Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.11.2022, RV/7100249/2022

Es genügt nicht, die Gleichbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten mit den übrigen Verbindlichkeiten zu behaupten; die Nachweispflicht obliegt dem Haftungspflichtigen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** über die Beschwerde der ***Bf1***, geboren am ***2***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes 4/5/10 vom , Abgabenkontonummer 999, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
***Bf1*** wird im Ausmaß von 34.143,40 Euro zur Haftung für folgende aushaftende Abgabenverbindlichkeiten der X.KG herangezogen:


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Abgabe
Euro
Umsatzsteuer 12/2014
4.188,46
Umsatzsteuer 2014
5.978,14
Umsatzsteuer 03/2015
678,45
Stundungszinsen 2015
150,08
Barauslagenersatz 2015
3,93
Pfändungsgebühr 2015
63,21
Umsatzsteuer 07/2015
1.561,96
Barauslagenersatz 2015
0,96
Pfändungsgebühr 2015
65,39
Barauslagenersatz 2015
3,93
Pfändungsgebühr 2015
81,00
Verspätungszuschlag 06/2015
140,03
Erster Säumniszuschlag 2015
56,01
Umsatzsteuer 09/2015
4.270,80
Umsatzsteuer 10/2015
3.096,68
Zweiter Säumniszuschlag 2015
56,43
Barauslagenersatz 2016
3,93
Pfändungsgebühr 2016
154,08
Umsatzsteuer 12/2015
2.350,06
Umsatzsteuer 2015
0,02
Stundungszinsen 2016
83,97
Erster Säumniszuschlag 2015
61,93
Dienstgeberbeitrag 02/2016
657,56
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2016
52,60
Lohnsteuer 02/2016
1.017,80
Umsatzsteuer 01/2016
99,09
Verspätungszuschlag 11/2015
70,38
Umsatzsteuer 02/2016
1.400,63
Erster Säumniszuschlag 2015
167,00
Umsatzsteuer 03/2016
5.612,92
Umsatzsteuer 05/2016
1.903,71
Erster Säumniszuschlag 2016
112,26

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) vertrat die X.GmbH (vormals XY.GmbH) seit ihrer Errichtung im Jahr 2013 als alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin.
Die X.GmbH war seit dem Jahr 2015, davor war die Bf. seit Datum6 unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X.KG.

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, 989, wurde über die X.KG das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Nach der Schlussverteilung (Quote 4,22363 %) wurde der Konkurs mit dem Beschluss vom Datum4 aufgehoben und die Gesellschaft am Datum2 im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN x).

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) davon in Kenntnis gesetzt, dass am Abgabenkonto der X.KG einzeln aufgelistete Abgaben in der Höhe von insgesamt 35.649,07 € unberichtigt aushafteten, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden sei.
Bei den rückständigen Abgaben handelt es sich um Umsatzsteuer 2014, 2015, Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate 12/2014, 03/2015, 07/2015, 09/2015, 10/2015, 12/2015, 01 bis 03/2016, 05/2016, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag (DB) und Zuschlag zum DB für 02/2016 sowie Stundungszinsen, Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Pfändungsgebühren und Barauslagenersätze.
Die Bf. wurde ersucht bekannt zu geben, ob in dem Zeitraum, in dem sie als Geschäftsführerin für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich war, Mittel zur Verfügung standen, die eine Entrichtung des Abgabenrückstandes ermöglicht hätten und Zahlungen an andere Gläubiger (Lieferanten, Löhne, Krankenkasse, etc.) geleistet wurden.

Da dieses Schreiben unbeantwortet blieb, wurde die Bf. im angefochtenen Bescheid vom als verantwortliche Geschäftsführerin der Komplementär GmbH (der X.GmbH) für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten der X.KG in der Höhe von insgesamt 35.649,07 € als Haftungspflichtige gemäß § 9 BAO in Anspruch genommen.
Begründend wurde ausgeführt, bereits die Nichtbeantwortung des Auskunftsersuchens vom stelle eine Verletzung der qualifizierten Mitwirkungspflicht dar, weshalb die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. ausgehen könne.
Die Geltendmachung der Haftung sei zweckmäßig, weil nur durch diese Maßnahme die Abgaben einbringlich gemacht und dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden könne.
Die Bezug habenden Abgabenbescheide wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen.

