthaltsrecht: das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen sich im Bundesgebiet für mehr als drei Monate oder auf Dauer aufzuhalten;
15.Haftungserklärung: die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen wird;
16.Berufsvertretungsbehörde: eine mit konsularischen Aufgaben und der berufsmäßigen Vertretung Österreichs im Ausland betraute Behörde;
17.unbegleiteter Minderjähriger: Ein minderjähriger Fremder, der sich nicht in Begleitung eines für ihn gesetzlich verantwortlichen Volljährigen befindet;
(Anm.: Z 18 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
19.Freizügigkeitsrichtlinie: die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 229 vom S. 35;
20.Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz: das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl. Nr. L 114 vom S. 6 und BGBl. III Nr. 133/2002;
21.DSGVO: die Verordnung (EU) Nr. 679/2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung), ABl. L 119 vom S. 1, in der geltenden Fassung;
22.Unions- oder multilaterale Programme mit Mobilitätsmaßnahmen: von der Europäischen Union oder der Republik Österreich finanzierte Programme, die die Mobilität von Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union oder in Österreich fördern.
(2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck
1.der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;
2.der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder
3.der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.
(3) Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) gilt nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2.
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1.die Minderjährigkeit nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811;
2.die Annahme an Kindesstatt, in deren Folge eine Aufenthaltsberechtigung nach diesem Bundesgesetz erteilt werden soll, ausschließlich nach den Bestimmungen des österreichischen Rechts und
3.ein Unterhaltsanspruch zum Nachweis der Unterhaltsmittel nicht nur nach dessen Rechtgrundlage, sondern auch nach der tatsächlichen Höhe und der tatsächlichen Leistung
zu beurteilen.
(5) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind erkennungsdienstliche Daten: Lichtbilder, Papillarlinienabdrücke der Finger, äußerliche körperliche Merkmale und die Unterschrift.
(6) Für einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist die Vorlage nur jeweils einer Haftungserklärung (Abs. 1 Z 15) zulässig. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.
(7) Kurzfristige Inlands- und Auslandsaufenthalte, insbesondere zu Besuchszwecken, unterbrechen nicht die anspruchsbegründende oder anspruchsbeendende Dauer eines Aufenthalts oder einer Niederlassung. Gleiches gilt für den Fall, dass der Fremde das Bundesgebiet in Folge einer nachträglich behobenen Entscheidung nach dem FPG verlassen hat.
§ 8 NAG lautet:
§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:
1.Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß § 20d Abs. 1 Z 1 bis 4 oder 6 oder § 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;
2.Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;
3.Aufenthaltstitel "Blaue Karte EU", der zur befristeten Niederlassung und, unbeschadet des § 20d Abs. 2a AuslBG, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 5 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;
4."Niederlassungsbewilligung", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;
5."Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;
6."Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt;
7.Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;
8.Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" (Z 7) zu erhalten;
9.Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Künstler", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG erstellt wurde, oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;
10.Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. b, c, d, f, g oder i AuslBG vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist oder die in einer Verordnung des Bundesministers für Inneres gemäß § 43b Abs. 2 genannt ist, berechtigt;
11.Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Forscher", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit für eine Forschungseinrichtung berechtigt;
12."Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69);
13.Aufenthaltstitel "Artikel 50 EUV", der zur befristeten oder unbefristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen sowie unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt.
(2) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.
(3) Die Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Z 12) von Ehegatten, eingetragenen Partnern und minderjährigen ledigen Kindern hängt vom Bestehen der Aufenthaltsbewilligung des Zusammenführenden ab (§ 69).
(4) Unbeschadet der §§ 32 und 33 ergibt sich der Berechtigungsumfang eines Aufenthaltstitels aus dem 2. Teil.
§ 9 NAG lautet:
§ 9. (1) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate werden auf Antrag ausgestellt:
1.eine "Anmeldebescheinigung" (§ 53) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, und
2.eine "Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers" (§ 54) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind.
(2) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts werden auf Antrag ausgestellt:
1.eine "Bescheinigung des Daueraufenthalts" (§ 53a) für EWR-Bürger, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, und
2.eine "Daueraufenthaltskarte" (§ 54a) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines EWR-Bürgers sind und das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben.
(3) Inhabern von Anmeldebescheinigungen (Abs. 1 Z 1) oder Bescheinigungen des Daueraufenthalts (Abs. 2 Z 1) kann auf Antrag ein "Lichtbildausweis für EWR-Bürger" mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt werden. Der Lichtbildausweis für EWR-Bürger, die Aufenthaltskarte und die Daueraufenthaltskarte gelten als Identitätsdokumente. Form und Inhalt der Anmeldebescheinigung, der Bescheinigung des Daueraufenthalts, des Lichtbildausweises für EWR-Bürger, der Aufenthaltskarte und der Daueraufenthaltskarte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
Verfahrensgegenstand
Vor dem Bundesfinanzgericht ist wegen der Beschwerdevorentscheidung vom und des Vorlageantrags vom der Zeitraum September 2020 bis August 2021 verfahrensgegenständlich.
