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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.08.2022, RV/3100312/2014

Keine widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges im Inland (§ 82 Abs 8 KFG 1967) bei monatlichem Ausbringen; Vorliegen eines ig Erwerbes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerden vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Steuernummer: ***BF1StNr1***, vertreten durch den mit Zustellvollmacht ausgewiesenen RA Dr. Christian Pichler, Unterdorf 41a Tür Top 2, 6600 Lechaschau, gegen die Bescheide des Finanzamtes Landeck Reutte (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung) für den PKW Nissan Qashqai, Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 8/2008 sowie Kraftfahrzeugsteuer 9-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010 und 1-12/2011 zu Recht:

I)
Die Beschwerde betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung) für den PKW Nissan Qashqai wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Den Beschwerden betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 8/2008 sowie Kraftfahrzeugsteuer 9-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010 und 1-12/2011 wird gem. § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt Landeck Reutte legte die Berufungen vom (ab 2014 als Beschwerden zu behandeln) am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Von der gültigen Geschäftsverteilung wurden sie vorerst der Gerichtsabteilung 4012 zur Erledigung zugewiesen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurden sie mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung 6022 übertragen.

I. Verfahrensgang

Nach einem von der Finanzpolizei durchgeführten Ermittlungsverfahren wurden vom Finanzamt am die Bescheide betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung) für den PKW Nissan Qashqai, Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 8/2008 sowie Kraftfahrzeugsteuer 9-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010 und 1-12/2011 erlassen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Festsetzungen erforderlich waren, da die Selbstberechnungen der Abgaben nicht durchgeführt wurden.

Mit Schreiben vom wurden vom Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) Beschwerden gegen die angeführten Bescheide eingebracht. Der BF habe in G eine Wohnung, die er zum Übernachten benutze. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liege in K in Deutschland. Dort befinde sich seine Arbeitsstelle, weiters habe er in Deutschland verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen, sodass er sich auch in der Freizeit meist dort aufhalte. Hervorzuheben sei, dass sein Vater inzwischen im Altersheim lebe und der BF am Wohnort seines Vaters in Deutschland viel Zeit verbringe, um bei seinem Vater zu sein. Beantragt werde die Parteieneinvernahme des BF zur Richtigkeit der vorgebrachten Sachverhaltsdarstellungen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Der BF sei seit zumindest 2008 beim Finanzamt als Grenzgänger zur Einkommensteuer erfasst und habe demzufolge seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Er kehre arbeitstäglich von seiner Arbeitsstätte in K zu seinem Wohnsitz nach G zurück. Die Besuche beim Vater in O würden keinen Wohnsitz begründen.

Mit Schreiben vom wurden vom BF Anträge auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beim Finanzamt eingebracht.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der BF aufgefordert, hinsichtlich der Beschwerden bzw. Vorlageanträge zu den Bescheiden betreffend Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer entsprechende Unterlagen und Beweise vorzulegen, die eine Standortvermutung (§ 82 Abs 8 KFG 1967) des Fahrzeuges in Österreich widerlegen könnten.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine ergänzende Stellungnahme beim Finanzamt eingereicht. Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum habe sich der BF bis zur Verbringung seines Vaters in ein Altersheim im Jänner 2013 über viele Jahre, bedingt durch die Krankheit des Vaters, um diesen kümmern müssen und bei seinem Vater in O gelebt. In diesem Zusammenhang wurde eine vom Vater des BF unterfertigte Bestätigung vorgelegt.

Am legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der BF hat seinen Hauptwohnsitz an der Adresse ***Bf1-Adr*** (bis an der BF-Adr 2) in Österreich. An der Adresse ***Bf1-Adr*** befindet sich das Elternhaus des BF, wo er gemeinsam mit seiner Mutter lebt. Das Haus befindet sich im Eigentum der Mutter des BF.

Der BF verfügte im Beschwerdezeitraum auch über einen Hauptwohnsitz in BF-Adr-D (Mietwohnung des Vaters des BF), Deutschland.