In der Beschwerde vom wurde der Haftungsbescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und Rechtswidrigkeit angefochten.
Unter Punkt III. der Beschwerde (Beschwerdegründe) wird wörtlich ausgeführt:

a) Keine ausreichenden liquiden Mittel
Hinsichtlich der sich aus dem Haftungsbescheid ergebenden Abgabenverbindlichkeiten ist anzuführen, dass die
X.KG im Zeitpunkt der jeweiligen Festsetzung bzw. Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeit über keine ausreichenden liquiden Mittel verfügte, um die Abgabenverbindlichkeiten bezahlen zu können.

Von der X.KG bzw. der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH wurden Zahlungseingänge an die X.KG jeweils sogleich genutzt, um Gläubiger anteilig zu befriedigen, wobei auch an die Abgabenbehörde anteilig entsprechend der vorhandenen liquiden Mittel Abgabenverbindlichkeiten bezahlt wurden.

Schon aus dem Haftungsbescheid ist ersichtlich, dass die belangte Behörde regelmäßig Zahlungen - somit anteilige Befriedigungen auf Basis der vorhandenen liquiden Mittel - erhalten hat. So scheinen bspw. Im Jahr 2016 die USt 04/16 und 06-07/16 nicht mehr als offen aus, da diese von der X.KG bezahlt wurden. Auch wurden die Lohnabgaben von der X.KG bis auf eine Ausnahme durchgehend bezahlt. Die X.KG hat daher - wann immer liquide Mittel vorhanden waren - ihre Gläubiger, darunter auch die belangte Behörde! - anteilig befriedigt. Soweit daher Abgabenverbindlichkeiten von der X.KG nicht mehr befriedigt werden konnten, handelt es sich daher um jenen Anteil, für den nicht mehr ausreichen liquide Mittel im Fälligkeitszeitpunkt vorhanden waren.

Zwar obliegt dem Vertreter die schlüssige Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden, diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters entbindet die Behörde jedoch nicht von jeglicher Ermittlungspflicht (, 0178), wie dies unrichtigerweise im Haftungsbescheid angeführt ist. Eine solche Pflicht besteht etwa, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben (; , , 2006/17/0002).

Die offenen Abgaben der X.KG wurden von der belangten Behörde auf Betreiben der Beschwerdeführerin regelmäßig gestundet bzw. wurden zwischen der X.KG und der belangten Behörde regelmäßig Ratenvereinbarungen geschlossen. Dies ergibt sich aus dem Haftungsbescheid, wo von der belangten Behörde bescheidmäßig festgesetzte Stundungszinsen von der Beschwerdeführerin eingefordert werden.

Aus diesen regelmäßigen Stundungen bzw. Ratenvereinbarungen ergibt sich, dass die belangte Behörde von den fehlenden liquiden Mitteln bei der X.KG jedenfalls Kenntnis haben musste.Der belangten Behörde lagen daher ausreichend deutliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die X.KG über keine ausreichenden liquiden Mittel verfügte, sodass die belangte Behörde entsprechende Ermittlungen anstellen hätte müssen. Stattdessen führt die belangte Behörde nur aus, dass "die Verletzung der qualifizierten Mitwirkungspflicht die Abgabenbehörde berechtigen würde, von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin auszugehen", was aber unrichtig ist und der ständigen Rechtsprechung des VwGH widerspricht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist eine solche Haftungsinanspruchnahme nur dann rechtmäßig, wenn nach den Umständen des Einzelfalles keine diesbezügliche abgabenbehördliche Ermittlungspflicht bestand (, 0178; ; , , 2006/17/0002), die im gegenständlichen Fall wie oben ausgeführt aber gegeben war.

Wenn nach der Aktenlage der Behörde bekannt ist, dass mangels liquider Mittel eine Abgabenentrichtung (zur Gänze oder anteilig) nicht möglich war, so trifft den Vertreter keine Haftung (Ritz, BAO § 9 Rz 27).

