TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2022, RV/7102633/2022

Tragung von Krankheitskosten für die Großmutter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ÖBUG Dr. Nikolaus Wirtschaftstreuhand GmbH, St. Veit-Gasse 8, 1130 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2016 machte die Beschwerdeführerin Krankheitskosten in Höhe von 10.504,53 € und Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.561,85 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde sie ersucht, die Kinderbetreuungskosten durch Belege nachzuweisen und eine Kostenaufstellung der Krankheitskosten beizubringen.

Als Beilage zum Schreiben vom legte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin Bestätigungen betreffend die Kinderbetreuungskosten vor und führte hinsichtlich der Krankheitskosten aus, nur 325,00 € beträfen die Beschwerdeführerin selbst, der überwiegende Teil resultiere aus der Übernahme der Kosten einer Heilbehandlung von Frau ***1***, der Großmutter der Beschwerdeführerin. Die Kostenübernahme sei aus sittlichen Gründen zwangsläufig erfolgt.

Bei der Großmutter, die ihren ständigen Wohnsitz in der Ukraine habe, sei im Jahr 2016 eine lebensbedrohliche Krebserkrankung diagnostiziert worden, für die es an ihrem Wohnort keine geeignete Therapie gegeben habe. Aus einem Bestätigungsschreiben des die Behandlung koordinierenden Gynäkologen ergebe sich, dass die Behandlung wegen der Komplexität der Angelegenheit der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe und in weiterer Folge der Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie übertragen worden sei.

Die Kosten habe wirtschaftlich ausschließlich die Beschwerdeführerin und nicht deren Ehegatte getragen, obwohl ein Teil der Urkunden im Außenverhältnis auf diesen lauten würden. Die diesbezügliche Befragung des Ehegatten werde ausdrücklich angeboten.

Bei der Veranlagung der Einkommensteuer 2016 wurden die Kinderbetreuungskosten antragsgemäß berücksichtigt. Die die Großmutter betreffenden Aufwendungen wurden wegen fehlender Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

Die die Beschwerdeführerin selbst betreffenden Aufwendungen in Höhe von 325,00 € wurden nicht berücksichtigt, weil sie den für die Beschwerdeführerin gültigen Selbstbehalt in Höhe von 4.441,19 € nicht überstiegen.

In der fristgerecht gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 erhobenen Beschwerde führte der steuerliche Vertreter aus, der überwiegende Teil der Krankheitskosten habe zwar die Übernahme der Kosten der Heilbehandlung für die Großmutter betroffen, die jedoch aus sittlichen Gründen zwangsläufig erfolgt sei (siehe LStR 2002, Rz 832 und die dort zitierte Judikatur).

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt:

"Außergewöhnliche Belastungen dürfen nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen, müssen außergewöhnlich sein, müssen zwangsläufig erwachsen, müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und dürfen nicht unter ein Abzugsverbot fallen.Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.

Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Belastung erwächst nicht zwangsläufig, wenn sie sonst unmittelbare Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.

Eine sittliche Verpflichtung liegt nur dann vor, wenn die Übernahme der Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen (objektiv) durch die Sittenordnung geboten erscheint. Es reicht nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige zur Tätigung der Aufwendungen sittlich verpflichtet fühlt. Ebenso ist nicht ausreichend, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert erscheinen mag.

Dass die Großmutter nach Österreich geholt wird, um deren Krebserkrankung hier behandeln zu lassen, ist unter Bedachtnahme der obigen Ausführungen keinesfalls als außergewöhnliche Belastung zu werten.

Dem § 34 EStG 1988 liegt der Gedanke zugrunde, dass die in Österreich Steuerpflichtigen eine Gemeinschaft bilden, die in den Ausnahmefällen der außergewöhnlichen Belastung, die die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Angehörigen der Gemeinschaft wesentlich beeinträchtigt, den Steuerausfall auf sich nimmt, der dadurch entsteht, dass dem Betroffenen eine Steuerermäßigung gewährt wird. Man kann daher unter Beachtung dieses Gedankens nicht zum Ergebnis gelangen, dass es Sinn dieser Gesetzesstelle wäre, die mit hohen Kosten verbundene Behandlungen der Großmutter aus der Ukraine teilweise mit Mitteln aus dem Steueraufkommen der Allgemeinheit zu finanzieren. Die Ukraine ist ein europäischer Staat, dessen Gesundheitssystem sicher nicht mit dem Österreichischen vergleichbar ist. Das gilt jedoch für viele Osteuropäische Staaten. Daraus eine sittliche Verpflichtung zur Behandlung aller in diesen Staaten lebenden Verwandten von Österreichischen Steuerpflichtigen abzuleiten, ist unzulässig. Die Behandlung von im Ausland ansässigen Verwandten in Österreich kann daher - auch wenn die Handlung an sich menschlich verständlich ist - nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führen."