Beschwerdezeitraum
Der Zeitraum September 2020 bis August 2021 ist jeder Zeitraum zwischen der Wohnsitzbegründung der mj. ***6*** ***7*** und der Ausstellung einer Aufenthaltskarte EU-Familienangehöriger gemäß Art. 10 RL 2004/38/EG.
Familienbeihilfebezug durch und für andere als österreichische Staatsbürger
Die Voraussetzungen für den Familienbeihilfebezug durch und für andere als österreichische Staatsbürger sind in § 3 FLAG 1967 geregelt. Zu dieser nationalen Bestimmung treten jedoch eine Vielzahl an Regelungen des Unionsrechts hin (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 2). Unionsbürger, EWR-Bürger und - weitgehend - Schweizer Bürger sind im Wesentlichen österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.
Aufenthaltsrecht
Unbestritten haben ***1*** ***2*** ***3*** und ihre Tochter ***6*** ***7***, die beide serbische Staatsbürger und somit Drittstaatsangehörige sind, ein vom Ehegatten der Bf ***10*** ***3***, rumänischer Staatsbürger und Unionsbürger, als Familienangehörige ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in Österreich. Im verbleibenden Beschwerdezeitraum September 2020 bis August 2021 hat sich die Familie bereits kraft Unionsrechts rechtmäßig in Österreich aufgehalten und brauchte keine Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG.
***10*** ***3*** hat sein Freizügigkeitsrecht nach Art. 21 AEUV und nach Art. 45 AEUV in Anspruch genommen. Nimmt ein Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch, gilt nach Art. 6 RL 2004/38/EG und nach Art. 7 RL 2004/38/EG sein Aufenthaltsrecht auch für die ihn begleitenden Familienangehörigen gemäß Art. 2 Abs. 2 RL 2004/38/EG.
Der Mitgliedstaat, in welchem das Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen wird, ist zwar verpflichtet, "zum Nachweis des Aufenthaltsrechts" längstens sechs Monate nach Antragstellung eine "Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers" auszustellen (Art. 10 RL 2004/38/EG). Anders als bei Aufenthaltstiteln nach § 8 NAG sind, wie sich aus dem Wortlaut von § 9 NAG ergibt ("Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts…"), Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 9 NAG nicht konstitutiv, sondern nur deklarativ (vgl. ; , 2009/21/0378; , 2013/16/0217; Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 133). Es handelt sich bei diesen um "deklaratorische Dokumentationsformen ihres kraft Gemeinschaftsrecht originär bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechts" (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP). Zum Hinweis des Finanzamts im Vorlagebericht auf § 20 NAG ist zu sagen, dass sich diese Bestimmung auf Aufenthaltstitel nach § 8 NAG und nicht auf die Aufenthaltsrechtsdokumentation nach § 9 NAG bezieht. Das gilt auch für die im Vorlagebericht zitierte Judikatur zu § 8 NAG, die auf § 9 NAG nicht anwendbar ist. Bei Unionsbürgern und deren Familienangehörigen kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 9 NAG an.
Ein mit dem Stiefelternteil in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebendes minderjähriges Stiefkind, ist als Familienangehöriger des Stiefelternteils anzusehen (vgl. , Engin Ayaz, zu Artikel 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei), was auch im gegenständlichen Fall zutrifft.
Stellen die unionsrechtlichen Verordnungen auf die die betreffende Leistung (hier Familienbeihilfe) gewährenden nationalen Rechtsvorschriften ab und zählt § 2 Abs. 3 lit. c FLAG 1967 zu den Familienangehörigen, für welche die Familienleistung (Familienbeihilfe) gewährt wird, auch die Stiefkinder, fallen damit bei Anwendung der beiden unionsrechtlichen Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 833/2004 auf die Frage der österreichischen Familienbeihilfe unter den Begriff "Familienangehöriger" auch die Stiefkinder einer unter die Verordnung fallenden Person (vgl. ). § 2 Abs. 1 Z 9 NAG nennt ausdrücklich auch Stiefkinder als Familienangehörige.
Die mj. ***6*** ***7*** ist daher nicht nur in Bezug auf ihre Mutter ***1*** ***2*** ***3***, sondern auch in Bezug auf ihren Stiefvater ***10*** ***3*** aufenthaltsrechtlich und familienbeihilferechtlich als Familienangehörige anzusehen. Seit ihrem Zuzug nach Österreich (nach der Aktenlage im August 2020) verfügt ***6*** ***7*** über ein von ihrem Stiefvater ***10*** ***3*** abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, ihre Mutter ***1*** ***2*** ***3*** seit deren Zuzug (nach der Aktenlage im Jänner 2020).