Die Beschwerdeführerin trifft daher kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgabenverbindlichkeiten, zumal die Beschwerdeführerin Gläubiger durchgängig anteilig entsprechend der vorhandenen liquiden Mittel befriedigt hat, was der belangten Behörde auch bekannt sein musste und was die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht auch feststellen hätte müssen.

b) Ratenvereinbarungen mit der belangten Behörde

Wie bereits ausgeführt wurden von der belangten Behörde auf Betreiben der Beschwerdeführerin die offenen Abgaben der X.KG regelmäßig gestundet bzw. wurden zwischen der X.KG und der belangten Behörde regelmäßig Ratenvereinbarungen geschlossen.

Zum einen ergibt sich daraus, dass die jeweiligen Beträge von der X.KG nicht entrichtet wurden, da diese aufgrund der Ratenvereinbarungen überhaupt nicht fällig waren. Die Beschwerdeführerin trifft daher kein Verschulden an der Nichtentrichtung.

Zum anderen trifft die belangteBehörde - selbst wenn eine Haftung der Beschwerdeführerin gegeben sein sollte - jedenfalls ein Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgabenschuld (), sodass der Haftungsbescheid auch aus diesem Grund aufzuheben ist.

d) Anrechnung der Schlussverteilungsquote

Das Insolvenzverfahren der X.KG wurde nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben. Selbst wenn eine Haftung der Beschwerdeführerin für die Abgabenverbindlichkeiten der X.KG bestehen sollte, wäre diese Haftung jedenfalls um die Schlussverteilungsquote zu reduzieren, die an die belangte Behörde geflossen ist ().

Die belangte Behörde hätte die erhaltene Schlussverteilungsquote von EUR 2.277,73 (siehe beigefügten Verteilungsentwurf) zugunsten der Beschwerdeführerin anrechnen müssen, was aber nicht erfolgt ist.

d) Ermessensausübung des FinA

Im Übrigen würde eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO die Beschwerdeführerin unbillig hart treffen.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung des FinA ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen zu berücksichtigen (). Die Beschwerdeführerin verfügt als Einkommen lediglich über eine geringfügige Witwenpension; ein Einkommensnachweis wird als Beilage der Beschwerde beigelegt. Aus diesem Einkommen kann die Beschwerdeführerin den strittigen Betrag in Höhe von EUR 35.649,07 nicht bedienen, was von der Abgabenbehörde im Rahmen der Ermessensentscheidung hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen gewesen wäre.

Im Übrigen ist anzuführen, dass sich aus dem angefochtenen Haftungsbescheid ergibt, dass von der Abgabenbehörde immer wieder Raten- und Stundungsansuchen der X.KG bewilligt wurden und auch keine exekutiven Maßnahmen von der Abgabenbehörde eingeleitet wurden. Auch ein Mitverschulden der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeiten aufgrund unterlassener Betreibungsmaßnahmen ist im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO zu berücksichtigen (; 96/17/0066).

Auch aufgrund dieser Erwägungen (keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin, keine Betreibungsmaßnahmen der Abgabenbehörde) wäre eine Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin unbillig und ist daher im Rahmen der Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde von einer Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin abzusehen.

Die Bf. beantragte die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Nicht die Abgabenbehörde, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe das Fehlen ausreichender Mittel ab dem Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben nachzuweisen.
Reichten die liquiden Mittel der Gesellschaft nicht zur Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten aus, hafte der Vertreter nur, wenn er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger benachteiligt habe. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter. Trete er diesen Nachweis nicht an, könne ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Im vorliegenden Fall sei die behauptete Gläubigergleichbehandlung weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen worden.
Der Inhalt der Zahlungserleichterungsanträge sei mit der verzögerten Entrichtung von Rechnungen durch öffentliche Auftraggeber begründet worden, weshalb die Abgabenbehörde von einer kurzfristigen Zahlungsstockung und nicht von einer Gefährdung der Einbringlichkeit durch das dauerhafte Fehlen der Mittel ausgegangen sei.
Im Jahr 2015 seien zwei Mal Zahlungserleichterungen bewilligt worden, deren Bedingungen nicht eingehalten wurden und dadurch mit Terminverlust endeten. Bankkontopfändungen seien am , und durchgeführt worden. Dass die Abgabenbehörde daher ein Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgaben trage, sei nicht nachvollziehbar.
Der mit dem Haftungsvorhalt vom übermittelte Fragebogen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Bf. sei ebenfalls nicht beantwortet worden, sodass die Abgabenbehörde auf eigene Ermittlungen angewiesen gewesen sei: Dabei sei ein Pensionsbezug (lt. Jahreslohnzettel 2019 13.268,64 € brutto) sowie das Eigentum der Bf. an zwei Liegenschaften bekannt geworden. Eine Unbilligkeit der Haftungsinanspruchnahme sei für die Abgabenbehörde nicht ersichtlich.
Die Verteilungsquote sei mit der Umsatzsteuer 2014 verrechnet worden, die um diesen Betrag im Haftungsbescheid vermindert aufscheine.

