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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.12.2022, RV/3100199/2018

Unentgeltliche Übertragung einer Hotelliegenschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr: FA Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014 Steuernummer Bf_StNr zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Berechnung am Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Betreffend den Beschwerdeführer (Bf) wurde 2016 eine die Jahre 2012 bis 2014 umfassende Außenprüfung durchgeführt.

Die Prüferin traf die Feststellung, dass die im April 2014 erfolgte Übergabe der Liegenschaft "H_Hotel" vom Bf an seinen Sohn gegen Übernahme der aushaftenden Bankverbindlichkeiten einen entgeltlichen Veräußerungsvorgang dargestellt habe, der beim Bf die Steuerpflicht nach den § 30ff EStG 1988 auslöse.

Die bescheidmäßige Festsetzung der Einkommensteuer 2014 erfolgte am unter Berücksichtigung der Einkünfte aus der Liegenschaftsveräußerung.

Im Rahmen einer teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung am wurde die Steuer für die Einkünfte aus der Liegenschaftsveräußerung mit einem Betrag von € 13.018,54 festgesetzt.

Am wurde der Vorlageantrag erhoben.

Sachverhalt

Der Bf war Alleineigentümer der Liegenschaft GB_Zahl, auf welcher er bis 2008 das Hotel "H" betrieb. Ab 2008 verpachtete er die Liegenschaft nach erfolgter Betriebsaufgabe an seinen Sohn S.

Mit Notariatsakt vom , tituliert als "Übergabs-, Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag", übergab der Bf die Liegenschaft samt dem darauf errichteten Hotel an seinen Sohn als Erb- und Pflichtteilsvorempfang in Anrechnung auf dessen gesetzlichen Erb-, Pflichtteils- und Schenkungspflichtteilsansprüche.

Unter einem übergab die Ehefrau des Bf, E, dem Sohn S die in ihrem Alleineigentum befindlichen Liegenschaften GB_Zahl2, welche jeweils unmittelbar an die vom Bf an seinen Sohn übergebene Liegenschaft angrenzen.

Unter Pt. Drittens: Hypothekenübernahme des Notariatsaktes verpflichtete sich S zur Übernahme der auf GB_gesamt, hypothekarisch sichergestellten Verbindlichkeiten des Bf bei der B_Bank, aushaftend mit insgesamt € 371.958,35.

Im Vertrag wurde Folgendes festgehalten:
Die Vertragsteile bestätigen, dass der gegenständliche Erwerb unter Bedachtnahme auf die Verkehrswerte des übertragenen Vermögens einen unentgeltlichen Rechtsvorgang im Sinne der Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes darstellt und außer den in dieser Urkunde angeführten ansonsten keine weiteren Gegenleistungen zwischen den Vertragsteilen vereinbart worden sind.

Der Annahme der Unentgeltlichkeit lag ein Verkehrswertgutachten zugrunde, mit welchem im Wege des Sachwertverfahrens der Verkehrswert (gemeine Wert) der Gesamtliegenschaft mit € 812.000,00 ermittelt worden war.

Die Abgabenbehörde ging demgegenüber nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens zur Verkehrswertermittlung von einem Verkehrswert (gemeinen Wert) von € 710.000,00 aus. Die Gegenleistung in Form der übernommenen Schulden des Bf iHv rund € 372.000,00 betrug damit letztlich mehr als 50 % des Liegenschaftswertes.

Nicht festgestellt werden konnte, dass es sich bei der Übergabe der Liegenschaft GB_Zahl, vom Bf an seinen Sohn, gegen Übernahme der auf dieser Liegenschaft sichergestellten Bankverbindlichkeiten des Bf durch den Sohn, um eine entgeltliche Grundstücksveräußerung iSd § 30 EStG 1988 handelte.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte).

Gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 in der im Beschwerdejahr geltenden Fassung unterliegen Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist.

Einzig strittig ist im Beschwerdefall, ob die Liegenschaftsübertragung mit Notariatsakt vom vom Bf an seinen Sohn ein entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft darstellte.