Liegen aufrechte Aufenthaltstitel vor, ist die Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 für Anspruchswerber und Kind erfüllt und der Anspruch auf Familienbeihilfe ist nur mehr nach den allgemeinen Voraussetzungen, die auch für österreichische Staatsbürger gelten, zu beurteilen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 157 m.w.N.).
Das Finanzamt ist im Recht, dass das Vorliegen eines Aufenthaltstitels nach § 8 NAG keine Rückwirkung auf Zeiten vor dessen Ausstellung entfaltet, was auch für das Vorliegen einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 9 NAG gilt. Anders als bei Aufenthaltstiteln nach § 8 NAG kann bei einer fehlenden Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 9 NAG Unionsbürgern und deren Familienangehörigen zustehen, allerdings ist dann das Aufenthaltsrecht durch die Beihilfenbehörde zu prüfen (vgl. ). Nach Art. 7 RL 2004/38/EG hat ein Unionsbürger ein Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten unter anderem, wenn er Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, ebenso ein Familienangehöriger, wenn er einen erwerbstätigen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht.
Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist der Stiefvater der Tochter und Ehegatte der Bf seit dem Jahr 2019 in Österreich entweder nichtselbständig tätig oder befand sich in einer gemäß Beschluss Nr. F1 vom zur Auslegung des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Prioritätsregeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen einer Erwerbstätigkeit gleichgestellten Situation. Im verbleibenden Beschwerdezeitraum September 2020 bis August 2021 hielt sich der Stiefvater der Tochter und Ehegatte der Bf rechtmäßig in Österreich auf, auch wenn die -Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innnen und Schweizer Bürger/-innen gemäß Richtlinie 2004/38 (EG) iVm Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für ***10*** ***3*** als Arbeitnehmer (§ 51 Abs. 1 Z 1 NAG) erst am ausgestellt worden ist.
Mutter und Tochter sind als Familienangehörige eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers gemäß Art. 4 VO 883/2004 i.V.m. Art. 2 VO 883/2004 österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich ist daher im verbleibenden Beschwerdezeitraum September 2020 bis August 2021 erfüllt.
Bei entsprechender Antragstellung ergäbe sich gemäß § 10 FLAG 1967 ein Anspruch bereits ab August 2020 . Dazu ist allerdings ein eigener, beim Finanzamt einzubringender Antrag erforderlich, da der hier verfahrensgegenständliche Antrag ausdrücklich für den Zeitraum September 2020 bis November 2021 gestellt wurde.
Weitere Anspruchsvoraussetzungen
Für ein mj. Kind ist gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 der Familienbeihilfeanspruch nicht an einer Berufsausbildung geknüpft, auch wenn ***6*** ***7*** in Österreich zur Schule geht. Die Antragstellerin ***1*** ***2*** ***3*** hat seit Jänner 2020 auch einen Wohnsitz in Österreich (§ 2 Abs. 1 FLAG 1967). Da die gesamte Kernfamilie in Österreich wohnt und hier in Zukunft leben möchte, liegt auch der Lebensmittelpunkt der Bf ***1*** ***2*** ***3*** im Beschwerdezeitraum in Österreich (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967), unabhängig davon, ob das im Anwendungsbereich der VO 883/2004 unionsrechtlich von Bedeutung ist, da nach dieser zu fingieren ist, dass sowohl die Voraussetzung des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ( § 2 Abs. 1 FLAG 1967) als auch die Voraussetzung des Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967) für alle Mitglieder der jeweiligen Familie ("beteiligten Personen") vorliegt. Da der Ehegatte der Bf ***10*** ***3*** von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, ist der Anwendungsbereich der VO 883/2004 eröffnet.
Anspruch auf Familienbeihilfe
Die die Bf ***1*** ***2*** ***3*** im verbleibenden Beschwerdezeitraum September 2020 bis August 2021 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllt, steht ihr sowohl Familienbeihilfe als auch Kinderabsetzbetrag zu.
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids
Der angefochtene Bescheid ist daher auch für den nicht bereits durch die Beschwerdevorentscheidung aufgehobenen Teil rechtswidrig (Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG) und daher gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.
Steht Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3 m.w.N.; u.v.a.).
Hebt das Bundesfinanzgericht einen gemäß § 13 FLAG 1967 ergangenen Abweisungsbescheid auf, weil Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) auszuzahlen ist, ist das Finanzamt gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die Auszahlung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags (allenfalls: des Unterschiedsbetrags zu einer ausländischen Familienleistung) vorzunehmen (vgl. ).
Revisionsnichtzulassung
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum deklarativen Charakter einer Aufenthaltskarte nach § 9 NAG. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Beschluss 2010/C 106/04, ABl. Nr. C 106 vom S. 11 § 51 Abs. 1 Z 1 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 § 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 Art. 7 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 § 9 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 § 3 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 20 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 Art. 10 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 Art. 21 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 § 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 45 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 Art. 1 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 Art. 2 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 Art. 6 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 Art. 9 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 Art. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 4 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 § 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 7 RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103648.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at