Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 19.12.2022, RV/1100355/2021

Zustellung an den Vertretenen trotz bestehender Zustellungsbevollmächtigung für eine Steuerberatungsgesellschaft.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1*** z. H. Union Tax&Law, Donau-City-Straße, DC Tower-30th floor 7, 1220 Wien,

betreffend die Bescheide des ***FA*** vom hinsichtlich

Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***,

beschlossen:

Der Vorlageantrag wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Im November 2019 brachte der Beschwerdeführer, der zu dieser Zeit in ***1*** wohnhaft war, Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für die Streitjahre ein. Er verzeichnete Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten. Seitens des Finanzamtes wurden im darauffolgenden Dezember und Jänner Vorhalte an den Beschwerdeführer gerichtet, mit dem Ersuchen, die geltend gemachten Kosten näher zu belegen. Am ergingen via FinanzOnline die gegenständlich angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Sie enthielten die Begründung, die beantragten Werbungskosten hätten nicht berücksichtigt werden können, da keine entsprechenden Nachweise eingereicht worden seien.

Am langten durch eine inländische Steuerberatungskanzlei Beschwerden ein. Es wurde darin näher ausgeführt, wie sich die geltend gemachten Werbungskosten zusammensetzten und beantragt, die angefochtenen Bescheide entsprechend abzuändern.

Es ergingen Beschwerdevorentscheidungen vom , mit denen die Beschwerden als verspätet zurückgewiesen wurden. Die Rechtsmittelfrist betrage gemäß § 245 BAO einen Monat und beginne mit der Bekanntgabe des Bescheides. Die angefochtenen Bescheide seien dem Beschwerdeführer am durch Zustellung in die Databox bekannt gegeben worden. Die Rechtsmittelfrist habe daher am begonnen und am geendet. Ob eine Zustellvollmacht für einen steuerlichen Vertreter vorliege oder nicht, sei unerheblich, wenn die Online-Zustellung von Bescheiden beantragt worden sei.

Die Beschwerdevorentscheidungen wurden an den Beschwerdeführer, z. H. Finanzamt Feldkirch, zugestellt.

Am langte durch die Steuerberatungskanzlei, welche die Beschwerden eingebracht hatte, ein Antrag auf deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht ein. Begründend wurde ausgeführt, über die Beschwerden, die gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016-2018 eingebracht worden seien, sei bis dato keine Entscheidung ergangen.

Ermittlungen durch die Richterin:

Die Richterin wandte sich vorerst mittels E-Mail an die Steuerberatungsgesellschaft und ersuchte um Mitteilung, seit wann diese über eine Zustellungsbevollmächtigung für den Beschwerdeführer verfüge sowie, wann und auf welche Weise sie Kenntnis von den Einkommensteuerbescheiden 2016-2018 vom erlangt habe.

Ein Vertreter der Steuerberatungsgesellschaft teilte der Richterin in der Folge mit, die Zustellungsbevollmächtigung bestehe seit dem . Die vom datierenden Beschwerden seien im digital geführten Akt der Kanzlei - ebenso wie die Steuerbescheide - am hinterlegt worden. In welcher Form die Bescheide in der Steuerberatungskanzlei eingegangen seien, könne nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, offenbar in Scanform.

In der Folge wandte sich die Richterin mit einem Vorhalt an das Finanzamt: "Die Einkommensteuerbescheide 2016-2018 vom wurden an den Beschwerdeführer via FinanzOnline übermittelt, obwohl er eine Steuerberatungskanzlei als Zustellungsbevollmächtigten eingesetzt hatte. Der Richterin wurde über Nachfrage seitens der Steuerberatungskanzlei mitgeteilt, dass die Zustellungsbevollmächtigung seit besteht. Die Beschwerdevorentscheidungen vom wurden per Adresse Finanzamt Feldkirch zugestellt. Warum wurden die Zustellungen in der geschilderten Weise vorgenommen, obwohl ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt war?"

Trotz Zuwartens über die eingeräumte, angemessene Frist hinaus, langte von Seiten des Finanzamtes keine Antwort ein.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:

Strittig ist: Liegt hinsichtlich der Beschwerden eine verspätete Einbringung vor, die einer materiellrechtlichen Einlassung auf das Beschwerdevorbringen entgegensteht?

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung.

Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können gemäß § 9 Abs. 1 ZustG die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat nach § 9 Abs. 3 ZustG die Behörde diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung nach § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden - von hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahmen abgesehen - nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Wird ein Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustG namhaft gemacht, so hat dies zur Folge, dass rechtswirksam nur an den Bevollmächtigten, nicht mehr auch an die Partei selbst zugestellt werden kann. Die Zustellbehörde hat bei Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung an den Zustellungsbevollmächtigten zuzustellen. Der Zustellungsbevollmächtigte ist in der Zustellverfügung grundsätzlich als Empfänger (§ 2 Z. 1 ZustG) zu bezeichnen. Unterbleibt entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 ZustG eine Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen selbst, so ist sie unwirksam. Eine Sanierung ist nach § 9 Abs. 3 Satz 2 Zustellgesetz ist allerdings möglich (vgl. mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Judikatur und die Fachliteratur).

Die Heilung des Zustellmangels tritt in jenem Zeitpunkt ein, in welchem dem Zustellungsbevollmächtigten das Dokument tatsächlich, d. h. im Original, zukommt.

Für den Streitfall lässt sich aus all dem ableiten: Unter Außerachtlassung der unstrittig bestehenden Zustellungsbevollmächtigung für eine inländische Steuerberatungskanzlei, wurden die streitgegenständlichen Bescheide dem Beschwerdeführer im Wege von FinanzOnline zugestellt. Es handelt sich dabei um eine nicht rechtswirksame Zustellung - dem in der Begründung der Beschwerdevorentscheidungen enthaltenen, unsubstantiierten Satz "ob eine Zustellvollmacht für einen steuerlichen Vertreter vorliegt oder nicht ist unerheblich wenn die online Zustellung von Bescheiden beantragt wurde", kommt keine Berechtigung zu. Aus § 37 ZustG, der Zustellungen über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erlaubt, lässt sich nicht ableiten, dass die elektronische Zustellung einer solchen an einen Zustellungsbevollmächtigten vorgeht.

Unstrittig sind gegenständlich die Bescheide schließlich der zustellungsbevollmächtigten, inländischen Steuerberatungskanzlei zugekommen (§ 9 Abs. 3 ZustG). Da ein via FinanzOnline übermittelter Bescheid eine elektronische Signatur trägt, handelt es sich dabei um ein Originaldokument. Die - auf welchem Weg auch immer - mit Signatur in der zustellungsbevollmächtigten Kanzlei eingelangten Bescheide sind daher Originale.

Zumal die Bescheide ebenso wie die Beschwerden (die am beim Finanzamt Feldkirch eingelangt sind) am im elektronischen Akt der Kanzlei hinterlegt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sie der Kanzlei im Zeitraum 01.04. - zugekommen sind.

Geht man vom als Zeitpunkt des Zugehens an die zustellungsbevollmächtigte Kanzlei aus, so tritt die Sanierung des Zustellmangels iSd § 9 Abs. 3 ZustG mit diesem Datum ein und die einmonatige Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs. 1 BAO beginnt an diesem Tag zu laufen.

Die am beim Finanzamt Feldkirch einlangenden Beschwerden waren daher rechtzeitig, weshalb eine Erledigung in Form einer Zurückweisung als verspätet nicht in Betracht kommt.

Warum die insofern zu Unrecht zurückweisenden Beschwerdevorentscheidungen vom im Übrigen weder an die zustellungsbevollmächtigte Steuerberatungskanzlei, noch via FinanzOnline an den Beschwerdeführer, vielmehr an den Beschwerdeführer "z.H. Finanzamt Feldkirch, ***2***" adressiert wurden, bleibt - da die Abgabenbehörde eine entsprechende Nachfrage mittels Vorhaltes durch die Richterin nicht beantwortet hat - unerfindlich.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel iSd § 25 Abs. 1 ZustG ist die Zustellung der "Beschwerdevorentscheidungen" unwirksam geblieben. Die Beschwerdevorentscheidungen vom haben somit keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, es handelt sich um rechtlich nicht existent gewordene Bescheide. Die streitgegenständlichen Beschwerden sind daher weiterhin unerledigt.

Gemäß § 264 Abs. 4 iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist ein Vorlageantrag mit Beschluss zurückzuweisen, wenn er nicht zulässig ist. Die Zurückweisung obliegt dem Bundesfinanzgericht.

Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (vgl. Ritz, BAO6, § 264 Tz 6 mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Judikatur).

Da Beschwerdevorentscheidungen betreffend die eingebrachten Beschwerden wie oben beschrieben (bisher) nicht erlassen wurden, war der Vorlageantrag als unzulässig zurückzuweisen.

Im Zuge der Erledigung der noch offenen Beschwerden wird es Sache der Abgabenbehörde sein, auf das materiellrechtliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Vorlageantrages ergeben sich in klarer Weise aus dem Gesetz.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 37 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 25 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100355.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at