Die Abgabenbehörde selbst gelangte, ausgehend von einem gemeinen Wert der Liegenschaft von € 710.000,00, zu dem Ergebnis, es liege ein entgeltlicher Liegenschaftserwerb S von seinem Vater, dem Bf, vor: Die Gegenleistung in Form der Schuldübernahme iHv rund € 372.000,00 machte mehr als 50 % des Liegenschaftswertes aus. Die Abgabenbehörde richtete sich in ihrer rechtlichen Beurteilung nach der Einkommensteuerrichtlinienrandzahl 6625 (15. Fassung):
Eine Schenkung ist grundsätzlich nur bei Vermögensübertragungen unter (nahen) Angehörigen anzunehmen (Fremde pflegen einander gewöhnlich nichts zu schenken). Ertragsteuerlich wird in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch bei einer gemischten Schenkung Unentgeltlichkeit des gesamten Vorgangs angenommen (keine "Teilentgeltlichkeit"; siehe dazu Rz 5571 f, zur gemischten Rente siehe aber unten), wenn insgesamt Zuwendungsabsicht besteht und der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt (; ; ; ). § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 geht davon aus, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die Gegenleistung 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes nicht erreicht.

Der Bezugnahme der zitierten EStR-Randzahl auf § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2020/15/0015, eine ausdrückliche Absage erteilt. Die weiteren Ausführungen zitieren Rz 23 bis 28 des Erkenntnisses unter Übernahme der angeführten Judikatur und Literaturstellen:

23 Die genannte Bestimmung (§ 20 Abs. 1 Z. 4 - Anm.) ist Teil der Neuordnung der Rentenbesteuerung und bezieht sich nur auf Rentengeschäfte. Auf andere Rechtsgeschäfte als Rentengeschäfte ist die Bestimmung nicht anzuwenden, insbesondere nicht für Zwecke der Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit.

24 Die zur Anknüpfung an den Tatbestand des § 30 EStG 1988 erforderliche Abgrenzung von entgeltlichen zu unentgeltlichen Geschäften, die auch im Rahmen einer Grundstücksübertragung durch vorweggenommene Erbfolge maßgeblich ist (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Rz 113), ist somit ausschließlich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorzunehmen.

25 Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn die beteiligten Personen einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollen (vgl. zuletzt , Rn. 16, mwN). Sie liegt bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nahe, wenn aus den Verhältnissen der Personen zu vermuten ist, dass sie - aus privaten Motiven - einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollten. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gegeben, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt ().

26 Bei der gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien subjektiv des Charakters der Leistung als unentgeltlich bewusst sein, sie müssen die (teilweise) Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt haben (, mwN). Das subjektive Element des "Bereichernwollens" wird bei Zuwendungen zwischen nahen Angehörigen - im Gegensatz zu Rechtsgeschäften zwischen unabhängigen Vertragspartnern im gewöhnlichen geschäftlichen Verkehr - im Zweifel grundsätzlich als gegeben vermutet (vgl. nochmals und ).

27 Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiderseitigen Leistungen reicht zwar für sich allein nicht aus, eine gemischte Schenkung anzunehmen; es kann jedoch - als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles - den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen (vgl. zuletzt , Rn. 17, mwN).

28 Der in der bisherigen Rechtsprechung enthaltenen Formulierung, wonach ein unentgeltlicher Erwerb nicht nur bei (reinen) Schenkungen, sondern auch bei gemischten Schenkungen anzunehmen ist (vgl. neuerlich zuletzt , mwN), liegt die Beurteilung des gemischten Vertrags als einheitliches Rechtsgeschäft mit deutlich im Vordergrund stehenden unentgeltlichen Komponenten zugrunde. Erfolgte eine Verfügung teils entgeltlich, teils unentgeltlich, ist nämlich nach dem Hauptzweck und Gesamtcharakter des Geschäftes zu beurteilen, ob Unentgeltlichkeit vorliegt (vgl. aus der zivilrechtlichen Judikatur und Lehre und , 6 Ob 311/04k; vgl. auch RIS-Justiz RS0018777; Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 917, Rz 6).

Die im zitierten VwGH-Erkenntnis angeführten Kriterien für das Vorliegen einer (gemischten) Schenkung sind im Beschwerdefall als erfüllt anzusehen: Der Notariatsakt vom wurde zwischen nahen Angehörigen geschlossen, weshalb das subjektive Element des "Bereichernwollens" als gegeben vermutet werden kann; es ist dem Notariatsakt überdies unmittelbar zu entnehmen, dass nach dem Willen der vertragschließenden Parteien die Unentgeltlichkeit gewollt war. Es liegt ein krasses Missverhältnis der Werte der beiderseitigen Leistungen vor: So betrug die Gegenleistung in Form der Schuldenübernahme nur knapp über 50 % des Liegenschaftswertes.

Der Tatbestand der Grundstücksveräußerung iSd § 30 Abs. 1 EStG 1988 war im Beschwerdefall somit nicht erfüllt, da eine (gemischte) Schenkung vorlag.

Die Einkommensteuer 2014 wird wie folgt festgesetzt:

[...]

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100199.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at