Der BF war im Beschwerdezeitraum als Grenzgänger beim Finanzamt Landeck Reutte erfasst und hat seine Einkünfte von der deutschen Firma C GmbH in K aufgrund der Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland in Österreich versteuert. Der BF hat das Pendlerpauschale und den in Österreich entrichteten Kirchenbeitrag im Beschwerdezeitraum im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen als Werbungskosten bzw. Sonderausgaben geltend gemacht.

Der BF hat das Fahrzeug Nissan Qashqai 2.0L DCI 150P mit der Fahrgestellnummer XY am mit einem Kilometerstand von 6 Kilometer um einen Nettokaufpreis von € 23.699,83 vom AK GmbH in K, Deutschland, erworben. Das Fahrzeug wurde am auf den BF mit der Adresse BF-Adr-D, Deutschland mit dem Kennzeichen OF zugelassen. Das AK GmbH übergab das Fahrzeug am an den BF und verbrachte es dieser im Anschluss innerhalb von 2 bis 3 Tagen nach Österreich.

Der BF verbrachte das Fahrzeug im Beschwerdezeitraum von August 2008 bis Dezember 2011 mehrmals jeden Monat, während der Arbeitszeiten täglich, nach Deutschland.

Die engeren persönlichen Beziehungen hatte der BF im Beschwerdezeitraum zu Österreich.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vom Finanzamt übermittelten Unterlagen bzw. den Angaben des BF in der Niederschrift vom und den eingebrachten Schriftsätzen.

Dass der BF in Österreich in seinem Elternhaus in G mit seiner Mutter wohnt und er im Beschwerdezeitraum auch in O (Deutschland) über einen Wohnsitz verfügt hat, ist den vorgelegten Meldebestätigungen bzw. den Angaben des BF in der Niederschrift vom zu entnehmen.

Dass der BF das Fahrzeug Nissan Qashqai 2.0L DCI 150P mit der Fahrgestellnummer XY mit dem angeführten Kilometerstand am erworben hat und dieses am auf ihn mit dem Kennzeichen OF zugelassen wurde, ergibt sich aus der Rechnung des AK GmbH bzw. der Zulassungsbestätigung.

Dass das gegenständliche Fahrzeug innerhalb von 2 bis 3 Tagen im Anschluss an den Erwerb vom BF nach Österreich verbracht wurde, ergibt sich aus den Angaben des BF in der Niederschrift vom .

Dass der BF seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von der deutschen Firma C GmbH in K aufgrund der Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland in Österreich versteuert, er das Pendlerpauschale und den Kirchenbeitrag als Werbungskosten bzw. Sonderausgaben geltend gemacht hat, ist unstrittig bzw. ergibt sich dies aus dem vorgelegten Steuerbescheid und den vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfragen in der Datenbank der Finanzverwaltung.

Dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom BF im Beschwerdezeitraum mehrmals monatlich, während der Arbeitszeiten täglich, nach Deutschland verbracht wurde, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des BF in der Niederschrift vom bzw. wird auch von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung angeführt, dass der BF arbeitstäglich von seinem Wohnsitz in G zur Arbeitsstätte nach K und wieder retour fährt.

Betreffend die Feststellung, dass der BF im Beschwerdezeitraum die engeren persönlichen Beziehungen zu Österreich hatte, ist insbesondere darauf zu verweisen, dass der BF in Österreich gemeinsam mit seiner Mutter in seinem Elternhaus lebt. Er fuhr arbeitstäglich zu seiner Arbeitsstätte nach K in Deutschland und nach der Arbeit wieder zurück in sein Elternhaus in G. Der BF gibt in der Niederschrift vom selber an, dass er Mitglied im Fischereiverein T sei, er sowohl in Deutschland als auch in Österreich freundschaftliche Beziehungen pflege und Verwandte von ihm in Deutschland und in Österreich leben würden. Es ist für das Bundesfinanzgericht durchaus glaubhaft, dass der BF seinen in O lebenden Vater regelmäßig besucht hat und er sich um diesen aufgrund der Krankheit auch vermehrt kümmern musste, was aufgrund der großen Entfernung nach O (eine Strecke ca. 350 Kilometer) aber sicherlich nur eingeschränkt möglich war.