Im Vorlageantrag vom 22.12.20201 führte die Bf. durch ihren Vertreter aus:

In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es (alleine) dem Vertreter obliege, sich von seiner Haftung "freizubeweisen". Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde zu der nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bestehenden Ermittlungspflicht der belangten Behörde geht diese aber in keiner Weise ein und ignoriert diese vollständig.

Die Beschwerdeführerin verweist nochmals darauf, dass sich bereits aus dem Akteninhalt deutliche Ansatzpunkte für das Fehlen der liquiden Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben (haben) und die belangte Behörde keine Ermittlungen angestellt hat.

Die belangte Behörde führt weiters in der Beschwerdevorentscheidung aus, dass die belangte Behörde von einer kurzfristigen Zahlungsstockung ausgehen musste und daher laufende Stundungen und Ratenvereinbarungen gewährte. Die sich aus dem Haftungsbescheid ergebenden Abgabenrückstände der X.KG betreffendenZeitraum Februar 2015 bis Juli 2016, somit einen Zeitraum von mehr als 19 Monaten. Zwar wurden von der X.KG (anteilig anhand der vorhandenen liquiden Mittel) immer wieder Zahlungen geleistet, allerdings ergibt sich aus dem langen Zeitraum der vorhandenen Abgabenrückstände bereits, dass die X.KG länger als die für eine Zahlungsstockung maßgebliche Grenze von 3 Monaten ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht zahlen konnte, was für die belangte Behörde auch offensichtlich war bzw. bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zumindest offensichtlich sein hätte müssen.

Auch der Verweis der belangten Behörde auferfolgte Bankkontopfändungen ist nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Durch die (offenkundig nicht erfolgreichen) Bankkontopfändungen bei der X.KG waren die fehlenden liquiden Mittel für die belangte Behörde evident! Die belangte Behörde trifft durch deren Untätigkeit daher jedenfalls zumindest ein Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgabenschuld, sofern überhaupt eine Haftung der Beschwerdeführerin bestehen sollte.

Zur Unbilligkeit der Haftung für die Beschwerdeführerin und den von der belangten Behörde angeführten Liegenschaften ist anzuführen, dass es sich um keine unbelasteten Liegenschaften handelt. Hinsichtlich beider Liegenschaften sind Pfandrechte eingetragen; die zugrundeliegenden Bankverbindlichkeiten haften auch noch offen aus, sodass aus diesen Liegenschaften voraussichtlich kein Erlös erzielbar wäre, da diese überbelastet sind. Die Beschwerdeführerin legt die entsprechenden Grundbuchsauszüge vor.

Die belangte Behörde führt aus, dass sich aus dem Jahreslohnzettel der Beschwerdeführerin ein Bruttobezug in Höhe von EUR 13.268,64 ergibt. Der von der belangten Behörde angestrebte Haftungsbetrag in Höhe von EUR 35.649,07 übersteigt daher das 2,5 - fache des Jahresbruttobetrages der Beschwerdeführerin. Wie die Beschwerdeführerin den Betrag von EUR 35.649,07 bei einem Jahresbruttoeinkommen von EUR 13.268,64 jemals bezahlen soll, lässt die belangte Behörde völlig offen und sieht keine Unbilligkeit gegeben. Bei lebensnaher realistischer Betrachtung ist jedoch offenkundig, dass die Rückführung des Haftungsbetrages von EUR 35.649,07 die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin bei Weitem übersteigt und daher die Haftungsinanspruchnahme durch die belangte Behörde unbillig ist. Auch aus diesem Grund ist von einer Haftungsinanspruchnahme abzusehen.

