Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.12.2022, RV/7103423/2022

1. Unterhaltsabsetzbetrag bei Naturalunterhalt 2. halber Familienbonus Plus

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In ihrer über FinanzOnline eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) unter anderem die Berücksichtigung des halben Familienbonus Plus für ihre Tochter (geb: ***XX.XX.XXXX***) und ihren Sohn (geb: ***YY.YY.YYYY***).

Im Einkommensteuerbescheid 2021 vom wurde der Familienbonus Plus mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass die Familienbeihilfe für die beiden Kinder der Kindesvater beziehe und die Bf mit diesem seit xx.xx.2020 nicht mehr in Partnerschaft lebe.

Mit Schreiben vom erhob die Bf Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom und führte aus, dass bei der Scheidung am xx.xx.2020 die Vereinbarung getroffen worden sei, dass die Obsorge für die zwei gemeinsamen Kinder 50/50 aufgeteilt werde und es keine gegenseitigen Unterhaltszahlungen gebe. Die Bf verwies darauf, dass in diesem Fall von einem Naturalunterhalt auszugehen sei, weil die gesetzliche Unterhalts-verpflichtung erfüllt werde und ihr somit der halbe Familienbonus Plus zustehe. Aus der übermittelten Vergleichsausfertigung geht hervor, dass die Eltern die Kinderbetreuung je zur Hälfte übernehmen und ihre Unterhaltspflichten dadurch gemeinsam erfüllen.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde damit begründet, dass es laut Scheidungsvergleich die beiden Kinder betreffend keine tatsächlichen Unterhalts-leistungen gebe, weshalb der Unterhaltsabsetzbetrag nicht zu berücksichtigen sei. Da für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zustehe, dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zustehe, sei auch dieser nicht zu berücksichtigen.

Im Vorlageantrag verwies die Bf auf die Vereinbarung über den Kindesunterhalt, aus welcher hervorgehe, dass die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung durch Naturalunterhalt erfüllt werde und ersuchte um Zuerkennung des halben Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetz-betrages für 2021 und falls möglich auch für 2020. Die Bf übermittelte eine zwischen ihr und dem Kindesvater am geschlossene "Vereinbarung über Kindesunterhalt", in der von beiden bestätigt wird, dass seit Juni 2020 Unterhaltsleistungen in Form von Naturalunterhalt vereinbart und in vollem Umfang erfüllt worden seien.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Ehe der Bf wurde am xx.xx.2020 im Einvernehmen geschieden.

Die Bf und der Kindesvater übernehmen die Betreuung ihrer gemeinsamen Tochter (geb: ***XX.XX.XXXX***) und ihres gemeinsamen Sohnes (geb: ***YY.YY.YYYY***) jeweils zur Hälfte und erfüllen ihre Unterhaltspflichten dadurch gemeinsam.

Familienbeihilfenberechtigter ist der Kindesvater, dessen Haushalt die Kinder zugehören.

Die Bf beantragte für beide Kinder den halben Familienbonus Plus.

Der halbe Familienbonus Plus wurde beim Kindesvater bescheidmäßig berücksichtigt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanz-gericht vorgelegten Unterlagen und dem Abgabeninformationssystem des Bundes.

2. Beweiswürdigung

In einer "Vereinbarung über Kindesunterhalt" vom wird von der Bf und dem Kindesvater bestätigt, dass beide die Unterhaltsleistungen in Form von Naturalunterhalt seit Juni 2020 vereinbart und in vollem Umfang erfüllt haben.
Aufgrund der vorgelegten Vereinbarung wird davon ausgegangen, dass die Bf ihre gesetzliche Unterhaltspflicht - in Form von Naturalunterhalt - erfüllt hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.1.1. Unterhaltsabsetzbetrag

Gemäß § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn

  1. das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und

  2. für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird. Leisten sie für mehr als ein nicht haushalts-zugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro […] monatlich zu. […]

Der Unterhaltsabsetzbetrag für eine(n) Steuerpflichtige(n), die/der für zwei nicht haushalts-zugehörige Kinder den gesetzlichen Unterhalt leistet, beträgt im Jahr 2021 876 €
(= 29,20 € + 43,80 € x 12 Monate).

Der Unterhaltsabsetzbetrag per se kann zu keiner Negativsteuer führen (vgl Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 33 Rz 110).

3.1.2. Familienbonus Plus

Gemäß § 33 Abs 3a EStG 1988 steht auf Antrag, für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt-

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro

b) […]

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) […]

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs 4 Z 3 zusteht:

  1. […]

  2. beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 zustehenden Betrages.

Der Familienbonus Plus ist als "erster" Absetzbetrag von der nach Tarif gemäß § 33 Abs 1 errechneten Steuer abzuziehen. Er ist nicht negativsteuerfähig, die Wirkung ist daher mit der Höhe der Tarifsteuer begrenzt (vgl Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 33 Rz 45).

Da die beiden Kinder der Bf im Streitjahr 2021 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, beträgt der Familienbonus Plus für die zwei Kinder im Jahr 2021 3.000 € (= 125 € x 12 Monate für 2 Kinder). Im Hinblick darauf, dass im Streitjahr 2021 der Kindesvater der Familienbeihilfen-berechtigte war und bei diesem der halbe Familienbonus Plus bescheidmäßig berücksichtigt wurde, der Bf der Unterhaltsabsetzbetrag dem Grunde nach zusteht, steht der Bf im Streitjahr 2021 die beantragte Hälfte des Familienbonus Plus, das sind 1.500 €, zu.

Da der Familienbonus Plus aber nicht negativsteuerfähig ist, ist die Wirkung mit der Tarifsteuer, dh in Höhe von 1.409,80 € begrenzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: Berechnungsblatt

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmungen.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Naturalunterhalt
Unterhaltsabsetzbetrag
Familienbonus Plus
Verweise
Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 33 Rz 110
Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 33 Rz 45
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103423.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at