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte der steuerliche Vertreter aus, die offenbare Auffassung der belangten Behörde, wonach eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Krankheitsbehandlungskosten naher Angehöriger im Sinne des § 25 BAO, die der Verwaltungsgerichtshof im Sinne der bereits in der Beschwerde zitierten Judikatur klar bejahe, nur dann bestehe, wenn diese nahen Angehörigen in Österreich ansässig seien, weil nur - so die belangte Behörde wörtlich -"die in Österreich Steuerpflichtigen eine Gemeinschaft bilden", sodass eine derartige sittliche Verpflichtung nur gegenüber Angehörigen dieser "Gemeinschaft" bestehe, sei dem österreichischen Recht fremd. Sie stelle nämlich auf das Konstrukt einer "Volksgemeinschaft " ab, das die österreichische Rechtsordnung jedenfalls seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges - nach Auffassung der Beschwerdeführerin höchst erfreulicherweise - klar verworfen habe.

Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter vor, am sei gegen die Beschwerdevorentscheidung vom ein Vorlageantrag gestellt worden. Die belangte Behörde habe die Bescheidbeschwerde vom nicht innerhalb von zwei Monaten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Daher werde gemäß § 264 Abs. 6 BAO eine Vorlageerinnerung eingebracht.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und in der Stellungnahme auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Mit Beschluss vom wurde die beschwerdeführende Partei ersucht nachzuweisen, dass

  1. die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Krebsbehandlung der Großmutter tatsächlich wirtschaftlich von ihr getragen worden seien, obwohl ein Teil der Unterlagen auf den Ehemann der beschwerdeführenden Partei laute,

  2. die Großmutter über kein Vermögen verfügt habe,

  3. keine leiblichen Kinder vorhanden gewesen seien, die diese Kosten hätten übernehmen können,

  4. die beschwerdeführende Partei die einzige Enkelin sei,

  5. durch die Unterhaltszahlungen an die Großmutter bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Sorgepflichten der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet sei,

  6. eine der Behandlung in Österreich gleichwertige Behandlung in der Ukraine nicht möglich gewesen wäre.

Mit Schreiben vom nahm der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin wie folgt Stellung:

Ad 1) Aus dem von der Beschwerdeführerin gegengezeichneten Schreiben des Ehegatten vom ergebe sich, dass dieser die Verpflichtung zur Kostentragung nur im Außenverhältnis übernommen habe. Im Innenverhältnis seien die Kosten der Krebsbehandlung aber von der Beschwerdeführerin getragen worden seien. Sie habe diese stets bar bezahlt. Auf die mit der Vorhaltsbeantwortung vom vorgelegten Urkunden werde verwiesen.

Lediglich der Betrag von 150,00 € sei vom Ehegatten bar bezahlt worden, weil die Beschwerdeführerin damals ihre Geldbörse vergessen gehabt habe. Unmittelbar danach habe sie aber diesen Betrag ihrem Ehegatten in bar rückerstattet.

Aus der Urkunde 15 sei abzuleiten, dass ein Honorarbetrag in Höhe von 4.600,00 € von der Rechtsvorgängerin der steuerlichen Vertretung bevorschusst worden sei. Dieser Betrag sei aber vom Gehalt der Beschwerdeführerin in den Monaten Mai und Juni 2016 einbehalten worden, wie den vorgelegten Gehaltsabrechnungen für diese beiden Monate entnommen werden könne.

Ad 2) Zum Beweis der Tatsache, dass die Großmutter der Beschwerdeführerin über kein Vermögen verfügt habe, werde eine eidesstättige Erklärung des Ehegatten der Beschwerdeführerin vorgelegt und dessen zeugenschaftliche Einvernahme beantragt. Außerdem werde diesbezüglich die Einvernahme der in Israel lebenden Mutter der Beschwerdeführerin beantragt. Eine zeugenschaftliche Einvernahme der Großmutter sei leider nicht mehr möglich, da diese bereits am verstorben sei.