In einer Gesamtabwägung aller Umstände kommt das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass letztendlich aufgrund der Tatsache, dass der BF im Beschwerdezeitraum arbeitstäglich in sein Elternhaus in Österreich zurückgekehrt ist, wo er gemeinsam mit seiner Mutter gelebt hat, die persönlichen Interessen zu Österreich überwiegen.

Ein Indiz für diese Feststellung ist auch der Umstand, dass der BF seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der deutschen Firma C GmbH in K aufgrund der Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland (Art 15 Abs 6 DBA Deutschland) in Österreich versteuert hat. Eine Inanspruchnahme der angeführten Grenzgängerregelung ist grundsätzlich nur bei einer arbeitstäglichen Rückkehr an den österreichischen Wohnsitz und bei einer in Österreich gelegenen Ansässigkeit möglich. Im Fall eines Wohnsitzes in Deutschland und in Österreich gilt eine Person nämlich nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Der Umstand, dass der BF seinen in O lebenden Vater lebenden Vater auch finanziell unterstützt hat, ist für die Frage der Beurteilung der engeren persönlichen Beziehungen nicht maßgeblich.

Hinsichtlich des Beweisantrages auf Parteieneinvernahme des BF zur Richtigkeit der vorgebrachten Sachverhaltsdarstellungen ist auszuführen, dass von einer neuerlichen Einvernahme des BF Abstand genommen wird, da dieser von der Finanzpolizei bereits am niederschriftlich befragt wurde und er in dieser Niederschrift schon jene Angaben getätigt hat, die er in den Beschwerdeschreiben vom bzw. der Stellungnahme vom abermals vorgebracht hat.

Vor diesem Hintergrund können die oben angeführten Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Zunächst ist festzuhalten, dass das Finanzamt Österreich gem. § 323 Abs 1 BAO an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes Landeck Reutte getreten ist.

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

Ad Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung):

Gem. Art. 1 Abs 7 UStG 1994 ist der Erwerb eines neuen Fahrzeuges durch einen Erwerber, der nicht zu den in Abs 2 Z 2 genannten Personen gehört, unter den Voraussetzungen des Abs 2 Z 1 ein innergemeinschaftlicher Erwerb.

Nach Art. 1 der BMR zum UStG 1994 unterliegt also der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeuges auch bei einem Nichtunternehmer der Erwerbsteuer. Grundsätzliche Voraussetzung eines innergemeinschaftlichen Erwerbes ist, dass ein Gegenstand bei einer Lieferung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt.

Dazu hat der VwGH in seiner Entscheidung vom () ausgeführt, dass es der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen ermöglichen soll, die Umsatzsteuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in welchem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (Rn 22 des Urteils C-84/09 X des EuGH). Bei neuen Fahrzeugen will der Unionsgesetzgeber insbesondere im Hinblick auf deren leichte Transportierbarkeit (und auf deren Wert) auch den Erwerb durch Privatpersonen besteuert wissen (Rn 24). Die Beurteilung, in welchem Mitgliedstaat der Endverbrauch eines Fahrzeugs (und damit der innergemeinschaftliche Erwerb) stattfindet, hat auf einer umfassenden Abwägung aller objektiven tatsächlichen Umstände zu beruhen. Zu diesen im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse zu berücksichtigenden Umständen gehören u.a. der Ort der gewöhnlichen Verwendung des Gegenstandes, seine Registrierung, der Wohnort des Erwerbers sowie das Bestehen oder Fehlen von Verbindungen des Erwerbers zu einzelnen Mitgliedstaaten (Rn 44 f). Es ist anhand objektiver Umstände im Zeitpunkt der Lieferung festzustellen, in welchem Mitgliedstaat die endgültige und dauerhafte Verwendung eines Fahrzeugs stattfinden wird.

Zu diesen objektiven Umständen gehören im beschwerdegegenständlichen Fall insbesondere die Wohnsitze des BF im Zeitpunkt des Erwerbes des Fahrzeugs und die (persönlichen) Verbindungen des Mitbeteiligten in den Mitgliedstaaten (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln (vgl. dazu etwa ; , Ra 2016/15/0057) und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , Ra 2016/15/0057, mwN). Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. wiederum ; , Ra 2016/15/0057, mwN).