Die Beschwerdeführerin hält daher ihren Beschwerdeantrag vom aufrecht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Unbestritten ist, dass die Bf. seit der Errichtung der X.GmbH im Jahr 2013 als deren alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin fungierte.
Die X.GmbH war seit dem Jahr 2015 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum3, davor war die Bf. seit Datum6 unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X.KG (Auszüge aus dem Firmenbuch FN x und FN x).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH hat bei einer GmbH & Co. KG, bei welcher wie im vorliegenden Fall die KG durch die Komplementär-GmbH vertreten wird, die Geschäftsführerin der GmbH die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haftet bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG (siehe mit Zitierung von Vorjudikatur).

Nach der Aktenlage handelt es sich bei den haftungsgegenständlichen Abgaben um Abgaben, die zwischen Februar 2015 und Juli 2016, also in jenem Zeitraum fällig wurden, in dem die Bf. die Komplementär GmbH und damit auch die Primärschuldnerin vertreten hat.

Zu den Pflichten der Bf. als Geschäftsführerin der Gesellschaft gehörten in diesem Zeitraum nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Pflicht, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die X.KG am Datum2 im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN x), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote von 4,22363 % übersteigen, bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Höhe der Abgaben

Im Hinblick auf § 50 KO sind Zahlungen des Masseverwalters anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.

Die vom Masseverwalter ausbezahlte Konkursquote ist bei den Haftungsbeträgen zu berücksichtigen. Insoweit war dem Vorbringen der Bf. zu folgen; die Haftungsbeträge wurden entsprechend der ausbezahlten Konkursquote von 4,22363 % herabgesetzt.

Die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten, in den Haftungsbescheid übernommenen Selbstberechnungsabgaben wurde von der Bf. nicht bestritten.
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voraus, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung (hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe) an diesen Abgabenbescheid zu halten (). Sämtliche den Haftungsbeträgen zu Grunde liegenden Abgabenbescheide wurden der Bf. zusammen mit dem Haftungsbescheid übermittelt; eine Beschwerde gegen die Abgabenbescheide gemäß § 248 BAO wurde von der Haftungspflichtigen nicht eingebracht.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz: ).

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben.
Reichten daher die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).

Lohnsteuer

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen:

Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede von der Geschäftsführerin vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.

Die Haftungsinanspruchnahme für die Lohnsteuer 02/2016 kann daher nicht mit dem Argument fehlender finanzieller Mittel bekämpft werden.

Die Auszahlung der Löhne und die Höhe des von der Gesellschaft gemeldeten Lohnsteuerbetrages wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Im Haftungsverfahren treffen den Geschäftsführer besondere Behauptungs- und Beweispflichten bezüglich allfälliger Entlastungsgründe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war ().

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 letzter Satz BAO, siehe auch ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene über keine liquiden Mittel verfügt, trifft den Vertreter kein Verschulden im Sinne des § 9 BAO (VwGH vS , 96/15/0049).
In diesem Fall hat der Geschäftsführer darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem ihm die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren ().

Dass die KG im Haftungszeitraum über keine liquiden Mittel verfügt hat, ist im Hinblick auf Lohnzahlungen (Meldung von Lohnabgaben am Abgabenkonto), (unregelmäßigen) Zahlungen am Abgabenkonto sowie den monatlich eingebrachten Umsatzsteuervoranmeldungen (aus denen auf einen laufenden Geschäftsbetrieb geschlossen werden kann), auszuschließen. Von der Bf. selbst wird vorgebracht, die Abgabenbehörde habe Zahlungen auf Basis der vorhandenen liquiden Mittel erhalten.
Anhaltspunkte für das gänzliche Fehlen von liquiden Mitteln lagen daher nicht vor; es bestand daher auch nicht, wie vorgebracht wird, eine Ermittlungspflicht der Behörde wegen deutlicher Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung.