Ad 3) Die Großmutter habe zwei leibliche Kinder gehabt, nämlich einen bereits im Jahr 2013 verstorbenen Sohn und die Mutter der Beschwerdeführerin. Letztere lebe in Israel und sei zu keinem Zeitpunkt erwerbstätig gewesen; die Kosten der Lebensführung seien bis zu ihrer Scheidung im Jahr 2015 von ihrem Ehemann getragen worden. Seit beziehe sie eine israelische Mindestpension von umgerechnet 912,00 €. In der Zeit zwischen ihrer Scheidung und dem Beginn des Pensionsbezuges sei sie ohne Einkommen gewesen und in diesem Zeitraum vom Ehegatten der Beschwerdeführerin und von der Beschwerdeführerin selbst finanziell unterstützt worden. Die Mutter der Beschwerdeführerin lebe seit 2015 in einer im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Wohnung, die insbesondere zu diesem Zweck erworben worden sei.

Ad 4) Die Beschwerdeführerin habe keine Geschwister. Der Ehe ihres Onkels, die bereits 2005 geschieden worden sei, entstammten zwei Kinder, hinsichtlich derer das Sorgerecht nach der Scheidung der Mutter übertragen worden sei. Mit der Scheidung sei jeder Kontakt abgebrochen worden. Nach dem Anfall der streitgegenständlichen Aufwendungen sei selbstverständlich die Möglichkeit eines anteiligen Regresses gegenüber diesen beiden Enkeln geprüft worden. Die Geltendmachung von Regressansprüchen sei aber von vornherein ausgeschlossen gewesen, weil weder das ukrainische noch das russische Recht einen Großelternunterhalt kennen würden.

Ad 5) Sämtliche Kosten der Lebensführung der Beschwerdeführerin und des gemeinsamen Sohnes würden seit der Eheschließung 2006 vom Ehegatten der Beschwerdeführerin getragen, weshalb der angemessene Unterhalt durch die streitgegenständlichen Aufwendungen nicht gefährdet gewesen sei.

Ad 6) Für die Behandlung der Großmutter in der Ukraine sei die onkologische Abteilung des staatlichen Krankenhauses der Autonomen Republik Krim in S zuständig gewesen. Privatkrankenanstalten, die komplexe, onkologische Behandlungen hätten durchführen können, habe es 2016 nur in der Hauptstadt Kiew gegeben. Die Kosten dort hätten aber die Kosten der Behandlung in Wien schon deshalb bei Weitem überschritten, weil infolge der beträchtlichen Entfernung zum Wohnort der Großmutter eine stationäre Aufnahme unerlässlich gewesen wäre. In Wien habe die Behandlung ambulant durchgeführt werden können, weil die Großmutter in der Wohnung der Familie der Beschwerdeführerin gelebt habe.

Eine Verprobung des vom Krankenhaus in S erstellten Befundes habe ergeben, dass die darin gestellte Diagnose grob falsch gewesen sei. Es sei tatsächlich ein weit fortgeschrittener Tumor mit Lymphknotenbefall und Fernmetastasen vorgelegen, der mit einer ganz speziell strukturierten Radiotherapie zu behandeln gewesen sei. Es sei offensichtlich, dass eine medizinische Einrichtung, die mangels Ausstattung nicht einmal eine korrekte Diagnose erstellen könne, nicht in der Lage sei, eine der in Österreich durchgeführten Behandlung gleichwertige zu gewährleisten. Auch habe im Jahr 2016 in S keine Möglichkeit bestanden, eine Radiotherapie für ein Zervixkarzinom im FIGO-Stadium IV durchzuführen. Zum Beweis des Vorbringens werde die zeugenschaftliche Einvernahme eines informierten Vertreters des Gesundheitsministeriums der Ukraine beantragt.

Mit Beschluss vom wurde der belangten Behörde in Wahrung des Parteiengehörs das Schreiben des steuerlichen Vertreters sowie die zum Nachweis des Vorbringens beigebrachten Unterlagen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

Am teilte der Vertreter der Amtspartei mit, dass aufgrund der Ausführungen im Schreiben des steuerlichen Vertreters und der nunmehr vorgelegten Unterlagen eine vom Vorlagebericht abweichende Rechtsansicht vertretbar erscheine. Das in diesem Schreiben erstattete Sachverhaltsvorbringen könne als unstrittig angesehen und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Bei der Großmutter der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2016 eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die Großmutter hatte ihren ständigen Wohnsitz in S in der Ukraine. Da eine adäquate Behandlung vor Ort nicht möglich war, erfolgte die Behandlung der Großmutter, die über kein Vermögen verfügte, in Österreich. Die damit im Zusammenhang anfallenden Kosten in Höhe von 10.179,53 € wurden wirtschaftlich von der Beschwerdeführerin getragen.