Aufgrund der unter Punkt 2 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wurde festgestellt, dass der BF im Beschwerdezeitraum die engeren persönlichen Beziehungen zu Österreich hatte. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF lag im maßgeblichen Zeitraum somit in Österreich.

Aufgrund des in Österreich gelegenen Mittelpunktes der Lebensinteressen, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die endgültige und dauerhafte Verwendung des streitgegenständlichen PKW, also der Endverbrauch des Fahrzeuges in Österreich erfolgen sollte.

Ein Landfahrzeug ist gem. Art. 1 Abs 9 UStG 1994 neu, wenn es im Zeitpunkt des Erwerbes entweder weniger als 6.000 km zurückgelegt hat oder die erste Inbetriebnahme weniger als 6 Monate zurückliegt. Steuerschuldner ist der Erwerber des neuen Personenkraftwagens (Art. 19 Abs 1 Z 1 UStG 1994) und die Steuerschuld entsteht am Tag des Erwerbes (Art. 19 Abs 2 Z 2 UStG 1994). Gem. Art. 20 Abs 2 UStG 1994 ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in Art. 1 Abs 2 Z 2 genannten Personen die Steuer für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung). Gem. Art. 21 Abs 2 UStG 1994 hat in den Fällen der Fahrzeugeinzelbesteuerung (Art. 20 Abs 2) der Erwerber spätestens bis zum Ablauf eines Monates, nach dem die Steuerschuld entstanden ist (Fälligkeitstag), eine Steuererklärung auf amtlichem Vordruck abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Gibt der Erwerber die Steueranmeldung nicht ab oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, so kann das Finanzamt die Steuer festsetzen. Die Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Bemessungsgrundlage des Umsatzes ist gem. Art. 4 Abs 1 UStG 1994 das Entgelt. Die ausländische Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

Hinsichtlich der angeführten Voraussetzungen für das Vorliegen eines neuen Fahrzeuges (Art. 1 Abs 9 UStG 1994) bzw. der heranzuziehenden Bemessungsgrundlage wird auf die unter Punkt 2 diesbezüglich getroffenen Feststellungen verwiesen.

Es sind somit sämtliche Voraussetzungen für die Erwerbsbesteuerung erfüllt.

Ad Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 8/2008 sowie Kraftfahrzeugsteuer 9-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010 und 1-12/2011

Gem. § 1 Z 3 NoVAG 1991 unterliegt die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland der Normverbrauchsabgabe. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird der Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Gem. § 4 Z 3 NoVAG 1991 zufolge sind Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre (§ Z 3), der Zulassungsbesitzer und derjenige, der das Fahrzeug verwendet, als Gesamtschuldner (§ 6 Abs 1 BAO).

Der Tatbestand in § 1 Z 3 NoVAG 1991 verweist auf kraftfahrrechtliche Bestimmungen, weshalb für die Frage, wann ein Fahrzeug zuzulassen ist, der Norminhalt des Kraftfahrgesetzes maßgeblich ist.

Nach § 36 KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 leg. cit. über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) und wenn andere hier nicht interessierende Voraussetzungen gegeben sind.

Gem. § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, ist auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn näher genannte Vorschriften eingehalten werden.

§ 82 Abs 8 KFG 1967 in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 132/2002, lautet: "Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. (….)."

Mit Erkenntnis vom () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 82 Abs 8 KFG beim Beginn der Frist auf denselben Vorgang abstelle wie § 79 leg. cit., nämlich auf das Einbringen des Fahrzeuges, und lediglich eine andere Dauer der Frist normiere. Auch für die Frist in § 82 Abs 8 KFG gelte, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeuges ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeuges, die Frist mit der neuerlichen Einbringung zu laufen beginne. Die Ansicht, dass ein vorübergehendes Verbringen des Fahrzeuges ins Ausland die Frist des § 82 Abs 8 KFG nicht unterbreche, das heißt bei neuerlicher Einbringung des Fahrzeuges die Frist nicht ab der (neuerlichen) Einbringung zu rechnen sei, finde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz keine Deckung.