Die Behauptungs- und Beweislast für die Gläubigergleichbehandlung zu den Fälligkeitsterminen der einzelnen Abgaben obliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Haftungsverpflichteten, weil in der Regel auch nur dieser den ausreichenden Einblick in die Gebarung der vertretenen Gesellschaft hat, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Die Bf. verweist mehrmals auf die nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH der Abgabenbehörde auferlegten Ermittlungspflicht, übersieht dabei aber, dass eine solche nur dann besteht, wenn der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufstellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen als unmaßgeblich einzustufen sind. In einem solchen Fall hätte ihn die Abgabenbehörde zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es der Behörde, nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens, ermöglicht, zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft ().
Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, sämtliche liquide Mittel seien anteilig auf alle Gläubiger aufgeteilt worden und die Abgabenbehörde sei gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt worden, wird keine allenfalls zu überprüfende Entlastungsbehauptung dargelegt (siehe , zur behaupteten "mangelnden Liquidität der Gesellschaft").

Der rechtlich vertretenen Bf. wurde im Haftungsverfahren seitens der Behörde ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu äußern bzw. wurde ihr Gelegenheit gegeben, die anteilige Befriedigung aller Gläubiger nachzuweisen (siehe Ausführungen im Vorhalt, im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung). Ein Nachweis oder eine Glaubhaftmachung der mehrmaligen allgemeinen Behauptung, das Finanzamt sei anteilig auf Basis der vorhandenen liquiden Mittel befriedigt worden, wurde seitens der Bf. - auch nicht nach der ausführlichen Darlegung der Rechtslage in der Beschwerdevorentscheidung, der Vorhaltscharakter zukommt - erbracht. Über die Höhe der der Gesellschaft im Haftungszeitraum zur Verfügung gestandenen liquiden Mittel wurden in sämtlichen Schriftsätzen der Bf. keine Angaben gemacht.
Welche (weiteren) Ermittlungen die Abgabenbehörde in diesem Zusammenhang hätte anstellen müssen, bleibt unerfindlich und wird auch nicht näher ausgeführt.

Aus der zitierten Rechtsprechung des VwGH ist entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde jedenfalls nicht ableitbar, dass die Abgabenbehörde verpflichtet wäre, im Fall eines Rückstandes am Abgabenkonto zu ermitteln, ob die Abgaben im gleichen Ausmaß wie die anderen Verbindlichkeiten entrichtet wurden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfährt die Haftung des Vertreters nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre, andernfalls haftet er für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (siehe nochmals , und die dort zitierte Vorjudikatur).
Hat der Geschäftsführer im Haftungsverfahren nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis in Bezug auf die Abgabenentrichtung erbracht, kann die Behörde schon deshalb eine die Inanspruchnahme zur Haftung rechtfertigende schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Als schuldhaft im Sinne der Bestimmung des § 9 BAO gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037).

Ein Nachweis der anteiligen Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten der X.KG wurde im gesamten Verfahren nicht erbracht, weshalb das Finanzamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. ausgehen konnte.

Zahlungserleichterungsansuchen

Bei der X.KG wurden im Haftungszeitraum die folgenden beiden Zahlungserleichterungsanträge eingebracht:

• Am wurde von der Bf. ein Ratenansuchen mit der Begründung gestellt, es sei zu einer Zahlungsstockung gekommen, da die KG vorwiegend für öffentliche Auftraggeber arbeite und bei einem Auftrag für Personal- und Materialkosten in Vorleistung getreten sei.
Dieses Zahlungserleichterungsansuchen wurde mit dem Bescheid vom bewilligt (Monatsraten zu 2.000 €); zwei Ratenzahlungen erfolgten am und am . Da Abgaben, die in die Zahlungserleichterung nicht einbezogen waren, nicht entrichtet wurden, wurde die KG am über den Terminverlust verständigt.

• Im zweiten Zahlungserleichterungsansuchen vom ersuchte die Bf., den aushaftenden Rückstand der KG in fünf Monatsraten zu 1.747 € zu entrichten. Begründend wurde das Ansuchen mit der teils sehr verspäteten Zahlung der öffentlichen Auftraggeber. Das Ansuchen wurde mit dem Bescheid vom bewilligt; bereits am erfolgte die Verständigung über den Terminverlust.