An leiblichen Kindern lebte im Streitjahr noch die Mutter der Beschwerdeführerin, deren Lebenshaltungskosten bis zu ihrer Scheidung im Jahr 2015 von ihrem Mann getragen worden sind. Sie selbst war zu keinem Zeitpunkt erwerbstätig. Seit bezieht sie eine israelische Mindestpension von umgerechnet 912,00 €. Im Zeitraum zwischen Scheidung und Beginn des Pensionsbezuges wurde sie von der Beschwerdeführerin und deren Ehegatten finanziell unterstützt.

Weitere Enkelkinder, die die Kosten hätten übernehmen können, waren nicht vorhanden. Durch die Tragung der Behandlungskosten war der angemessene Unterhalt weder der Beschwerdeführerin noch ihres Sohnes gefährdet.

Die Beschwerdeführerin verausgabte 2016 einen Betrag von 325,00 € für zahnärztliche Leistungen.

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin und die zum Nachweis vorgelegten Unterlagen. Die belangte Behörde führte in der Stellungnahme vom aus, dass das vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin erstattete Sachverhaltsvorbringen aufgrund der mit Schreiben vom vorgelegten Unterlagen als unstrittig angesehen werde. Es durfte daher gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

Damit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können, müssen die Aufwendungen alle drei der genannten Merkmale (außergewöhnlich, zwangsläufig und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigend) aufweisen. Fehlt nur eine der drei Voraussetzungen, so ist eine steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht möglich.

§ 234 ABGB lautet:

"(1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

Die Unterhaltspflicht richtet sich nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts. Es ist daher die Bestimmung des § 234 ABGB heranzuziehen, nach deren Abs. 1 das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse Unterhalt schuldet, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Die Unterhaltspflicht der Kinder steht gemäß Abs. 2 jener eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. Gemäß Abs. 3 mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet wird.

Unterhaltsleistungen nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sind nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Damit sind Krankheits- oder Pflegekosten eines mittellosen Eltern- und Großelternteils beim Verpflichteten abziehbar, weil die Aufwendungen auch beim Steuerpflichtigen selbst als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig wären. Die mit der Krebsbehandlung der Großmutter verbundenen Kosten stellen solche Unterhaltsleistungen dar, weil sie auch bei der Unterhaltsberechtigten selbst als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig wären.

Der Unterhaltsanspruch gegen Nachkommen, der nach der Wertung des § 234 ABGB einen Ausnahmefall darstellt, setzt nach § 234 Abs. 1 ABGB fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Großmutter voraus (vgl. zB ). Mehrere Nachkommen gleichen Grades schulden den Unterhalt anteilig nach Kräften (, mwN).

Es waren daher im Rahmen der Beurteilung der allfälligen Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin nach § 234 ABGB Ermittlungen dazu anzustellen, ob noch andere (potentiell vorrangige) Unterhaltspflichtige existieren, ob die Unterhaltsberechtigte ihre eigenen Unterhaltspflichten gröblich vernachlässigt hat, ob der Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar gewesen wäre und ob für die Beschwerdeführerin sonstige Unterhaltspflichten bestanden haben, die dazu führen hätten können, dass ihr eigener Unterhalt gewesen wäre.

Die vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass die Großmutter vermögenslos war, keine Kinder vorhanden waren, die nach ihren Kräften in der Lage gewesen wären, die Behandlungskosten anteilig zu tragen, die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen die weiteren Enkelkinder aufgrund der ukrainischen (und auch russischen) Rechtslage ausgeschlossen und der angemessene Unterhalt der Beschwerdeführerin und die ihrem Sohn gegenüber bestehende Unterhaltspflicht durch die Kostentragung nicht gefährdet war.

Diese Sachverhaltsfeststellungen wurden von der Amtspartei im Schreiben vom als unstrittig angesehen.

Es lagen sämtliche Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung vor, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der Betrag von insgesamt 10.504,53 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen war.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2016)

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102633.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at