Mit den zu den Geschäftszahlen 2015/16/0031 und 2016/16/0031 ergangenen Erkenntnissen vom und bestätigte der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsansicht.

In Reaktion auf das Erkenntnis vom änderte der Gesetzgeber den Norminhalt des § 82 Abs 8 KFG 1967 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014 insofern, als nunmehr für den Fristbeginn auf die "erstmalige Einbringung" in das Bundesgebiet abgestellt wurde. Zudem wurde ausdrücklich normiert, dass eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbricht. In § 135 Abs 27 KFG 1967 wurde zudem bestimmt, dass die Gesetzesänderung mit - somit also rückwirkend - in Kraft tritt.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom (G 72/2014) hinsichtlich der Rückwirkungsanordnung die Bestimmung des § 135 Abs 27 KFG 1967 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei.

Demzufolge ist die geänderte Bestimmung des § 82 Abs 8 KFG 1967 gemäß Art. 49 Abs 1 B-VG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (mit Ablauf des ) in Kraft getreten.

Im Beschwerdefall ist daher § 82 Abs 8 KFG 1967 in der Fassung des BGBl. I Nr. 132/2002 - unter Beachtung der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - weiterhin anzuwenden.

Die Normverbrauchsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer sind Selbstberechnungsabgaben. Nach dem hiefür einschlägigen Norminhalt des § 201 BAO ist eine Festsetzung der (Selbstbemessungs-)Abgaben durch die Behörde nur zulässig, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet wäre, keine oder eine unrichtige Selbstberechnung vorlegt. Vice versa darf die Behörde keine Festsetzungen vornehmen, wenn keine Steuerpflicht besteht.

Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Normverbrauchsabgabe bzw. der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz (KFG) zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird. Liegen jedoch regelmäßige, zumindest monatliche Ausbringungen vor, kann bis zum Wirksamwerden der Gesetzesänderung durch das BGBl. I Nr. 26/2014 per unabhängig vom Standort des Fahrzeuges und von der Person des Verwenders keine widerrechtliche Verwendung vorliegen.

Im vorliegenden angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid für die Monate 9-12/2008 vom wurde die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 9-12/2008 festgesetzt.

In § 6 Abs 3 KfzStG 1992 ist gesetzlich als Steuerberechnungs- und Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr festgelegt (vgl. auch Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 582 BlgNR XVIII. GP).

Die Kraftfahrzeugsteuer ist somit eine Vierteljahresabgabe. Eine Vorschreibung von Monatsbeträgen ist - auch wenn sie in einer zusammengefassten Festsetzung erfolgt - rechtswidrig. Zusammengefasst könnten allenfalls Vierteljahres-Zeiträume werden.

Da das Finanzamt für das Jahr 2008 einen unzulässigen Besteuerungszeitraum (9-12/2008) gewählt hat, ist der angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid für die Monate 9-12/2008 schon aus diesem Grund aufzuheben (vgl. zB ; ).

Wie sachverhaltsmäßig festgestellt, wurde das streitgegenständliche Fahrzeug regelmäßig und zumindest einmal im Monat in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht. Weil mit jeder Verbringung die Monatsfrist wieder neu zu laufen begonnen hat, entstand keine Zulassungsverpflichtung im Inland und die Verwendung des Fahrzeuges ohne inländische Zulassung war kraftfahrrechtlich zulässig. Damit wurden die in § 1 Z 3 NoVAG 1991 und § 1 Abs 1 Z 3 KfzStG 1992 normierten Tatbestände nicht verwirklicht. Auf die Frage, ob dem BF der Gegenbeweis zur Standortvermutung nach § 82 Abs 8 KFG gelungen ist oder nicht, muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Daraus folgt, dass der BF nicht zur Selbstberechnung der Abgaben nach § 201 BAO verpflichtet war und das Finanzamt über keine Berechtigung zur Festsetzung der Abgabe verfügte.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gem. Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung ( betreffend Erwerbsteuer bzw. und betreffend Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer), weshalb gem. § 25a VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 19 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 1 Abs. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 1 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 19 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 20 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 21 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 4 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 4 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 36 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 79 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 135 Abs. 27 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 Abs. 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100312.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at