Die in der Beschwerde vorgebrachte regelmäßige Stundung von Abgabenverbindlichkeiten der KG während des Haftungszeitraumes durch die Abgabenbehörde ist daher aktenwidrig.
Ebenso irrig ist die Ansicht, die Abgaben seien aufgrund der Ratenvereinbarungen nicht fällig gewesen. Die Wirkung einer bewilligten Zahlungserleichterung liegt darin, dass Einbringungsmaßnahmen während der Dauer des Zahlungsaufschubes weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs. 5 BAO).
Durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bleibt der Fälligkeitstag ebenso unberührt () wie die bereits erfolgte Verletzung der Pflicht zur Abgabenentrichtung, die zu den früheren Fälligkeitszeitpunkten bestanden hat.

Das Zahlungserleichterungsansuchen vom umfasste ausschließlich den zu diesem Zeitpunkt fälligen Rückstand von 8.731,62 € (Hinweis im Ansuchen auf die Buchungsmitteilung 14/2015). Nach der Aktenlage trat noch vor der ersten (bewilligten) Ratenzahlung Terminverlust ein. Hinsichtlich der Nichtentrichtung des diese Zahlungserleichterung betreffenden Rückstandes hat die Bf. entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde eine schuldhafte Pflichtverletzung zu vertreten, weil ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen nichts daran ändert, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt ().

Das Zahlungserleichterungsansuchen vom umfasste hingegen auch die an diesem Tag fällige Umsatzsteuer 12/2014 in der Höhe von 6.096,09 €; bis zum Terminverlust am kann daher - vorausgesetzt die Zahlungserleichterung wurde zu Recht in Anspruch genommen - von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. an der Nichtentrichtung der Abgabe nicht ausgegangen werden. Die Abgabenentrichtungspflicht für die Umsatzsteuer 12/2014 blieb allerdings auch nach dem Terminverlust aufrecht; die Bf. hätte in weiterer Folge (nicht nur die laufenden Abgaben), sondern auch die fällige Umsatzsteuer 12/2014 (zumindest anteilig) entrichten müssen. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 12/2014 stellt daher ebenfalls eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung der Bf. dar.

Im Jahr 2016 wurden nach der Aktenlage keine Zahlungserleichterungsanträge eingebracht.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt entgegen dem Vorbringen der Bf. in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().
Die Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden steht - auch im Zusammenhang mit der Ermessensübung - in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen.

Die Geltendmachung der Haftung ist eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO7, § 224 Tz 4), diese bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.

Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt, sondern in der (vollen) Heranziehung zur Haftung läge, etwa weil die Haftung auch gegenüber (weiteren) Geschäftsführern ausgesprochen wurde oder ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt, ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Im vorliegenden Fall war die Bf. die einzige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH, weshalb eine Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihr möglich ist. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme die Einbringlichkeit der angeführten Abgaben erreicht werden und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Insofern das Finanzamt eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten der Beschwerdeführerin getroffen hat, kann ihm nicht entgegengetreten werden, da die Haftungsinanspruchnahme die letzte Möglichkeit darstellt, zumindest einen Teil der bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch einzubringen. Die Bf. verfügt zwar über kein pfändbares Einkommen, besitzt aber zwei Grundstücke. Die Frage, ob diese mit Pfandrechten "überbelastet" sind, ist nicht in diesem Verfahren zu klären. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass "Uneinbringlichkeit" nicht mit "Unbilligkeit" gleichgesetzt werden kann.

Dem in der Beschwerde ins Spiel gebrachte Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgaben in Folge Untätigkeit der Abgabebehörde sind die nach der Aktenlage zahlreichen Versuche der Behörde, die Abgaben einbringlich zu machen, entgegen zu halten. Warum die Kenntnis der Abgabenbehörde über fehlende Mittel eines Abgabenschuldners zu ihrem Mitverschulden an der Uneinbringlichkeit führen sollte, wurde nicht näher erläutert.

Da das Konkursverfahren am Datum4 aufgehoben und die Bf. im Jahr 2020 in Haftung gezogen wurde, kann von einem langen Zeitraum zwischen der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung nicht gesprochen werden.

Eine Rechtswidrigkeit in der vom Finanzamt getroffenen Ermessenentscheidung, die Bf. zur Haftung für die uneinbringlich gewordenen Abgaben der X.KG heranzuziehen, liegt somit nicht vor.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100249.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at